Urteil des VG Koblenz vom 18.11.2010

VG Koblenz: satzung, ortsbild, grundstück, genehmigungsverfahren, flughafen, form, erlass, verfügung, verein, verwaltung

VG
Koblenz
18.11.2010
7 K 441/10.KO
Baurechts
Verwaltungsgericht
Koblenz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn ...,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Schaffranek, Fox, Metternich & Adler, Löhrrondell 5,
56068 Koblenz,
gegen
die Verbandsgemeinde Kirchberg,
vertreten durch den Bürgermeister, Marktplatz 5, 55481 Kirchberg,
- Beklagte -
beigeladen:
Ortsgemeinde Lautzenhausen,
vertreten durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kirchberg, Marktplatz 5, 55481 Kirchberg,
wegen Baurechts (Nutzungsuntersagung)
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
18. November 2010, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dr. Fritz
Richter am Verwaltungsgericht Theobald
Richter am Verwaltungsgericht Karst
ehrenamtlicher Richter Dipl.-Ing.-Agr. Pauly
ehrenamtliche Richterin Dipl.-Betriebswirtin Benninghoven
für Recht erkannt:
Die Nutzungsuntersagungsverfügung vom 8. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
4. März 2010 wird aufgehoben.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie die
Gerichtskosten jeweils zu Hälfte und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Beklagten und der Beigeladenen bleibt
nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine baurechtliche Nutzungsuntersagung.
Er ist Eigentümer des Grundstücks H.-Straße … in Lautzenhausen (Flur ..., Flurstück ...), auf dem sich ein
Wohn- und Geschäftshaus befindet. Das Grundstück ist bauplanungsrechtlich nach § 34 des
Baugesetzbuchs (BauGB) einzuordnen und liegt in einem Bereich, der neben Wohnbebauung auch
gewerbliche Nutzungen aufweist. Ferner befindet sich die Parzelle im Geltungsbereich der Satzung der
Ortsgemeinde Lautzenhausen über die Herstellung von Stellplätzen und Garagen vom 20. August 2008.
Diese Satzung enthält in § 2 (Anzahl der Stellplätze) folgende Regelung:
1) Für die jeweilige Nutzung baulicher Anlagen bestimmt sich der Stellplatzbedarf nach der Anlage
(Richtzahlen für die Ermittlung des Stellplatzbedarfs) der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der
Finanzen vom 24. Juli 2000 … Die genannte Verwaltungsvorschrift ist Bestandteil dieser Satzung.
2) Abweichend von der unter Absatz 1 genannten Verwaltungsvorschrift sind je Einfamilienhaus bis zu 4
Stellplätze, je Zweifamilienhaus bis zu 5 Stellplätze und je Dreifamilienhaus bis zu 6 Stellplätze zulässig.
3) Über die in den Absätzen 1 und 2 genannten Stellplätze hinaus sind weitere Stellplätze (z. B.
Mietstellplätze) nicht zulässig.
Die Satzung ist gestützt auf § 24 der Gemeindeordnung (GemO) i.V.m. § 88 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 sowie
Abs. 3 Nr. 3 der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz (LBauO). In der Begründung zur Satzung wird auf
die besondere Situation der Ortsgemeinde Lautzenhausen mit ihrer Lage unmittelbar am Flughafen
Frankfurt/Hahn verwiesen. Da sich innerhalb der Ortslage Parkplatzangebote für Flugreisende
entwickelten, drohe der gesamten Ortslage die Entstehung von kleineren und größeren Parkplätzen,
welche das Ortsbild erheblich beeinträchtigten. Mit der Stellplatzsatzung sei es nicht mehr möglich,
Stellplätze für Flugreisende anzubieten. Über die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen
vom 24. Juli 2000 hinaus seien keine weiteren Stellplätze wie zum Beispiel Mietstellplätze mehr zulässig,
auch nicht für die Nutzer des Flughafens Frankfurt/Hahn.
Der Kläger beantragte am 18. September 2008 eine Baugenehmigung im vereinfachten
Genehmigungsverfahren nach § 66 LBauO für die Errichtung einer Stellplatzanlage mit insgesamt
14 Stellplätzen. Die Beklagte erteilte unter dem 5. November 2008 eine Baugenehmigung für lediglich
acht Stellplätze für PKW und verwies zur Begründung im Einzelnen auf die Berechnung aufgrund der
Stellplatzsatzung i.V.m. der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Finanzen vom 24. Juli 2000. Die
nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage in dem Verfahren 7 K 292/09.KO hatte Erfolg.
