Urteil des VG Koblenz vom 02.03.2009

VG Koblenz: kontrolle, gefährdung der gesundheit, zahlstelle, datum, rind, kennzeichnung, handbuch, schweinehaltung, prüfer, kuh

VG
Koblenz
02.03.2009
4 K 443/08.KO
Landwirtschaftsrecht, Verwaltungsprozessrecht
Verkündet am: 02.03.2009
...
Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht Koblenz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, vertreten durch den Präsidenten, Willy-Brandt-Platz 3,
54290 Trier,
- Klägerin -
gegen
den Landkreis Cochem-Zell, vertreten durch den Landrat, Endertplatz 2, 56812 Cochem,
- Beklagter -
beigeladen:
Herr ...,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Walek, Dittmann, Hartmann, Barg, Kottenheimer Weg 39,
56727 Mayen,
wegen Agrarfördermaßnahmen
hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. März
2009, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dr. Bayer
Richter am Verwaltungsgericht Porz
Richterin am Verwaltungsgericht Gäbel-Reinelt
ehrenamtliche Richterin Hausfrau Rißler
ehrenamtliche Richterin Bankkauffrau Stern
für Recht erkannt:
Der Widerspruchsbescheid vom 14. März 2008 wird insoweit aufgehoben, als er dem Widerspruch des
Beigeladenen stattgegeben hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten werden der Klägerin zu 1/2 und dem Beklagten und dem Beigeladenen zu je 1/4
auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen der Beklagte und der Beigeladene zu je 1/4.
Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten und des Beigeladenen werden der Klägerin zu je 1/2
auferlegt. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Widerspruchsbescheids, mit dem der Beklagte
verpflichtet wird, dem Beigeladenen zusätzliche Betriebsprämien zu gewähren.
Der Beigeladene ist Landwirt in R. Er betreibt unter anderem Rinder- und Schweinehaltung. Am 22. März
2007 beantragte er die Betriebsprämie für das Jahr 2007.
Bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 7. November 2007 wurden ausweislich des Prüfberichts folgende, nicht auf
Vorsatz beruhende Verstöße festgestellt:
Im Rinderbestand wurden 24 Tiere angetroffen, obwohl in der amtlichen Rinderdatenbank 25 Tiere
registriert waren. Ein Rind wurde ohne Ohrmarken und ein anderes Rind nur mit einer Ohrmarke
angetroffen. Diese Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht erhielten zunächst eine
Beanstandungsquote von 4 %; sodann wurden sie als leicht eingestuft und mit 1 % bewertet. Das
Bestandsregister war unvollständig; es waren nur 21 Tiere registriert, drei Tiere fehlten. Dieser Verstoß
erhielt zunächst eine Beanstandungsquote von 12 %; sodann wurde er als mittel eingestuft und mit 3 %
bewertet. Der ursprünglich angenommene Verstoß bezüglich der Rinderpässe wurde am 28. November
2007 wieder gestrichen. Bei der Rinderdatenbank wurden zwei Meldeverstöße festgestellt. Sie erhielten
zunächst die Beanstandungsquote von 8 %, wurden sodann als leicht eingestuft und mit 1 % bewertet. Die
Gesamtbewertung ergab 3 %.
Im Schweinebestand wurden 15 Tiere angetroffen, wovon 8 zum maßgeblichen Bestand gehörten, weil 7
Ferkel noch nicht abgesetzt waren. Ein Tier hatte keine Ohrmarken. Dieser Verstoß erhielt zunächst eine
Beanstandungsquote von 12,5 %; sodann wurde er als mittel eingestuft und mit 3 % bewertet. Das
Bestandsregister war ausweislich des Prüfberichts unvollständig und nicht aktuell geführt. Es fehlt jedoch
die Angabe, worauf diese Feststellung beruht. Dennoch wurde der Verstoß als mittel eingestuft und mit 3
% bewertet. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht wurde ausdrücklich verneint. Die Gesamtbewertung
ergab für den Schweinebestand ebenfalls 3 %.
Mit Bescheid vom 27. Dezember 2007 bewilligte der Beklagte eine Betriebsprämie in Höhe von 18.091,33
€. Dabei wurde die an sich errechnete Summe von 19.632,48 € zunächst wegen der vorzunehmenden
Modulation um 5 % auf 18.650,86 € gekürzt. Von diesem Betrag wurden nochmals 3 %, d.h. 559,53 €,
wegen der festgestellten Verstöße abgezogen.
Gegen diesen Bescheid legte der Beigeladene am 4. Januar 2008 Widerspruch ein, mit dem er die
zusätzliche Gewährung der 559,53 € begehrte. Er machte geltend, die fehlende Ohrmarke bei dem
Schwein sei in Gegenwart der Mitarbeiter des Prüfdienstes wieder angebracht worden. Er könne sich nicht
Tag und Nacht bei den Tieren aufhalten und aufpassen, dass sie keine Ohrmarken abstreiften. Er sei auch
nicht verpflichtet, ein Bestandsregister für Schweine zu führen, denn er verfüge nur über zwei Zuchtsauen.
