Urteil des VG Köln vom 05.03.2007

VG Köln: stadt, vergnügungssteuer, spieleinsatz, satzung, reformatio in peius, gerät, auflage, steuersatz, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, bier

Verwaltungsgericht Köln, 23 K 1813/03
Datum:
05.03.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
23. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 K 1813/03
Tenor:
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren
eingestellt. Im Übrigen werden der Vergnügungssteuerbescheid des
Beklagten vom 6. Januar 2003, dessen Widerspruchsbescheid vom 26.
März 2003 und der Abänderungsbe- scheid vom 5. Februar 2007
aufgehoben, soweit darin eine Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte in
Höhe von 110.976,- EUR festgesetzt worden ist. Die Kosten des
Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5. Das
Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin
gegen Si- cherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages. Die
Klägerin darf die Voll- streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwen- den, wenn nicht der Beklagte zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zur Vergnügungssteuer für das Jahr
2003. Sie betreibt ein Unternehmen zur Aufstellung von Apparaten mit und ohne
Gewinnmöglichkeit in Spielhallen und Gastronomiebetrieben. Nach der Ver-
gnügungssteuersatzung der Stadt Köln vom 20. Dezember 2002 (VStS) (§ 8 Abs. 1 lit. a)
VStS) betrug die Steuer für in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen gehaltene
Apparate mit Gewinnmöglichkeit für jeden angefangenen Kalendermonat 245,- EUR
und für sonstige Apparate 61,- EUR je Apparat. Die Steuer betrug nach § 8 Abs. 1 lit. b)
VStS für in Schankwirtschaften, Speisewirtschaften, Beherbergungsbetrieben,
Wettannahmestellen, Kantinen, Vereins- oder ähnlichen Räumen sowie an anderen
jedermann zugänglichen Orten gehaltene Apparate mit Gewinnmöglichkeit 46,00 EUR
für das erste Gerät und 61,00 EUR ab dem zweiten Gerät am selben Veranstaltungsort;
für sonstige Apparate 23,00 EUR für das erste Gerät und 31,00 EUR ab dem zweiten
Gerät am selben Veranstaltungsort.
2
Mit Vergnügungssteuerbescheid vom 6. Januar 2003 setzte der Beklagte gegen die
Klägerin gestützt auf die Vergnügungssteuersatzung der Stadt Köln vom 20. De- zember
2002 eine Steuer für das Jahr 2003 von insgesamt 142.716,- EUR fest. Die- ser Betrag
setzte sich zusammen aus einem Betrag von 108.780,- EUR für die Auf- stellung von 37
Apparaten mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen, von 21.960,- EUR für die Aufstellung
von 30 Unterhaltungsgeräten in Spielhallen, von 5.520,- EUR für die Aufstellung von 10
3
Apparaten mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten, von 1.656,- EUR für die Aufstellung
von 6 Unterhaltungsgeräten in Gaststätten, von 2.604,- EUR für die Aufstellung von 7
Unterhaltungsgeräte als Zweitgeräte in Gaststätten und von 2.196,- EUR für die
Aufstellung von 3 Apparaten mit Gewinnmöglichkeit als Zweitge- räte in Gaststätten. Die
Beträge waren jeweils auf 12 Monate gerechnet.
Mit insgesamt drei Berichtigungsbescheiden vom 24. Januar 2003 wurde auf- grund
einer Veränderung im Gerätebestand die Steuer erhöht; wegen der Einzelhei- ten wird
auf diese Bescheide verwiesen.
4
Gegen die Bescheide vom 6. und 24. Januar 2003 erhob die Klägerin mit Schriftsatz
vom 6. Februar 2003 Widerspruch, zu dessen Begründung sie angab, dass die
Vergnügungssteuer in der veranlagten Höhe erdrosselnde Wirkung habe, da ein
durchschnittliches Automatenaufstellunternehmen vor Ort weder eine angemessene
Kapitalverzinsung noch einen Unternehmerlohn mehr erwirtschaften könne.
5
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2003, zugestellt am 10. März 2003, wies der
Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 6. Januar 2003 als
unbegründet zurück.
6
Die Klägerin hat am 26. März 2003 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im
Wesentlichen darauf abgestellt hat, der in der Satzung verwendete Stückzahlmaßstab
verstoße gegen Art. 105 Abs. 2 a GG; ferner habe die Vergnügungssteuer erdrosselnde
Wirkung, zumal sie sich als Aufwandsteuer auch nicht auf den Endverbraucher
überwälzen lasse, da der Spieleinsatz auf 0,20 EUR begrenzt sei.
7
Die Klägerin hat ursprünglich schriftsätzlich beantragt, den Vergnügungssteuerbescheid
des Beklagten vom 6. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.
Februar 2003 aufzuheben, soweit die Besteuerung das Halten von Spielgeräten in
Spielhallen umfasst und für Apparate mit Gewinnmöglichkeit und Unterhaltungsgeräte in
Gaststätten ab dem 2. Gerät ein höherer Steuersatz veranlagt wird.
8
Aufgrund von Änderungen im Gerätebestand hat der Beklagte durch Bescheide vom 3.
und 9. April 2003 seine Vergnügungssteuerforderung gegen die Klägerin für das Jahr
2003 reduziert; wegen der Einzelheiten wird auf diese Bescheide verwiesen.