Das Verwaltungsgericht Koblenz verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 17. November 2009 zur
Genehmigung von weiteren 6 Stellplätzen im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Die Anlage von
gewerblichen Stellplätzen in einem Mischgebiet sei zulässig und es bestehe darüber hinaus ein
Sachbescheidungsinteresse an der beantragten Baugenehmigung. Das Vorhaben des Klägers verstoße
nämlich nicht offensichtlich gegen Bauordnungsrecht, hier in Gestalt der Stellplatzsatzung. Gegen diese
Satzung lägen Rechtmäßigkeitsbedenken vor. Es bestehe Anlass zur Überprüfung, ob für die Stellplatz-
satzung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 88 Abs. 3 LBauO vorlägen. In einem Mischgebiet sei eine
gewerbliche Stellplatzvermietung zulässig und es bedürfe zur Verhinderung der gewerblichen Nutzung
besonderer gewichtiger Gründe.
Anlässlich verschiedener Ortstermine stellte die Beklagte fest, dass auf dem Grundstück des Klägers mehr
als 8 Pkw abgestellt waren. Mit - hier streitgegenständlichem - Bescheid vom 8. Juli 2009 untersagte sie
ihm unter Bezugnahme auf die Stellplatzsatzung die Nutzung insoweit, als die Anzahl der dort parkenden
Pkw die genehmigten 8 Stellplätze überschreite; ferner wurde eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 84,--
€ festgesetzt. Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch macht der Kläger im Wesentlichen eine
Unwirksamkeit der Stellplatzsatzung geltend. Er beantragte zugleich eine Abweichung von den
Vorschriften der Stellplatzsatzung.
Unter dem 13. Januar 2010 erteilte die Beklagte dem Kläger im vereinfachten Verfahren gemäß § 66
Abs. 1 LBauO die Baugenehmigung zur Errichtung einer Stellplatzanlage mit insgesamt 14 Stellplätzen
auf dem eingangs genannten Grundstück. Die Genehmigung enthält u. a. den Hinweis darauf, dass ihr nur
eine begrenzte Feststellungswirkung zukommt und sie nicht die Festsetzungen der Stellplatzsatzung der
Ortsgemeinde Lautzenhausen vom 20. August 2008 berücksichtigt. Ferner nahm die Beklagte Bezug auf
die Nutzungsuntersagungsverfügung vom 8. Juli 2009.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2010, dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 24. März
2010, wies der Kreisrechtsausschuss bei der Kreisverwaltung des Rhein-Hunsrück-Kreises den
Widerspruch gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung vom 8. Juli 2009 zurück. Die
Nutzungsuntersagungsverfügung sei zu Recht mit materieller Illegalität, nämlich dem Widerspruch zur
Stellplatzsatzung der Ortsgemeinde Lautzenhausen, begründet worden. Nach der Stellplatzsatzung vom
20. August 2008 seien auf dem streitgegenständlichen Grundstück lediglich 8 Stellplätze zulässig. Im
Hinblick auf die Verstöße gegen die Stellplatzsatzung sei wohl in ermessensgerechter Weise über die
Erteilung einer Abweichung von der Satzung gemäß § 88 Abs. 7 LBauO i.V.m. § 69 LBauO entschieden
und dies verneint worden. Der Kreisrechtsausschuss habe zwar Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der
Stellplatzsatzung mit Blick darauf, ob diese von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gemäß § 88
Abs. 3 Nr. 3 LBauO gedeckt sei. Dem Ausschuss fehle indes insoweit eine Inzident-Verwerfungs-
kompetenz.
