Urteil des VG Köln vom 10.12.2009

VG Köln (datenverarbeitung, technik, information, verfügung, höhe, tätigkeit, wirtschaftszweig, behörde, zwangsgeld, vollstreckung)

Verwaltungsgericht Köln, 20 K 1961/09
Datum:
10.12.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 1961/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d:
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Mit Schreiben vom 18.12.2008 wandte sich das Landesamt für Datenverarbeitung und
Statistik Nordrhein-Westfalen an die Klägerin. Man habe sie bereits mit Schreiben vom
08.12.2008 um spezifizierte Auskunft zu der Haupttätigkeit ihres Unternehmens
gebeten, da "Industrieisolierung" eventuell zu einer anderen als der bisher
angenommenen Statistik gehören könne. Der zurückgeschickte Erhebungsvordruck für
November beinhalte nur Angaben zu den tätigen Personen sowie die Anmerkung "kein
Bauhauptgewerbe". Eine weitergehende Begründung sei nicht vorhanden. Wegen
fehlender Angaben zu Verdienst, Umsatz, Arbeitsstunden und Auftragseingang könne
der Erhebungsvordruck nicht verarbeitet werden, die Klägerin habe somit ihre
Auskunftspflicht nicht erfüllt. Sie werde nochmals um Auskunft bis zum 29.12.2008
gebeten. Bis über die statistische Zugehörigkeit des Betriebes entschieden werden
könne, verbleibe die Klägerin weiterhin im Monatsbericht "Monatsbericht im
Bauhauptgewerbe".
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Unter dem Briefkopf "Information und Technik Nordrhein-Westfalen, Geschäftsbereich
Statistik", forderte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 04.02.2009 auf, binnen
zwei Wochen nach Zustellung der Verfügung die von dem Unternehmen ausgeübten
wirtschaftlichen Tätigkeiten zu beschreiben und den auf die einzelnen Tätigkeiten
entfallenen prozentualen Umsatz anzugeben. Für den Fall der Nichterfüllung der
Anordnung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR angedroht. Die Beklagte
wies zugleich darauf hin, dass nach einer Organisationsentscheidung des
Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen das bisherige Landesamt für
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Datenverarbeitung und Statistik ab dem 01.01.2009 unter dem Namen Information und
Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) weiter in der Funktion als statistisches
Landesamt für Nordrhein-Westfalen tätig sei. Mit Schreiben vom 10.02.2009 übersandte
die Steuerberaterin Miehseler im Auftrag der Klägerin eine Kopie eines Schreibens der
Bundesagentur für Arbeit an die Klägerin vom 24.07.2007 (betr.
Winterbeschäftigungsumlage). Darin heißt es, dass die von der Klägerin erbrachten
Leistungen Industrieisolierungen und Industrie-Rohrleitungsbau baufremde Leistungen
seien, so dass die Umlage nicht zu entrichten sei.
Mit Schreiben vom 13.02.2009 teilte die Beklagte Frau Miehseler mit, dass anhand des
von ihr übersandten Schreibens eine Zuordnung der Klägerin zu einem
Wirtschaftszweig nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 nicht möglich sei.
Die amtliche Statistik unterscheide nicht zwischen Bauhauptgewerbe und
Baunebengewerbe, sondern ausschließlich zwischen Bauhauptgewerbe und
Ausbaugewerbe. Die Systematik der Wirtschaftszweige ordne die Wirtschaft von der
Urproduktion bis zum Endverbraucher nach methodisch-statistischen Gesichtspunkten.
Die "Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008" gehe bei der Bestimmung des
Wirtschaftszweiges einer Wirtschaftseinheit von einer wirtschaftlichen Tätigkeit aus, die
gekennzeichnet sei durch einen Güterinput (Waren und Dienstleistungen), einen
Produktionsprozess und einen Güteroutput. In der Praxis betätigten sich die
Wirtschaftseinheiten zumeist in verschiedenen Wirtschaftszweigen. Die statistische
Zuordnung der Wirtschaftseinheit erfolge nach der WZ 2008 nach der Haupttätigkeit.
Nach den vorhandenen Unterlagen werde die Klägerin dem Wirtschaftszweig
"Rohrleitungstiefbau, Brunnenbau und Kläranlagenbau" und damit dem
Bauhauptgewerbe zugeordnet. Um sie einem richtigen Wirtschaftszweig zuordnen zu
können, würden detaillierte Informationen benötigt, welche Tätigkeiten die Klägerin
ausübe, verbunden mit einer Gewichtung der erbrachten Leistungen. Erst nach
Vorliegen dieser Angaben könne eine konkrete schwerpunktmäßige Zuordnung zu
einem bestimmten Wirtschaftszweig vorgenommen werden.