9
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 13. April 2005 - 10 C 5.04 - den
sog. Stückzahlmaßstab für Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit nur noch unter
engen Voraussetzungen für zulässig erklärt hat, hat die Stadt Köln eine rückwirkende
Satzung zur Besteuerung des Spielvergnügens an Geldspielgeräten im Gebiet der Stadt
Köln vom 16. Dezember 2005, geändert durch Satzung vom 10. Oktober 2006, erlassen
und den bisher verwendeten Stückzahlmaßstab durch den - näher definierten - Maßstab
des Spieleinsatzes ersetzt. Die Satzung ist zum 1. Januar 2003 rückwirkend in Kraft
gesetzt worden und gilt ausschließlich für Geräte, für die noch keine bestandskräftige
Steuerfestsetzung nach den Regelungen der Vergnügungssteuersatzung vom 20.
Dezember 2002 sowie der Vergnügungssteuersatzung vom 19. Dezember 2003 in der
Fassung der 1. Änderungssatzung vom 14. April 2004 erfolgt ist. Gemäß der so
geänderten Satzung sind die Steuerschuldner gehalten gewesen, dem Kassen- und
Steueramt der Stadt Köln bis zum 15. März 2006 je Aufstellort eine Steuererklärung
nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck unter Beifügung sämtlicher
Zählwerksausdrucke (Kas- senstreifen) der zu versteuernden Geräte einzureichen. Auf
10
diese Bestimmung der Satzung hat der Beklagte die Klägerin durch Schreiben vom 29.
Dezember 2005 ausdrücklich hingewiesen. Eine Steuererklärung in dieser Form hat die
Klägerin in der Folgezeit nicht abgegeben.
Mit Abänderungsbescheid vom 5. Februar 2007 hat der Beklagte seinen
Steuerbescheid vom 6. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
26. Februar 2003 dahin berichtigt, dass die Vergnügungssteuer für den Zeitraum 1.
Januar bis 31. Dezember 2003 für die im Kölner Stadtgebiet aufgestellten
Geldspielgeräte nicht mehr nach dem Stückzahlmaßstab, sondern nach den für die
Nutzung der Geräte aufgewendeten Beträgen (Spieleinsatz) berechnet und im Wege der
Schätzung auf 110.976,- EUR festgesetzt wird. Zur Begründung hat er im Wesentlichen
ausgeführt, die nunmehr festgesetzte Steuerforderung finde ihre Rechtsgrundlage in der
rückwirkenden Satzung zur Besteuerung des Spielvergnügens an Geldspielgeräten im
Gebiet der Stadt Köln vom 16. Dezember 2005, geändert durch Satzung vom 10.
Oktober 2006. Die Besteuerungsgrundlagen seien im Wege der Schätzung ermittelt
worden, da die Klägerin den Spieleinsatz nicht erklärt habe. Er - der Beklagte - gehe
davon aus, dass sich nach dem tatsächlich ermittelten Spieleinsatz keine niedrigere als
die bisher festgesetzte Steuer ergeben würde. Insoweit halte er es für sach- und
ermessensgerecht, in Höhe der bisherigen Forderungen zu schätzen. Für in Spielhallen
aufgestellte Geld- spielgeräte sei von einem geschätzten Spieleinsatz in Höhe von
4.900,- EUR pro Gerät und Monat auszugehen und für Zweitgeräte mit
Gewinnmöglichkeit in Gaststätten von einem geschätzten Spieleinsatz von 1.220,- EUR.
11
Am 7. Februar 2007 hat die Klägerin die Klage insoweit zurückgenommen, als die
Festsetzung der Vergnügungssteuer für Unterhaltungsgeräte ohne Gewinnmöglichkeit
von ihr angefochten worden ist.
12
Die Klägerin macht nunmehr geltend, auch dem Abänderungsbescheid des Beklag- ten
ermangele es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Der Erlass einer rückwir- kenden
Satzung sei im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unwirksam.
Die jetzt vorgenommene Schätzung entspreche im Übrigen nicht den Vorgaben des §
162 AO.
13
Die Klägerin beantragt,
14
den Bescheid des Beklagten vom 6. Januar 2003, dessen Widerspruchsbescheid vom
26. Februar 2003 sowie den Abänderungsbescheid vom 5. Februar 2007 aufzuheben,
soweit darin eine Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte in Höhe von 110.976,- EUR
festgesetzt worden ist.
15
Der Beklagte beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Zur Begründung seines klageabweisenden Antrags verweist er im Wesentlichen auf
seine Ausführungen im Abänderungsbescheid vom 5. Februar 2007.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19
Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3
Satz 1 VwGO einzustellen.
20
Die Einbeziehung des Abänderungsbescheides des Beklagten vom 5. Februar 2007 in
das Klagebegehren ist zulässig. Es handelt sich um eine Klageänderung im Sinne von
§ 91 Abs. 1 VwGO, die schon deshalb zulässig ist, weil der Beklagte sich
widerspruchslos in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen
hat (§ 91 Abs. 2 VwGO), indem er zur Sache verhandelt hat. Im Übrigen ist die Änderung
auch sachdienlich, da eine gerichtliche Entscheidung geeignet ist, den Streit zwischen
den Beteiligten voraussichtlich endgültig auszuräumen und der Streitstoff im
Wesentlichen derselbe bleibt,
21
zu diesen Kriterien vgl. nur Schmid in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage 2006, § 91 Rz.
