Urteil des VG Koblenz vom 10.08.2009

VG Koblenz: unmittelbare gefahr, haftung der gemeinde, firma, verunreinigung, regen, verursacher, vertretung, unterhaltung, erlass, ausführung

VG
Koblenz
10.08.2009
4 K 122/09.KO
Straßenreinigungsgebühren
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Verkündet am: 10.08.2009
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Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht
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August 2009, an der teilgenommen haben
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aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Der Kläger wendet sich gegen einen Leistungsbescheid zur Erstattung von Straßenreinigungskosten und
gegen die zugleich festgesetzten Verwaltungsgebühren und Auslagen.
Die Verbandsgemeindeverwaltung Rüdesheim hat der beklagten Ortsgemeinde auf Antrag des
Gemeinderats vom 27. Januar 1983 die Unterhaltung der Straßen und Wirtschaftswege gemäß § 68 Abs.
2 Satz 3 GemO überlassen.
Der Kläger wohnt in der Straße „Z. S.“. Als er am 17. November 2007 mit seinem PKW aus der Garage
herausfuhr, trat Öl aus dem Behälter für die Servo-Lenkung aus, ohne dass der Kläger dies zunächst
bemerkte. Da die Lenkung immer schwergängiger wurde, suchte er in B. eine Autowerkstatt auf, die den
Fehler entdeckte und etwas weniger als 1 Liter Öl nachfüllte. Bei seiner Rückkehr stellte der Kläger in der
Straße „Z. S.“ eine Ölspur von ca. 60 m Länge fest. Er verständigte sofort den Ortsbürgermeister B., der ihm
empfahl, sich an den ortsansässigen stellvertretenden Wehrführer F. zu wenden. Dieser gab dem Kläger
den Rat, die Ölspur mit einem Ölbindemittel abzustreuen. Hierzu stellte er ihm 20 kg aus eigenen Mitteln
(Typklasse III mit der Zusatzbezeichnung „R“) zur Verfügung. In Gegenwart des Ortsbürgermeisters und
des stellvertretenden Wehrführers streute der Kläger die Spur ab. Außerdem wurden 3 Warnschilder
gemäß Nr. 101 zu § 40 StVO mit dem Zusatzschild „Ölspur“ aufgestellt. Die Ortsgemeinde hält diese
Schilder für Ölunfälle vor. Schließlich wurde vereinbart, dass der Kläger das Bindemittel nach zwei
Wochen abkehren und entsorgen sollte.
Am 26. November 2007 erhielt der Ortsbürgermeister einen Anruf von Amtsrat M., Leiter der
Ordnungsbehörde der Verbandsgemeinde Rüdesheim. Dieser zeigte sich über den Ölunfall informiert und
wies auf das Haftungsrisiko der Ortsgemeinde hin. Das sei auf der letzten
Ortsbürgermeisterdienstbesprechung erörtert worden. Obwohl der Ortsbürgermeister an dieser
Besprechung nicht teilgenommen hatte und nach eigenen Angaben auch kein Sitzungsprotokoll erhielt,
vertraute er den Ausführungen des Amtsleiters und bat ihn, die vom Amtsleiter vorgeschlagene Firma K.
Verkehrsflächenreinigungs GmbH aus O. mit der Reinigung zu beauftragen.
In den Akten befindet sich ein Formblatt der Firma „O.“. Im oberen Drittel hat ein Mitarbeiter der Firma eine
„Alarmierung“ durch Herrn M. vom 28. November 2007 um 15.15 Uhr vermerkt. Im weiteren Text ist
angegeben, dass in der Straße Z. S., Ecke F.-Straße, in S. auf einer Länge von ca. 100 bis 120 m
Hydrauliköl auf Bitumenasphalt ausgelaufen sei. Im mittleren Absatz steht die Unterschrift des Amtsrats M.
