Urteil des VG Köln vom 19.11.2002

VG Köln: untreue, zeugnisverweigerungsrecht, ermittlungsverfahren, hotel, drohende gefahr, rechtskräftiges urteil, ddr, firma, auflage, fraktion

Verwaltungsgericht Köln, 7 K 2678/98
Datum:
19.11.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2678/98
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückge-
nommen hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Voll- streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger war von Dezember 1989 bis Ende 1990 Mitglied des Parteivorstandes der
seinerzeit als solche bezeichneten SED (Sozialistische Einheitspartei Deutsch-
lands)/PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus). Außerdem war er Mitglied des
aus der Mitte des Parteivorstandes im Dezember 1989 gebildeten Parteipräsidiums und
in dieser Funktion verantwortlich für die Kommission Medienpolitik. Der Kläger war von
1991 bis 1993 Landesvorsitzender der PDS Brandenburg und übernahm im Januar
1993 ehrenamtlich den Bundesvorsitz der PDS. Er war nach 1990 Abgeord- neter und
Fraktionsvorsitzender der Fraktion der PDS im Landtag Brandenburg. Der Kläger sollte
vor dem 2. Untersuchungsausschuss des 13. Deutschen Bundesta- ges als Zeuge
aussagen.
2
Der Deutsche Bundestag - 13. Wahlperiode - hatte im Jahre 1995 den 2. Unter-
suchungsausschuss "DDR-Vermögen" (im Folgenden: 2. Untersuchungsausschuss)
eingesetzt.
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Dieser sollte sich gemäß seines Untersuchungsauftrags (siehe dazu Bundestags-
Drucksache 13/2483) unter anderem mit den unter I.6 bis I.10 aufgeführten Fragen
befassen:
4
"I.6 Inwieweit haben Unternehmen des Bereichs Kommerzielle Koordinie- rung - über
die Feststellungen der Berichte der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des
Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (UKPV) hinaus - bei der
Veruntreuung von Vermögenswerten die Ver- bindung zu Unternehmen und Personen
von kommunistischen Parteien, die mit der SED/PDS wirtschaftlich zusammengewirkt
haben, genutzt?
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I.7 Inwieweit wurden Mitglieder der PDS oder dieser Partei nahestehende Personen -
über die Feststellung der Berichte der UKPV hinaus - vor dem 3. Oktober 1990 von der
SED/PDS durch Vermögensverschiebungen finanziell unterstützt, um sich wirtschaftlich
betätigen zu können?
6
I.8 Welche Vermögensverschiebungen und Manipulationen von Bilanzen der
Unternehmen der DDR sind durch das Zusammenwirken "alter Seilschaf- ten" und
westlicher Geschäftspartner erfolgt, und wer hat davon profitiert?
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I.9 Welche Maßnahmen haben Bundesregierung, Treuhandanstalt und andere
staatliche Stellen des Bundes zur Wiederbeschaffung veruntreuter Vermögenswerte
ergriffen?
8
I.10 Haben Kreditinstitute innerhalb und außerhalb der DDR bei Vermö-
gensveruntreuungen von Unternehmen und Personen der DDR eine Rolle ge- spielt
und wenn ja, welche?"
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Die Mitglieder der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion im 2. Untersuchungsaus- schuss
hatten unter dem 10.09.1996 beantragt, Beweis zum Untersuchungsauftrag
(Bundestags-Drucksache 13/2483) durch die Zeugenvernehmung des Klägers zu
erheben. Zur Begründung ihres Beweisantrages führten die Mitglieder der CDU/CSU-
und der FDP-Fraktion im 2. Untersuchungsausschuss aus, der Kläger sei als Mit- glied
des Präsidiums des Parteivorstandes der SED/PDS in die Überlegungen und
Aktivitäten zur Sicherung des Vermögens dieser Partei eingebunden gewesen sei. Eine
dieser Aktivitäten sei der sogenannte "Putnik-Deal". Die Zeugenvernehmung solle über
den Umfang und die Art und Weise der vor dem 03.10.1990 durch die SED/PDS
erfolgten Vermögensverschiebungen Aufschluss geben (1.7 und 1.10 des
Untersuchungsauftrages).
10
Der Parteivorstand der SED/PDS hatte am 21.12.1989 einen Beschluss zur Bes-
tätigung des vom außerordentlichen Parteitag am 17.12.1989 gefassten Beschlusses
zur Sicherung des Parteivermögens gefaßt. In diesem hatte sich die Partei das Ziel
gesetzt, das vorhandene Parteivermögen zu erhalten und wirksam gegen "Angriffe auf
das Eigentum" der Partei zu sichern, damit die Parteiarbeit in finanzieller Hinsicht für die
Zukunft gesichert sei. In der folgenden Zeit kam es zu umfangreichen Verschiebungen
des Vermögens der SED/PDS. Hierzu zählte auch der sogenannte "Putnik-Deal". Es
handelte sich dabei um ein Verfahren, bei dem die für die Parteifinanzen und das
Finanzwesen der PDS Verantwortlichen und Andere im Jahre 1990 den Versuch
unternommen hatten, Vermögen der SED/PDS über die Begleichung fingierter
Forderungen eines sowjetrussisch-venezolanischen Unternehmens namens "Putnik"
ins Ausland zu verbringen. Die Mitarbeiter der SED/PDS wurden vom Landgericht (LG)
Berlin mit Urteil vom 20.03.1992 (1 Bt Js 287/90) der Untreue bzw. Anstiftung zur
Untreue am Parteivermögen einer DDR-Partei für schuldig befunden. Das Urteil wurde
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durch Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20.10.1993 (5 StR 635/92) auf die
Rüge, die Vernehmung des Zeugen H. (von Dezember 1989 bis Januar 1993
Vorsitzender der PDS) sei zu Unrecht beschränkt worden, aufgehoben. Der BGH führte
zur Begründung aus, werde die Befragung eines Zeugen, der in unsubstantiierter Weise
ein Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen geltend mache, mit Rücksicht
darauf ausgeschlossen, so liege hierin ein Verfahrensfehler. Die im sog. Putnik-Deal
Angeklagten wurden daraufhin mit Urteil des LG Berlin vom 20.06.1995 ((514) 22 Js
287/90 KLs (9/93)) vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Die 14. Große Strafkammer
- Wirtschaftsstrafkammer - des LG Berlin hatte in diesem Verfahren von einer Anhörung
der Mitglieder des Parteivorstandes H. , N. , C. und E. (nunmehr L. ) als Zeugen,
abgesehen und ihnen ein zu einem Zeugnisverweigerungsrecht verdichtetes Aus-
kunftsverweigerungsrecht aus § 55 StPO zugestanden. Zur Begründung hatte das LG
Berlin ausgeführt, auch das Ermittlungsverfahren 22 Js 330/90 der Staatsanwalt- schaft
II bei dem LG Berlin (das so genannte Belvedere-Verfahren) richte sich wegen des
Vorwurfs der Untreue im Zusammenhang mit der Sicherung des Vermögens der PDS
gegen "Verantwortliche der PDS" und "unbekannte Verantwortliche der PDS". Aufgrund
ihrer Stellung als Mitglieder des Vorstandes und des Präsidiums der PDS seit
Dezember 1989, also auch im Anklagezeitraum, seien die Zeugen zu dem Kreis der
Verantwortlichen der PDS zu zählen. Angaben der Behandlung des Parteivermögens
der PDS in dem vorliegenden Verfahren könnten daher zu ihrer namentlichen
Einbeziehung in das Belvedere-Verfahren führen. Die Aussage der Zeugen lasse sich
nicht in einen das Belvedere-Verfahren betreffenden und einen das Putnik-Verfahren
betreffenden Teil aufspalten. Es gehe in beiden Fällen um die Sicherung des
Parteivermögens der PDS im Jahre 1990. Es bestehe mithin mindestens die Gefahr,
dass sich die Zeugen der Strafverfolgung aussetzten, wenn sie bestimmte Tatsachen
bekunden müssten, die nicht nur unmittelbar, sondern auch nur mittelbbar den Verdacht
einer Straftat begründeten.