Der Kläger hat am 16. April 2010 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt: Die
bereits im gerichtlichen Verfahren 7 K 292/09.KO vorgebrachten formellen und materiellen Bedenken
gegen die Wirksamkeit der Stellplatzsatzung bestünden nach wie vor. Es lägen keine städtebaulichen
Gründe im Sinne des § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO vor. Der Satzungsgeber habe sein Ermessen fehlerhaft
ausgeübt, da die Verhältnisse in Lautzenhausen keine Veranlassung böten, die Herstellung von
Stellplätzen in dem geregelten Umfange zu untersagen. Nach Aktenlage sei zu vermuten, dass die
Satzung im vorrangigen Interesse des Flughafenbetreibers erlassen worden sei, um für eine
ausreichende Auslastung der Flughafenstellplätze Sorge zu tragen. Die Stellplatzsatzung erstrecke sich
auch über nahezu den gesamten Ortskern, d. h. sie sei entgegen § 88 Abs. 3 LBauO nicht nur „für
abgegrenzte Teile des Gemeindegebietes oder für bestimmte Fälle“ erlassen worden. Das klägerische
Grundstück liege in unmittelbarer Nähe zu gewerblich genutzten Parzellen, auf denen ohnehin in
größerem Umfange ein Fahrzeugverkehr und auch eine Stellplatznutzung stattfinde. Demgemäß habe die
Beschränkung der zulässigen Anzahl von Stellplätzen keinen Sinn. Bei unterstellter Wirksamkeit der
Satzung sei eine Abweichung zu erteilen; auch dann könne die Nutzungsuntersagung keinen Bestand
haben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 8. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2010
aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegengetreten und weisen auf Folgendes hin: Die
Stellplatzsatzung sei sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht wirksam. Die Satzung sei nicht für
das gesamte Gemeindegebiet erlassen worden, was sich auch aus den vorgelegten Lageplänen mit
Markierung der nicht von dem Geltungsbereich der Satzung erfassten Gemarkungsbereiche ergebe. Die
Auswahl des Geltungsbereichs der Stellplatzsatzung sei unter dem Gesichtspunkt erfolgt, welche
Bereiche der Ortslage vor das Ortsbild beeinträchtigenden gewerblich vermieteten Parkflächen zu
schützen seien. Nach der Stellplatz-VV ergebe sich für den Kläger ein Gesamtbedarf von nur
6 Stellplätzen. Hier sei aber nach § 2 Abs. 2 der Stellplatzsatzung bereits ein erhöhter Bedarf von
insgesamt 8 Stellplätzen anerkannt worden. Darüber hinausgehender Stellplatzbedarf sei nicht ersichtlich.
Es gebe daher auch keine Anhaltspunkte für eine Abweichung gemäß § 69 LBauO. Die
Beeinträchtigungen des fließenden Verkehrs seien ein Aspekt, aber nicht die entscheidende Begründung
für den Erlass der Stellplatzsatzung. Vielmehr rechtfertigten erhebliche städtebauliche Belange die
Regelung. Der vorherrschend dörfliche Charakter müsse erhalten werden. Bei weiterem Abwarten wäre
die Gemeinde zu einem „Großparkplatz“ mutiert und bei ungehemmter Weiterentwicklung hätte die
Gemeinde auch keine planerischen Gestaltungsmöglichkeiten mehr. Dem Bedürfnis der gewerblich
genutzten Grundstücke sei dadurch Rechnung getragen worden, dass kein generelles Stellplatzverbot
erfolgte, sondern die Zulässigkeit insgesamt nur eingeschränkt werde. Notwendige Bedürfnisse für
gewerblich genutzte Grundstücke, wie z. B. Vermietungen, Gastronomie oder Hotellerie seien
ausreichend berücksichtigt worden, ebenso der private Gebrauch. Damit gebe es genügend
Möglichkeiten für Abweichungen. Auch der Schutz der Nachtruhe bei vorhandener Wohnbebauung
müsse berücksichtigt werden. Nur abgegrenzte Teile des Gemeindegebietes seien von der Satzung
betroffen. Zudem beziehe sich die Satzung auf „bestimmte Fälle“ gemäß § 88 Abs. 3 LBauO, die alternativ
zu den „abgegrenzten Teilen des Gemeindegebietes“ als Tatbestandsvoraussetzung genannt seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakte 7 K 292/09.KO sowie eine Bauakte der Beklagten,
die Akte betreffend den Erlass der Stellplatzsatzung sowie die Kreisrechtsausschussakte W 09/247 Bezug
genommen; diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet, da der angefochtene Bescheid vom 8. Juli 2009 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2010 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten
verletzt (siehe § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Rechtswidrigkeit der Nutzungsuntersagung beruht darauf, dass der Kläger die beanstandeten
Stellplätze formell rechtmäßig nutzt, soweit er einer Baugenehmigung bedarf, und diese Nutzung auch
materiell rechtmäßig ist, da die Stellplatzsatzung der Beigeladenen nichtig ist und somit der hier allein in
Betracht kommende Gesichtspunkt entgegenstehenden Bauordnungsrechts ausscheidet.