unter einem schriftlichen Beseitigungsauftrag. Darin ist ausdrücklich angegeben, dass die Ausführung der
Leistung durch den zuständigen O. Partnerbetrieb im Auftrag der O. GmbH erfolge. Die Unterschrift enthält
kein Datum, jedoch einen Stempel der Verbandsgemeinde Rüdesheim. Im unteren Drittel des Formblatts
sind Angaben zum Arbeitsablauf enthalten. Demnach wurden zwei Mitarbeiter eingesetzt. An
Arbeitsgeräten ist angekreuzt „O./TG 40“ und „Betriebsmittelfahrzeug“. An eingesetzten Arbeitsmitteln sind
20 Liter O.-Oilex, 1 Liter O.-Clean und 0,5 Liter O.-Defoamer angegeben. In der Rubrik Entsor-
gungsmengen waren 700 Liter Schmutzwasser, 20 kg Ölbindemittel und 50 kg ölhaltige Feststoffe
aufgeführt. Die Zeitangaben lauteten: Abfahrt Betriebshof 9.00 Uhr, Ankunft Baustelle 9.40 Uhr, Abfahrt
Baustelle 11.30 Uhr, Ankunft Betriebshof 12.10 Uhr. Daneben stehen die Zahlen 1,0 + 2,17 (womit
offenbar 3 Stunden und 10 Minuten gemeint sind). Als ausführender O.-Betrieb gab sich die Firma K.
Verkehrsflächenreinigungs GmbH mit Stempel und Unterschrift zu erkennen. Das Formblatt endet mit dem
Hinweis, dass die Reinigung nach dem Merkblatt DWA-M 715 erfolge.
Unter dem 23. Januar 2008 erteilte die Firma K. Verkehrsflächenreinigungs GmbH der
Verbandsgemeinde Rüdesheim eine Rechnung über die am 28. November 2007 durchgeführte
Reinigung der Straße „Z. S.“ in S. über 1.058,05 € inklusive Mehrwertsteuer. Dabei wurde die Zeit vom
Verlassen des Betriebshofs bis zur Rückkehr (3,17 Stunden) in der Weise berechnet, dass die erste
Stunde mit 300 € und die weiteren 2,17 Stunden mit je 200 €/Std berücksichtigt wurden. Hinzu kamen die
eingesetzten Reinigungsmittel, für die jeweils 10 % Rabatt gewährt wurde.
Die Verbandsgemeinde leitete die Rechnung dem Ortsbürgermeister zu. Dieser erhob zunächst
Bedenken, bestätigte aber am 21. April 2008 die sachliche Richtigkeit. Die Auszahlungsanordnung der
Verbandsgemeinde datierte vom 23. April 2008. Die Buchung erfolgte unter der Haushaltsstelle 630.510
zu Lasten der Ortsgemeinde Sommerloch.
Eine von der Verbandsgemeinde an den Kläger gerichtete formlose Zahlungsaufforderung wurde von
diesem ausdrücklich abgelehnt. Er regte an, gegebenenfalls einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu
erlassen.
Daraufhin stellte die Verbandsgemeinde Rüdesheim (Amt Ordnungsverwaltung) dem Kläger unter dem
23. Juni 2008 einen Leistungsbescheid über insgesamt 1.151,73 € zu. Der Betrag setzte sich zusammen
aus dem Rechnungsbetrag von 1.058,05 €, Verwaltungsgebühren von 90,70 € und Portoauslagen von
2,98 €. Das Erstattungsbegehren wurde auf § 40 Abs. 1 Halbsatz 2 LStrG gestützt. Die Ortsgemeinde habe
die vom Kläger verursachte, aber nicht beseitigte Verunreinigung nach Abwägung aller Möglichkeiten
durch Beauftragung der Fachfirma auf Kosten des Klägers so beseitigen lassen, dass davon keine Gefahr
mehr habe ausgehen können. Dies sei trotz der Ölbindemittel erforderlich gewesen, weil bei Regen
Restölmengen aus tiefer liegenden Fahrbahnporen an die Oberflächen dringen und zu einer erhöhten
Unfallgefahr führen könnten. Eine Ausschreibung sei entbehrlich gewesen, weil die Firma K.
Verkehrsflächenreinigungs GmbH die einzige Fachfirma im Landkreis sei und die nächste andere Firma in
Alzey sitze. Die Gebühren- und Kostenfestsetzung beruhe auf § 1 Abs. 1 und 4, § 2 Abs. 1 und 2, §§ 3, 9,
11, 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 Ziffer 1 und § 14 Abs. 1 LGebG in Verbindung mit dem Rundschreiben des
Ministeriums der Finanzen vom 31.08.2007. Im Text hieß es: „Wir setzen folgende Kosten gegen Sie fest“
und: „Leider können wir Ihre Rechtsauffassung nicht teilen und machen die Kosten auf diesem Wege
gegen Sie geltend“.