36; Eyermann/Rennert, VwGO, 12. Auflage 2006, § 91 Rz. 31; Kopp/Schenke, VwGO,
14. Auflage 2005, § 91 Rz. 19 jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung.
22
Die so geänderte Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere bedarf es nicht der
Durchführung eines erneuten Widerspruchsverfahrens, ein solches ist vielmehr aus
Gründen der Verfahrensökonomie entbehrlich,
23
vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1990 - 8 C 48.88 -, BVerwGE 85, 163, 166, 167;
Geis in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage 2006, § 68 Rz. 169; Eyermann/Rennert,
VwGO, 12. Auflage 2006, § 68 Rz. 34 jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung.
24
Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 6. Januar
2003 und dessen Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2003, jeweils in Gestalt des
Abänderungsbescheides vom 5. Februar 2007, sind rechtswidrig und verletzen die
Klägerin in ihren Rechten, soweit in ihnen Vergnügungssteuer für Apparate mit
Gewinnmöglichkeit in Höhe von 110.976,- EUR festgesetzt worden ist (§ 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO).
25
I. Der Beklagte kann die streitgegenständlichen Bescheide nicht auf die rückwirkende
Satzung zur Besteuerung des Spielvergnügens an Geldspielgeräten im Gebiet der Stadt
Köln vom 16. Dezember 2005 in ihrer Fassung vom 10. Oktober 2006 (VStS) stützen,
weil diese in materieller Hinsicht nicht wirksam ist.
26
Das Gericht hat kommunale Vergnügungssteuersatzungen inhaltlich darauf zu
überprüfen, ob der Satzungsgeber die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 105
Abs. 2 a GG beachtet, sich an die landesgesetzlichen Bestimmungen der §§ 2 und 3
KAG NRW hält, und ob er den ihm verbleibenden Gestaltungsspielraum angemessen
ausfüllt, insbesondere dem Gebot der sachgerechten Abwägung der betroffenen
Belange, zu denen vor allem die Grundrechtspositionen des Steuerpflichtigen zählen,
entsprochen hat,
27
vgl. insoweit grundlegend Gerhardt/Bier in Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, §
47 (Stand: Juli 2005) Rz. 97 ff m.w.N. .
28
Das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Abwägungsgebot
beinhaltet im Kern die Pflicht, das nach Lage der Dinge erhebliche Abwägungsmaterial
sorgfältig zu ermitteln, sachentsprechend zu gewichten und unvoreingenommen und
distanziert in einer Weise abzuwägen, die dem Gewicht der betroffenen Belange
29
Rechnung zu tragen versucht, um auf diese Weise zu einem rechtmäßigen,
insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragenden
Abwägungsergebnis zu gelangen,
Gerhardt/Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 47 (Stand: Juli 2005) Rz.
100 m.w.N. . Mängel im Abwägungsvorgang sind als Ausfluss eines allgemeinen
Rechtsgedan- kens erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis
von Einfluss gewesen sind,
30
Gerhardt/Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 47 (Stand: Juli 2005) Rz.
101 ff. m.w.N. .
31
Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben erweist sich die rückwirkende
Vergnügungssteuersatzung der Stadt Köln vom 16. Dezember 2005 in ihrer Fassung
vom 10. Oktober 2006 als rechtsunwirksam.
32
1. Dem Rat der Stadt Köln ist hier zunächst ein rechtserheblicher Verstoß gegen das
rechtsstaatliche Abwägungsgebot bei der Wahl der steuerlichen Bemessungsgrundlage
unterlaufen. § 3 Satz 1 VStS schreibt als Bemessungsgrundlage der Besteuerung des
Spielvergnügens an Geldspielgeräten den Spieleinsatz vor. Als Spieleinsatz gilt alles,
was für die Benutzung des Spielgerätes aufgewendet wird (§ 3 Satz 2 VStS). Neben
dem Geldeinwurf am Spielgerät sind dies zum Beispiel auch Eintrittsgelder oder
Aufwendungen für Kundenkarten (§ 3 Satz 3 VStS). Nach der dem Gericht vorliegenden
Begründung der Beschlussvorlage für die Sitzung des Rats am 15. Dezember 2005
(Drucksa- chen-Nr. 1745/005) wurde die Bemessungsgrundlage des Spieleinsatzes
vom Satzungsgeber ausgewählt, weil nur diese den Aufwand der Spieler für ihr
Spielvergnügen als das eigentliche Besteuerungsgut wirklich abbilde. Es sei zwar auch
denkbar, an den Kasseninhalt bzw. an das Einspielergebnis anzuknüpfen. Dann würde
die Vergnügungssteuer jedoch zu einer am Umsatz orientierten Steuer, die sie gerade
nicht sein solle, da dies die Verhältnisse des Aufstellers beträfe, nicht dagegen die des
Steuersubjekts, des Spielers und seines Aufwandes.
