Urteil des VG Koblenz vom 30.01.2007

VG Koblenz: nebentätigkeit, vorzeitige pensionierung, selbständige erwerbstätigkeit, beamtengesetz, nebeneinkünfte, aktiven, ausnahme, genehmigung, nebenbeschäftigung, auflage

VG
Koblenz
30.01.2007
6 K 1033/06.KO
Beamtenrecht
Verwaltungsgericht Koblenz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn H.,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Diesel, Schmitt, Ammer, Metzelstraße 30, 54290 Trier,
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den
Oberfinanzpräsidenten der
Oberfinanzdirektion
Koblen
, Hoevelstraße 1
, 5607
Koblen
,
- Beklagter -
wegen Ruhensregelung im Hinblick auf Nebeneinkünfte
hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
30. Januar 2007, an der teilgenommen haben
Präsident des Verwaltungsgerichts Pinkemeyer
Richter am Verwaltungsgericht Porz
Richter am Verwaltungsgericht Steinkühler
ehrenamtlicher Richter Offsetdrucker Berresheim
ehrenamtlicher Richter Rentner Wildanger
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen das Ruhen eines Teils seiner Versorgungsbezüge wegen Einnahmen aus
einer Nebentätigkeit.
Der am ... 1943 geborene Kläger, vormals Polizeibeamter im Dienst des beklagten Landes, wurde mit
Ablauf des 31. Januar 1996 gemäß §§ 56, 210 Landesbeamtengesetz – LBG – wegen Dienstunfähigkeit
in den Ruhestand versetzt. Im Jahr 1997 nahm er eine selbständige Erwerbstätigkeit als Fremdenführer in
C. auf. Seine Tätigkeit umfasst die Durchführung von Stadt- und Burgführungen, das Halten von Vorträgen
für das C.’er Fremdenverkehrsamt sowie die Teilnahme an so genannten Gastereyen, bei denen Gästen
der C.’er Burgschänke ein „mittelalterliches“ Abendessen mit einem Begleitprogramm, in dessen Rahmen
der Kläger als Conférencier auftritt, serviert wird. Im Jahr 2005 führte der Kläger insgesamt 160
Veranstaltungen durch und erzielte einen Gewinn von 7.500,-- €. Bis Ende 2005 wurden seine
zusätzlichen Einkünfte aufgrund der Übergangsvorschrift des § 69 c Abs. 5 Beamtenversorgungsgesetz –
BeamtVG – nicht auf seine Versorgungsbezüge angerechnet.
Mit Schreiben vom 20. September 2005 wies die Oberfinanzdirektion Koblenz den Kläger auf das
Auslaufen der Übergangsvorschrift am 31. Dezember 2005 hin und bat ihn um die Mitteilung seiner
Nebeneinkünfte. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 teilte sie ihm mit, bis zu einem Betrag von 325,-- €
im Monat bleibe in seinem Fall ein privates Zusatzeinkommen anrechnungsfrei. Unter dem 19. Dezember
2005 übersandte der Kläger der Oberfinanzdirektion eine Einkommens- und Tätigkeitsübersicht
„Freiberufliche Vortragstätigkeit (Animation ‚Gastereyen’ auf Reichsburg C., Stadtführungen etc.)“ für das
Jahr 2005. Daraufhin teilte ihm die Oberfinanzdirektion am 22. Februar 2006 mit, seine Beschäftigung sei
keine wissenschaftliche oder künstlerische, wohl aber eine Vortragstätigkeit. Sie stelle sich jedoch als
Zweitberuf dar, weshalb § 53 Abs. 7 Satz 2 Beamtenversorgungsgesetz keine Anwendung finde. Auf der
Grundlage der vom Kläger für das Jahr 2005 aufgestellten Einkommensübersicht und seiner
Ankündigung, im Jahr 2006 in vergleichbarem Umfang tätig zu werden, erließ die Oberfinanzdirektion
unter dem 31. März 2006 eine Änderungsmitteilung, in der sie unter Zugrundelegung eines
durchschnittlichen monatlichen Zusatzeinkommens von 625,-- € die Versorgungsbezüge des Klägers in
Höhe eines Betrages von 300,-- € mit Wirkung vom 1. April 2006 zum Ruhen brachte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2006 wies die Oberfinanzdirektion Koblenz den Widerspruch des
Klägers mit der Begründung zurück, er werde während der gesamten Tourismussaison nachhaltig tätig.