Die Nutzungsuntersagungsverfügung ist gestützt auf die Ermächtigungsgrundlage des § 81 Satz 1 LBauO.
Hiernach kann die Bauaufsichtsbehörde u. a. die Benutzung baulicher Anlagen - Stellplätze gelten gemäß
§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 LBauO als bauliche Anlagen - untersagen, wenn diese gegen baurechtliche oder
sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Nutzungsänderung verstoßen und nicht auf andere
Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
In der vorliegenden Fallgestaltung kommt es auf die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Anlage an.
Zwar reicht für den Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung regelmäßig bereits der Umstand, dass
für eine praktizierte Nutzung die erforderliche Genehmigung fehlt und es wird grundsätzlich ein Verstoß
der Nutzung gegen materiell-rechtliche Vorschriften nicht gefordert. Maßgebend dafür ist die Erwägung,
dass anderenfalls eine Art. 3 Abs. 1 GG zuwiderlaufende Bevorzugung des ungenehmigt und mithin
insoweit gesetzwidrig Nutzenden gegenüber dem gesetzestreuen Bürger eintritt, der die Voraussetzungen
für die Genehmigungsfähigkeit der beabsichtigten Nutzung im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens
selbst dartun muss. Etwas anderes soll dabei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit dann gelten, wenn die
beanstandete Nutzung
offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Mai 1996 -
8 A 11880/95.OVG - und Beschluss vom 1. Juni 1997 ‑ 1 A 10622/97.OVG -).
Auf die formelle Legalität kommt es aber nur hinsichtlich solcher Anforderungen an, welche auch
Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens sein können. Stellplätze, die - wie hier - eine Fläche von
100 qm überschreiten und damit nicht mehr gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 11 lit. d) LBauO genehmigungsfrei
sind, bedürfen gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 LBauO einer Genehmigung im sogenannten vereinfachten
Genehmigungsverfahren. Eine solche Genehmigung hat die Beklagte dem Kläger unter dem 13. Januar
2010 erteilt. Damit ist, wie sich aus § 66 Abs. 3 LBauO ergibt, im Wesentlichen lediglich die Zulässigkeit
der Stellplätze nach dem Bauplanungsrecht geprüft worden. Diese Baugenehmigung hat keine Fest-
stellungswirkung hinsichtlich bauordnungsrechtlicher Fragen, insbesondere nicht bezüglich einer
Übereinstimmung mit den Festsetzungen der Stellplatzsatzung. Dies hat die Beklagte auch ausdrücklich
in der Baugenehmigung vom 13. Januar 2010 ausgeführt. Da der Kläger keiner auch
bauordnungsrechtliche Fragen einschließlich der Einhaltung der Stellplatzsatzung regelnden
Baugenehmigung bedarf, kommt es insoweit auf die materielle Rechtmäßigkeit der Anlage an. Diese ist
hier zu bejahen, da sich die Satzung als unwirksam und damit nichtig erweist mit der Folge, dass der von
der Beklagten zur Begründung der Nutzungsuntersagung herangezogene Verstoß gegen
Bauordnungsrecht nicht vorliegt.
Die Satzung erweist sich deshalb als unwirksam, weil sie von der hier einschlägigen
Ermächtigungsgrundlage des § 88 Abs. 3 Nr. 3 LBauO nicht gedeckt ist. Nach dieser Vorschrift können die
Gemeinden für abgegrenzte Teile des Gemeindegebietes oder für bestimmte Fälle durch Satzung die
Herstellung von Stellplätzen untersagen oder einschränken, soweit Bedürfnisse des Verkehrs oder
städtebauliche Gründe dies erfordern. Die Beigeladene hat ausweislich des Inhaltes der Satzung wie
auch der Begründung hierzu eine Regelung getroffen, die an das Tatbestandsmerkmal „abgegrenzte
Teile des Gemeindegebiets“ anknüpfen soll. Es geht nämlich darum, in bestimmten Teilen der Ortslage
die Zulässigkeit von Mietstellplätzen einschränkend zu reglementieren. Die weitere Alternative in § 88
Abs. 3 LBauO, nämlich „für bestimmte Fälle“ eine Satzung zu erlassen, verlangt spezielle nicht-räumliche
Anforderungen, die sich zum Beispiel aus der Art der baulichen Nutzung ergeben können. Eine solche
Regelung hat die Beigeladene indes nicht getroffen. Die Satzung erstreckt sich auf alle Arten der im
Geltungsbereich zulässigen Nutzung.