33
a) Diese Überlegungen gehen nach Auffassung der Kammer bereits deshalb fehl, weil
der Satzungsgeber damit wohl das Gleichartigkeitskriterium des Art. 105 Abs. 2 a GG
und die europarechtliche Vorgabe des Art. 33 Abs. 1 RL 77/388/EWG (6. EG-Richtlinie)
ansprechen wollte, diese aber nicht richtig sieht. Nach ständiger Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs,
34
vgl. zuletzt Urteil vom 9. März 2000 - Rechtssache C - 437/97 -, Slg. 2000, Seite I - 1157
Rz. 20, 21 m.w.N.,
35
soll Artikel 33 der 6. EG-Richtlinie, der den Mitgliedsstaaten die Befugnis zur
Beibehaltung oder Einführung bestimmter indirekter Abgaben nur belässt, sofern es sich
dabei nicht um Abgaben handelt, „die... den Charakter von Umsatzsteuern haben",
verhindern, dass das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch
steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedsstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und
Dienstleistungsverkehr belasten und ge- werbliche Umsätze in einer mit der
Mehrwertsteuer vergleichbaren Art und Weise erfassen. Solche steuerlichen
Maßnahmen sind zumindest Steuern, Abgaben und Gebühren, die die wesentlichen
Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, auch wenn sie nicht in allen Punkten mit
dieser übereinstimmen. Diese wesentlichen Merkmale sind, wie der Europäische
36
Gerichtshof in seiner Rechtsprechung herausgestellt hat,
vgl. nur Urteil vom 9. März 2000, a.a.O., Rz. 22,
37
die folgenden: Die Mehrwertsteuer gilt ganz allgemein für alle Umsätze mit Gegen-
ständen und Dienstleistungen; sie ist, unabhängig von der Anzahl der Geschäfte,
proportional zum Preis dieser Gegenstände und Dienstleistungen; sie wird auf jeder
Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben und sie erfasst schließlich den
Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen, d.h. die bei einem Umsatz
entstehende Steuer wird unter Abzug der Steuer berechnet, die bei dem
vorhergehenden Umsatz entrichtet worden ist. Daraus folgt, dass Art. 33 der Richtlinie
77/388/EWG der Beibehaltung oder Einführung einer Abgabe seitens eines
Mitgliedsstaats der Europäischen Union nicht entgegensteht, wenn diese Abgabe eines
der aufgezeigten wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer nicht aufweist,
38
vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2000, a.a.O., Rz. 23.
39
Gemessen an diesen Grundsätzen besteht bei Verwendung des Einspielergebnisses
bzw. des Kasseninhalts als Steuermaßstab in einer Vergnügungssteuersatzung keine
Gleichartigkeit mit der Umsatzsteuer. Dies folgt schon daraus, dass die erhobene
Vergnügungssteuer keine allgemeine Steuer ist. Denn sie erfasst nicht alle Umsätze im
Gebiet der Stadt Köln, sondern nach § 2 VStS nur die entgeltliche Benutzung von
Geldspielgeräten. Die Vergnügungssteuer wird weiter nicht auf jeder Stufe der
Erzeugung und des Vertriebs erhoben. Die Steuer knüpft ausschließlich an die
Benutzung der Spielgeräte, nicht aber an ihre Herstellung oder an ihren Verkauf an.
40
Aus dem Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2 a GG folgt nichts anderes. Dieses
erfasst nicht die herkömmlichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, selbst wenn
diese dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausschöpfen wie
Bundessteuern. Zu diesen traditionellen Kommunalsteuern gehört auch die
Vergnügungssteuer,
41
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2001 - 1 BvR 624/00 -, NVwZ 2001, 1264 m.w.N.;
ferner zuletzt Sächs. OVG, Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 5 BS 242/06 -.
42
Mit der Einschätzung, dass die Vergnügungssteuer nach dem Maßstab des
Einspielergebnisses bzw. Kasseninhalts gleichartig zur Umsatzsteuer und deswegen
dieser Maßstab nicht zulässig sei, geht der Satzungsgeber von falschen rechtlichen
Voraussetzungen aus, was seine Abwägungsentscheidung fehlerhaft macht, zumal
auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung zum
Stückzahlmaßstab,
43
BVerwG, Urteil vom 13. April 2005 - 10 C 5.04 -, Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer
Nr. 38, ersichtlich von der Zulässigkeit des Einspielergebnisses als Steuermaßstab
ausgeht. Darüber hinaus haben mittlerweile andere Gerichte zur Zulässigkeit des
Einspielergebnisses als Steuermaßstab Stellung bezogen und diesen grundsätzlich für
rechtmäßig erachtet,
44
vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 5 BS 242/ 06 -; OVG Schleswig-
Holstein, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 LB 11/04 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 25.
September 2006 - 25 K 4880/06 -; VG Minden, Urteil vom 17. Januar 2007 - 11 K
45
3272/06 - .
b) Der Rat hat des Weiteren ausweislich der Beschlussvorlage für die Sitzung am 15.
Dezember 2005 nicht die Schwierigkeiten gesehen, die mit der Verwendung des
Maßstabs „Spieleinsatz" - gerade für vergangene Besteuerungszeiträume - verbun- den
sind, obwohl sich diese Fragen für den sachkundigen Betrachter aufgedrängt haben und
auch vom Deutschen Städtetag angesprochen worden sind,
46
vgl. Ramin, Das Görlitzer Modell zur Besteuerung von Spielapparaten und - automaten,
KStZ 2006, S. 68 ff. (70, 71).