Teilweise trete er auf mehreren Veranstaltungen täglich bzw. mehr als acht Arbeitsstunden pro Woche auf.
Die Tätigkeit ähnele der eines Reiseleiters, Schauspielers oder Animateurs und damit eines
gewerbsmäßig tätigen Dienstleisters. Wegen der Regelmäßigkeit der Auftritte gegen Entgelt und der
Auftragsgebundenheit liege auch keine genehmigungsfreie künstlerische Tätigkeit vor. Das Engagement
des Klägers gehe über eine reine Nebentätigkeit hinaus. Stünde der Kläger noch im Dienst, wäre eine
Beeinträchtigung der dienstlichen Aufgaben zu befürchten und müsste die Nebentätigkeit deshalb versagt
werden.
Mit seiner am 26. Juni 2006 erhobenen Klage begehrte der Kläger zunächst die Aufhebung des
Bescheides vom 21. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006. Zur
Begründung trug er vor, sein Einkommen resultiere aus einer Vortragstätigkeit. Er habe im Jahr 2005 bei
160 Vorträgen insgesamt 11.600 Minuten referiert; dies entspreche durchschnittlich 3,7 Stunden pro
Woche. Damit übe er keinen Zweitberuf aus, vielmehr bleibe seine Tätigkeit weit hinter der
beamtenrechtlichen Höchstgrenze zurück. Für die Genehmigungsfreiheit sei irrrelevant, dass er Vorträge
für jedermann halte und den Inhalt des Vortrags mit dem Auftraggeber oder dem Veranstalter abspreche.
Stünde er noch im aktiven Dienst, so wäre seine Tätigkeit genehmigungsfrei; diese Wertung gelte nach
dem Eintritt in den Ruhestand fort.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 26. Juni 2006 der Oberfinanzdirektion mitteilte, er werde im Jahr
2006 nicht mehr als 325,-- € monatlich hinzuverdienen, erließ diese unter dem 20. Juli 2006 einen
Abänderungsbescheid des Inhalts, dass das teilweise Ruhen der Versorgungsbezüge des Klägers
rückwirkend zum 1. April 2006 aufgehoben wurde.
Unter Verweis darauf, die Frage der Anrechenbarkeit seiner Nebeneinkünfte auf seine
Versorgungsbezüge sei für das künftige Ausmaß seiner nebenberuflichen Aktivitäten nach wie vor von
Bedeutung, beantragt der Kläger zuletzt,
festzustellen, dass der Bescheid vom 21. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai
2006 rechtswidrig war.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf seine Ausführungen im
Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte 6 K 1033/06.KO
sowie auf die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten (insgesamt 5 Hefte) verwiesen, die
Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – zulässig. Das berechtigte
Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verfügung, die sich
durch den Abänderungsbescheid vom 20. Juli 2006 erledigt hat, resultiert daraus, dass der Umfang seiner
künftigen Nebentätigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht durch die Frage beeinflusst wird, ob seine hieraus
erzielten Einkünfte zu einem teilweisen Ruhen seiner Versorgungsbezüge führen. Hiermit muss er, da der
Beklagte an der dem Bescheid vom 21. März 2006 und dem Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2006
zugrunde liegenden Rechtsauffassung festhält, im Fall einer erneuten Ausweitung seiner Nebentätigkeit
rechnen.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 21. März 2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006 war rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
Rechtsgrundlage der angegriffenen Verfügung ist § 53 BeamtVG. Gemäß Absatz 1 der Vorschrift erhält ein
Versorgungsberechtigter, der ein Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen bezieht, daneben seine
Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in § 53 Abs. 2 BeamtVG bezeichneten Höchstgrenze.
