Urteil des VG Koblenz vom 30.09.2010

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VG
Koblenz
30.09.2010
3 L 1224/10.KO
Ladenöffnungsrecht, Ladenschlussrecht, Gewerberecht
Verwaltungsgericht
Koblenz
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
der Verbandsgemeinde Kaisersesch, vertreten durch den Bürgermeister, Bahnhofstraße 47, 56759
Kaisersesch,
- Antragstellerin -
Prozessbevollmächtigte: Kunz Rechtsanwälte, Mainzer Straße 108, 56068 Koblenz,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion,
Willy-Brandt-Platz 3, 54290 Trier,
- Antragsgegner -
wegen Gewerberechts, Ausnahme nach dem Ladenöffnungsgesetz
hier: Antrag nach § 123 VwGO
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der Beratung vom 30. September 2010, an
der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Lutz
Richter am Verwaltungsgericht Pluhm
Richter am Verwaltungsgericht Porz
beschlossen:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.750 € festgesetzt.
G r ü n d e
Der Antrag, mit dem die Antragstellerin bei sachgerechter Auslegung ihres Begehrens im Wege der
einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, gemäß § 12 Satz 1
Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz (LadöffnG) eine Ausnahme von § 10 Satz 2 LadöffnG zuzulassen,
und zwar die Öffnung von Verkaufsstellen in der Stadt Kaisersesch am Sonntag, den 3. Oktober 2010 in
der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr, hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, der hier als Rechtsgrundlage für den
Erlass der begehrten Anordnung allein in Betracht kommt, kann eine einstweilige Anordnung erlassen
werden, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus
anderen Gründen notwendig erscheint. Mit der einstweiligen Anordnung kann allerdings in der Regel nur
eine vorübergehende Regelung getroffen werden. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist daher grund-
sätzlich nicht möglich. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber wegen der in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz
gewährleisteten Garantie effektiven Rechtsschutzes eine Ausnahme hiervon dann zu machen, wenn der
geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und dem Betroffenen
im Falle der Nichterfüllung des geltend gemachten Anspruchs bis zum Ergehen einer Entscheidung in der
Hauptsache unzumutbare Nachteile drohen (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind von dem
jeweiligen Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m § 920 Abs. 2
Zivilprozessordnung - ZPO -).
Nach den genannten Grundsätzen kommt im Wege der einstweiligen Anordnung die begehrte
Verpflichtung des Antragsgegners zur Zulassung einer Ausnahme nicht in Betracht, denn nach der hier
lediglich möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist nicht hinreichend
wahrscheinlich, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch zusteht; vielmehr spricht alles
dafür, dass die begehrte Zulassung einer Ausnahme nicht in Betracht kommt.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass gemäß der grundsätzlichen Regelung der allgemeinen
Ladenschlusszeiten in § 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 8 LadöffnG Verkaufsstellen am 3. Oktober
geschlossen sein müssen, weil dieser Tag ein Sonntag und zudem ein Feiertag im Sinne des Gesetzes
ist, und zwar der Tag der Deutschen Einheit. Die Antragstellerin ist nicht befugt, in eigener Kompetenz
gemäß § 10 Satz 1 LadöffnG durch Rechtsverordnung eine Ausnahme zuzulassen. Zwar ermächtigt die
genannte Bestimmung sie unter den darin genannten Voraussetzungen grundsätzlich dazu, abweichend
von § 3 Satz 1 Nr. 1 LadöffnG allgemein oder in bestimmten Teilen des Gemeindegebiets an höchstens
vier Sonntagen pro Gemeinde in einem Kalenderjahr zu bestimmen, dass Verkaufsstellen geöffnet sein
dürfen und diese Tage sowie die Lage der zugelassenen Ladenöffnungszeiten festzusetzen. § 10 Satz 2
LadöffnG regelt insoweit jedoch einschränkend, dass unter anderem an Sonntagen, auf die ein Feiertag
fällt, eine Öffnung nicht zugelassen werden darf. Bei der Beschränkung der Möglichkeit der Zulassung
verkaufsoffener Sonntage an höchstens vier Sonntagen pro Gemeinde in einem Kalenderjahr auf
allgemeine Sonntage, ausgenommen jedoch unter anderem die Sonntage, auf die ein Feiertag fällt,
handelt es sich nach Wortlaut und Systematik des § 10 LadöffnG um eine bewusste Entscheidung des
Gesetzgebers. Dies ergibt sich auch aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum
Landesladenöffnungsgesetz, denn darin kommt an mehreren Stellen zum Ausdruck, dass eine Freigabe
von Feiertagen zum Schutz dieser Tage generell ausgeschlossen werden sollte (vgl. Landtags-
Drucksache 15/387 vom 25.10.2006, Seiten 1, 13 und 19, dort Abs. 1 und 3 der Einzelbegründung zu § 10
des Gesetzentwurfs).