Der hiergegen am 30. Juni 2008 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des
Kreisrechtsausschusses des Landkreises Bad Kreuznach vom 9. Januar 2009 zurück gewiesen. Der
Widerspruchsbescheid erging zwischen dem Kläger und der Ortsgemeinde Sommerloch, vertreten durch
den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rüdesheim. In den Gründen ist ausgeführt, „die
Widerspruchsgegnerin“ habe mit Bescheid vom 23.06.2008 die Kosten festgesetzt. Der Kläger sei
Verursacher einer mehr als verkehrsüblichen Verschmutzung. Nach § 40 LStrG sei er zur unverzüglichen
Beseitigung verpflichtet. Dieser Pflicht sei er nicht nachgekommen. Das Abstreuen mit Ölbindemitteln und
das beabsichtigte Kehren seien nicht ausreichend gewesen. Nach dem Regelwerk der Deutschen
Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. – DWA-M 715 – diene der Einsatz von
Ölbindemitteln nur der akuten Gefahrenabwehr, eine spätere maschinelle Reinigung könne dadurch nicht
ersetzt werden. Außerdem handele es sich bei Ölspuren niemals um Minimalverunreinigungen, da von Öl-
spuren jeder Größenordnung erhebliche Gefahren für den öffentlichen Straßenverkehr und die Umwelt
ausgingen. Daher sei auch bei Kleinstmengen eine vollständige Beseitigung der Ölrückstände zwingend
notwendig. Da der Kläger seiner Pflicht nicht nachgekommen sei, habe die Ortsgemeinde die Beseitigung
durch eine Fachfirma durchführen lassen müssen. Dies sei im Wege der freihändigen Vergabe zulässig
gewesen, da von der verunreinigten Fläche eine unmittelbare Gefahr ausgegangen sei und die Leistung
somit besonders dringlich bzw. eilbedürftig gewesen sei. Die Höhe des geltend gemachten
Erstattungsanspruchs entspreche der Rechnung vom 23. Januar 2008. Diese Rechnung sei von der
Ortsgemeinde bezahlt worden. Zu den Gebühren und Auslagen enthält der Widerspruchsbescheid keine
Ausführungen.
Am 6. Februar 2009 hat der Kläger Klage gegen die „Verbandsgemeindeverwaltung Rüdesheim“
erhoben. Später hat er klargestellt, dass sich die Klage gegen die Ortsgemeinde Sommerloch, vertreten
durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rüdesheim, richte.
Er trägt vor, die Verbandsgemeinde sei infolge der „Rückübertragung“ der Unterhaltungslast auf die
Ortsgemeinde nicht mehr zuständig gewesen. Die Beauftragung der Fachfirma sei ermessensfehlerhaft
und unverhältnismäßig. Es sei weniger als 1 Liter Hydrauliköl ausgelaufen. Dies sei in der ATU-Werkstatt
festgestellt worden. Bei der Ölspur habe es sich um eine etwa 60 m lange Tröpfchenspur gehandelt. Das
Abstreuen mit geeigneten Bindemitteln, das Aufstellen von entsprechenden Verkehrsschildern und das
beabsichtigte Abkehren der Bindemittel nach zwei Wochen hätten genügt, um die Gefahr für den Kraft-
fahrzeugverkehr in der wenig befahrenen Anliegerstraße abzuwenden. Eine maschinelle Nachreinigung
durch eine Spezialfirma sei selbst nach dem Regelwerk DWA-M 715 nicht in jedem Falle notwendig. Die
Beauftragung der Fachfirma sei „vom grünen Tisch“ aus erfolgt. Außerdem hätte die Verbandsgemeinde in
dem abgelaufenen Zeitraum von 12 Tagen weitere Kostenvoranschläge einholen können und müssen.