Gemäß § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG sind Erwerbseinkommen u.a. Einkünfte aus selbständiger und nicht
selbständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb. Nicht als Erwerbseinkommen gelten gemäß § 53 Abs. 7
Satz 2 BeamtVG Einkünfte aus Tätigkeiten, die nach Art und Umfang Nebentätigkeiten im Sinne des § 42
Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Beamtenrechtsrahmengesetz – BRRG – entsprechen. Die letztgenannte Vorschrift
erfasst schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische und Vortragstätigkeiten des Beamten.
Die Nebeneinkünfte des Klägers entstammen weder ihrer Art noch ihrem Umfang nach einer – vorliegend
allein in Betracht kommenden – Vortragstätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BRRG. Hierbei ist
von dem Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers auszugehen, wie es sich nach dem Ergebnis der
mündlichen Verhandlung sowie aus der von ihm für das Jahr 2005 erstellten Übersicht ergibt. Danach
nimmt der Kläger in unterschiedlicher Form (Stadtführungen, Burgführungen, Vorträge für das
Fremdenverkehrsamt und Gastereyen) an touristischen Veranstaltungen teil, bei denen er unterhaltend
über die Sehenswürdigkeiten und die Geschichte C.’s sowie über damit verbundene Themengebiete wie
beispielsweise den Weinbau oder das Leben im Mittelalter informiert.
Hierbei handelt es sich um keine Beschäftigung, die ihrer Art nach einer Vortragstätigkeit im Sinne des §
42 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BRRG entspricht. Das Gesetz selbst enthält keine Legaldefinition des Begriffs der
Vortragstätigkeit. Bei der Frage, ob eine Nebentätigkeit anrechnungsfrei ist, ist zunächst zu
berücksichtigen, dass es sich bei § 53 Abs. 7 Satz 2 BeamtVG um eine Ausnahme vom Grundsatz der
Anrechnung nach § 53 Abs. 1 BeamtVG handelt. Ziel der Ruhensregelung ist eine geringere
wirtschaftliche Attraktivität der Frühpensionierung (vgl. BTDrucks 13/9527, S. 40). Eine wesentliche
Ursache der steigenden Versorgungsausgaben der öffentlichen Hand ist die verlängerte Dauer des
Bezugs von Versorgungsleistungen, die neben einer höheren durchschnittlichen Lebenserwartung auf
einem Trend zur Frühpensionierung beruht (vgl. BTDrucks 13/9527, S. 28; siehe auch Dritter
Versorgungsbericht der Bundesregierung, BTDrucks 15/5821, S. 40 ff.). Der Gesetzgeber ist diesem Trend
mit der Linearisierung des Anstiegs des Versorgungssatzes und der Einführung von
Versorgungsabschlägen dadurch entgegengetreten, dass der vorzeitige Eintritt in den Ruhestand mit
finanziellen Einbußen verbunden ist. Diese Maßnahmen würden konterkariert, wenn sie der
Versorgungsempfänger durch eine unbegrenzte Nebentätigkeit ausgleichen könnte. Vor dem Hintergrund
dieser gesetzgeberischen Intention ist deshalb die Ausnahmeregelung des § 53 Abs. 7 Satz 2 BeamtVG
eng auszulegen. Etwas anderes ergibt sich nicht deshalb, weil der Kläger bereits die für ihn geltende
Altersgrenze des § 208 Landesbeamtengesetz – LBG – überschritten hat. Aufgrund seines weiten
Gestaltungsspielraums war der Gesetzgeber nicht gehindert, alle Versorgungsempfänger ungeachtet
etwaiger besonderer Altersgrenzen gleich zu behandeln. Die vorzeitige Pensionierung von
Polizeibeamten dient nicht dazu, eine frühere Erwerbstätigkeit zu ermöglichen (vgl. Schachel, in:
Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 53 BeamtVG Rn. 29).