Bezüglich der Rinder gab er an, er habe nur 24 Tiere gehabt. Das Rind mit der Ohrmarken-Endziffer 35
sei versehentlich mit der Endziffer 34 gemeldet worden. Bei einem Rind seien beide Ohrmarken weg
gewesen. Er habe jedoch eine Ohrmarke im Stall gefunden und sie hinter die für dieses Rind
maßgebliche Tafel gehängt. Nachdem dies beanstandet worden sei, habe er neue Ohrmarken bestellt.
Das Bestandsregister sei vollständig und korrekt gewesen. Es hätten keine drei Rinder gefehlt.
Der Kreisrechtsausschuss gab dem Widerspruch teilweise statt. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März
2008 verpflichtete er den Beklagten, dem Beigeladenen eine zusätzliche Betriebsprämie von 373,02 € zu
gewähren, im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. In den Gründen war ausgeführt, der Beigeladene
habe ausweislich der Vor-Ort-Kontrolle gegen seine Verpflichtung zur Kennzeichnung, Registrierung und
Meldung der Tiere verstoßen. Bezüglich der Rinder ergebe sich diese Verpflichtung aus §§ 27 ff
Viehverkehrsverordnung und für die Schweinehaltung folge dies aus §§ 39 ff Viehverkehrsverordnung.
Diese Verstöße widersprächen den Grundanforderungen an die Betriebsführung nach Art 4 VO (EG) Nr.
1782/03. Deshalb müssten die Betriebsprämien gekürzt werden. Nach Art. 66 VO (EG) Nr. 796/04 betrage
die Kürzung in der Regel 3 % des Gesamtbetrags. Allerdings könne die Zahlstelle die Kürzung auf 1 %
vermindern, wobei mehrere Verstöße als ein einziger Verstoß anzusehen seien. Da die Kreisverwaltung
Zahlstelle im Sinne des Art. 66 VO (EG) Nr. 796/04 sei, und da § 6 Abs. 2 AGVwGO nicht entgegenstehe,
könne der Kreisrechtsausschuss die Bewertung in vollem Umfange überprüfen und abändern. „Die
fehlenden Ohrmarken bei dem Schwein und dem Rind“ seien nur leichte Verstöße und rechtfertigten eine
Verminderung der Kürzung auf 1 %. Dem Kreisrechtsausschuss sei bekannt, dass sich die Ohrmarken
leicht lösten und dass es für einen Landwirt schwer sei, jederzeit für die vollständige Erfüllung der
Ohrmarkenpflicht zu sorgen. Die Ausführungen des Prüfberichts zum „Bestandsregister Rind“ stünden im
Widerspruch zu den nachvollziehbaren Ausführungen des Beigeladenen. Den Feststellungen der Prüfer
der ADD sei kein höherer Beweiswert zuzusprechen als der Stellungnahme des Betroffenen.
Der Widerspruchsbescheid wurde der ADD am 17. März 2008 zugestellt.
Am 15. April 2008 hat die ADD Beanstandungsklage erhoben. Sie trägt vor, der Kreisrechtsausschuss sei
für die Verminderung des Kürzungsbetrags nicht zuständig, denn Zahlstelle im Sinne des Art. 66 VO (EG)
Nr. 796/04 sei die mit Verfügung vom 6. Oktober 1995 gemäß den Bestimmungen der VO (EWG) Nr.
729/70 zugelassene Referatsgruppe B in der Abteilung Landentwicklung, Agrarpolitik und Markt des
Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau. Diese Zahlstelle habe den
Kürzungsbetrag aber nicht vermindert. Unabhängig davon würden die Vor-Ort-Kontrollen gemäß der
Erwägung Nr. 54 der VO (EG) Nr. 796/04 von spezialisierten Inspektoren durchgeführt und etwaige
Kürzungen nach Art. 66 müssten auf der Grundlage der von den Kontrolleuren erstellten Bewertungen
vorgenommen werden. Die Bewertung selbst richte sich nach verwaltungsinternen Regelungen. Danach
sei von einem mittleren Verstoß auszugehen, wenn die höchste Beanstandungsquote zwischen 8 und 30
% liege. Dies sei hier wegen der ermittelten 12 % bei den Rindern und der 12,5 % bei den Schweinen der
Fall gewesen. Der Kreisrechtsausschuss hätte deshalb nicht ohne Sachverständige abweichend
entscheiden dürfen, denn er habe nicht dargelegt, woher er über die nötige Fachkompetenz verfüge, um
einen als „mittel“ eingestuften Verstoß als „leicht“ zu bewerten. Er habe auch keine inhaltlichen
Gesichtspunkte für die Abgrenzung zwischen leicht und mittel genannt.
