Urteil des VG Köln vom 16.04.2003

VG Köln: wissenschaft und forschung, ausschuss, schule, weiterbildung, fraktion, mitwirkungsrecht, bekanntgabe, beratung, gerichtsakte, rechtsschutzinteresse

Verwaltungsgericht Köln, 34 K 6629/02.PVL
Datum:
16.04.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
34 K 6629/02.PVL
Tenor:
Es wird festgestellt, dass bei der Durchführung des
Ausschreibungsverfahrens 09/02 das Mitwirkungsrecht des Antragsteller
gemäß § 73 Nr. 6 LPVG verletzt worden ist.
G r ü n d e I.
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Zwischen den Beteiligten besteht Streit über das Beteiligungsrecht des Antragstellers
bei der Durchführung von Ausschreibungsverfahren bei der Einstellung von Lehrerinnen
und Lehrern. Vom Antragsteller wird in Frage gestellt, ob § 94 Abs. 6 LPVG in der
Fassung der Bekanntgabe im Gesetz- und Verordnungsblatt NRW 2002 S. 22 wirksam
zustande gekommen ist.
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§ 94 LPVG ist durch das Gesetz zur Weiterentwicklung von Schulen (Schulent-
wicklungsgesetz) geändert worden. Der ursprüngliche Gesetzentwurf zum Schulent-
wicklungsgesetz der Fraktionen der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
vom 11.05.2001 (Lt-Drucksache 13/1173) wurde am 17.05.2001 in erster Lesung im
Landtag beraten. Er wurde an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung
(federführend) sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik, den Haushalts- und
Finanzausschuss und an den Ausschuss für Innere Verwaltung und Verwaltungs-
strukturreform überwiesen. In dem Gesetzentwurf war in Art. 2 Nr. 3 u.a. vorgesehen, in §
94 LPVG den Absatz 3 zu ändern und neue Absätze 4, 5 und 6 anzufügen.
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Der Ausschuss für Schule und Weiterbildung beschloss in seiner Sitzung vom
09.11.2001 (Drs. 13/1746), den Gesetzentwurf in der Fassung des Beschlusses des
Ausschusses vom gleichen Tage anzunehmen; in diesem Beschluss stimmte der
Ausschuss einem Änderungsantrag der Fraktion von SPD und BÜNDNIS 90/ DIE
GRÜNEN (Drs. 13/1218) zu, in dem u.a. eine andere Gesetzesfassung von § 94 Abs. 3,
4 und 5 LPVG vorgesehen war. § 94 Abs. 6 LPVG war in dem Änderungsantrag nicht
enthalten.
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In seiner Sitzung vom 14.11.2001 nahm der Landtag entsprechend der Beschluss-
empfehlung den Gesetzentwurf (Drs. 13/1173) in der vom Ausschuss beschlossenen
und im vollen Wortlaut abgedruckt vorliegenden Fassung an. Unter dem 27.11.2001
wurde das Gesetz im Gesetz- und Verordnungsblatt NRW (GV NRW S. 811) verkündet;
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in der Veröffentlichung war § 94 Abs. 6 LPVG nicht enthalten. Im Gesetz- und
Verordnungsblatt NRW 2002 S. 22 erfolgte eine Berichtigung der Bekanntgabe des
Schulentwicklungsgesetzes; bei § 94 LPVG wurde auch Abs. 6 in der Fassung des
ursprünglichen Gesetzentwurfes angefügt.
Der Antragsteller machte mit Schreiben vom 15.04.2002 geltend, er sei bei den
Stellenausschreibungen für Neueinstellungen von Lehrern zu beteiligen. § 94 Abs. 6
LPVG in der im Gesetz- und Verordnungsblatt enthaltenen Fassung sei nicht durch den
Landtag verabschiedet worden; er sei in rechtlich unzulässiger Weise von der
Landesregierung veröffentlicht worden. Mit Schreiben vom 22.05.2002 begehrte der
Antragsteller erneut seine Mitwirkung bei den vorgesehenen Ausschreibungsver- fahren
und bekräftigte dabei seine Rechtsauffassung.
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Die Bezirksregierung Köln lehnte mit Schreiben vom 27.06.2002 eine entsprechende
Beteiligung des Antragstellers unter Hinweis auf die derzeit gültige Fassung des § 94
LPVG ab.
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Am 01.08.2002 hat der Antragsteller das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet. Er
trägt weiterhin vor, § 94 Abs. 6 LPVG sei nicht in der nunmehr veröffentlichten Fassung
wirksam zustande gekommen. Die Abstimmung des Landtags habe sich nicht auf diese
Gesetzesbestimmung bezogen, da diese in dem zugrundeliegenden Beschluss des
Ausschusses für Schule und Weiterbildung nicht mehr enthalten gewesen sei; auch in
einer den Landtagsabgeordneten vorliegenden synoptischen Darstellung sei § 94 Abs.