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Mit Verfügung vom 19.03.2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die zurückgesandten
Erhebungsvordrucke zum Monatsbericht im Bauhauptgewerbe für Januar und Februar
2008 seien in dieser Form für statistische Zwecke nicht verwertbar gewesen. Es lägen
immer noch keine detaillierten Informationen über die im Unternehmen der Klägerin
ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten vor. Daher werde das angedrohte Zwangsgeld
in Höhe von 200,00 EUR festgesetzt, außerdem würden Auslagen in Höhe von 3,50
EUR erhoben. Die Klägerin werde nochmals aufgefordert, bis zum 06.04.2009 die von
ihrem Unternehmen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten zu beschreiben und den
auf die einzelnen Tätigkeiten entfallenen prozentualen Umsatz anzugeben. Für den Fall
der Nichtbefolgung werde ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR
angedroht.
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Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben. Der angefochtene Bescheid sei
unter verschiedenen Aspekten rechtswidrig. Nach § 56 Abs. 1 VwVG NRW sei nur die
erlassende Behörde zur Vollziehung des Verwaltungsaktes ermächtigt. Dies sei im
vorliegenden Fall allein das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik. Es sei nicht
ersichtlich, ob und wie die Beklagte Gesamtrechtsnachfolgerin geworden sei. Die
Bescheide ließen nicht erkennen, dass es sich bei dem Absender um eine Behörde
handele und nicht etwa um einen Dritten, der sich wettbewerbsrelevante Daten
beschaffen wolle. Denn das Wappenzeichen NRW dürfe auch von Dritten benutzt
werden. Der Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen,
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Geschäftsbereich Statistik, sei nicht zum hoheitlichen Handeln befugt. Es fehle an
einem entsprechenden Übertragungsakt gem. § 14 a Abs. 2 LOG. § 1 Abs. 1 S. 2 der
Betriebssatzung sei als Akt der Binnenorganisation ungeeignet, eine Berechtigung zur
Eingriffsverwaltung auf den Landesbetrieb übergehen zu lassen. Auch das frühere
Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik habe nicht über eine entsprechende
Ermächtigungsgrundlage verfügt. An anderer Stelle sei das Problem erkannt und
geregelt worden, so etwa in § 1 Abs. 1 Nr. 3 LVB-VO bezüglich der Übertragung der
Vollstreckung der ihnen zustehenden Geldforderungen auf bestimmte Landesbetriebe.
Schließlich werde die sachliche Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BStatG überschritten,
welche nur die Erhebung von Angaben "zur Klärung des Kreises der zu Befragenden
und deren statistischer Zuordnung" erlaube, weil die im Rahmen der
Erhebungsvordrucke abgefragten Daten über diese Auskünfte hinausgingen. Insoweit
komme auch § 9 des Gesetzes über die Statistik im produzierenden Gewerbe nicht als
Ermächtigungsgrundlage in Betracht, weil die Klägerin nicht zu den entsprechenden
Branchen zähle. Schließlich sei die Klägerin ihren Erklärungspflichten durch die
Übersendung des Schreibens der Bundesagentur für Arbeit vom 24.07.2007 vollständig
nachgekommen. Da sie nur Industrieisolierungsarbeiten und
Industrierohrleitungsarbeiten erbringe, die nicht in den Bereich des Bauhauptgewerbes
fielen, habe sie keine darüber hinausgehenden Auskünfte erteilen können und habe
dementsprechend "Null-Meldungen" für die Berichtsmonate Juni, Oktober und
November 2008 abgegeben. Die Klägerin beantragt,
die Verfügung der Beklagten vom 19.03.2009 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie weist darauf hin, dass das bisherige Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik
nunmehr unter "Information und Technik Nordrhein-Westfalen" (IT.NRW) firmiere und
weiterhin die Funktion als statistisches Landesamt ausübe. Schon der Briefkopf mit dem
Landeswappen wie auch Inhalt des Schreibens und der Hinweis auf die neue
Bezeichnung lasse auf eine hoheitliche Aufgabenwahrnehmung schließen. Der
Landesbetrieb sei auch zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben befugt. Die Klägerin
habe bisher ihre Auskunftspflicht nicht erfüllt. Sie vermische die Heranziehung zum
Monatsbericht im Bauhauptgewerbe mit der verlangten Auskunft zu ihrer wirtschaftlichen
Tätigkeit.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Zwangsgeldfestsetzung vom 19.03.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin
nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
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Die streitige Verfügung ist unter formellen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.
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Die Kammer hat keinen Zweifel, dass der Landesbetrieb Information und Technik
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Nordrhein-Westfalen, Geschäftsbereich Statistik, im Rahmen seiner hier maßgeblichen
Tätigkeit (Verfügungen vom 04.02.2009 und vom 19.03.2009) als handelnde Behörde
erkennbar war. Denn bereits in der Verfügung vom 04.02.2009 ist ausdrücklich
ausgeführt worden, dass aufgrund einer Organisationsentscheidung des Innenministers
das bisherige Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik ab dem 01.01.2009 mit
dem Namen Information und Technik Nordrhein-Westfalen weiter in der Funktion als
statistisches Landesamt für Nordrhein-Westfalen tätig ist (wobei auch die bisherige
Postanschrift beibehalten wird). Der Hinweis der Klägerin, es könne sich ggfls. auch um
einen Dritten handeln, der sich wettbewerbsrelevante Daten verschaffen wolle, ist im
Hinblick auf diese Gegebenheiten für die Kammer in keiner Weise nachvollziehbar.