Die Klägerin beantragt,
den Widerspruchsbescheid vom 14. März 2008 aufzuheben und den Widerspruchsbescheid des
Beigeladenen zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält sich bzw. den Kreisrechtsausschuss für die zuständige Zahlstelle im Sinne des
Gemeinschaftsrechts. Das Ministerium sei nicht in das Bewilligungsverfahren einbezogen. Alles andere
laufe auf ein Mischverwaltungssystem hinaus, denn dann müsse vor jeder Kürzung zunächst noch vom
Ministerium geprüft werden, ob der vorgeschlagene Kürzungsbetrag vermindert oder verbösert werden
soll. Dies sei faktisch jedoch nicht der Fall. Die Kreisverwaltung führe die ihr übertragenen Aufgaben als
Auftragsangelegenheiten im eigenen Namen und in eigener Verantwortung aus.
Der Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, Zeugenbeweis zu der Vollständigkeit des Bestandsregisters für die Schweine zu erheben.
Er bestreitet die Verstöße. Bei der Vor-Ort-Kontrolle habe es keine Kuh gegeben, die überhaupt keine
Ohrmarken gehabt habe. Bei einer Kuh hätten die (doppelten) Ohrmarken auf einer Seite gefehlt. Er habe
diese Ohrmarken 2 bis 3 Wochen vor dem Vor-Ort-Termin im Stall gefunden und an der Tafel der Kuh
aufgehängt. Etwa eine Woche nach der Kenntnisnahme habe er Ersatzmarken bestellt. Das
Bestandsregister für die Rinder sei vollständig gewesen. Insoweit zeigt der Beigeladene ein von ihm
angefertigtes Register vor, auf dem unter anderem die von den Kontrolleuren gerügten – aber in den
Verwaltungsakten nur verschlüsselt genannten – Tiere mit den Ohrmarken-Endziffern 077, 317 und 688
eingetragen sind. Der Beigeladene gibt an, dass diese Eintragungen bereits im Zeitpunkt der Kontrolle
vorhanden gewesen seien. Die Unstimmigkeiten in Bezug auf die amtliche HIT-Datenbank beruhten
darauf, dass er die Tiere mit den Ohrmarken-Endziffern 634 und 635 bei der Anmeldung gegenüber der
Kreisverwaltung verwechselt habe.
Bei den Schweinen habe es ein Tier ohne Ohrmarken gegeben. Dies habe er erst im Zeitpunkt der Vor-
Ort-Kontrolle festgestellt. Er habe dem Tier in Gegenwart der Prüfer neue Ohrmarken angeheftet. Das
Bestandsregister für die Schweine sei vollständig und aktuell gewesen. In den Jahren zwischen 2004 und
2007 habe er keine Schweine gehabt. Insoweit könne das Register nicht unvollständig sein. Im Übrigen
legt er 6 Blätter des Bestandsverzeichnisses vor. Das Formularblatt, das mit dem Datum vom 11.1.2007
beginnt, weist zu diesem Zeitpunkt einen Bestand von 1 Sau, 2 Zuchtläufern, 1 Mastschwein und 5
Saugferkeln aus. In einer handschriftlichen Tabelle ist vermerkt, dass eine Sau am 11.1.2007 fünf Ferkel
geworfen hat, die am 4.4.2007 an einen Herrn R. verkauft wurden. In derselben Tabelle ist vermerkt, dass
eine Sau am 6.4.2007 neun Ferkel geworfen hat. In dem oben genannten Formularblatt findet sich sodann
unter dem 5.5.2007 die Bestandsangabe: 2 Mastschweine. In der Zeile unter dem 5.5.2007 befindet sich
ein handschriftlicher Vermerk mit schwarzem Kugelschreiber, der mit blauem Kugelschreiber mehrfach
durchgestrichen ist. Der Vermerk lässt sich dennoch wie folgt lesen: „07.11.07 ADD PM“. In der nächsten
Zeile steht das durchgestrichene Datum vom 16.9.2007 mit der Angabe: 1 Sau. Sodann sind unter dem
14.11.2007 vier Verkäufe und unter dem 26.11.2007 zwei Verkäufe eingetragen. Auf einem anderen
Formularblatt, das mit dem Datum vom 22.1.2003 beginnt, finden sich fortlaufende Eintragungen aus den
Jahren 2003 und 2004. Lediglich in der letzten Zeile (nach dem 7.4.2004) taucht ein Datum vom
16.9.2007 auf. Hierzu ist in der Rubrik Bestand ein Saugferkel und in der Rubrik Zugänge „7 Stück“
vermerkt, sonst nichts.
Die Vertreter der Klägerin haben hierzu erwidert, dass der Prüfer bei den Vor-Ort-Kontrollen gewöhnlich
beide Ohren zu kontrollieren pflege. In der amtlichen HIT-Liste sei keine Nachbestellung für Ohrmarken
verzeichnet. Insoweit beantragt die Klägerin ihrerseits,
hilfsweise Zeugenbeweis zu der Unvollständigkeit des Bestandsregisters für die Schweine zu erheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift und die beigezogenen
Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat nur nach Maßgabe des Tenors Erfolg.