47
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass dieser Maßstab nicht durch die
Benutzung des Gewinnspielgerätes als Geldwechsler sowie durch Falsch-, Fremd- und
Prüftestgeld verfälscht werden darf; Geldeinwürfe zu solchen Zwecken stellen keinen
„Spieleinsatz" dar,
48
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2006 - 14 B 2139/06 -; VG Köln,
Beschluss vom 5. Januar 2007 - 23 L 1865/06 - .
49
Der Rat hat sich hier zum einen nicht mit der Frage beschäftigt, ob derartige nicht als
Vergnügungsaufwand zu qualifizierende Geldeinwürfe für vergangene Zeiträume noch
zutreffend ermittelt werden können oder ob ihr Anteil so gering ist, dass sie eine zu
vernachlässigende Größe darstellen,
50
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2006 - 14 B 2139/06 -.
51
Zum anderen ist der Rat nicht der Frage nachgegangen, ob es überhaupt möglich ist,
den für die Besteuerung maßgeblichen Spieleinsatz für die Vergangenheit konkret zu
ermitteln. Diese Frage drängte sich hier auf, weil Geldspielgeräte erstmals auf der
Grundlage der zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Spielverordnung (in der Fassung
der Bekanntmachung vom 27. Januar 2006, BGBl. I 2006, S. 280) eine
Kontrolleinrichtung haben müssen, die es ermöglicht, auch sämtliche Einsätze für
steuerliche Erhebungen zu dokumentieren (vgl. § 12 Abs. 2 lit. d und § 13 Abs. 2 Nr. 8
SpielV 2006). Geldspielgeräte, deren Bauart vor dem 1. Januar 2006 zugelassen
worden ist, dürfen hingegen entsprechend dem Inhalt des Zulassungsbelegs
weiterbetrieben werden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SpielV 2006). Nach der
selbstverpflichtenden Vereinbarung über den Einbau von manipulationssicheren
Zählwerken vom 15. November 1989 nebst der zu- gehörigen Ergänzung (vgl. BT-Drs.
11/6224 vom 15. Januar 1990) sind die Hersteller derartiger Automaten nur verpflichtet,
in die Software ihrer Geräte manipulationssichere Programme einzubauen, die die
Daten fortlaufend und lückenlos ausweisen, die zur Ermittlung der umsatzsteuerlichen
Bemessungs- grundlage erforderlich sind. Es müssen damit nur Daten über den
Kasseninhalt zur Verfügung gestellt werden, da allein dieser Wert für die
Umsatzbesteuerung maß- geblich ist.
52
In alldem liegt ein offensichtliches Abwägungsdefizit des Rates, welches sich ohne
Weiteres auf das beschlossene Ergebnis - den gewählten Steuermaßstab - ausgewirkt
haben kann. § 3 VStS ist damit unwirksam.
53
2. Unwirksam ist weiterhin der vom Satzungsgeber festgelegte Steuersatz von 5 vom
Hundert des Spieleinsatzes in § 4 VStS. Denn er ist willkürlich festgesetzt und mit Art. 3
54
Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. Der Rat der Stadt Köln hat insoweit keine ausreichend
verlässlichen Tatsachenermittlungen getroffen, ohne die die Festset- zung eines dem
Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als Maßstab der steuerlichen
Lastengleichheit
vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 BvR 1493/89 -, BVerfGE 84, 239, 269; Osterloh
in Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, 3. Auflage 2003, Art. 3 Rz. 134; Tipke/Lang,
Steuerrecht, 18. Auflage 2005, § 4 Rz. 81 jeweils m.w.N.
55
Rechnung tragenden und damit willkürfreien Steuersatzes nicht zulässig ist.
56
Nach der Begründung der Beschlussvorlage für die Sitzung des Rats am 15. De-
zember 2005 (Drucksachen-Nr. 1745/005) hat der Satzungsgeber bei der Festlegung
des Steuersatzes allein einen Betriebsvergleich der Automatenunternehmen für das
Jahr 2000 des FfH-Instituts für Markt- und Wirtschaftsforschung zugrunde gelegt. In der
Beschlussvorlage wird weiter ausgeführt, dass dieser Betriebsvergleich, der bereits
Grundlage für die im Rahmen einer abweichenden Besteuerung angebotenen
Steuersätze in den bisherigen Vergnügungssteuersatzungen ab 2003 gewesen sei, die
durchschnittlichen Ergebnisse der Automatenaufstellunternehmen in NRW aus- weise.
Im Zuge der Satzungsvorbereitungen habe ein Gespräch mit dem Geschäfts- führer des
Deutschen Automaten-Verbandes stattgefunden, bei dem zwar ein eben- falls von dem
FfH-Institut für Markt- und Wirtschaftsforschung erstellter Betriebsvergleich der