Die nach § 88 Abs. 3 LBauO notwendige Begrenzung des Geltungsbereichs der Satzung wurde nicht
vorgenommen. Sie ist nicht nur rein räumlich in dem Sinne zu verstehen, dass der Geltungsbereich der
Satzung in ein mathematisches Verhältnis zum gesamten Gemeindegebiet gesetzt wird. Die Bestimmung
eines abgegrenzten Teiles des Gemeindegebietes hat sich auch an inhaltlichen Kriterien zu orientieren,
wenn dies die rechtlich geschützten Interessen von Grundstückseigentümern gebieten. In einer solchen
Fallgestaltung reicht es nicht aus, wesentlich auf den räumlichen Aspekt abzustellen, vielmehr sind bereits
für die Abgrenzung - ungeachtet der weiteren Tatbestandsmerkmale des § 88 Abs. 3 LBauO - rechtliche
Kriterien wesentlich. Eine derartige Situation ist hier gegeben, da das Grundstück des Klägers in einem
Teil von Lautzenhausen liegt, der aufgrund seiner Prägung auch durch gewerbliche Nutzung das Verbot
der Grundstücksnutzung für Mietstellplätze nicht rechtfertigt. Dieser Teil der Ortslage erstreckt sich
jedenfalls auf den Bereich entlang der H.-Straße nördlich von der Einmündung des M.-Weges und der
Straße Am F.
Ausweislich der vorgelegten und von den Beteiligten erläuterten Lagepläne findet sich in dem besagten
Gebiet neben Wohnnutzung auch gewerbliche Nutzung, die über die in einem Allgemeinen Wohngebiet
nach § 4 BauNVO grundsätzlich zulässige Nutzung hinausgeht. Südlich des klägerischen Grundstücks
wird eine Autovermietung betrieben, auf deren Gelände sich auch eine Waschanlage befindet. Auf der
dem Kläger gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich das Airport-Hotel ... Dieses verfügt über
insgesamt 41 Zimmer und 80 auch bauordnungsrechtlich genehmigte Stellplätze. Im Nordosten an der
Straße Am F. befindet sich der Betrieb eines Autohandelsunternehmens. Alle diese gewerblichen
Nutzungen liegen in der nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen näheren Umgebung des klägerischen
Grundstücks und bestimmen dessen bauliche Ausnutzbarkeit. Die genannten Nutzungen sind von ihrer
Art her typischerweise in einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO, einem Kerngebiet nach § 7 BauNVO oder
einem Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO zu verwirklichen. Dabei kann hier offenbleiben, ob der fragliche
Bereich eher einem Mischgebiet entspricht oder es sich vielmehr um eine Gemengelage handelt. Auch
kommt es nicht darauf an, inwieweit das südlich der Autovermietung ansässige Reisebüro und der auf der
anderen Straßenseite gegenüberliegende Malerbetrieb zu berücksichtigen sind. Bereits die eingangs
genannten gewerblichen Nutzungen zeigen, dass der Kläger auf seiner Parzelle ebenfalls eine
gewerbliche Nutzung, wozu die Stellplatzvermietung gehört, verwirklichen darf.