Die Klage ist bereits teilweise unzulässig. Nach § 17 AGVwGO kann die ADD gegen einen
Widerspruchsbescheid, dessen Rechtswidrigkeit sie geltend macht, Klage erheben, wenn sie dies im
öffentlichen Interesse für geboten hält. Eine besondere Klagebefugnis ist dafür nicht erforderlich. Wenn
aber der Widerspruchsbescheid dem Widerspruch des Beigeladenen – wie hier - nur teilweise
stattgegeben hat und wenn sich aus dem Klagebegehren ergibt, dass die ADD den zurückweisenden Teil
des Widerspruchsbescheids für rechtmäßig hält, kann sie nicht die vollständige Aufhebung des
Widerspruchsbescheids verlangen. Die Klage ist dann nur zulässig, soweit sie den stattgebenden Teil
betrifft; im Übrigen ist sie unzulässig und abzuweisen.
Soweit der Widerspruchsbescheid den Beklagten verpflichtet, dem Beigeladenen eine zusätzliche
Betriebsprämie von 373,02 € zu gewähren, ist der Klägerin zuzugeben, dass dieser Tenor von der
Begründung des Widerspruchsbescheids nicht hinreichend gedeckt ist. Nach Art. 66 Abs. 1, 2.
Unterabsatz VO (EG) Nr. 796/04 kann der Regelsatz von 3 % nur „auf der Grundlage der Bewertung durch
die zuständige Kontrollbehörde im Kontrollbericht gemäß Artikel 48 Absatz 1 Buchstabe c)“ auf 1 %
vermindert werden. Der Kreisrechtsausschuss hat nicht nachvollziehbar dargestellt, wie er angesichts der
im Kontrollbericht angegebenen Verstöße und Prozentzahlen dazu kam, den dort angenommenen
mittleren Verstoß in einen leichten Verstoß umzuwandeln. Aus dem Obersatz, dass die fortlaufende
Überwachung der Ohrmarken für einen Landwirt schwer ist, folgt nicht automatisch, dass ein Verstoß
gegen die Kennzeichnungspflicht leicht ist. Denn insoweit kommt es darauf an, seit wann der Landwirt
Kenntnis von der fehlenden Ohrmarke hat und ob bzw. wann er sich um Ersatz bemüht hat (vgl. § 27 Abs.
5, § 39 Abs. 6 ViehVerkV: „unverzüglich“). Hinsichtlich der im Prüfbericht angeführten Unvollständigkeit
des Bestandsregisters hat der Kreisrechtsausschuss ohne erkennbare Sachaufklärung vorschnell ein
„non liquet“ angenommen. Zu den übrigen im Kontrollbericht genannten Verstößen enthält der
Widerspruchsbescheid keine Ausführungen.
Der Widerspruchsbescheid leidet jedoch nicht nur an einem Begründungsmangel sondern darüber
hinaus auch an einem Ermessensfehler. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind im Vorverfahren
Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes nachzuprüfen. Die Zweckmäßigkeitsprüfung
umfasst eine eigene Ermessensbetätigung der Widerspruchsbehörde. Dem steht auch nicht § 6 Abs. 2
AGVwGO entgegen, denn es handelt sich hier nicht um die Selbstverwaltungsangelegenheit einer der
Aufsicht der Kreisverwaltung unterstehenden Ausgangsbehörde. Folglich ist der Kreisrechtsausschuss
berechtigt und verpflichtet, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine eigene
Ermessensentscheidung zu treffen, wenn der Ausgangsbehörde insoweit ebenfalls Ermessen eingeräumt
ist.
Letzteres ist hier der Fall. Denn Art. 66 Abs. 1, 2. Unterabsatz VO (EG) Nr. 796/04 räumt der zuständige
Stelle einen eigenen Ermessensspielraum ein. Die Behörde „kann“ auf der Grundlage der Bewertung im
Kontrollbericht die (ohnehin nur „in der Regel“) vorgesehene Kürzung von 3 % auf 1 % vermindern oder
ganz von einer Kürzung absehen (oder auf 5 % erhöhen). Wenn die Ausgangsbehörde dies unterlassen
hat, kann die Widerspruchsbehörde dies nachholen. Voraussetzung dafür ist aber zunächst, dass geklärt
ist, welche Verstöße vorliegen und wie sie jeweils für sich zu bewerten sind. Eine Ermessensentscheidung
aufgrund eines unzutreffenden oder umstrittenen Sachverhalts ist immer ermessensfehlerhaft, denn es
liegt in der Natur von derartigen Entscheidungen, dass sie bei Kenntnis der wahren Umstände anders
ausfallen könnten.
Da das Gericht nicht sein Ermessen anstelle des Behördenermessens ausüben darf, ist der stattgebende
Teil des Widerspruchsbescheids schon wegen des Ermessensfehlers aufzuheben. Es bedarf daher hier
keiner abschließenden Entscheidung zu der Frage, ob der Widerspruchsbescheid mit anderer
Begründung ganz oder teilweise aufrecht erhalten werden kann.
Der Widerspruch des Beigeladenen kann jedoch nicht insgesamt zurück gewiesen werden. Soweit der
Widerspruch nicht schon vom Kreisrechtsausschuss zurückgewiesen wurde, ist die Beanstandungsklage
auch insoweit abzuweisen.