Die Privilegierung einer schriftstellerischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder Vortragstätigkeit des
Beamten im Nebentätigkeitsrecht und damit auch ihr Inhalt ist im Wesentlichen geschichtlich geprägt. § 16
des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 1907
bestimmte, dass kein Reichsbeamter ohne vorherige Genehmigung ein Nebenamt oder eine
Nebenbeschäftigung, mit welcher ein fortlaufendes Einkommen verbunden war, übernehmen oder ein
Gewerbe betreiben durfte. Eine literarische Tätigkeit erforderte nach damals feststehender
Verwaltungsübung keine Genehmigung, wohl aber die Veranstaltung von Repetitorien und das Halten
von Vorlesungen. Wissenschaftliche und künstlerische Berufe wurden – da kein Gewerbe – gleichfalls
nicht erfasst (vgl. Fischbach, Das Reichsbeamtengesetz, 1930, S. 82 f.). Erstmals ausdrücklich geregelt
wurde die Ausnahme von der Genehmigungspflicht in § 11 Abs. 1 Deutsches Beamtengesetz vom 26.
Januar 1937. Danach war eine schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische oder Vortragstätigkeit
des Beamten nicht genehmigungspflichtig. Diese Privilegierung beruhte auf der Überlegung, dass der
Beamte die Möglichkeit haben sollte, die im Beruf gesammelten Fachkenntnisse und Erfahrungen in einer
für die Allgemeinheit und die Berufsgenossen nutzbringenden Weise zu verwerten und hierdurch auch die
Motivation der anderen Beamten zu steigern (vgl. Brand, Das Deutsche Beamtengesetz, 4. Auflage 1942,
S. 186 f.). Ein Zusammenhang zu einem Gebiet, das der Beamte auch dienstlich zu bearbeiten hatte,
wurde jedoch nicht als zwingend erforderlich erachtet. Auch unter dem Deutschen Beamtengesetz wurde
die genehmigungsfreie vortrags- von der genehmigungspflichtigen Lehr- und Unterrichtstätigkeit
unterschieden. Danach war zwar das Abhalten einzelner Vorträge, nicht aber die Verpflichtung zu
regelmäßigen Vortragstätigkeit auf längere Dauer genehmigungsfrei (vgl. Nadler/Wittland/Ruppert,
Deutsches Beamtengesetz, Teil I, S. 323). Aus alledem folgt, dass sich die Privilegierung von
Nebentätigkeiten nach überkommener Vorstellung idealiter – wenn auch nicht ausschließlich – auf
Themen bezog, für die der Beamte kraft dienstlich erworbener Kenntnisse über einen besonderen
Sachverstand verfügte. Auch wurde hiervon nur die gelegentliche, nicht jedoch die dauerhafte
Vortragstätigkeit erfasst.
Dass auch § 42 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BRRG nicht jede Vortragstätigkeit des Beamten unterfällt, folgt zudem
daraus, dass das Gesetz die Vortragstätigkeit auf eine Stufe mit einer schriftstellerischen,
wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeit stellt. Die Vorschrift regelt eine Ausnahme von dem
Grundsatz, dass jede Nebentätigkeit der Genehmigung bedarf. Ihren Tatbestandsmerkmalen kommt
deshalb nicht allein beschreibende, sondern auch ausgrenzende Funktion zu; als Ausnahmevorschrift ist
sie eng auszulegen. So erfasst der Begriff der künstlerischen Tätigkeit nur die schöpferische Tätigkeit im
Sinne von „reiner Kunst“, schließt hingegen ein Kunstgewerbe, das gewerbsmäßige Absetzen eigener
Erzeugnisse oder das Auftreten gegen Entgelt von der Genehmigungsfreiheit aus (vgl. LAG Hamm, Urteil
vom 29. Januar 1999, Az.: Sa 902/98 – Juris –). Ebenfalls keine künstlerische Tätigkeit liegt vor, wenn
nicht der Ausdruck der Persönlichkeit des Künstlers, sondern sachliche Inhalte oder Ergebnisse im
Vordergrund stehen, wie beispielsweise bei einer Wort- oder Bildberichterstattung über aktuelle
Ereignisse (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, § 66 Rdnr. 17).
Das Tatbestandsmerkmal der schriftstellerischen Tätigkeit nimmt nur die freie, unabhängige und
eigenständige geistige Leistung vom Genehmigungserfordernis aus, nicht hingegen die entgeltliche
Mitteilung von Nachrichten sowie den bloßen Druck und Vertrieb schriftstellerischer Erzeugnisse (vgl.