Der beklagte Landesbetrieb ist auch gem. § 1 der Verordnung über die zuständige
Behörde für Bundesstatistiken vom 11.02.1980 i.V.m. § 5 Abs. 3 S. 1 LOG für die
Durchführung der Bundesstatistik zuständig. Dass sich die Organisationsform und der
Name des in der Verordnung genannten Landesamtes für Datenverarbeitung und
Statistik zwischenzeitlich geändert haben, hat auf die genannte Aufgabenzuweisung
keine Auswirkungen.
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Der beklagte Landesbetrieb hat auch die Befugnis zum hoheitlichen Handeln.
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Gem. § 14 Abs. 1 LOG haben die obersten Landesbehörden (also die zuständigen
Landesministerien - § 4 Abs. 1 LOG -) die Befugnis, Einrichtungen des Landes zu
errichten. Diese können gem. § 14 a auch als Landesbetriebe organisiert werden; diese
wiederum können auch hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Insoweit ist zunächst das
Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik durch die vom Innenministerium mit
Runderlass vom 24.11.2000 erlassene Betriebssatzung als Landesbetrieb organisiert
worden. Mit der durch Runderlass des Innenministeriums vom 15.11.2008 erlassenen
Betriebssatzung ist der Name des Landesbetriebes in Landesbetrieb Information und
Technik - im hier fraglichen Bereich Statistik mit dem Zusatz "Geschäftsbereich Statistik"
- umbenannt und seine Tätigkeit teilweise neu geregelt worden. Auf der Grundlage des
§ 14 a Abs. 2 LOG und der Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 der Betriebssatzung vom
15.11.2008 ist dem Landesbetrieb in § 3 Nr. 1 der Betriebssatzung u.a. die
Durchführung der durch Bundesrecht angeordneten Statistiken übertragen worden,
mithin also eine hoheitliche Tätigkeit. Einer - von der Klägerin möglicherweise
vermissten - zusätzlichen Übertragung von hoheitlichen Befugnissen bedarf es nicht.
Denn dass eine übertragene hoheitliche Aufgabe auch mit dem üblichen hoheitlichen
Instrumentarium wahrgenommen und durchgesetzt werden darf, versteht sich im
vorliegenden Zusammenhang von selbst. Entsprechend der hoheitlichen
Aufgabenwahrnehmung ist in § 10 Abs. 1 der Betriebssatzung auch vorgesehen, dass
die Wahrnehmung dieser Aufgaben durch die Zuführung aus dem Landeshaushalt
sichergestellt wird.
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Die Zwangsgeldfestsetzung ist auch im Übrigen rechtmäßig.
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Gem. § 6 Abs. 1 BStatG können u.a. die statistischen Ämter der Länder zur Vorbereitung
und Durchführung durch Rechtsvorschrift angeordneter Bundesstatistiken (dazu gehört
u.a. die gem. Gesetz über die Statistik im produzierenden Gewerbe erstellte Statistik) zur
Klärung des Kreises der zu Befragenden und deren statistischer Zuordnung Angaben
erheben. Dies hat die Beklagte hier getan, indem sie die Klägerin aufgefordert hat,
detaillierte Angaben über die von ihr ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten zu machen
und die auf die einzelnen Tätigkeiten entfallenden Umsatzanteile anzugeben, damit
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überprüft werden kann, ob der Betrieb der Klägerin unter den Bereich Bauhauptgewerbe
oder einen anderen Statistikbereich fällt.
Dieser Aufforderung ist die Klägerin bislang nicht in genügender Weise
nachgekommen. Das Schreiben der Bundesagentur für Arbeit an die Klägerin vom
24.07.2007 enthält diesbezüglich keine nachvollziehbaren Angaben. Die Eintragungen
in den Erhebungsvordrucken für die Monatsberichte im Bauhauptgewerbe ermöglichen
ebenfalls nicht die genaue Zuordnung zu einer Statistik. Dabei ist die hier streitige
Auskunftsverpflichtung, die mit Verfügung vom 04.02.2009 förmlich ausgesprochen
worden ist, allerdingst nicht identisch mit der Verpflichtung zur Abgabe der
Monatsberichte im Bauhauptgewerbe als solcher, worauf die Beklagte im
Klageverfahren nochmals ausdrücklich hingewiesen hat. Denn die von der Klägerin
verlangten Angaben sollen überhaupt erst die Überprüfung ermöglichen, ob die
vorläufig vorgenommene Zuordnung zum Bauhauptgewerbe den tatsächlichen
Gegebenheiten entspricht.
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Mangels Erfüllung der Auskunftspflicht konnten entsprechend der Androhung das
Zwangsgeld von 200.- Euro gem. §§ 55, 56, 57, 60 und 64 VwVG NRW festgesetzt und
außerdem die Auslagen nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 KostO NRW erhoben werden.
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Die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes findet seine Rechtsgrundlage in §§ 55,
56, 57, 60 und 63 VwVG NRW.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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