Es ist nämlich nicht von vorne herein sicher auszuschließen, dass der Kreisrechtsausschuss in dem
wieder aufzugreifenden Verfahren (beschränkt auf die noch nicht unanfechtbar beschiedene Differenz von
373,02 €) nach Aufklärung des Sachverhalts und nach eigener Ermessensentscheidung wieder zum
gleichen Ergebnis gelangt. Sollte sich z. B. herausstellen, dass dem Beigeladenen nur ein Verstoß gegen
die Aktualität des Bestandsregisters für die Schweinehaltung mit gerade einmal 3 % vorzuwerfen wäre,
und dass er gegen die anderen Prüfkriterien entweder nicht oder nicht nachweisbar verstoßen hätte, dann
würde sich nicht nur die Rechtsfrage nach der Verhältnismäßigkeit stellen, sondern dann könnte im Wege
des Ermessens sogar „auf der Grundlage der Kontrollberichte“ eine Kürzung auf 1 % herbeigeführt
werden.
Für das weitere Verfahren gibt das Gericht folgende Hinweise:
Der Kreisrechtsausschuss ist die zuständige Widerspruchsbehörde für Entscheidungen der
Kreisverwaltung (§ 6 Abs. 1 AGVwGO) und die Kreisverwaltung ist die zuständige „Zahlstelle“ im Sinne
des Art. 66 Abs. 1, 2. Unterabsatz, VO (EG) Nr. 796/04, die den bei fahrlässigen Verstößen in der Regel
anzuwendenden Prozentsatz von 3 % auf 1 % reduzieren kann.
Entgegen der ursprünglich vertretenen Auffassung der Klägerin war das Ministerium zu keinem Zeitpunkt
eine Zahlstelle im Sinne des Art. 66 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/04. Der Begriff der Zahlstelle wird in Art. 2 Nr.
29 VO (EG) Nr. 796/04 definiert als „Behörde oder Stelle im Sinne von Art. 4 der Verordnung (EG) Nr.
1258/1999“. Art. 4 der zuletzt genannten Verordnung betrifft diejenigen Dienststellen oder Einrichtungen,
die von den Mitgliedstaaten zur Zahlung der unter anderem in Art. 2 Abs. 2 vorgesehenen Interventionen
(d.h. Beihilfen) zugelassen sind. Eine inhaltlich nahezu gleichlautende Vorschrift war der frühere Art. 4
Abs. 1 VO (EWG) Nr. 729/70, geändert durch die VO (EG) Nr. 1287/95, mit Durchführungsbestimmungen
in der VO (EG) Nr. 1663/95. Unter der Geltung dieser früheren Verordnungen hatte der rheinland-
pfälzische Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau mit Verfügung vom 6. Oktober
1995 die Referatsgruppe B in der Abteilung Landentwicklung, Agrarpolitik und Markt des Ministeriums als
Zahlstelle „im reformierten Rechnungsabschlussverfahren“ gemäß den Bestimmungen der VO (EG) Nr.
729/70 und 1663/95 zugelassen. Das Rechnungsabschlussverfahren war zunächst in Art. 5 Abs. 2 VO
(EWG) Nr. 729/70, später in Art. 5 Abs. 2 Buchstabe b) VO (EG) Nr. 1287/95 geregelt. Schon daraus ergibt
sich, dass die Dienststelle innerhalb des Ministeriums nicht als Zahlstelle im Sinne des Art 4 Abs. 1 VO
(EG) Nr. 729/90 bzw. VO (EG) Nr. 1258/99 und deshalb auch nicht im Sinne des Art. 66 Abs. 1 VO (EG) Nr.
796/04 fungierte.
Im Übrigen hat die Klägerin ihre diesbezügliche Rechtsauffassung in der mündlichen Verhandlung nicht
weiter aufrecht erhalten. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass § 2 InVeKoSV vom 3. Dezember 2004
(BGBl I S. 3194) bestimmt, dass die nach Landesrecht zuständigen „Landesstellen“ unter anderem für die
Durchführung der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 c) genannten Kontrolle der Einhaltung der anderweitigen
Verpflichtungen bei Direktzahlungen nach der VO (EG) Nr. 1782/03 zuständig sind. Nach § 1 Abs. 1 der
Landesverordnung zur Durchführung von Stützungsregelungen und gemeinsamen Regeln für
Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe vom 15. März 2006 (GVBl S. 129) sind die
Kreisverwaltungen die zuständigen Landesstellen. Diese nehmen nach § 1 Abs. 2 der genannten
Landesverordnung die ihnen zugewiesenen Aufgaben als Auftragsangelegenheiten wahr, d.h. im
eigenen Namen und (zunächst) auf eigene Rechnung. Eine Mitwirkung des Ministeriums bei der
Bewilligung der Betriebsprämie oder bei der Kürzung des Gesamtbetrags ist nirgendwo vorgesehen.