In dem weiteren Ermittlungsverfahren - dem sog. Belvedere-Komplex - wurde ebenfalls
wegen des Verdachts der Untreue durch Beiseiteschaffen von Vermögenswerten der
PDS ermittelt. Dabei standen u. a. Mitglieder der "Arbeitsgruppe zur Sicherung des
Parteivermögens der PDS" im Verdacht, im Jahre 1990 Vermögen der PDS der eigens
zum Zwecke der Verlagerung von Parteivermögen zuvor gegründeten Firma Belvedere
Hotel GmbH im Darlehenswege überlassen zu haben. Am 17.02.1998 reichte die
Staatsanwaltschaft II beim Landgericht Berlin gegen die Angeschuldigten S. und andere
Anklage (22 Js 330/90) wegen Untreue zum Nachteil der Hotel Belvedere GmbH ein.
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Die von den Mitgliedern der CDU/CSU und der FDP-Fraktion im 2.
Untersuchungsausschuss "DDR-Vermögen" beantragte Vernehmung des Klägers als
Zeugen sollte in der 87. (öffentlichen) Sitzung des 2. Untersuchungsausschusses am
13.11.1997 stattfinden. Eine Zeugenvernehmung der ehemaligen Mitglieder des
Präsidiums des Parteivorstandes der SED/PDS, C. und L. (vormals E. ) am 09.10.1997
und des früheren Vorsitzenden der SED/PDS, H. , am 30.10.1997 vor dem 2.
Untersuchungsausschuss war daran gescheitert, dass diese sich auf ihr
Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 Strafprozessordnung (StPO) berufen und
hierzu ihre bereits vor dem LG Berlin in der Putnik-Strafsache wegen Untreue bzw.
Beihilfe zur Untreue zum Nachteil der PDS abgegebene Erklärung vorgelesen hatten.
13
Nachdem der Kläger am 13.11.1997 auf die Frage nach seinem beruflichen Werdegang
geantwortet hatte, erklärte er auf die anschließende Frage, in welcher Beziehung er zum
Ministerium für Staatssicherheit gestanden habe, und vor Beginn seiner Vernehmung
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zur Sache, er wolle von seinem Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO
Gebrauch machen. Zur Begründung verlas der Kläger eine vorbereitete Erklärung
folgenden Inhalts:
"Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes in der Strafsache gegen Q. und andere
musste ich entnehmen, dass der Bundesgerichtshof für ver- antwortliche Mitglieder der
PDS - das heißt auch für mich - von einer verbindli- chen Pflicht ausgeht, sich nicht nur
solcher Handlungen, wie sie Q. und anderen vorgeworfen wurden, zu enthalten,
sondern alles zu tun, um solche zu verhindern. Ich kann jedoch nicht ausschließen,
dass ich durch wahrheitsgemäße Aussagen ein Unterlassen einräumen müsste, das zu
strafrechtlichen Ermittlungen führten könne.
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Der Bundesgerichtshof wollte unter anderem aufgeklärt wissen, ob sich die Situation in
der PDS von Dezember 1989 bis zum Geldtransfer durch Q. und andere im März 1990
möglicherweise so verändert hatte, dass ihnen der Transfer zumindest subjektiv nicht
mehr als Untreue vorgeworfen werden könnte.
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Sicherlich hatte sich die Stimmung in der PDS tatsächlich geändert, da die politischen
und juristischen Angriffe auf die PDS zugenommen hatten. Mit welcher
wahrheitsgemäßen Aussage müsste ich deshalb einräumen, zu dieser veränderten
Stimmung beigetragen zu haben, diese zumindest geduldet oder nicht konsequent
genug unterbunden zu haben, und könnte ich mich dadurch nicht wiederum selbst
bezichtigen, zumindest in der Form der Unterlassung? Ich kann nicht ausschließen,
dass Äußerungen von mir im Jahre 1990 als Animierung zu entsprechendem Denken
und Handeln verstanden bzw. missverstanden werden konnten.
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Unabhängig davon, dass ich in den Geldtransfer der 107 Millionen DM nicht einbezogen
war, muss ich aus den genannten Gründen befürchten, mich der Gefahr eines
Ermittlungsverfahrens auszusetzen, wenn ich hier aussage.
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In gleicher Situation hat das Landgericht im Mai bzw. Juni 1995 verantwortlichen
Mitgliedern der PDS ein zu einem Zeugnisverweigerungsrecht verdichtetes
Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Strafprozessordnung eingeräumt. Dabei ging
das Landgericht Berlin davon aus, dass zumindest unter anderem ein weiteres
Ermittlungsverfahren mit dem Vorwurf der Veruntreuung von PDS-Vermögen unter dem
Aktenzeichen 22 Js 330/90 bei der Staatsanwaltschaft Berlin läuft. Dieses
Ermittlungsverfahren richtet sich unter anderem gegen unbekannte Ver- antwortliche der
PDS. Das Ermittlungsverfahren wird nach wie vor bearbeitet. Jederzeit ist es möglich,
Verantwortliche der PDS im Ermittlungsverfahren nachzutragen.
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Das Landgericht Berlin wies darauf hin, dass deshalb Verantwortliche der PDS ein
generelles Zeugnisverweigerungsrecht in Vermögensfragen der PDS hätten, weil sie
nicht ausschließen könnten, durch wahrheitsgemäße Aussagen in dem genannten
Ermittlungsverfahren nachgetragen zu werden. Ausdrücklich wies das Landgericht die
Möglichkeit zurück, zwischen verschiedenen Vermögensverfügungen zu unterscheiden.
Es sei unerheblich, ob es in einem Fall um den sogenannten Putnik-Deal, im anderen
Fall um die Belvedere GmbH ginge.
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Außerdem verweise ich auf die Tatsache, dass ich gemäß Vereinbarung zwischen der
Unabhängigen Kommission und dem Parteivorstand der PDS bestimmte
Verpflichtungen eingegangen bin, die ich auch einhalte. Das ist aber etwa anderes als
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eine Befragung unter dem Druck mir angedrohter Strafverfolgung.
Unter diesem Umständen bitte ich Sie, zu akzeptieren, dass ich von meinem
Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache. Meines Erachtens kann der
Untersuchungsausschuss den Verantwortlichen der PDS nicht ein Recht verwehren,
das ihnen das Landgericht Berlin in gleicher Situation einräumte."
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Nach Verlesung der Erklärung wies der Vorsitzende des 2. Untersuchungsausschusses
darauf hin, dass es ein generelles und ein partielles Auskunftsverweigerungsrecht gebe
und der Untersuchungsausschuss anhand der Einzelfragen entscheide, ob dem Kläger
jeweils ein Auskunftsverweigerungsrecht bei der Beantwortung der Fragen zustehe und
ob das, was der Kläger vorgetragen habe, zur Glaubhaftmachung ausreiche. Der
Untersuchungsausschuss stellte daraufhin folgende Fragen:
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(1.) "Waren Sie inoffizieller Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung, Sektor
Wissenschaft und Technik?"
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(2.) "Inwieweit waren Sie am Beschluss der SED/PDS zur "Sicherung des Par-
teivermögens" vom 21. Dezember 1989 beteiligt?"
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(3.) "Erläutern Sie bitte den sogenannten Altlastenbeschluss vom 11. Januar 1990."
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(4.-6.) "Wann und durch wen wurden Sie erstmals über die Details des sog. Putnik-
Deals informiert? Wußten Sie von der Moskaureise des Q. am 15. und 16. Juni 1990?
Hat Q. Ihnen bzw. dem Präsidium über die Empfehlungen ei- nes Gesprächspartners L1
berichtet? Auf wessen Veranlassung hin wurde N1 im Oktober 1990 - nach der
Durchsuchung der PDS Parteizentrale - nach Moskau ge- schickt?"