Am 28. November 2007 habe jedenfalls keine besondere Dringlichkeit mehr vorgelegen. - Im Mai 2008
habe es in der Ortsdurchfahrt der Kreisstraße „Z.“ in S. ebenfalls eine Ölspur gegeben, die mit
Ölbindemitteln abgestreut und mit Warnschildern versehen worden sei. Dort sei keine maschinelle
Reinigung erfolgt, obwohl Herr M. in S., Z., wohne und obwohl er die Ölspur unmittelbar vor seinem Haus
gesehen haben müsse. Nach dem Abkehren und Entfernen des Ölbindemittels sei die Angelegenheit
erledigt gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 23. Juni 2008 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 9. Januar 2009
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, es treffe zu, dass die Unterhaltungslast bei der Ortsgemeinde liege. Die Verbandsgemeinde
habe die Fachfirma jedoch im Auftrag des Ortsbürgermeisters eingeschaltet. Die Ortsgemeinde habe
keine eigenen Gemeindearbeiter und kein für Ölschäden ausgebildetes Fachpersonal. Der
stellvertretende Wehrleiter F. sei nach eigenen Angaben nicht für Ölunfälle ausgebildet. Er habe
gegenüber dem Kläger auch nicht in seiner Eigenschaft als Feuerwehrmann gehandelt. Im Übrigen sei
die Feuerwehr für die Beseitigung von Ölspuren nicht zuständig. Bei Ölschäden könne nicht auf eine
fachgerechte Straßenreinigung verzichtet werden, da bei Regen die Gefahr des Aufschwemmens von
nicht vollständig abgebundenen Ölresten bestehe. Dies sei insbesondere für Zweiradfahrer gefährlich,
zumal es sich im Bereich des ausgelaufenen Öls um eine Gefällstrecke und einen Kurvenbereich
handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift und die beigezogenen
Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Leistungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Kosten für die Straßenreinigung durch Verwaltungsakt festgesetzt werden
durften oder ob insoweit eine Leistungsklage gegen den Verursacher geboten wäre. Aus dem Umstand,
dass § 40 LStrG die Behörde ermächtigt, eine Verunreinigung unter bestimmten Voraussetzungen „auf
Kosten“ des Verursachers zu beseitigen, folgt noch nichts über die Art und Weise der Geltendmachung
der Kosten. Etwas anderes würde nur gelten, wenn es sich um eine spezialgesetzliche Form der
Vollstreckung (Sofortvollzug einer Ersatzvornahme) oder um eine unmittelbaren Ausführung im Sinne des
Polizeirechts handelte, bei denen die Kosten herkömmlicherweise durch Leistungsbescheid festgesetzt
werden. Dies kann jedoch dahinstehen, denn der Kläger hat mit Schreiben vom 23. Mai 2008 selbst den
Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheids angeregt. Wenn die Beteiligten mit dem Erlass eines
„streitentscheidenden“ Bescheids einverstanden waren, kann das Gericht den Bescheid nicht wegen
fehlender Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes aufheben, ohne dabei das eigentliche Klageziel
aus den Augen zu verlieren.
In formeller Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass die Verbandsgemeinde für den Leistungsbescheid
vom 23. Juni 2008 nicht zuständig war. Zwar hat die Verbandsgemeinde nach § 68 Abs. 2 Satz 1 GemO
bei Gemeindestraßen grundsätzlich die der Ortsgemeinde obliegenden Aufgaben der
Straßenbaubehörde zu erfüllen. Sie handelt dabei wie in § 68 Abs. 1 GemO in Vertretung der Orts-
gemeinde. Allerdings hatte die Verbandsgemeinde hier nach § 68 Abs. 2 Satz 3 GemO der Ortsgemeinde
auf deren Antrag die Unterhaltung der Gemeindestraßen überlassen. Dies bedeutet, dass die
Ortsgemeinde insoweit im eigenen Namen zuständig geworden ist. Die Straße „Z. S.“ ist eine
Gemeindestraße. Die Beseitigung von Verunreinigungen im Sinne des § 40 LStrG gehört zur Unterhaltung
der Gemeindestraße. Die Unterhaltung umfasst auch die Annexkompetenz, etwa notwendig gewordene
Reinigungskosten gegen den Verursacher geltend zu machen. Insoweit hätte die Ortsgemeinde die
Verbandsgemeinde zwar mit der Vertretung zur Kostenfestsetzung beauftragen können. Die Formulierun-
gen im Leistungsbescheid lassen jedoch nicht erkennen, dass die Verbandsgemeinde in Vertretung der
Ortsgemeinde tätig wurde. Ein etwa vorhandener Vertretungswille, der nach außen nicht hervortritt, ist
unbeachtlich (§ 164 Abs. 2 BGB analog).