GKÖD-Geis, K § 66 BBG, Rdnr. 42 und 44). Diese Funktion der anderen Tatbestandsalternativen des § 42
Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BRRG liefe leer, wenn dem Begriff der Vortragstätigkeit eine Auffangfunktion des
Inhalts zukäme, dass jegliche Art von Vortrag von ihr erfasst würde. In den Kommentierungen wird
insoweit ausgeführt, eine systematische Folge von Vorträgen oder Unterrichtseinheiten, beispielsweise
als Repetitor oder als Kursleiter an Erwachsenenbildungseinrichtungen, falle nicht hierunter (vgl. GKÖD-
Geis, K § 66 BBG Rdnr. 73; Keymer/Kolbe/Braun, Das Nebentätigkeitsrecht in Bund und Ländern, BBG
Rdnr. 13; Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, § 66 BBG, Rdnr. 18). Dahingestellt bleiben kann, ob lediglich
Vorträge mit wissenschaftlichem Charakter § 42 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BRRG unterfallen (so der
Berichterstatter Broll, Protokoll der 108. Sitzung des Bundestagsinnenausschusses vom 6. Dezember
1984, zitiert nach Günther, ZBR 1989, S. 164 <168 mit Fußnote 47>; Battis, Bundesbeamtengesetz, 3.
Auflage, § 66 Rdnr. 9). Jedenfalls muss sich die Vortragstätigkeit mit der schriftstellerischen,
wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeit messen lassen können. Hierzu reicht es nicht aus, dass
sich der Beamte den Inhalt des Vortrags zunächst erarbeitet. Die Wissensaneignung ist jeder
Vortragstätigkeit immanent und deshalb nicht geeignet, die Privilegierung zu begründen. Vielmehr setzt
eine Vortragstätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BRRG voraus, dass sie auf eine inhaltliche
Auseinandersetzung mit dem oder eine gestaltende Einflussnahme auf den Gegenstand des Vortrags, die
sich in der Vortragstätigkeit fortsetzt, zielt; ein lediglich reproduzierendes Tätigwerden hingegen genügt
nicht (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 29. Januar 1999, Az.: SA 902/98 – Juris – zur künstlerischen Tätigkeit).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Tätigkeit des Klägers nicht. Sie geht bereits über lediglich einzelne
Vorträge hinaus. Wenn auch der Kläger den jeweiligen Vortrag unter Umständen dem Zuhörerkreis
anpassen mag, so bleibt der Inhalt doch aufgrund der thematischen Vorgaben (Stadt- bzw. Burgführung,
Gasterey) im Wesentlichen gleich bzw. handelt es sich um wiederkehrende Versatzstücke eines gleich
bleibenden Manuskripts. Soweit hierzu in der Literatur vertreten wird, eine Vortragstätigkeit umfasse auch
Wiederholungen und eine Reihe von Auftritten (vgl. Günther, ZBR 1989, S. 164 <167>), folgt dem die
Kammer nur insoweit, als es lediglich um gelegentliche Wiederholungen geht. Eine von vornherein auf
eine ständige Wiederholung gerichtete Tätigkeit, die sich inhaltlich im Wesentlichen auf die Weitergabe
eines einmal angeeigneten Wissens beschränkt, erfüllt hingegen nicht die Voraussetzungen des § 42
Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BRRG. Insoweit handelt es sich um eine Tätigkeit, die nicht durch die geistige
Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Vortrags, sondern durch ein reproduzierendes Tätigwerden
geprägt ist.