Unterhaltungsautomaten-Unternehmen 2003 vorgelegt worden sei, der unwesentlich
geringere Netto-Kasseninhalte ausgewiesen habe, an dem sich bundesweit aber nur
225 Betriebe beteiligt hätten; in Köln seien aber bereits allein 600 Unternehmen tätig.
Bei der Festlegung des Steuersatzes und der Kalkulation der künftigen Einnahmen
würden daher weiterhin die Ergebnisse 2000 zugrunde gelegt, zumal nach dem
Vorbringen in diversen Klage- und Eilverfahren davon ausgegangen werden könne,
dass in Köln im Durchschnitt über dem Bundesdurchschnitt liegende Spielumsätze
getätigt würden. Der Betriebsvergleich NRW für das Jahr 2000 weise eine „Kasse"
(Einspielergebnis) für ein durchschnittliches Geldspielgerät in Spielhal- len von
monatlich 1.732,- EUR aus. Daraus errechne sich nach der derzeit gültigen
Spielverordnung, die eine Mindestausschüttungsquote von 60% vorsehe, ein monat-
licher Spieleinsatz von 4.330,- EUR. Bei einem Steuersatz von 5% des Spieleinsatzes
betrage die Vergnügungssteuer somit für ein durchschnittliches Geld- spielgerät in
Spielhallen monatlich 216,50 EUR (bisherige Pauschsteuer = 245,- EUR). Aus diesem
Vom-Hundert-Satz ergebe sich jedoch keine Senkung des Aufkommens, da im
Zusammenhang mit einer Änderung der Spielverordnung zum 1. Januar 2006 von
einem erheblich höheren Gerätebestand ausgegangen werden könne.
57
Diese für die Bestimmung des Steuersatzes relevanten Annahmen haben keinen
rechtlichen Bestand. Nicht nachvollziehbar ist für das Gericht schon, dass in der
Beschlussvorlage festgestellt wird, in Köln würden im Durchschnitt über dem
Bundesdurchschnitt liegende Spielumsätze getätigt, dann aber die durchschnittlichen
Einspielergebnisse von 1.732,- EUR je Geldspielgerät in Spielhallen in NRW
zugrundegelegt werden und daraus eine monatliche Vergnügungssteuer für ein solches
Geldspielgerät in Köln von 216,50 EUR - bei einem Steuersatz von 5 vom Hundert des
Spieleinsatzes - ermittelt wird. Nach dem eigenen Ausgangspunkt des Satzungsgebers
hätte es nahegelegen, im Durchschnitt von einem höheren monatlichen
Einspielergebnis für ein Geldspielgerät in Köln auszugehen, was - bei gleichem
Steuersatz - eine höhere Vergnügungssteuer je Gerät und damit höhere Einnahmen für
58
die Stadt Köln zur Folge hätte. Wenn höhere Einnahmen als die in der
Beschlussvorlage prognostizierten hingegen nicht vom Willen des Rates umfasst waren,
hätte es nahegelegen, einen niedrigeren Steuersatz als 5 vom Hundert des
Spieleinsatzes zu bestimmen.
Unabhängig von diesem unplausiblen Ansatz ist das dem Steuersatz zugrunde gelegte
Tatsachenmaterial nicht ausreichend verlässlich. Aktuellere Daten als die in der
Beschlussvorlage genannten hat der Satzungsgeber für das Gebiet der Stadt Köln -
anders als andere Satzungsgeber im Zuständigkeitsbereich der Kammer für deren
Hoheitsbereich - selbst nicht ermittelt. Dass dies nicht möglich bzw. nicht
erfolgsversprechend gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Wie das Gericht einer Vielzahl
von inzwischen erledigten Eilverfahren entnommen hat, stellt der Beklagte im Gegenteil
in anderen Vergnügungssteuerungsverfahren - gerade soweit er Steuerschätzungen
vornimmt - immer wieder darauf ab, dass ein großer Teil der Aufsteller von
Geldspielgeräten Steuererklärungen nebst Zählwerksausdrucken abgibt. Warum dann
nicht wenigstens der Versuch unternommen worden ist, für das Gebiet der Stadt Köln zu
belastbaren Zahlen betreffend die Einspielergebnisse der Geldspielgeräte zu gelangen,
kann die Kammer nicht nachvollziehen. Der Rat hat in seine Beschlussfassung über die
Höhe des Steuersatzes auch keine sonstigen Erhebungen über Kasseninhalte bei
Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit einfließen lassen, obwohl solche nach Kenntnis
des Gerichts existent sind. So wäre es naheliegend gewesen - wie der Kammer aus
anderen Verfahren bekannt ist (vgl. auch VG Minden, Urteil vom 17. Januar 2007 - 11 K
3272/06 -), ein IFO-Gutachten von Januar 2005 zum Umsatz der
Münzautomatenhersteller für das Jahr 2004 bzw. eine Veröffentlichung des
Arbeitskreises gegen Spielsucht e.V. zu dieser Thematik von 2002 beizuziehen und in
die Entscheidung mit einzustellen. Dieses erhebliche Defizit bei der Ermittlung der
Tatsachengrundlagen führt zur Unwirksamkeit des festgesetzten Steuersatzes. Denn auf
einer derart schmalen Erkenntnisbasis lässt sich ein angemessener, die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit der Steuerschuldner berücksichtigender und damit dem Willkürverbot
des Art. 3 Abs. 1 GG Rechung tragender Steuersatz nicht bestimmen,
59
vgl. auch VG Düsseldorf, Urteile vom 7. April 2006 - 25 K 1327/05 und vom 15. Mai 2006
- 25 K 1074/06 -.
60
3. Die festgestellte Unwirksamkeit der §§ 3 und 4 VStS wirkt sich nicht etwa nur isoliert
aus,
61
zur Teilunwirksamkeit von Satzungen vgl. nur Gerhardt/Bier in Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, § 47 (Stand: Juli 2005) Rz. 110 m.w.N. aus der
Rechtsprechung.