6 LPVG nicht mehr erfasst gewesen. Daher sei er bei Ausschreibungsverfahren gemäß
§ 73 Nr. 6 LPVG zu beteiligen gewesen.
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Der Antragsteller beantragt,
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festzustellen, dass bei der Durchführung des Ausschreibungsverfahrens 09/02 sein
Mitwirkungsrecht gemäß § 73 Nr. 6 LPVG verletzt wurde.
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Der Beteiligte beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er trägt vor, nach § 94 Abs. 6 LPVG sei eine Beteiligung des Antragstellers
ausgeschlossen. Diese Bestimmung sei auch wirksam vom Landtag verabschiedet
worden. Er legt hierzu eine Stellungnahme des Ministeriums für Schule, Wissenschaft
und Forschung NRW vom 02.10.2002 vor.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte Bezug genommen.
14
II.
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Der Antrag ist zulässig. Ein Rechtsschutzinteresse ist gegeben, obwohl die
streitbefangene Maßnahme bereits durchgeführt ist. Die streitige Frage bedarf auch
weiterhin der Klärung zwischen den Beteiligten, weil auch in Zukunft mit
Meinungsverschiedenheiten über die Beteiligung des Antragstellers bei
Ausschreibungen im Zusammenhang mit Lehrereinstellungen zu rechnen ist.
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Der Antrag ist auch begründet. Ein Mitwirkungsrecht des Antragstellers gemäß § 73 Nr.
6 LPVG war hier gegeben. Nach dieser Bestimmung wirkt der Personalrat bei
Stellenausschreibungen mit. Das insoweit bestehende Mitwirkungsrecht ist auch nicht
durch eine Sonderregelung für den Bereich der Lehrer gemäß §§ 87 ff. LPVG
ausgeschlossen; insbesondere beinhaltet auch § 94 LPVG keine diesbezügliche
Ausnahmebestimmung. Die im Gesetz- und Verordnungsblatt NRW 2002 S. 22
bekanntgegebene Vorschrift des § 94 Abs. 6 LPVG ist kein wirksam im Landtag
zustande gekommenes Gesetz.
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Der in dem ursprünglichen Gesetzentwurf vom 11.05.2001 noch enthaltene § 94 Abs. 6
LPVG war nicht Gegenstand der Beschlussfassung des Landtags von Nord- rhein-
Westfalen in seiner Sitzung vom 14.11.2001. In dieser Sitzung hatte der Landtag
ausweislich des Plenarprotokolls über die Beschlussempfehlung des feder- führenden
Ausschusses für Schule und Weiterbildung (Drs. 13/1746) den Gesetz- entwurf (Drs.
13/1173) in der vom Ausschuss beschlossenen Fassung anzunehmen, abgestimmt. Der
Ausschuss für Schule und Weiterbildung hatte nach seiner ab- schließenden Beratung
am 07.11.2001 beschlossen, dem Plenum des Landtags die Annahme des
Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
(Drs. 13/1173) in der Fassung des beschlossenen Änderungsantrages der Fraktionen
von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu empfehlen (Drs. 13/1746).
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Der ursprüngliche Gesetzentwurf war mithin lediglich noch in der Fassung des
Änderungsantrages der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gegenstand der Landtagsabstimmung. In dem Änderungsantrag war eine Neufassung
des hier maßgeblichen Artikel 2 Nr. 3 des Schulentwicklungsgesetzes enthalten; darin
wurden die beabsichtigten Änderungen des § 94 LPVG (Absätze 3, 4 und 5) aufgeführt.
Da in diesem Änderungsantrag § 94 Abs. 6 in der Fassung des ursprünglichen
Gesetzesentwurfs nicht mehr enthalten war, muss davon ausgegangen werden, dass
dieser auch nicht der Beschlussempfehlung des Ausschusses zugrunde gelegen hat
und nicht Gegenstand des Abstimmungsverhaltens der Mitglieder des Landtages
gewesen ist. Es ist kein Hinweis dafür gegeben, dass auch weiterhin über die in dem
Änderungsantrag enthaltenen Änderungen und Ergänzungen des § 94 hinaus die
Anfügung eines § 94 Abs. 6 LPVG beabsichtigt war.
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Bei dieser Sachlage - wie sie sich der Fachkammer nach abschließender Beratung
dargestellt hat - kommt es nicht mehr darauf an, unter welchen Voraussetzungen die
nachträgliche Berichtigung eines bereits verkündeten Gesetzes in Betracht kommt.
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Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 17.07.2002 - 1 BvR 1/01 -.
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Für eine Kostenentscheidung ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren
kein Raum.
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