Diese grundsätzliche Entscheidung des Landesgesetzgebers gegen eine auch nur ausnahmsweise
Öffnungsmöglichkeit von Verkaufsstellen an Feiertagen ist bei der hier von der Antragstellerin begehrten
Zulassung einer Ausnahme nach § 12 LadöffnG zu berücksichtigen, denn die nach dieser Bestimmung in
Einzelfällen möglichen befristeten Ausnahmen, „wenn diese im öffentlichen Interesse dringend notwendig
sind“, dürfen nicht zur Umgehung des grundsätzlichen Verbots der Öffnung von Verkaufsstellen an
Feiertagen führen (vgl. dazu auch die Einzelbegründung im Gesetzentwurf der Landesregierung zu § 12
des Gesetzes [Landtags-Drucksache 15/387, Seite 20]).
Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin keine Argumente vorgebracht, die unter Beachtung der obigen
Grundsätze die Annahme rechtfertigen, dass die Zulassung der Öffnung von Verkaufsstellen am
3. Oktober 2010 in Kaisersesch im öffentlichen Interesse dringend notwendig ist.
3. Oktober 2010 in Kaisersesch im öffentlichen Interesse dringend notwendig ist.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, der Gesetzgeber habe in § 12 LadöffnG grundsätzlich die
entsprechende Regelung im Ladenschlussgesetz (vgl. dort § 23 Abs. 1) übernommen, trifft dies zwar in
dieser Allgemeinheit zu. Insbesondere ist die Voraussetzung der Zulassung eine Ausnahme, dass diese
im öffentlichen Interesse dringend nötig ist, ersichtlich aus dieser Vorschrift übernommen worden. Der
rechtliche Zusammenhang der Regelungen, der bei der Auslegung der Ausnahmevorschrift zu
berücksichtigen ist, hat sich durch den Erlass des Landesladenöffnungsgesetzes jedoch in wesentlicher
Beziehung verändert, und dies muss auch bei der Auslegung der Ausnahmebestimmung berücksichtigt
werden. So ermöglichte § 14 (Bundes-)Ladenschlussgesetz, durch Rechtsverordnung die Öffnung von
Verkaufsstellen an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen freizugeben, allerdings nur aus Anlass
von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen. Im Vergleich dazu ist § 10 LadöffnG einerseits
großzügiger, indem allgemein ohne die Anknüpfung an einen bestimmten Anlass an bis zu vier Sonn-
tagen pro Gemeinde in einem Kalenderjahr die Öffnung von Verkaufsstellen durch Rechtsverordnung
ermöglicht werden kann; die Regelung ist anderseits aber auch – wie oben dargelegt bewusst – enger,
indem eine solche Möglichkeit unter anderem für Feiertage ausgeschlossen wird. Diese vom
Landesgesetzgeber gewollte und durch Gesetz umgesetzte Veränderung der Rechtslage steht der Zu-
lassung einer Ausnahme gemäß § 12 Satz 1 LadöffnG mit der Begründung, die Stadt Kaisersesch habe
das Kontingent von höchstens vier zulässigen Ausnahmen an Sonntagen gemäß § 10 Satz 1 LadöffnG
noch nicht ausgeschöpft und werde es auch im Jahr 2010 nicht mehr ausschöpfen, entgegen, denn die
Rechtslage ist in Bezug auf allgemeine Sonntage einerseits und auf Feiertage andererseits nach dem
oben Dargelegten grundsätzlich verschieden.
Die dringende Notwendigkeit der Zulassung einer Ausnahme im öffentlichen Interesse kann auch nicht
damit begründet werden, dass es sich bei dem Herbstmarkt um eine Traditionsveranstaltung handele, die
jeweils am ersten Dienstag im Oktober stattgefunden habe und damit verbunden jeweils am
vorhergehenden Sonntag ein Jahrmarkt, bei dem auch die Öffnung von Verkaufsstellen, und damit
insbesondere von Ladengeschäften aller Art, zugelassen gewesen sei, und dass die erfahrungsgemäß
mehr als 10.000 Besucher der Traditionsveranstaltung die Öffnung der Ladengeschäfte gewohnt seien
und diese auch zur Versorgung der Besucher erforderlich oder zumindest sinnvoll sei. Dieses Argument
begründet nicht die dringende Notwendigkeit der Öffnung der Verkaufsstellen im öffentlichen Interesse
gerade am Sonn- und Feiertag, dem 3. Oktober 2010, denn die Veranstaltung findet gerade nicht
traditionell an diesem Feiertag statt, sondern Anknüpfungspunkt für den Herbstmarkt war jeweils der erste
Dienstag im Oktober und davon abhängig wurde am jeweils vorausgehenden Sonntag ebenfalls ein
Jahrmarkt durchgeführt. Von dieser Tradition ist aber bereits die Stadt Kaisersesch selbst abgewichen,
indem sie in diesem Jahr keinen Herbstmarkt am ersten Dienstag im Oktober veranstaltet, sondern einen
Herbst- und Jahrmarkt am Samstag und Sonntag 2. und 3. Oktober 2010 durchführt. Insoweit ist aber kein
Grund dafür ersichtlich, weshalb die zeitlich ohnehin verlegte Veranstaltung nicht auch zum Beispiel an
dem vorangehenden oder dem nachfolgenden Wochenende hätte durchgeführt werden können, so dass
bei der hier gegebenen Sachlage eine Ausnahme gemäß § 10 Satz 1 LadöffnG möglich gewesen wäre.