Es kann dahinstehen, ob die Kreisverwaltungen gemäß Art. 4 Abs. 6 VO (EG) Nr. 1258/99
ordnungsgemäß der Europäischen Kommission als Zahlstellen gemeldet wurden und ob die Zahl der
zugelassenen Zahlstellen in Deutschland bzw. in Rheinland-Pfalz gemäß Art. 4 Abs. 5 VO (EG) Nr.
1258/99 auf das Mindestmaß beschränkt wurde. Denn selbst wenn insoweit ein Verstoß gegen
Gemeinschaftsrecht vorläge, könnte die ADD dem Kreisrechtsausschuss nicht vorwerfen, dass er sich zu
Unrecht für zuständig gehalten habe. Denn wenn die Kreisverwaltung nach nationalem Recht als
zuständige Landesstelle auch die Aufgaben der Zahlstelle nach Art. 66 VO (EG) Nr. 796/04 wahrnimmt,
dann ist der Kreisrechtsausschuss - als Widerspruchsbehörde - nach nationalem Recht auch für die
Kürzung der Betriebsprämien zuständig.
Die Richtigkeit der vom Gericht vertretenen Auffassung ergibt sich auch aus § 31 a InVeKoSV. Zwar galt
diese Vorschrift noch nicht im maßgebenden Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2008,
denn sie wurde erst durch Art. 2 Nr. 15 der Änderungsverordnung vom 8. Mai 2008 (BGBl I S. 801)
eingeführt. In der neuen Vorschrift wird jedoch ausdrücklich klargestellt, dass die zuständige
„Landesstelle“ von Kürzungen absehen darf, wenn ein fahrlässiger Verstoß gegen die
Grundanforderungen an die Betriebsführung nach Schwere, Ausmaß und Dauer als geringfügig
anzusehen ist und keine direkte Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier mit dem Verstoß
verbunden war. Hiermit wird inhaltlich an die Vorgaben der Art. 7 Abs. 2, 2. Unterabsatz VO (EG) Nr.
1782/03 und Art. 66 Abs. 1, 2. Unterabsatz VO (EG) Nr. 796/04 angeknüpft. Damit wird bestätigt, dass die
Landesstellen auch bezüglich der Kürzungen die Aufgaben der „Zahlstellen“ wahrnehmen.
Ist der Kreisrechtsausschuss somit zuständig, so ist er auch befugt, im Rahmen des Art. 66 Abs. 1 VO (EG)
Nr. 796/04 „auf der Grundlage der Bewertung durch die zuständige Kontrollbehörde im Kontrollbericht“
andere Kürzungsbeträge festzusetzen oder von einer Kürzung ganz abzusehen. Denn ungeachtet des
anzuerkennenden Beurteilungsspielraums der „spezialisierten Kontrolleinrichtungen“ muss es – wie bei
jeder anderen Prüfungsentscheidung auch - möglich sein, das Prüfungsergebnis daraufhin zu überprüfen,
ob es auf zutreffenden Tatsachen beruht und ob die maßgebenden Verfahrensvorschriften beachtet
wurden. Das folgt aus Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Konkret bedeutet
dies, dass der Kreisrechtsausschuss berechtigt und verpflichtet ist, die im Kontrollbericht genannten
Verstöße – soweit sie bestritten werden – nach dem Amts-ermittlungsprinzip aufzuklären, nicht erwiesene
Verstöße auszusondern und erwiesene Verstöße daraufhin zu überprüfen, ob die Bewertung an Hand der
einschlägigen Vorschriften und des mit Verfassungsrang ausgestatteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
vorgenommen wurde. Sofern diese Voraussetzungen nicht oder nur teilweise vorliegen, ist der
Kreisrechtsausschuss – ebenso wie die Kreisverwaltung – nach Art 66 Abs. 1, 2. Unterabsatz VO (EG) Nr.
796/04 befugt, eine abweichende Ermessensentscheidung zu treffen.
Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass der Kreisrechtsausschuss bei der erneuten Prüfung des
Verpflichtungswiderspruchs des Beigeladenen das jeweils neueste Recht anwenden muss. Das bedeutet,
dass in dem künftigen Verfahren auch § 31 a InVeKoSV anwendbar ist, der nur noch den unbestimmten
Rechtsbegriff „geringfügig“ enthält.
Das Verfahren zur Ermittlung und Bewertung von Verstößen gegen die Grundanforderungen an die
Betriebsführung im Sinne des Art. 4 VO (EG) Nr. 1782/03 in Verbindung mit Anhang III und das Verfahren
zur Kürzung bei festgestellten Verstößen ist in Art. 6 und 7 VO (EG) Nr. 1782/03 und Art. 41, 48, 66 VO
(EG) Nr. 796/04 gemeinschaftsrechtlich nur teilweise geregelt: Die von den Kontrollstellen
anzufertigenden Kontrollberichte müssen einerseits die einzelnen Verstöße gegen bestimmte Rechtsakte
und Standards enthalten und andererseits diese Verstöße nach Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit
bewerten. Dazu gehört auch die Angabe aller Faktoren, die zu einer Erhöhung oder Verminderung der
anzuwendenden Kürzung und zu einer eventuellen Nichtverfolgung führen sollen (Art. 48 Abs. 1
Buchstabe c) VO (EG) Nr. 796/04).