62
Es handelt sich bei diesen beiden Regelungen um jeweils zwingende Bestimmungen
einer Steuersatzung, ohne die eine solche nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG NRW nicht
wirksam in Kraft treten kann. Die rückwirkende Satzung zur Besteuerung des
Spielvergnügens an Geldspielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 16. Dezember 2005
in ihrer Fassung vom 10. Oktober 2006 ist damit wegen der festgestellten
Fehlerhaftigkeit der einen wie der anderen Satzungsbestimmung ins- gesamt
unwirksam.
63
4. Ob die rückwirkende Vergnügungssteuersatzung vom 16. Dezember 2005 in ihrer
Fassung vom 10. Oktober 2006 darüber hinaus weitere beachtliche Fehler ent- hält,
64
kann dahinstehen. Das Gericht weist vorsorglich darauf hin, dass - sofern sich der
Satzungsgeber weiterhin für die Verwendung des Maßstabs des Spieleinsatzes
entscheidet - der Steueranspruch (entgegen der bisherigen Regelung in § 6 VStS) wohl
nicht schon mit der Inbetriebnahme des Spielgerätes entsteht, sondern erst mit dessen
konkreter Benutzung. Darüber hinaus sollte im Falle einer erneuten Beschlussfassung
klargestellt werden, dass es sich um eine sog. Jahressteuer handelt; dies lässt sich den
bisherigen Satzungsbestimmungen allenfalls im Wege der Auslegung entnehmen.
Anders als andere Satzungsgeber hat sich der Rat der Stadt Köln ausweislich der dem
Gericht vorliegenden Satzungsunterlagen auch keine Gedanken zur Frage einer
„reformatio in peius" für den Fall gemacht, dass eine Neufestsetzung der
Vergnügungssteuer zu einer höheren Steuerbelastung als unter Geltung des bisher
verwendeten Stückzahlmaßstabs von 245,- EUR pro Gerät und Monat führen sollte.
II. Auch die den angefochtenen Bescheiden zunächst zugrundeliegende und bislang
nicht aufgehobene Vergnügungssteuersatzung der Stadt Köln vom 20. Dezember 2002
ist keine taugliche Rechtsgrundlage für diese Verwaltungsakte. Der in dieser Satzung in
§ 8 Abs. 1 lit. a verwendete Stückzahlmaßstab für Gewinnspiel- geräte ist nämlich nicht
rechtswirksam. Der in einer kommunalen Vergnügungssteuersatzung verwendete
Erhebungsmaßstab nach der Stückzahl der Spielautomaten weist nicht den durch Art.
105 Abs. 2 a GG gebotenen zumindest lockeren Bezug zum Vergnügungsaufwand der
Spieler auf, wenn Einspielergebnisse von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit mehr
als 50% von dem Durchschnitt der Einspielergebnisse dieser Automaten im
Satzungsgebiet abweichen,
65
BVerwG, Urteil vom 13. April 2005 - 10 C 5.04 -, Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer
Nr. 38.
66
Die Bestimmung des maßgeblichen Durchschnitts der Einspielergebnisse einer
Gerätegruppe setzt hinreichend aussagekräftige Erkenntnisse über die
Einspielergebnisse der einzelnen Automaten dieser Gruppe im Satzungsgebiet voraus.
Wie das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt hat, hängt von den konkreten
Umständen des Einzelfalls im jeweiligen Satzungsgebiet ab, welchen
Mindestanforderungen eine solche Erkenntnislage oder die Erhebung entsprechender
Daten genügen müssen, um eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung des
maßgeblichen Durchschnitts zu gewährleisten.
67
Die Beschlussvorlage für die Sitzung des Rats am 15. Dezember 2005 (Drucksa- chen-
Nr. 1745/005) knüpft an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts in meh- reren auf
die Aussetzung der Vollziehung von Vergnügungssteuerbescheiden des Beklagten
gerichteten Eilverfahren an, in denen das Gericht ernstliche Zweifel an der Zulässigkeit
des Stückzahlmaßstabs bei Gewinnspielgeräten in Köln unter Würdi- gung der von den
jeweiligen Antragstellern im Eilverfahren vorgelegten Einspielergebnissen angemeldet
hat,
68
vgl. dazu VG Köln, Beschlüsse vom 21. Oktober 2005 - 20 L 841/05 und 20 L 842/05 -.
69
Der Rat der Stadt Köln hat darauf hin, ohne die Verwaltung mit weiteren
Datenerhebungen zu beauftragen, die Besteuerung von Geldspielgeräten rückwirkend
ab dem 1. Januar 2003 für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene
Steuerfestsetzungen neu geregelt und auf den Maßstab des „Spieleinsatzes" umgestellt.
Dies lässt für das Gericht nur den Schluss zu, dass der Satzungsgeber selbst davon
70
ausgeht, dass die vom Bundesverwaltungsgericht für zulässig erachtete
Schwankungsbreite der Einspielergebnisse von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit
im Gebiet der Stadt Köln überschritten ist, womit der Steuermaßstab der Stückzahl für
diese Automatengruppe nicht länger rechtswirksam ist. Demgemäß stützt der Beklagte
seine Steuerforderung gegen die Klägerin selbst nicht mehr auf die
Vergnügungssteuersatzung der Stadt Köln vom 20. Dezember 2002.