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(7.) "Herr C. , der Vorsitzende hat schon darauf hingewiesen, dass wir die Erklärung, die
Sie heute hier vorgetragen haben, in großen Teilen be- reits aus den Erklärungen von
Herrn H. , Herrn C. und Frau L. kennen. Haben Sie sich alle vorher abgesprochen, wie
Sie diese Erklä- rung der Zeugnisverweigerung hier heute vortragen wollen?"
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Der Kläger verweigerte zu allen diesen Fragen jeweils gemäß § 55 StPO die Aussage.
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Nach Beratung über das Auskunftsverweigerungsrecht erklärte der Vorsitzende des 2.
Untersuchungsausschusses, der Ausschuss sehe weit und breit nicht, wie der Kläger
sich durch die wahrheitsgemäße Beantwortung der gestellten Fragen habe strafbar
machen können, also etwa danach, ob er inoffizieller Mitarbeiter der Hauptverwaltung
Aufklärung, Sektor Wissenschaft und Technik, gewesen sei oder ob er irgendwie bei
den Beschlüssen, die alle im Jahr 1989 bzw. Anfang des Jahres 1990 gefasst worden
seien, mitgewirkt habe oder Kenntnis davon gehabt habe. Man habe auch nicht
erkennen können, dass der Kläger sich irgendwie bei der Beantwortung der Fragen zum
Putnik-Deal strafbar gemacht habe, weil bekannt sei, dass es dort einen rechtskräftigen
Freispruch gegeben habe und eine rechtswidrige Tat nicht vorgelegen habe, so dass
also eine Beteiligung auch gar nicht erkennbar gewesen sei. Daraufhin verkündete der
Vorsitzende des 2. Untersuchungsausschusses den einstimmig gefassten
Feststellungsbeschluss, dass der Kläger sich auf ein umfasssendes
Auskunftsverweigerungsrecht nicht berufen könne. Nach Hinweis auf die Rechtsfolgen
bei einer Auskunftsverweigerung fragte der Vorsitzende, ob der Kläger weiterhin die
Auskunft verweigere. Dies bejahte der Kläger. Daraufhin verkündete der Vorsitzende
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des 2. Untersuchungsausschusses den Beschluss, dem Kläger die durch die
Verweigerung des Zeugnisses entstandenen Kosten aufzuerlegen. Außerdem setzte er
gegen den Kläger gemäß § 70 StPO ein Ordnungsgeld in Höhe von 900,00 DM fest. In
den schriftlichen Beschlussgründen heißt es, der Ausschuss habe die drohende Gefahr
einer Strafverfolgung weder bezüglich der Fragen zum sogenannten Putnik-Verfahren
noch bezüglich der übrigen an den Zeugen gerichteten Fragen feststellen können und
daher ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen nicht erkannt. Das
Putnik-Verfahren habe durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Berlin vom
20.06.1995 mit Freispruch aller Tatbeteiligten geendet, da bezüglich der Angeklagten P.
und L. der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB nicht vorgelegen habe und
mangels Tatbestandes die Angeklagten K. und Kl. auch nicht wegen Beihilfe zur
Untreue hätten bestraft werden können. Auch bei den übrigen an den Zeugen
gerichteten Fragen sei für den Ausschuss nicht ersichtlich gewesen, inwieweit er sich
bei deren Beantwortung der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würde. Der Zeuge
habe daher nach Auffassung des Ausschusses eine Strafverfolgungsgefahr nicht
hinreichend dargelegt.
Der Kläger legte gegen den Kostenauferlegungs- und Ordnungsgeldbeschluss am
20.11.1997 beim LG Bonn Beschwerde ein. Im Hinblick auf die vom Vorsitzenden des 2.
Untersuchungsausschusses gerügte Zulässigkeit des Rechtsweges stellte das LG Bonn
mit Beschluss vom 15.12.1997 (31 Qus 118/97) fest, dass der Rechtsweg zu den
ordentlichen Gerichten eröffnet sei. Aufgrund der hiergegen erhobenen sofortigen
Beschwerde hob das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 25.02.1998 (2 Ws
88/98) den Beschluss des Landgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an das
Verwaltungsgericht Köln. Das Verfahren ging beim Verwaltungsgericht Köln am
02.04.1998 ein.
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Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor: Er gehöre zu dem von vornherein
verantwortlichen Personenkreis, auf den die Fragen des 2. Untersuchungsausschusses
des 13. Deutschen Bundestages nach eigenem Bekunden abzielten. Laut
Rechtsprechung des BGH erstrecke sich das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55
StPO auch auf solche Fragen, deren wahrheitsgemäße Beantwortung für sich allein
genommen zwar noch kein strafbares Verhalten des Zeugen belegten, die Antwort
jedoch mittelbar ein Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude gegen den
Zeugen darstellten. Die Gefahr einer solchen mittelbaren Selbstbelastung setze nach
Auffassung des BGH einen konkreten Bezug des Zeugen zu einem bestimmten
Lebenssachverhalt voraus. In seinem Falle sei ein solcher konkreter Zusammenhang
gegeben. Der 2. Untersuchungsausschuss des 13. Deutschen Bundestages habe die
Aufgabe gehabt, sich ein umfassendes Bild über die Verschiebung und Veruntreuung
von Vermögenswerten und andere vermögensrelevante Manipulationen im
Zusammenhang mit Aktivitäten der SED/PDS, insbesondere auch zur Sicherung von
Vermögenswerten dieser Partei zu verschaffen. Auf eine umfassende Aufklärung der
Vermögensverschiebungen ziele auch der Antrag der Mitglieder der CDU/CSU- und der
FDP-Fraktion im 2. Untersuchungsausschuss vom 10.09.1996, da zur Begründung des
Antrages auf Zeugeneinvernahme des Klägers ausgeführt werde, dass der Kläger als
Vorsitzender der SED/PDS maßgeblich an den Überlegungen und Aktivitäten zur
Sicherung des Vermögens dieser Partei beteiligt gewesen sei. Es heiße in dem Antrag
weiter: "Eine dieser Aktivitäten war der sogenannte Putnik-Deal. Die Vernehmung des
Zeugen soll über den Umfang, die Art und Weise der vor dem 03. Oktober 1990 durch
die SED/PDS erfolgten Vermögensverschiebungen Aufschluss geben ... ." Zumindest
der Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses habe der
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Untersuchungsauftrag einer umfassenden Aufklärung der Vermögensverschiebungen
im genannten Zeitraum und dies nicht nur im Hinblick auf den Putnik-Deal gedient.
Dieser habe nur eine der vielen anderen Aktivitäten der Vermögensverschiebungen
dargestellt. Aus dem Untersuchungsauftrag und der Auffassung der Mehrheit der
Mitglieder des Unter- suchungsausschusses gehe hervor, dass es dem
Untersuchungsausschuss um eine umfassende Aufklärung auch strafrechtlich
relevanter Verhaltensweisen beteiligter Personen und ihrer Institutionen gegangen sei.
Dabei seien keine konkreten Beweisthemen formuliert worden, sondern lediglich der
umfassende sehr weit und allgemein gehaltene Untersuchungsauftrag.
Wegen des allgemein und umfassend gehaltenen Untersuchungsauftrages sei keinem
der Zeugen klargeworden, mit welchen Fragen er habe rechnen müssen. Daher habe
auch der Kläger sich darauf einstellen müssen, dass jede Frage einen Teil eines
gesamten Beziehungsgeflechts habe aufklären sollen und deshalb nur ein
Mosaiksteinchen in einem Gesamtbild darstelle. Der Kläger stütze sich dabei auf das
Urteil des LG Berlin. Für ihn habe die Situation als wesentlicher Verantwortlicher für
bestimmte Beschlüsse und deren Umsetzung in der PDS bestanden, dass er von einer
grundsätzlichen Verdächtigung seiner Person für strafbare Handlungen habe ausgehen
müssen. Da er desweiteren davon habe ausgehen müssen, dass der 2.