Die Bundesrepublik Deutschland hat zur Umsetzung dieser Vorgaben bundeseinheitliche
Kontrollkonzepte erarbeitet. In Rheinland-Pfalz sind diese Kontrollkonzepte in einem Handbuch zur Vor-
Ort-Kontrolle für das Jahr 2007 zusammengefasst worden. Bei den Rindern sind demnach vier
Prüfkriterien zu berücksichtigen: Kennzeichnung, Bestandsregister, Rinderpass und HIT-Datenbank. Der
Abweichungsprozentsatz (Beanstandungsprozentsatz) für jedes Prüfkriterium ergibt sich aus dem
Quotienten aus der Zahl der Beanstandungen je Prüfkriterium und dem maßgeblichen Bestand am Tage
der Vor-Ort-Kontrolle zuzüglich der Tiere mit Beanstandungen, die am Tage der Vor-Ort-Kontrolle nicht
mehr im Bestand waren, mal 100. Beträgt der Beanstandungsprozentsatz bei einem einzelnen
Prüfkriterium bis zu 8 %, ist insoweit von einem leichten Verstoß (1 %) auszugehen. Ist der
Beanstandungsprozentsatz größer als 8 % und kleiner als 30 %, liegt ein mittlerer Verstoß (3 %) vor. Ab
einem Beanstandungsprozentsatz von 30 % liegt ein schwerer Verstoß (5 %) vor. Für die
Gesamtbewertung ist der jeweils höchste Beanstandungsprozentsatz der einzelnen Prüfkriterien
maßgebend. Sonderfälle von Beanstandungen und Bewertungen sind in Ziffer 3.2.3 und 3.5 des
Handbuchs geregelt. Außerdem enthält das Handbuch in Ziffer 3.6 Ausführungen zu Dauer und Ausmaß
der Verstöße, die sich bei Rindern ausweislich des Handbuchs aber gerade nicht sinnstiftend
konkretisieren lassen. Bei den Schweinen werden drei Prüfkriterien berücksichtigt: Kennzeichnung,
Bestandsregister und Betriebsregistrierung. Mit der Betriebsregistrierung ist die Erfüllung der
Anzeigepflicht gemeint. Bei der Kennzeichnung richtet sich der Beanstandungsprozentsatz nach dem
maßgeblichen Bestand, das heißt nach der Zahl der tatsächlich vorgefundenen Schweine, abzüglich der
noch nicht abgesetzten Ferkel. Beträgt der Beanstandungsprozentsatz bezüglich der Kennzeichnung bis
zu 12 %, so ist von einem leichten Verstoß (1 %) auszugehen. Ist der Beanstandungsprozentsatz größer
als 12 % und kleiner als 35 %, liegt ein mittlerer Verstoß (3 %) vor. Ab 35 % liegt ein schwerer Verstoß (5
%) vor. Eine Berücksichtigung der Dauer sei bei Kennzeichnungsverstößen nicht möglich. Hinsichtlich des
Bestandsregisters wird wie folgt differenziert: Ist das Bestandsregister nicht vollständig ausgefüllt oder
nicht chronologisch geführt, liegen jeweils leichte Verstöße vor. Ist das Bestandsregister nicht aktuell
geführt, liegt ein mittlerer Verstoß vor. Ist kein Bestandsregister im Betrieb vorhanden, liegt ein schwerer
Verstoß vor. Bezüglich der Betriebsregistrierung gibt es nur eine einzige Bewertung: Wenn der Betrieb bei
Beginn der Schweinehaltung nicht angezeigt wird, liegt ein mittlerer Verstoß vor. Leichte und schwere
Verstöße sind insoweit nicht vorgesehen. Auch bei den Schweinen ist der jeweils höchst bewertete
Verstoß maßgebend. Das Handbuch schreibt in Ziffer 3.3.1 und 6.2 vor, dass bei besonderen Situationen
die Leitung der Prüfgruppe Veterinärrecht eingeschaltet werden müsse, die die „abschließende“
Entscheidung über eine etwaige Abweichung von dem automatisierten Sanktionsvorschlag zu treffen
habe.
Das Gericht ist auf Grund der von dem Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vorgelegten
Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass das Bestandsregister für die Schweine auf jeden Fall nicht
aktuell geführt worden ist. Deshalb bedarf es keiner Beweiserhebung zu der Frage, ob dieses
Bestandsregister im Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle bereits dieselben Eintragungen enthielt wie heute und
ob diese Eintragungen vollständig waren.