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich vorliegend auch dann nicht, wenn man unter der Geltung des
Grundgesetzes § 42 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BRRG als Ausfluss der durch Art. 5 Grundgesetz – GG –
geschützten grundrechtlichen Freiheiten ansieht (vgl. hierzu BVerwGE 124, 347 <355>; Günther, ZBR
1989, S. 164 <167>; Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, § 66 BBG Rn. 16 f., sowie GKÖD-Geis, K § 66 BBG
Rn. 48 und 71, jeweils für die wissenschaftliche und künstlerische Tätigkeit; Keymer/Kolbe/Braun, Das
Nebentätigkeitsrecht in Bund und Ländern, BBG Rn. 10). Das danach hinter der Privilegierung der
Vortragstätigkeit stehende Grundrecht der Meinungsfreiheit findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG seine
Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die beamtenrechtlichen
Nebentätigkeitsvorschriften zählen. Die Tätigkeit des Klägers unterfällt darüber hinaus nicht dem
Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, weil sie nicht durch die Elemente der Stellungnahme, des
Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist. Diese sind jedoch konstitutiv für die Bestimmung dessen, was als
Äußerung einer „Meinung“ vom Schutz des Grundrechts umfasst wird (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 85, 1 <14
f.>; 90, 241 <247 f.>). Zwar ist auch die Mitteilung einer Tatsache geschützt, soweit sie Voraussetzung der
Bildung von Meinungen ist. Dafür, dass der Vortragstätigkeit des Klägers eine solche Bedeutung
zukommt, sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Auch ihrem Umfang nach entsprechen die Aktivitäten des Klägers nicht einer Nebentätigkeit im Sinne des
§ 42 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BRRG. Sie nehmen die Arbeitskraft des Klägers so stark in Anspruch, dass –
stünde er noch im aktiven Dienst – die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert
würde. Hierbei ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf die für das ganze Jahr berechnete
durchschnittliche monatliche Tätigkeit abzustellen. Anders als bei Tätigkeiten wie dem vom Kläger
angeführten Beispiel eines Taxifahrers, bei denen es Zeiten kurzfristiger Nachfrageschwankungen gibt, ist
die Tätigkeit des Klägers maßgeblich durch ihren saisonalen Charakter geprägt. Aufgrund der
Witterungsverhältnisse und ihrer Abhängigkeit von Ferien ist der vom Kläger angebotenen Dienstleistung
zu Eigen, dass sie – dies spiegelt die von ihm für das Jahr 2005 erstellte Übersicht wieder – nur während
eines bestimmten Teils des Jahres, nämlich im Zeitraum vom späten Frühjahr bis zum frühen Herbst und
hier insbesondere in den Sommermonaten, erbracht wird. Für die Bestimmung der zeitlichen
Inanspruchnahme durch die Nebentätigkeit ist deshalb allein auf diese Zeiten abzustellen. Der Kläger hat
im Juli 2005 27 Führungen – davon oftmals mehrere an einem Tag –, zwei Gastereyen, einen Vortrag und
eine Reiseleitung übernommen. Ihre Spitze erreichte die Nachfrage im September mit 31 Führungen –
davon wiederum häufig mehrere an einem Tag –, vier Gastereyen und drei Vorträgen. Damit erreicht die
zeitliche Beanspruchung einen Umfang, der – stünde der Kläger noch im aktiven Dienst – es ihm
unmöglich machte, sich in dieser Zeit mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§ 64 Abs. 1 Satz 1
LBG); sie führte somit zu einer Verletzung dienstlicher Pflichten mit der Folge, dass sie zu untersagen
wäre (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 6 BRRG, § 74 Abs. 3 LBG). Folglich entspricht die vom Kläger ausgeübte
Nebenbeschäftigung auch ihrem Umfang nach nicht einer Nebentätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 3
Nr. 3 BRRG.
Wurden mithin die Versorgungsbezüge des Klägers zu Recht gemäß § 53 Abs. 1 BeamtVG in Höhe eines
Betrages von 300,-- € zum Ruhen gebracht, so war die Änderungsmitteilung vom 21. März 2006 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2006 rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen
Rechten.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 709 ZPO.
Die Berufung war gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Frage,
welche Anforderungen an eine Vortragstätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BRRG zu stellen
sind, bislang in der Rechtsprechung und Literatur nicht geklärt und nicht nur für das Versorgungs-,
sondern auch für das Nebentätigkeitsrecht von Bedeutung ist.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Pinkemeyer gez. Porz gez. Steinkühler
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird bis zum 20. Juli 2006 auf 10.800,-- € und ab diesem Zeitpunkt auf
5.000,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden.
gez. Pinkemeyer gez. Porz gez. Steinkühler
2, Artikel
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2, Nachname
2, Strasse
2, Plz
2, Ort