Untersuchungsausschuss auch die Aufgabe gehabt habe, ein Gesamtbild der
strafrechtlich relevanten Geschehnisse zu erstellen und bei der Untersuchung jede
einzelne Frage nur ein Mosaiksteinchen in einem Gesamtbild darstellen solle, so habe
er sich von vornherein in einer problematischen Situation befunden, sich auf eine
Untersuchung seines möglichen strafrechtlichen Verhaltens einstellen zu müssen, ohne
dies jedoch angesichts des ganz allgemein gehaltenen Auftrages des
Untersuchungsausschusses ausreichend erkennen zu können. Weil er die Aktenlage,
die weiteren Untersuchungen und die entsprechenden Verdächtigungen auch gegen
seine Person gar nicht gekannt habe, sei es ihm kaum möglich gewesen, genau den
Zeitpunkt zu entscheiden, zu dem er weitere Fragen ablehnen sollte. Insofern habe ihm
ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO zugestanden. Wegen
des umfassenden Untersuchungsauftrages, der sich keineswegs bloß auf die beiden
Fälle des Putnik-Deals und des Belvedere- Komplexes, sondern auf mögliches
strafrechtliches Verhalten im Hinblick auf Ver- mögensverschiebungen überhaupt
erstreckt habe, habe der Kläger keineswegs bloß als Zeuge vor dem 2.
Untersuchungsausschuss, sondern als grundsätzlich verantwortliche Person für
Vermögensverschiebungen gestanden. Dabei sei es völlig irrelevant, in welchem
Umfang bereits Personen bestraft worden seien oder nicht. Auch die Rechtsauffassung,
dass der Kläger keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu befürchten habe, sei
irrelevant, da sie lediglich eine Rechtsauffassung des Vorsitzenden des 2.
Untersuchungsausschusses darstelle, auf die der Kläger sich keineswegs habe
verlassen können.
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Das LG Berlin habe bei der Beurteilung des Auskunftsverweigerungsrechts der Zeugen
festgestellt, dass eine Aufspaltung der Aussage des Zeugen betreffend das vorliegende
Verfahren Putnik-Deal und das Belvedere-Ermittlungsverfahren nicht möglich sei, da es
in beiden Fällen um die Sicherung von Parteivermögen der PDS im Jahre 1990
gegangen sei. Dies gelte unverändert auch noch im Jahre 1997. Die Situation habe sich
insoweit nicht geändert. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich im Belvedere-Verfahren
selbst Ermittlungsrichtung und -gegenstand so geändert hätten, dass der Kläger anders
als noch 1995 insoweit keine Strafverfolgung mehr zu befürchten gehabt habe. Eine
Gefahr der Strafverfolgung sei ferner selbst dann nicht ausgeräumt, wenn die
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Ermittlungen sich zum Zeitpunkt der Vernehmung des Klägers vor dem 2.
Untersuchungsausschuss nur noch gegen Verantwortliche der Belvedere- Hotel GmbH
gerichtet hätten. Eine Gewissheit, dass die Ermittlungen nicht wieder in die alte
Richtung gehen würden, habe es nicht gegeben. Jedenfalls habe der Kläger keine
Kenntnis von einer Konkretisierung der Ermittlungstätigkeit gehabt. Er habe zum
Zeitpunkt seiner Vernehmung keinerlei Anhaltspunkte dafür gehabt, dass das Verfahren
nicht mehr gegen Verantwortliche und unbekannte Verantwortliche der PDS geführt
werde. Insbesondere sei er auf diesen Umstand nicht vom Ausschuss hingewiesen
worden. Dies sei insofern von Bedeutung, als Maßnahmen nach § 70 StPO nur ergriffen
werden dürften, wenn der Verstoß gegen die Zeugenpflicht schuldhaft erfolge. Dies sei
bei Unkenntnis von Umfang oder Grenzen der Zeugnisverweigerung nicht gegeben.
Der Kläger hat zunächst schriftsätzlich beantragt,
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den Beschluss des 2. Untersuchungsausschusses des 13. Deutschen Bundestages in
seiner Sitzung vom 13. November 1997 über die Verhängung eines Ordnungsgeldes in
Höhe von 900,00 DM aufzuheben und festzustellen, dass dem Kläger gegenüber dem 2.
Untersuchungsausschuss des 13. Deutschen Bundestages ein
Zeugnisverweigerungsrecht zustand.
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Er hat in der mündlichen Verhandlung mit Zustimmung der Beklagten den
Feststellungsantrag zurückgenommen.
37
Der Kläger beantragt nunmehr,
38
den Beschluss des 2. Untersuchungsausschusses des 13. Deutschen Bundestages in
seiner Sitzung vom 13. November 1997 aufzuheben.
39
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
41
Sie trägt vor, die am 02.04.1998 beim Verwaltungsgericht Köln eingegangene Klage sei
unzulässig. Die Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sei
versäumt worden. § 17 b Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgsestz (GVG) finde keine
Anwendung, da der Kläger schuldhaft das sachlich unzuständige Landgericht Bonn
angerufen habe.
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Der Ordnungsgeld- und Kostenauferlegungsbeschluss sei materiell rechtmäßig. Im
Untersuchungsausschussverfahren sei zunächst daran zu denken, eine uneinge-
schränkte Auskunftspflicht des Zeugen anzunehmen. Diese sei im Sinne einer
"Beweisverbotslösung" durch ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot im
Strafprozess zu flankieren. Dazu sei die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zur Auskunftspflicht des Gemeinschuldners im
Konkursverfahren heranzuziehen.
43
Das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO sei kein Zeugnisverweigerungsrecht
im engeren Sinne. Es gebe den Zeugen lediglich die Befugnis, die Auskunft auf solche -
einzelne - Fragen zu verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen seiner
Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde. Lediglich in eng
begrenzten Ausnahmefällen habe die Rechtsprechung anerkannt, dass das Recht zur
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Auskunftsverweigerung aus § 55 StPO sich zum Recht der Verweigerung des
Zeugnisses in vollem Umfang verdichte. Ein generelles Aussageverweigerungrecht aus
§ 55 StPO stehe dem Kläger allerdings nicht zu. Die Berufung des Klägers auf ein
generelles Aussageverweigerungrecht aus § 55 StPO sei demnach jedenfalls dann
ausge- schlossen, wenn einzelne Fragen in Betracht kämen, deren Beantwortung nicht
zu einem auf ihn persönlich gerichteten Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO) in Sachen
"Putnik-Deal" oder "Belvedere-Hotel GmbH" geführt hätten.
Der Kläger habe die Frage (2.) "Inwieweit waren Sie am Beschluss der SED/PDS zur
Sicherung des Parteivermögens vom 21.12.1989 beteiligt" beantworten können, ohne
sich einer Gefährdung auszusetzen. Denn der Beschluss des Parteivorstandes vom
21.12.1989 i.V.m. dem Beschluss des Außerordentlichen Parteitages vom 17.12.1989
habe den maßgeblichen Grund dafür gebildet, dass sich Verantwortliche der PDS durch
die Veranlassung der Überweisung von rund 107 Millionen DM auf das Konto der Firma
Putnik gerade nicht wegen Untreue zum Nachteil der PDS strafbar gemacht hätten. Dies
ergebe sich auch aus den Ausführungen des LG Berlin im Putnik-Verfahren vom
20.06.1995. Zum Zeitpunkt der Vernehmung des Klägers vor dem 2.
Untersuchungsausschuss sei deshalb eine Strafverfolgung in Sachen Putnik-Deal nicht
mehr betrieben worden und auch nicht zu befürchten, dass eine Beantwortung der
Frage des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses zur Wiederaufnahme der
Ermittlungen gegen Verantwortliche der PDS, darunter den Kläger, hätte führen können.