Andererseits enthält der Widerspruchsbescheid die ausdrückliche Feststellung, der Leistungsbescheid sei
von der (im Rubrum des Widerspruchsbescheids genannten) Widerspruchsbehörde, d.h. von der
Ortsgemeinde, vertreten durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde, erlassen worden. Auch wenn
dies sachlich falsch ist, führt die gestaltbildende Wirkung des Widerspruchsbescheids (vgl. § 79 Abs. 1 Nr.
1 VwGO) im Ergebnis dazu, dass sich die Ortsgemeinde, die dagegen keine Klage erhoben hat, den
Leistungsbescheid als eigenen Bescheid zurechnen lassen muss.
In materieller Hinsicht ist der Leistungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aber deshalb
rechtswidrig, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 LStrG nicht vorliegen. Selbst wenn sie
vorlägen, würde eine ordnungs-gemäße Ermessensausübung fehlen.
Nach § 40 Abs. 1 LStrG hat derjenige, der eine Straße mehr als verkehrsüblich verunreinigt, die
Verunreinigung ohne Aufforderung unverzüglich zu beseitigen; andernfalls kann die Straßenbaubehörde,
in Ortsdurchfahrten auch die Gemeinde, die Verunreinigung auf Kosten des Verursachers beseitigen. Das
Gericht geht zunächst mit den Beteiligten davon aus, dass die Straße „Z. S.“ durch den Kläger mehr als
verkehrsüblich verunreinigt wurde, denn eine 60 m lange Ölspur ist eindeutig nicht verkehrsüblich.
Allerdings hat der Kläger nach Auffassung des Gerichts unverzüglich reagiert und nach Absprache mit
dem Ortsbürgermeister der allein zuständigen Ortsgemeinde zulässige und wirksame Maßnahmen zur
Beseitigung der Ölspur getroffen. Deshalb war eine zusätzliche Reinigung nach 12 Tagen und ohne
vorherige Aufforderung gegenüber dem Kläger nicht mehr von § 40 LStrG gedeckt. Dies ergibt sich aus
Folgendem:
Der von der Verbandsgemeinde im Auftrag der Ortsgemeinde – jedoch im eigenen Namen –
abgeschlossene Vertrag mit der Reinigungsfirma bezog sich ausdrücklich auf das Regelwerk DWA-M
715. Nach Abschnitt 5.1 des Regelwerks sind die Anforderungen zur Beseitigung von ausgetretenem Öl
erfüllt, wenn nach den Abschnitten 5.2 „Einsatz von Ölbindemitteln“ oder 5.3 „Maschinelle Ölspurbeseiti-
gung“ verfahren wird.
Bei dem Einsatz von Ölbindemitteln müssen gemäß Abschnitt 5.2.1 und 5.2.3 geeignete Ölbindemittel der
Typklassen I bis IV verwendet werden. Die Typklassen I bis III können verwendet werden, wenn sie die
Zusatzbezeichnung „R“ haben. Die Einwirkungszeit ist abhängig von der Witterung und der Art des
Ölbindemittels. Nach Abschnitt 5.2.5 ist die Verwendung eines Ölbindemittels mit der Kennzeichnung „R“
nicht immer ausreichend. Wenn Restölmengen aus tiefer liegenden Poren bei Regen zur
Fahrbahnoberfläche gelangen und die Rutschfestigkeit erneut herabsetzen, ist in diesen Fällen zur
Wiederherstellung der Verkehrssicherheit die Nassreinigung der Verkehrsfläche durch Aufsprühen einer
stark verdünnten Tensidlösung (Nachreinigung) notwendig. Nach dem Einsatz von Ölbindemitteln ist eine
noch mit Öl kontaminierte Fläche gegebenenfalls zeitnah nass zu reinigen. Bei Minimalverunreinigungen
(Ölspuren) ist eine Nassreinigung erforderlich, wenn auf ein Ölbindemittel verzichtet wurde. Die
Reinigungsleistung muss vor der Verkehrsfreigabe durch den zuständigen Straßenbaulastträger überprüft
werden.