Die Aktualität des Bestandsregisters für Schweine ist gemäß Ziffer 6.1.2 des Handbuchs danach zu
beurteilen, „ob die Angaben im BR nachvollziehbar sind“. Mit der Abkürzung „BR“ ist das Bestandsregister
gemeint. Selbst wenn unterstellt wird, dass die Eintragungen im maßgebenden Zeitpunkt so wie jetzt
vorhanden waren, sind sie nicht nachvollziehbar. Der Beigeladene hat erklärt, dass er bis einschließlich
2004 und dann erst wieder ab dem Jahre 2007 Schweine gehalten habe. Damit lässt sich vereinbaren,
dass er am 11.1.2007 neun Schweine, einschließlich fünf Ferkel hatte, und dass er am 4.4.2007 fünf
Ferkel verkaufte. Demnach müsste er ab dem 5. 4. 2007 noch vier Schweine gehabt haben. Wenn dann
aber am 6.4.2007 neun andere Ferkel hinzukamen, insgesamt also dreizehn, dann ist unverständlich,
wieso der Bestand am 5.5.2007 mit (insgesamt) nur zwei Mastschweinen angeben war, ohne dass
irgendwelche Verkäufe in der Zwischenzeit ersichtlich sind. Außerdem stehen diese Angaben in einem
gewissen Widerspruch zu den Einlassungen des Beigeladenen im Widerspruchsverfahren, wonach er nur
zwei Zuchtsauen gehabt habe. Vor allem fällt auf, dass der Prüfer des Kontrolldienstes, P. M., unter der
Zeile mit dem Datum vom 5.5.2007 die Vor-Ort-Kontrolle vom 07.11.2007 eingetragen und mit seiner
Paraphe abgezeichnet hat. Daraus folgt für das Gericht eindeutig, dass am Tage der Vor-Ort-Kontrolle
noch keine weitere Eintragung bezüglich der angeblich am 16.09.2007 eingetragenen fünf Ferkel
vorhanden war. Der Beigeladene hat die Eintragung vom 16.09.2007 offensichtlich nachträglich erstellt,
und zwar zunächst auf demselben Formularblatt unter der durchgestrichenen Zeile. Dann hat er diese
Eintragung ebenfalls durchgestrichen und auf dem anderen Formular, das mit dem Datum vom 22.1.2003
beginnt, hinzugefügt. Es spricht deshalb alles dafür, dass das Bestandsregister für die Schweine im
Zeitpunkt der Kontrolle zumindest nicht nachvollziehbar und deshalb nicht aktuell war.
Insoweit bleibt festzuhalten, dass zumindest ein Verstoß vorlag, der nach dem Handbuch als mittlerer
Verstoß (3%) zu werten wäre. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass eine möglicherweise ebenfalls
gegebene Unvollständigkeit des Bestandsregisters für die Schweine nur zu einem leichten Verstoß mit
einem Beanstandungsprozentsatz von 1 % führen würde.
Ob daneben auch ein Kennzeichnungsverstoß bei dem Schwein ohne Ohrmarken vorlag, hängt davon ab,
seit wann der Beigeladene den Verlust der Ohrmarken kannte und wann er die erneute Kennzeichnung
durchgeführt hat. Außerdem kommt es darauf an, ob das Tier an Hand sonstiger Umstände eindeutig
identifiziert werden konnte.
Sollte sich bei der Prüfung der übrigen Verstöße (bei den Rindern) ergeben, dass diese entweder nicht
vorlagen oder nicht beweisbar sind, würde sich die Frage stellen, ob schon ein einziger Verstoß mit einem
Beanstandungsprozentsatz von gerade einmal 3 % eine Kürzung der gesamten Betriebsprämie um 3 %
rechtfertigt. Denn eine Kürzung um 3 % würde auch bei Beanstandungsprozentsätzen bis zu 30 % bei
Rindern und bis zu 35 % bei Schweinen eingreifen. Außerdem müssten nach den
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auch noch Dauer, Ausmaß und Häufigkeit der Verstöße im damaligen
Zeitpunkt berücksichtigt werden. Insoweit wäre im Rahmen des Ermessens auch abzuwägen, welches
Gewicht einem einmaligen bzw. erstmaligen Verstoß gegebenenfalls zukäme.
Schließlich wäre eine künftige Ermessensentscheidung durch den Kreisrechtsausschuss auch nicht etwa
durch die Bestimmungen im Handbuch ausgeschlossen, wonach die abschließende fachrechtliche
Bewertung zur Abweichung von dem Sanktionsvorschlag immer von der Leitung der Prüfgruppe
Veterinärrecht vorzunehmen sei. Diese Bestimmung entfaltet als Verwaltungsvorschrift zwar
Bindungswirkung gegenüber den beteiligten Prüfern innerhalb des Prüfungsverfahrens, nicht jedoch
gegenüber der Kreisverwaltung als zuständiger Behörde im Sinne des Art. 66 Abs. 1, 2. Unterabsatz VO
(EG) Nr. 796/04 bzw. des § 31 a) InVeKoSV und folglich auch nicht gegenüber dem Kreisrechtsausschuss.
Denn eine gesetzliche eingeräumte Kompetenz kann nicht durch eine Verwaltungsvorschrift beseitigt
werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 und § 154 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
....
gez. Dr. Bayer gez. Porz gez. Gäbel-Reinelt
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 373,02 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden.
gez. Dr. Bayer gez. Porz gez. Gäbel-Reinelt