Die Hingabe des Darlehens in Höhe von 66 Millionen Mark an die Belvedere Hotel
GmbH sei überdies von dem Beschluss des außerordentlichen Parteitages der
SED/PDS vom 17.12.1989 gedeckt gewesen. Eine Strafbarkeit der Verantwortlichen der
PDS wegen Untreue habe insoweit also schon aus tatsächlichen Gründen nicht in
Betracht kommen können. Es sei nicht ersichtlich, wie sich durch eine eventuelle
Kenntnis des Klägers über die Zahlung von Geldern an die Firma Putnik eine
strafrechtlich relevante Teilnahme an den einzelnen Tatkomplexen des Belvedere-
Verfahrens ergeben solle.
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Da die einzelnen Transaktionen im Belvedere-Verfahren in keinem strafrechtlich
relevanten Zusammenhang mit dem Beschluss des Parteivorstandes der SED/PDS vom
21.12.1989 ständen, sei es auch insoweit aus tatsächlichen Gründen unmöglich, dem
Kläger für den Zeitpunkt der Beschlussfassung am 21.12.1989 bereits einen
Beteiligungsvorsatz zu unterstellen. Der Kläger habe sich daher bei der Beantwortung
der Frage "Inwieweit waren Sie am Beschluss der SED/PDS zur Sicherung des
Parteivermögens am 21.12.1989 beteiligt" auf gar keinen Fall der Gefahr der
Strafverfolgung in Sachen "Putnik-Deal" und "Belvedere-Hotel GmbH" aussetzen
können. Der Kläger habe sein insoweit geltend gemachtes
Auskunftsverweigerungsrecht auch nicht hinreichend begründet, da er sich
diesbezüglich ausschließlich auf das Urteil des BGH in Sachen "Putnik-Deal" berufen
habe.
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Der Kläger habe auch die Frage (3.): "Erläutern Sie bitte den sogenannten
Altlastenbeschluss vom 11. Januar 1990." beantworten können, ohne sich einer
Strafverfolgungsgefahr auszusetzen. Am 11.01.1990 habe der Parteivorstand der
SED/PDS den Beschluss gefasst, für Altforderungen auch ausländischer Partner,
insbesondere der Sowjetunion, gegenüber der SED einzustehen. Ein strafrechtlich
relevanter Zusammenhang zwischen diesem Altlastenbeschluss und den einzelnen
Tatkomplexen, die Gegenstand des Ermittlungsverfahrens in Sachen "Belvedere- Hotel
GmbH" bildeten, scheide daher von vornherein aus. Ein strafrechtlich relevanter
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Zusammenhang zwischen dem Altlastenbeschluss und dem Gegenstand des
Verfahrens in Sachen Putnik-Deal ließe sich nur herstellen, soweit der
Altlastenbeschluss bloß fingierte Forderungen zum Zweck des "Waschens" oder
"Parkens" von Bestandteilen des SED-Vermögens habe erfassen sollen. In einem
solchen Fall sei aber die Transaktion in Sachen Putnik-Deal vom Willen des
Parteivorstandes erfasst gewesen und somit nicht als Untreue zum Nachteil der Partei
zu werten. Für den Kläger habe auch hinsichtlich der weiteren Fragen (4. - 6.) zum
Putnik-Deal, zur Moskaureise und den Berichten über die Empfehlungen des
Gesprächspartners L1 keine Gefahr der Strafverfolgung bestanden. Da die SED/PDS
auf dem außerordentlichen Parteitag am 17.12.1989 durch den Beschluss zur
Sicherung des Parteivermögens gerade ihr Einverständnis zur Überweisung von 107
Millionen DM von der PDS an die Firma Putnik erklärt habe, seien diese Fragen für den
Kläger strafrechtlich bedeutungslos, denn der Vorgang unterfalle aus tatsächlichen
Gründen keinem Straftatbestand. Es seien auch keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, dass die Beantwor- tung von Fragen betreffend Zahlungen von Geldern der
PDS an die Firma Putnik zu einer Einbeziehung des Klägers in das seinerzeit noch
laufende Verfahren in Sachen Belvedere Hotel GmbH hätten führen können, weil
insoweit gar kein sachlicher Zu- sammenhang bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streistandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und auf die von der Beklagten übersandten Akten des 2.
Untersuchungsausschusses in der 13. Wahlperiode (Ordner Nr. 446 - 453, Ordner "MAT
B 87" betreffend das Verfahren "Belvedere Hotel GmbH" der Staatsanwaltschaft II bei
dem Landgericht Berlin (22 Js 330/90), Ordner Nr. 230 - 257 betreffend das Verfahren
"Putnik-Deal"der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin (22 Js 328/90)) Bezug
genommen.
48
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
49
Das Verfahren ist gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit der Kläger die
Klage zurückgenommen hat.
50
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
51
Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage, da der Beschluss des 2.
Untersuchungsausschusses vom 09.10.1997 als Maßnahme des Zeugniszwangs einen
Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
darstellt.
52
Vgl. dazu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil
vom 24.03.1998 - 5 A 216/95 - , S. 12 des amtlichen Umdrucks.
53
Die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist gewahrt worden. Danach muss die
Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben
werden, wenn ein Widerspruchsbescheid nach § 68 VwGO nicht erforderlich ist.
Vorliegend war ein Widerspruchsbescheid entsprechend § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO
nicht erforderlich.
54
Vgl. Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 21.09.1994 - 23 K 8011/93 - , S. 9 f. des
amtlichen Umdrucks.
55
Die Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des 2.
Untersuchungsausschusses vom 13.11.1997 beim LG Bonn am 20.11.1997 erfolgte
innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Obwohl das LG Bonn das
sachlich unzuständige Gericht war, wurde durch die Beschwerdeeinlegung die
Klagefrist auch hinsichtlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingehalten.
Gemäß § 17 b Abs. 1 Satz 2 GVG bleiben die Wirkungen der Rechtshängigkeit
bestehen, nachdem der Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen
Rechtswegs verwiesen worden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger womöglich
schuldhaft ein Gericht eines unzulässigen Rechtswegs angerufen hat.
56
Vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 11.05.1995 - 10 A 11400/95 - , NVwZ- RR 1996,
181; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Auflage 2000, § 74 Rn. 8 und § 83 Rn. 20.
57
Überdies lässt sich von einer schuldhaften Anrufung eines unzuständigen Gerichts
durch den Kläger nicht sprechen, weil das LG Bonn den Rechtsweg zu den ordentlichen
Gerichten als gegeben ansah und die klägerische Auffassung insoweit von einem
Kollegialgericht geteilt wurde.
58
Die angefochtene Maßnahme hat sich nicht zwischenzeitlich erledigt, weil der 2.
Untersuchungsausschuss mit Ablauf der 13. Wahlperiode des Deutschen Bundestages
seine Arbeit beendet hat. Aus dem Grundsatz der Diskontinuität ergeben sich keine
Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klage. Die Verhängung des Ordnungsgeldes
sowie die Auferlegung der Sitzungskosten maßregeln im Vorfeld von
Beugemaßnahmen das Verhalten des Klägers in der Ausschusssitzung vom 13.11.1997
und beschweren ihn nach wie vor.
59
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.03.1998 - 5 A 216/95 - , S. 12 des amtlichen Umdrucks;
OVG NRW, Urteil vom 24.03.1998 - 5 A 239/95 - , S. 10 des amtlichen Umdrucks.
60
Die Klage ist jedoch unbegründet.
61
Der Beschluss des 2. Untersuchungsausschusses vom 13.11.1997 ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
62
Maßgebliche Sach- und Rechtslage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des
Beschlusses vom 13.11.1997 ist die im Zeitpunkt seines Erlasses geltende. Das Gesetz
zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages
(Untersuchungsausschussgesetz - PUAG) vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1142) bleibt
daher außer Betracht.