Alternativ zu dem Verfahren mit Ölbindemitteln sind nach Abschnitt 5.3.1 auch maschinelle Verfahren
ohne den vorherigen Einsatz von Ölbindemitteln möglich. Die in Abschnitt 5.2.5 beschriebenen
Nachreinigungsverfahren werden dann zum alleinigen Reinigungsvorgang. Dabei müssen die
verwendeten Reinigungsmaschinen den Anforderungen des Abschnitts 5.3.3 entsprechen. Auch diese
Reinigung muss gemäß Abschnitt 5.3.4 von dem zuständigen Straßenbaulastträger vor der
Verkehrsfreigabe überprüft werden.
Die Unterstreichungen hat das Gericht angebracht. Sie machen hinreichend deutlich, dass sowohl der
Ausgangsbescheid als auch der Widerspruchsbescheid von falschen Voraussetzungen ausgegangen
sind. Nach dem Regelwerk gibt es zwei gleichwertige Verfahren zur Beseitigung von Ölspuren. Die
Auswahlentscheidung hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Menge des aus-
gelaufenen Öls, von der Beschaffenheit der Straßenoberflächenbefestigung und von der
Verkehrsbedeutung der Straße ab. Der Einsatz von Ölbindemitteln ist keineswegs immer ungeeignet und
eine Nassreinigung ist keineswegs immer erforderlich. Bei Minimalverunreinigungen ist eine
anschließende Nassreinigung sogar nur dann erforderlich, wenn keine Ölbindemittel verwendet wurden.
Auch bei größeren Verunreinigungen ist eine maschinelle Reinigung nur dann erforderlich, wenn zuvor
keine Ölbindemittel eingesetzt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger – in Absprache mit dem
zuständigen Ortsbürgermeister - Ölbindemittel der Typklasse III mit der Zusatzbezeichnung „R“ verwendet.
Dies ist nach dem Regelwerk zulässig. Denn bei einer Ölmenge von knapp 1 Liter, die auf einer reinen
Anliegerstraße eine Tröpfchenspur von 60 m erzeugt, handelt es sich wohl eher um eine
Minimalverunreinigung. Diese relativ geringe Menge durfte und konnte mit dem eingesetzten
Ölbindemittel wirksam bekämpft werden. Eine anschließende maschinelle Nassreinigung war deshalb
nicht unbedingt erforderlich. Dass sie ausnahmsweise doch notwendig gewesen sein könnte, weil
„Restölmengen“ in tiefer gelegen Poren vorhanden waren, die bei Regen zur Fahrbahnoberfläche
gelangen und dort die Rutschfestigkeit erneut herabsetzen konnten, wurde nicht positiv festgestellt und
kann auch heute nicht mehr festgestellt werden. Bei einer Tröpfchenspur wäre das – im Gegensatz zu
einer kompakten Ölpfütze – auch sehr unwahrscheinlich. Entscheidend ist jedoch, dass eine Nach-
reinigung/Nassreinigung von dem zuständigen Ortsbürgermeister nicht für erforderlich gehalten wurde.
Darauf konnte der Kläger vertrauen. Da die Ölbindemittel nach einer Einwirkungszeit von zwei Wochen
abgekehrt und entsorgt werden sollten, hat der Kläger somit den Anforderungen des Regelwerks genüge
getan. Es ist deshalb rechtwidrig, wenn die Beklagte 12 Tage nach dem Einsatz der Ölbindemittel, 2 Tage
vor Ablauf der vereinbarten Einwirkungsfrist und ohne Wissen des Klägers die Verbandsgemeinde
beauftragt, mit einer Fachfirma einen Werkvertrag zur maschinellen Nachreinigung abzuschließen.
An die Rechtsauffassung der Verbandsgemeinde war die Ortsgemeinde nicht gebunden, denn die
Wahrnehmungskompetenz liegt allein bei der zuständigen Behörde, d.h. hier bei der Ortsgemeinde. Die
Verbandsgemeinde hätte in ihrer Eigenschaft als örtliche Ordnungsbehörde (§ 89 Abs. 1 POG) im eigenen
Namen versuchen können, eine polizeiliche Verfügung nach § 9 POG wegen eines etwaigen Verstoßes
gegen § 32 Satz 2 StVO zu erlasen und/oder den Sofortvollzug nach § 61 Abs. 2 LVvVG oder eine
unmittelbare Ausführung nach § 6 POG anzuordnen, wenn sie glaubte, nach 12 Tagen und trotz des
Einsatzes von Ölbindemitteln und Warnschildern immer noch eine gegenwärtige bzw. unmittelbare Gefahr
begründen zu können.