Diese durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Position des Klägers und der
sonstigen im nördlichen Teil der H.-Straße liegenden Grundstücke hätte bei der Begrenzung des
Geltungsbereichs der Stellplatzsatzung durch eine Aussparung dieses Gemeindegebietsteiles
berücksichtigt werden müssen. Bei einer sachgerechten Abwägung der Belange der Allgemeinheit mit
den Privatinteressen der Grundstückseigentümer genießen letztere im fraglichen Gemeindeteil eindeutig
Vorrang. Das ausweislich der Begründung zur Stellplatzsatzung angegebene Ziel, das Ortsbild vor
beeinträchtigenden Parkflächen zu schützen, kann im nördlichen Teil der H.-Straße bis zum
Flughafengelände hin aufgrund der vorhandenen gewerblichen Nutzungen überhaupt nicht erreicht
werden. Hier gibt es auch entgegen Nr. 3 der Begründung keine „überwiegend dörflich geprägte
Ortsstruktur (Ortsbild)“. Nach den Erläuterungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom
18. November 2010 gibt es in Lautzenhausen noch zwei Landwirte, nämlich einen Vollerwerbslandwirt
am südlichen Rand des Ortes Richtung Sohren sowie einen Nebenerwerbslandwirt auf der Parzelle 32
südöstlich des Hotels ... Auch wenn Letzterer eine Fläche von 140 ha bewirtschaftet und entsprechende
Gerätschaften auf seinem Grundstück vorhält, ändert dieser Betrieb nichts am gewerblich geprägten
Gesamteindruck der Grundstücksnutzungen in Richtung Flughafengelände. Eine dörfliche Prägung ist
angesichts des mit den gewerblichen Nutzungen verbundenen hohen Pkw-Aufkommens nicht (mehr)
gegeben. Liegt aber bereits kein entsprechendes Ortsbild, das geschützt werden könnte, vor, so ist der
vom Satzungsgeber beabsichtigte Ausschluss der Grundstücksnutzung durch Mietstellplätze im hier
fraglichen
Bereich nicht gerechtfertigt. Eine sachgerechte Abwägung mit angemessener Bewertung der
grundrechtlich geschützten Eigentumsposition des Klägers und der übrigen Anlieger ist nicht gegeben.
Ungeachtet dessen zeigt auch die sonstige Begründung zur Stellplatzsatzung, dass die Beigeladene den
Schutz des Ortsbildes selbst relativiert. Es heißt in der Begründung, dass im Flughafenareal Parkplätze in
ausreichendem Umfang vorhanden seien; der Flughafen habe ein ausreichendes Stellplatzangebot, so
dass es diesbezüglich zu keinen Einschränkungen für die Nutzer des Flughafens komme. Diese
Ausführungen implizieren die Möglichkeit, die Bedeutung des Ortsbildes dann zu relativieren, wenn auf
dem Flughafen kein ausreichendes Stellplatzangebot bestünde. Ansonsten wäre nicht erklärlich, warum
der Satzungsgeber in die Interessenabwägung auch die Belange des Flughafenbetreibers und der
Flughafenbenutzer einbezieht. Ist aber der Schutz des Ortsbildes in dieser Hinsicht disponibel, so besteht
erst recht kein Anlass, im hier streitigen Gemeindebereich eine gewerbliche Stellplatzvermietung
auszuschließen.
Erweist sich danach die Satzung wegen Verstoßes gegen die Ermächtigungsgrundlage des § 88 Abs. 3
Nr. 3 LBauO als unwirksam, so konnte die Nutzungsuntersagungsverfügung hierauf nicht gestützt werden
und ist rechtswidrig. Sie war daher ebenso aufzuheben wie die im gleichen Bescheid enthaltene
Kostenfestsetzung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 159 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167
VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Dr. Fritz gez. Theobald gez. Karst
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden.
gez. Dr. Fritz gez. Theobald gez. Karst
Beschluss
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Gründe
Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das
Vorverfahren anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei für
erforderlich gehalten werden durfte (vgl. Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 16. Auflage 2009, § 162
Rdnr. 18 m.w.N.). Im vorliegenden Fall war die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu
erklären, da es dem Kläger aufgrund der Komplexität und der rechtlichen Probleme des Falles nicht
zuzumuten war, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ohne Rechtsbeistand zu wahren.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die
Beschwerde
Die Beschwerde ist bei dem
Verwaltungsgericht Koblenz
Deinhardpassage 1), 56068 Koblenz, schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
innerhalb von zwei Wochen
einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich
oder in elektronischer Form bei dem
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Dezember 2010: Deinhardpassage 1), 56068 Koblenz, eingeht. Die elektronische Form wird durch eine
qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Landesverordnung über den
elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008
(GVBl. S. 33) in der jeweils geltenden Fassung zu übermitteln ist.
Die Beschwerde muss durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO
vertretungsbefugte Person oder Organisation als Prozessbevollmächtigten eingelegt werden.
In Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist die Beschwerde
nicht gegeben
des Beschwerdegegenstandes 200,00 € nicht übersteigt.
gez. Dr. Fritz gez. Theobald gez. Karst