63
Ermächtigungsgrundlage für die Auferlegung der Kosten und die Verhängung des
Ordnungsgeldes ist nach dem Vorstehenden Art. 44 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) in
Verbindung mit § 70 Abs. 1 StPO. Gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG finden auf
Beweiserhebungen eines Untersuchungsausschusses die Vorschriften über den
Strafprozess sinngemäß Anwendung. Dazu zählt auch die Befugnis, Maßnahmen des
Zeugniszwanges nach § 70 Abs. 1 StPO zu ergreifen. Der Untersuchungsausschuss als
die die Ermittlungen führende Stelle ist in sinngemäßer Anwendung von § 70 Abs. 1, §
161 a Abs. 2 StPO selbst berechtigt, dem Zeugen, der das Zeugnis ohne gesetzlichen
Grund verweigert, die hierdurch verursachten Kosten aufzuerlegen und gegen ihn ein
Ordnungsgeld festzusetzen.
64
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - ,
BVerfGE 76, 363, 385.
65
Der Beschluss vom 13.11.1997 ist formell und materiell rechtmäßig.
66
Die Voraussetzungen des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit § 70 Abs. 1 StPO
für die Auferlegung von Kosten und die Verhängung eines Ordnungsgeldes liegen vor.
67
Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StPO werden einem Zeugen, der das Zeugnis ohne
gesetzlichen Grund verweigert, die durch die Weigerung entstandenen Kosten auferlegt.
Zugleich wird gegen ihn gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 StPO ein Ordnungsgeld und für den
Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Ein
Ordnungsgeld darf zudem gegen einen Zeugen nur verhängt werden, wenn er
schuldhaft gegen die Zeugenpflicht verstoßen hat.
68
BGH, Beschluss vom 13.10.1995 - StB 71/95 - , juris; BGH, Beschluss vom 28.12.1978 -
StB 235/78 - , BGHSt 28, 240, 259.
69
Dem Kläger stand für die Verweigerung des Zeugnisses in der 87. Sitzung des 2.
Untersuchungsausschusses am 13.11.1997 kein gesetzlicher Grund zur Seite. Er war
nicht entsprechend § 55 Abs. 1 StPO zu einer umfassenden Aussageverweigerung
berechtigt.
70
§ 55 Abs. 1 StPO findet über die Verweisung des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG auch in
Verfahren vor Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen Anwendung.
71
BVerfG, Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - , BVerfGE 76, 363, 387.
72
Der Auffassung der Beklagten, in parlamentarischen
Untersuchungsausschussverfahren sei eine umfassende Auskunftspflicht des Zeugen,
flankiert durch ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot in einem gegebenenfalls
nachfolgenden Strafprozess, zu statuieren, ist nicht beizupflichten. Sie findet im
anzuwendenden Recht keine tragfähige Stütze. Der uneingeschränkte Wortlaut der
Verweisungsnorm des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG erstreckt sich nicht nur auf § 55 StPO,
sondern auch auf weitere befugnisbegrenzende Regelungen der Strafprozessordnung,
nämlich das Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen (§ 52 StPO), der
Berufsgeheimnisträger und der Berufshelfer (§ 53, § 53 a StPO) sowie auf die
Bestimmung des § 68 a StPO über die Zulässigkeit bloßstellender Fra- gen.
73
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - , BVerfGE 76, 363, 387.
74
Der von Seiten der Beklagten vorgeschlagene Weg ließe sich methodisch allenfalls
entweder durch eine restriktive Interpretation - mittels einer teleologischen Reduktion -
der Worte "sinngemäße Anwendung" in Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG oder durch eine
analoge Anwendung des § 97 Abs. 1 InsO im Untersuchungsausschussverfahren
beschreiten.
75
Vgl. zur Statuierung einer Auskunftspflicht des Zeugen in parlamentarischen
Untersuchungsausschussverfahren aus rechtspolitischer Sicht Kölbel/Morlok, ZRP
2000, 217, insb. 219 ff.; Danckert, ZRP 2000, 476, insb. 478 f.
76
Beide Ansätze schlagen nach Auffasssung der Kammer fehl. Die Kammer nimmt zur
Begründung insoweit Bezug auf die Entscheidungen vom heutigen Tage in den
Parallelverfahren 7 K 2495/98, 7 K 2676/98 und 7 K 2677/98.
77
Der Kläger durfte das Zeugnis jedoch nicht gestützt auf § 55 Abs. 1 StPO umfassend
verweigern. Gemäß § 55 Abs. 1 StPO kann jeder Zeuge die Auskunft auf solche Fragen
verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem in § 52 Abs. 1 StPO
bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer
Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. In eine solche Gefahr geriete er dann, wenn eine
Ermittlungsbehörde aus seiner wahrheitsgemäßen Aussage Tatsachen entnehmen
könnte - nicht müsste - , die sie gemäß § 152 Abs. 2 StPO zur Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens veranlassen könnten. Da die Schwelle eines Anfangsverdachts
im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO niedrig liegt, ist auch das Bestehen einer
entsprechenden Gefahr bereits weit im Vorfeld einer direkten Belastung zu bejahen.
78
BVerfG, Beschluss vom 06.02.2002 - 2 BvR 1249/01 (3. Kammer) - , Strafverteidiger
2002, 177; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13.11.1998 - StB 12/98 - , NJW 1999, 1413.
79
Ein solcher Anfangsverdacht muss sich auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte,
das heißt auf konkrete Tatsachen stützen, die dafür sprechen, dass gerade der zu
untersuchende Lebenssachverhalt eine Straftat enthält. Bloße, nicht durch konkrete
Umstände belegte Vermutungen oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen
weder für einen prozessual ausreichenden Anfangsverdacht noch für ein
Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO aus.
80
Vgl. hierzu insgesamt BGH, Beschluss vom 01.06.1994 - 1 BJs 182/83 - , MDR 1994,
929 f. mit weiteren Nachweisen.
81
§ 55 StPO gibt dem Zeugen grundsätzlich zwar nur das Recht, die Auskunft auf einzelne
Fragen zu verweigern. Jedoch kann die gesamte in Betracht kommende Aussage des
Zeugen mit seinem möglicherweise strafbaren oder ordnungswidrigen Verhalten in
derart engem Zusammenhang stehen, dass nichts übrig bleibt, was er ohne die Gefahr
der Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit aussagen könnte.
82
Vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.1987 - 1 BJs 46/96 - 5 I BGs 286/87 -, Strafverteidiger
1987, 328.
83
Dies kann insbesondere bei Fragen der Fall sein, die ein Teilstück in einem
mosaikartigen Beweisgebäude betreffen und die demzufolge mittelbar zu einer
Belastung des Zeugen beitragen können.
84
Vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.1987 - 1 BJs 46/96 - 5 I BGs 286/87 -, Strafverteidiger
1987, 328; 329; BGH, Beschluss vom 27.06.1988 - 1 BJs 280/87 - , 6 - StB 14/88 - ,
wistra 1988, 358; BGH, Beschluss vom 16.12.1988 - 1 BJs 327/87 - 4 StB 57/88 - , NJW
1989, 2703; BGH, Beschluss vom 01.06.1994 - 1 BJs 182/83 - , MDR 1994, 929, 930;
BGH, Beschluss vom 13.11.1998 - StB 12/98 - , NJW 1999, 1413.
85
In diesen Fällen kommt das Auskunftsverweigerungsrecht im Ergebnis einem
umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht gleich.
86
Andererseits ist das Recht des Zeugen aus § 55 Abs. 1 StPO hinsichtlich mittelbar einen
87
Anfangsverdacht begründenden Tatsachen nicht gegeben, wenn er etwa Angaben über
rechtskräftig abgeurteilte eigene Taten machen müsste und die Gefahr weiterer
Verfolgung zweifellos ausgeschlossen ist.