Selbst wenn § 40 LStrG – entgegen der hier vertretenen Auffassung – auf Fälle der vorliegenden Art
anwendbar wäre, wäre die Beklagte lediglich berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Verunreinigung auf
Kosten des Verursachers beseitigen zu lassen und Kostenerstattung zu verlangen. Das insoweit
vorhandene Ermessen wurde nicht bzw. nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Soweit der Leistungsbescheid
vom 23. Juni 2008 die Aussage enthält, die Ortsgemeinde habe „nach Abwägung aller Möglichkeiten“ die
Firma K. Verkehrsflächenreinigungs GmbH beauftragt, kann dies nach Lage der Dinge nur die Auswahl
der Firma betreffen, da keine andere Fachfirma im Landkreis verfügbar war. Die materielle Kernfrage nach
der Notwendigkeit einer maschinellen Nachreinigung wurde weder in Bezug auf das konkrete Ausmaß
des Schadens noch an Hand der Kriterien des DWA-Regelwerks geprüft. Stattdessen ging es nur darum,
eine etwaige Haftung der Gemeinde wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht mit Sicherheit aus-
schließen zu können. Hierfür ist die Kostentragungspflicht des Verursachers nicht geschaffen worden.
Hinzu kommt, dass der maßgebende Widerspruchsbescheid (gestaltbildende Wirkung) die ohnehin
unzureichenden Ermessensüberlegungen des Ausgangsbescheids vollends beseitigt hat. Die
Formulierungen lassen keine andere Auslegung zu. Sie sind mit dem Regelwerk DWA-M 715 nicht zu
vereinbaren. So trifft es insbesondere nicht zu, dass der Einsatz von Ölbindemitteln nach diesem
Regelwerk stets nur eine vorläufige Maßnahme zur akuten Gefahrenabwehr darstellt und dass die
Ölbindemittel eine spätere maschinelle Reinigung nicht ersetzen können. Es trifft ferner nicht zu, dass
Ölspuren nach diesem Regelwerk niemals Minimalverunreinigungen sind und dass auch bei
Kleinstmengen eine Nachreinigung zwingend notwendig ist. Insoweit hat der Kreisrechtsausschuss auch
nicht ausgeführt, woher er seine – über das Regelwerk hinausgehenden – Fachkenntnisse hat.
Schließlich trifft es auch nicht zu, dass die Gemeinde nach § 40 LStrG die Beseitigung der Verunreinigung
durch eine Fachfirma vornehmen lassen „muss“, wenn der Verursacher seiner Verpflichtung nicht
nachkommt.
Die im Gerichtsverfahren mit Schriftsatz vom 3. März 2009 erstmals vorgetragenen Ermessensgründe sind
wegen § 114 Satz 2 VwGO unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift können zwar ursprünglich vorhandene
Ermessenserwägungen noch im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Wenn aber
Ermessenserwägungen im Verwaltungsverfahren fehlen (oder wenn der Widerspruchsbescheid die
gesetzlich vorgesehene Ermessensentscheidung in eine gebundene Entscheidung umdeutet), können sie
nicht im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden.
Auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kann sich der Kläger im Zusammenhang mit den Ermessensfehlern
nur dann berufen, wenn der (zeitlich nachfolgende) Einsatz von Ölbindemitteln in der Kreisstraße „Z.“ der
Beklagten zuzurechnen ist und wenn er einer allgemeinen Praxis der Beklagten entspricht. Anders als in
der mündlichen Verhandlung weist das Gericht zur Klarstellung darauf hin, dass nach § 40 Abs. 1 LStrG
für Ortsdurchfahrten nicht nur der Landesbetrieb Mobilität (§ 49 Abs. 3 Nr. 1 LStrG) sondern „auch die
Gemeinde“ zuständig ist.
Da der streitgegenständliche Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig ist, ist auch
die damit verbundene Festsetzung der Gebühren und Portokosten aufzuheben. Denn
Verwaltungsgebühren und Auslagen dürfen nur für rechtmäßige Verwaltungsmaßnahmen erhoben
werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Dr. Bayer gez. Porz gez. Dr. Stieber
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.151,73 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden.
gez. Dr. Bayer gez. Porz gez. Dr. Stieber
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