III. Die Kammer weist im Übrigen darauf hin, dass der angefochtene
Abänderungsbescheid des Beklagten selbst dann keinen rechtlichen Bestand hätte,
wenn man hier die rückwirkende Satzung zur Besteuerung des Spielvergnügens an
Geldspielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 16. Dezember 2005 in ihrer Fassung
vom 10. Oktober 2006 (VStS) als rechtswirksam ansehen würde. Die vom Beklagten
vorgenommene Schätzung ist nämlich rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren
Rechten, weil sie auf willkürlichen, sich jeder Nachprüfung entziehenden Annahmen zur
Besteuerungsgrundlage - dem Spieleinsatz - beruht. Nach § 12 VStS i.V.m. § 12 Abs. 1
Nr. 4 lit. b) KAG NRW und § 162 Abs. 1 AO hat der Beklagte die Besteue-
rungsgrundlagen zu schätzen, soweit er diese nicht ermitteln oder berechnen kann.
Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung
sind. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der
Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben
vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder
seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt.
71
Geschätzt werden dürfen allerdings nur Tatsachen, nicht hingegen die komplexe
steuerliche Bemessungsgrundlage oder gar die Steuer selbst, es sei denn, diese ist
ihrerseits in dem betreffenden Zusammenhang eine Besteuerungsgrundlage,
72
vgl. nur Rüsken in Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 9. Auflage 2006, § 162 Rz. 10.
73
Ziel der Schätzung ist es, in einem Akt des Schlussfolgerns aus Anhaltspunkten
diejenigen Tatsachen zu ermitteln, die die größtmögliche erreichbare
Wahrscheinlichkeit für sich haben. Das Schätzungsergebnis soll dem wahren
Sachverhalt möglichst nahe kommen; die gewonnenen Schätzungsergebnisse müssen
schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein,
74
BFH, Urteil vom 19. Januar 1993 - VIII R 128/84 -, BStBl. 93, 594; BFH, Urteil vom 11.
März 1999 - V R 78/98 -, BFHE 188, 160; BFH, Urteil vom 13. Oktober 2003 - IV B 85/02
-, BStBl. 04, 25; Rüsken in Klein, a.a.O., § 162 Rz. 29.
75
Deshalb sind alle tatsächlichen Anhaltspunkte zu berücksichtigen und alle
Möglichkeiten auszuschöpfen, im Rahmen des der Behörde Zumutbaren die
Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln und den mit angemessenem
zeitlichen und sachlichen Aufwand nicht aufklärbaren Rest ggf. durch eine
Teilschätzung bzw. Unsicherheitszuschläge festzulegen und dadurch den für die
Steuerfestsetzung erforderlichen Sachverhalt zu ergänzen,
76
Rüsken in Klein, a.a.O., § 162 Rz. 29.
77
Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Abänderungsbescheid vom 5. Februar
2007 nicht gerecht. Der Beklagte hat das Schätzungsergebnis, die Höhe des
Spieleinsatzes pro Geldspielgerät und Monat, nicht schlüssig ermittelt und so dargelegt,
78
dass dieses Schätzungsergebnis dem wahren Sachverhalt möglichst nahe kommt. Der
Beklagte hat davon abgesehen, von anderen Automatenaufsteller in der Stadt Köln
deklarierte Spieleinsätze zu Vergleichszwecken heranzuziehen und der Schätzung
nachvollziehbar zugrundezulegen. Er hat seine Schätzung vielmehr ausschließlich an
der ursprünglich - auf der Basis des rechtsunwirksamen Stückzahlmaßstabs -
festgesetzten Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte orientiert und danach den
Spieleinsatz geschätzt, um auf diese Weise die ursprüngliche Steuerforderung
aufrechtzuerhalten. Er hat in den der Kammer vorliegenden Klageverfahren ohne
nähere Begründung unterschiedliche Spieleinsätze für Geldspielgeräte in Spielhallen
zwischen 4.700,- EUR und 4.900,- EUR pro Gerät und Monat und für Geldspielgeräte in
Gaststätten zwischen 920,- EUR und 1.220,- EUR pro Gerät und Monat zugrundegelegt,
die sich ausschließlich am Ergebnis der bisher festgesetzten Steuer nach dem
Stückzahlmaßstab orientiert haben. Mit dieser rein ergebnisorientierten
Vorgehensweise hat der Beklagte nicht die Tatsachen ge- schätzt, die der Besteuerung
zugrunde liegen, sondern die Steuer selbst. Er kann insoweit auch nicht für sich in
Anspruch nehmen, dass die Klägerin ihren steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht
nachgekommen ist. Unabhängig von der Frage, ob diese Pflichten für die Klägerin hier
in jeder Hinsicht erfüllbar waren, führt eine Verletzung von Mitwirkungspflichten bei der
Ermittlung der steuerrelevanten Tatsachen nicht dazu, dass der Stückzahlmaßstab nun
als sachgerechte Schätzungsgrundlage für eine Steuerfestsetzung nach dem
Spieleinsatz angesehen werden kann,
so auch OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2007 - 14 B 1362/06 -.
79
Die angefochtenen Bescheide sind nach allem ohne Rechtsgrundlage. Sie verletzen die
Klägerin in ihren Rechten und unterliegen nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO der
Aufhebung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbin-
dung mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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