BVerfG, Beschluss vom 06.02.2002 - 2 BvR 1249/01 (3. Kammer) - , Strafverteidiger
2002, 177 f; BGH, Beschluss vom 13.11.1998 - StB 12/98 - , NJW 1999, 1413.
88
Die Tatsache, auf die ein Zeuge die Verweigerung des Zeugnisses gemäß § 55 Abs. 1
StPO stützt, ist gemäß § 56 Satz 1 StPO auf Verlangen glaubhaft zu machen. Dabei
dürfen Angaben über die Tat, derentwegen Verfolgungsgefahr besteht, nicht verlangt
werden; denn das wäre ohne Selbstbelastung nicht möglich. Die Glaubhaftmachung
erstreckt sich daher nur auf die Annahme des Zeugen, dass diese vorliegt.
89
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage 1999, § 56 Rn. 2.
90
Gemessen an diesen Maßstäben stand dem Kläger kein zu einem umfassenden
Zeugnisverweigerungsrecht verdichtetes Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 Abs. 1
StPO zu. Er hätte die ihm in der 87. Sitzung des 2. Untersuchungsausschusses
gestellten Fragen auch in Anbetracht des weitgefassten Untersuchungsauftrages des 2.
Untersuchungsausschusses wahrheitsgemäß beantworten können, ohne dass sich
gegen ihn ein Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO im Hinblick auf eine
Untreue gemäß § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB bzw. der Teilnahme (§ 26, § 27 StGB) an einer
Untreue als allein in Betracht kommendem Straftatbestand ergeben hätte.
91
Zunächst ist festzustellen, dass die vom 2. Untersuchungsausschuss an den Kläger
gerichteten Fragen,
92
(1.) "Waren Sie inoffizieller Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklä- rung, Sektor
Wissenschaft und Technik?" und
93
(7.) "Herr C. , der Vorsitzende hat schon darauf hingewiesen, dass wir die Erklärung, die
Sie heute hier vorgetragen haben, in großen Teilen be- reits aus den Erklärungen von
Herrn H. , Herrn C. und Frau L. kennen. Haben Sie sich alle vorher abgesprochen, wie
Sie diese Erklä- rung der Zeugnisverweigerung hier heute vortragen wollen?",
94
weder unmittelbar noch mittelbar den Putnik-Deal bzw. den Belvedere-Komplex
berührten. Entsprechendes gilt für die Aufforderung
95
(3.) "Erläutern Sie bitte den sogenannten Altlastenbeschluss vom 11. Januar 1990."
96
Da in dem Altlastenbeschlusses vom 11.01.1990 der Parteivorstand der SED/PDS sich
verpflichtet hatte, für die Altforderungen ausländischer Partner einzustehen, ist ein
strafrechtlich relevanter Zusammenhang zwischen dem Altlastenbeschluss und den
einzelnen Tatkomplexen des Putnik-Deals bzw. des Belvedere-Komplexes nicht zu
ziehen. Ein strafrechtlich relevanter Zusammenhang zwischen dem Altlastenbeschluss
und dem Gegenstand des Verfahrens in Sachen Putnik-Deal ließe sich lediglich dann
herstellen, wenn der Altlastenbeschluss auch bloß fingierte Forderungen zum Zweck
des "Waschens" oder "Parkens" von Bestandteilen des SED-Vermögens habe erfassen
sollen. In einem solchen Fall wäre aber - wie von der Beklagten zutreffend ausgeführt -
die Transaktion in Sachen Putnik-Deal vom Willen des Parteivorstandes erfasst
gewesen und somit nicht als Untreue zum Nachteil der Partei zu werten.
97
Der Kläger hätte sich auch hinsichtlich der Beantwortung der übrigen Fragen (2., 4. - 6.)
des 2. Untersuchungsausschusses keiner Gefahr der Strafverfolgung wegen einer
Straftat nach § 266 StGB ausgesetzt.
98
Gemäß § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB wird bestraft, wer die ihm kraft Gesetzes, behördlichen
Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde
Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen
Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Vorliegend müssten sich also
zunächst aus einer wahrheitsgemäßen Antwort des Klägers zureichende tatsächliche
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er eine ihm als Vorstands- und Präsidiumsmitglied
der PDS gegenüber derselben obliegende Vermögensbetreuungspflicht (durch Tun
oder Unterlassen gemäß § 13 StGB) verletzt hat oder dass er an einer solchen
Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht in einer die Tatbestände des § 26 StGB
oder des § 27 StGB erfüllenden Weise teilgenommen hat. Eine Pflichtwidrigkeit im
Sinne einer Untreue nach § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB kann etwa darin gefunden werden,
dass Geldbeträge dem jederzeitigen Zugriff der PDS entgegen deren erklärten Zielen
sat- zungswidrig entzogen wurden.
99
BGH, Beschluss vom 20.10.1993 - 5 StR 635/92 - , juris = MDR 1994, 191.
100
In der Mitwirkung am Beschluss des außerordentlichen Parteitags der PDS vom
17.12.1989 zur Sicherung des Parteivermögens und dessen Bestätigung am 21.12.1989
kann danach von vornherein keine den Anfangsverdacht einer Untreue begründende
Handlung des Klägers gesehen werden. Der außerordentliche Parteitag hat vielmehr
als Willensbildungsorgan die Vermögensinteressen der SED/PDS überhaupt erst
definiert.
101
LG Berlin, Urteil vom 20.06.1995 - (514) 22 Js 287/90 KLs (9/93) - , S. 44 des amtlichen
Umdrucks.
102
Dem Kläger war bereits von daher die Beantwortung der Frage (2.) möglich, ohne sich
damit der Gefahr einer Strafverfolgung auszusetzen.
103
Auch die Antworten des Klägers auf die ihm gestellten Fragen (4. - 6.) konnten zum
Zeitpunkt seiner Aussage am 13.11.1997 vor dem 2. Untersuchungsausschuss keinen
Anfangsverdacht im Hinblick auf eine Teilnahme - eine täterschaftliche Beteiligung lag
offenkundig nicht vor - an einer Untreue im Zusammenhang mit dem Putnik-Deal, der
sich zwischen dem 28.08.1990 und dem 09.10.1990 abspielte, hervorrufen. Insoweit
fehlte es - auch für den Kläger ersichtlich - an einer teilnahmefähigen vorsätzlichen und
rechtswidrigen Haupttat, nachdem die in dem Putnik-Verfahren angeklagten Personen
mangels Vorliegens der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht und auch
mangels Vorsatzes durch Urteil des LG Berlin vom 20.06.1995 freigesprochen worden
waren und das Urteil rechtskräftig geworden war.
104
Selbst wenn der Kläger weiterhin bei Beantwortung der Fragen gegenüber dem 2.
Untersuchungsausschuss hätte einräumen müssen, dass er die in dem Putnik- Deal
Verfahren angeklagten Personen zu der Vornahme der Vermögensverschiebungen im
Einzelnen bewegt hatte und über den Putnik-Deal im Tatzeitraum und nicht erst im
nachhinein konkret informiert gewesen war, änderte dies nichts an der rechtlichen
Bewertung, dass die als teilnahmefähige Haupttaten in Betracht kommenden
105
Handlungen den Untreuetatbestand nicht verwirklichten. Nachdem die
Staatsanwaltschaft das den Putnik-Deal betreffende freisprechende Urteil des LG Berlin
vom 20.06.1995 hatte rechtskräftig werden lassen, bestand für den Kläger mehr als zwei
Jahre später nicht mehr die Gefahr, sich durch seine Aussage vor dem 2.
Untersuchungsausschuss der Strafverfolgung auszusetzen, zumal gegen den Kläger
nie wegen des Untreuevorwurfs ermittelt worden ist.
Der Kläger kann ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht auch nicht darauf
stützen, dass er sich durch die Beantwortung der ihm gestellten Fragen der Gefahr der
Strafverfolgung im Hinblick auf das Belvedere-Verfahren hätte aussetzen kön- nen.