Eine derartige Terminverschiebung wurde auch bereits einmal im Jahr 1996 praktiziert, als man ausweis-
lich der Verwaltungsakte aus Anlass des 675-Jahr-Feier den Herbst- und Jahrmarkt abweichend von der
Tradition auf den zweiten Dienstag im Oktober und den vorausgehenden Sonntag verlegt hat, d.h. auf den
8. und 6. Oktober 1996.
Die große Zahl der auswärtigen Besucher des Herbst- und Jahrmarktes ist zur Begründung der
dringenden Notwendigkeit einer Ausnahme im öffentlichen Interesse aber auch deshalb ungeeignet, weil
die Notwendigkeit der Versorgung der Besucher, die die Ausnahme rechtfertigen soll, erst durch die
Festsetzung des Herbst- und Jahrmarktes auf den 2. und 3. Oktober 2010 hervorgerufen wird. Nachdem
der Landesgesetzgeber in § 10 LadöffnG aber je Gemeinde ohne Bindung an einen konkreten Anlass,
wie zum Beispiel einen Jahrmarkt, durch Rechtsverordnung an höchstens vier Sonntagen im Jahr,
allerdings nicht an Feiertagen, die Veranstaltung verkaufsoffener Sonntage ermöglicht, ist die Veran-
staltung eines Jahrmarktes und die dabei erwartete Besucherzahl, auch die der auswärtigen Besucher,
aber als solche nicht mehr geeignet, die dringende Notwendigkeit der Zulassung eines verkaufsoffenen
Sonntages zu begründen, wenn dieser auf einen Feiertag fällt. Vielmehr ist die Stadt Kaisersesch darauf
verwiesen, ihre Veranstaltung an einem allgemeinen Sonntag durchzuführen, bei dem unter Beachtung
der Grenzen des § 10 Satz 1 LadöffnG ein verkaufsoffener Sonntag ermöglicht werden kann.
Angesichts der oben dargelegten veränderten Rechtslage überzeugt auch der Hinweis der Antragstellerin
nicht, unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Ladenöffnungsgesetzes sei der Tag der Deutschen
Einheit durchaus mit einem normalen Sonntag vergleichbar, so dass jedenfalls dann, wenn – wie hier –
die Grenze von höchstens vier verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr gemäß § 10 Satz 1 LadöffnG nicht
überschritten werde, die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 12 des Gesetzes möglich sei. Diesem
Argument steht bereits entgegen, dass sich der Gesetzgeber – wie oben bereits dargestellt – bewusst
anders entschieden hat. Dass die Antragstellerin diese Auffassung offenbar nicht teilt, rechtfertigt keine
Ausnahme von klaren gesetzlichen Bestimmungen und begründet insbesondere keine dringend
Notwendigkeit einer Ausnahme im öffentlichen Interesse.
Schließlich vermag die Antragstellerin auch nicht mit dem Argument durchzudringen, der Antragsgegner
habe selbst im Jahre 2006 die Ladenöffnung am Tag der Deutschen Einheit zugelassen, als dieser auf
einen Sonntag gefallen sei. Die Antragstellerin übersieht insoweit, dass die damalige Zulassung auf § 14
(Bundes-)Ladenschlussgesetz gestützt wurde, der damals die Zulassung der Öffnung von Verkaufsstellen
auch an Feiertagen ermöglicht hat. Der mit der genannten Bestimmung nur teilweise vergleichbare und im
entscheidenden Punkt abweichende § 10 LadöffnG (Rheinland-Pfalz), der unter anderem an Feiertagen
eine solche Möglichkeit grundsätzlich ausschließt, ist erst am 29. November 2006 in Kraft getreten, so
dass seit dem eine veränderte Rechtslage gilt, die auch von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion zu
beachten ist.
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ist deshalb abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 sowie 63 Abs. 2
GKG. Im Hinblick auf die von der Antragstellerin mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes begehrte weitgehende Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung bemisst die Kammer
den Streitwert im Eilverfahren auf 3/4 des im Hauptsacheverfahren maßgeblichen Streitwertes. Letzterer
beträgt gemäß § 52 Abs. 2 GKG 5.000 €, so dass sich für das vorliegende Eilverfahren ein Streitwert von
3.750 € ergibt.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Lutz
gez. Pluhm
gez. Porz