106
Die an den Kläger gerichteten Fragen berührten sämtlich zumindest nicht unmittelbar
den Belvedere-Themenkomplex. Ungeachtet der relativen Komplexität des
Sachverhalts ist nicht ersichtlich, inwieweit wahrheitsgemäße Aussagen des Klägers zu
dem strafrechlich bereits aufgearbeiteten Putnik-Komplex auch nur mittelbare
Rückschlüsse auf ein strafbares Verhalten im Kontext des Belvedere- Verfahrens
zulassen könnten. Die denkbaren Antworten des Klägers hätten sich nicht einmal weit
im Vorfeld einer direkten Belastung bewegt. Putnik- und Belvedere- Verfahren betrafen
offenbar voneinander trennbare Vorgänge: während es in dem einen Fall um die
Begleichung fingierter Forderungen gegen die PDS ging, hatte der andere Fall die
Gewährung eines Darlehens aus dem Vermögen der PDS an eine GmbH und
nachfolgend dessen Überweisung ins Ausland zum Gegenstand. Während im Putnik-
Verfahren die PDS selbst als geschädigter Vermögensträger in Betracht gezogen
wurde, befasste sich das Belvedere-Verfahren mit Vermögensverschiebungen zum
Nachteil der Belvedere Hotel GmbH.
107
Zwar wurde das den Belvedere-Komplex betreffende Ermittlungsverfahren, das sich
unter anderem auch gegen "Verantwortliche der PDS" als "weitere Beschuldigte"
richtete, erst mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft II bei dem LG Berlin und also
nach der am 13.11.1997 vorgesehenen Anhörung vor dem 2. Untersuchungsausschuss
zum Abschluss gebracht. Auch ist nicht zu verkennen, dass die dem Kläger gestellten
Fragen vor dem Hintergrund des Untersuchungsauftrags des 2.
Untersuchungsausschusses zu verstehen sind und also grundsätzlich allgemein auf
Vorgänge abzielten, die im Zusammenhang mit Vermögensverschiebungen der
SED/PDS standen. Damit wurden Vermögensverschiebungen, welche den Gegenstand
des Putnik-Verfahrens darstellten, ebenso in Bezug genommen, wie solche, die das
Belvedere-Verfahren zum Gegenstand hatte.
108
Gleichwohl lagen im Zeitpunkt der Aussage am 13.11.1997 keine zureichenden
tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die es ermöglicht hätten, einen Anfangsverdacht gegen
den Kläger im Hinblick auf eine täterschaftliche Beteiligung oder auf die Teilnahme an
einer Untreue - sei es in der Form der Anstiftung, sei es in der Form der Beihilfe - als
gegeben anzusehen. Dass der Kläger allein aufgrund seiner exponierten Stellung
innerhalb der PDS zu jener Zeit durch sein Verhalten gegenüber den im Belvedere-
Verfahren unmittelbar tätig werdenden Personen im Allgemeinen diese zur Vornahme
der Vermögensverschiebungen in einer einen Teilnahmevorwurf begründenden Weise
veranlasst haben könnte, ist angesichts der gegebenen tatsächlichen Verhältnisse eine
bloß denktheoretische Möglichkeit. Den Kläger zu den "unbekannten Verantwortlichen"
des zum Zeitpunkt seiner Anhörung vor dem 2. Untersuchungsausschusses noch nicht
abgeschlossenen Belvedere-Komplexes zu rechnen, ist vor dem Hintergrund, dass der
Kläger seit Beginn der Ermittlungsverfahren im Putnik-Deal und im Belvedere-Komplex
109
weder als Angeschuldigter noch als Zeuge gehört wurde noch sonst in diesen Verfahren
in irgendeiner Weise in Erscheinung getreten ist und auch das LG Berlin den Kläger
nicht - wie die übrigen Vorstands- und Präsidiumsmitglieder als einen der
Verantwortlichen der PDS - gehört hat, fernliegend.
Der Kläger hat auch schuldhaft gehandelt, da er vor seiner Vernehmung zur Sache
durch den Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses über die Unzulässigkeit
einer etwaigen umfassenden Auskunftsverweigerung aufgeklärt worden ist. Soweit der
Kläger sich gleichwohl für berechtigt gehalten hat, die Auskunft umfassend zu
verweigern, liegt darin ein nach den Grundsätzen des § 17 StGB zu behandelnder
Verbotsirrtum. Dieser Irrtum war für den Kläger bereits aufgrund des genannten
Hinweises des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschuss, der in dieser Funktion im
Vorfeld der Verhängung von Beugemaßnahmen ebenso wie ein Gericht in einer
vergleichbaren Situation die Befugnis zur sorgfältigen Prüfung des Umfangs der
Zeugenpflicht hat,
110
vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28.12.1978 - StB 235/78 - , BGHSt 28, 240, 258,
111
vermeidbar.
112
Vgl. Kammergericht, Beschluss vom 16.09.1998 - 2 Ws 189/98 - juris; Dahs, in:
Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Auflage 1988, Band 1, § 70 Rn. 6; Senge, in: Karlsruher
Kommentar zur StPO, 4. Auflage 1999, § 70 Rn. 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO,
44. Auflage 1999, § 70 Rn. 4.
113
Ein Rechtsirrtum des Klägers ist nicht deshalb unvermeidbar, weil das Landgericht
Berlin den Klägern der Parallelverfahren (7 K 2495/98, 7 K 2677/98 und 7 K 2676/98) H.
, C. und L. (vormals E. ) als Vorstands- und Präsidiumsmitglieder der SED/PDS ein
umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zugebilligt hatte. Denn der Kläger ist im
Verfahren vor dem LG Berlin nicht gehört worden, ihm ist von daher auch kein
Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden worden, auf das er sich nunmehr hätte
vermeintlich stützen können. Desweiteren ist ein unvermeidbarer Rechtsirrtum auch
nicht darin zu sehen, dass das LG Berlin das Zeugnisverweigerungsrecht der
Vorstands- und Präsidiumsmitglieder der SED/PDS damit begründet hatte, der Vorwurf
der Untreue im Zusammenhang mit der Sicherung des Vermögens der PDS richte sich
gegen "Verantwortliche der PDS" und "unbekannte Verantwortliche der PDS". Zum
einen sind das Straf- und das Untersuchungsausschussverfahren in struktureller
Hinsicht nicht hinreichend miteinander vergleichbar, um von der Zubilligung eines
umfassenden Zeugnisverweigerungsrechts im Strafverfahren auf das gleichzeitige
Bestehen eines solchen auch im Untersuchungsausschussverfahren notwendigerweise
schließen zu können. Im Rahmen des letzteren geht es nicht um die Ermittlung
strafbaren Unrechts, sondern allgemein um die Aufarbeitung von Vorgängen im
politischen Raum, die auch nicht strafbaren Charakter tragen können. Daher kann ein
Zeuge, der zu einem zumal strafrechtlich bereits aufgearbeiteten Sachverhalt vor einem
parlamentarischen Untersuchungsausschuss gehört werden soll, nicht davon ausgehen,
dass ein ihm zuvor durch ein Strafgericht zuerkanntes umfassendes
Zeugnisverweigerungsrecht auch gegenüber dem Untersuchungsausschuss zwingend
Geltung beanspruchen kann. Zum anderen hat sich die Sach- und Rechtslage zwischen
dem 23.05.1995 und dem 13.11.1997 grundlegend verändert. Die Angeklagten des
Putnik-Verfahrens sind rechtskräftig freigesprochen worden. Es sind mehr als zwei
Jahre vergangen, ohne dass die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren in Sachen
114
Belvedere Hotel GmbH irgend welche gegen den Kläger als "unbekannten
Verantwortlichen" gerichtete Ermittlungsmaßnahmen getroffen oder Erkenntnisse
gesammelt hätte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO; diejenige über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr.
11, § 711 ZPO.
115