Urteil des VG Kassel vom 20.05.2010

VG Kassel: gebühr, unverzüglich, verfügung, vollstreckung, anzeige, haftpflichtversicherung, hessen, versicherungsverhältnis, verordnung, verkehr

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Gericht:
VG Kassel 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 K 929/09.KS
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 25 Abs 4 FZV, Nr 254
StGebO
(Gebührenerhebung für Zwangsstilllegungsmaßnahmen
betreffend Kraftfahrzeuge)
Leitsatz
Rechtsgrundlage einer Gebührenerhebung für Zwangsstilllegungsmaßnahmen nach §
25 Abs. 4 Fahrzeugzulassungsverordnung - FZV - ist die bundesrechtliche
Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr und nicht eine Kostenordnung
nach dem jeweiligen Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz (entgegen Hess. VGH, B.
v. 09.12.2009 - 5 D 2775/09 -)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten
abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe
leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Verwaltungskostenbescheid der Beklagten in
Höhe von 130,43 € für Maßnahmen im Straßenverkehr.
Die Kfz-Haftpflichtversicherung der Klägerin - die Z-Versicherung – zeigte der
Zulassungsbehörde der Beklagten am 20.03.2009 an, dass das
Versicherungsverhältnis zur Klägerin für das Kraftfahrzeug X seit dem 09.03.2009
nicht mehr bestehe.
Daraufhin untersagte die Beklagte der Klägerin mit Verfügung vom 24.03.2009
den weiteren Betrieb des Kraftfahrzeuges im öffentlichen Verkehr und forderte sie
auf, spätestens bis zum 31.03.2009 die Kennzeichenschilder zur Entstempelung
sowie die Zulassungsbescheinigung I und II vorzulegen. Für den Fall, dass sie der
Aufforderung nicht fristgerecht nachkommt, wurde die zwangsweise
Außerbetriebsetzung des Kraftfahrzeuges angedroht. Diese Verfügung ist
bestandskräftig geworden.
Nachdem bis zur gesetzten Frist am 31.03.2009 weder eine neue
Versicherungsbestätigung noch die Kennzeichenschilder zur Entstempelung
vorgelegt worden waren, beauftragte die Zulassungsbehörde am 03.04.2009 den
Vollzugsdienst mit der Zwangsstilllegung des Kraftfahrzeuges der Klägerin.
Der Vollzugsdienst suchte sie am 08.04.2009 auf, wobei festgestellt wurde, dass
der Versicherungsbetrag zwar noch nicht vollständig entrichtet, die Klägerin aber
bereit war, dies unverzüglich nachzuholen. Nach den Feststellungen des
Vollzugsdienstes sicherte eine Mitarbeiterin der Versicherungsgesellschaft zugleich
die Übersendung der Versicherungsbestätigung nach Zahlungseingang zu.
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die Übersendung der Versicherungsbestätigung nach Zahlungseingang zu.
Daraufhin verzichtete der Vollzugsdienst auf die Zwangsstilllegung des
Fahrzeuges. Am 14.04.2009 ging dann eine Versicherungsbestätigung bei der
Beklagten ein. Dies hatte zur Folge, dass das Zwangsstilllegungsverfahren
eingestellt wurde.
Mit Bescheid vom 07.07.2009 „ gemäß der Bundesgebührenordnung für
Maßnahmen im Straßenverkehr- GebOSt - “ setzte die Beklagte eine Gebühr für
die durchgeführten Maßnahmen gemäß Geb.Nr. 254 GebOSt in Höhe von 127,80 €
sowie Auslagen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt in Höhe von 2,63 € fest.
Gegen den ihr am 09.07.2009 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am
10.08.2009 (montags) Klage erhoben und gleichzeitig die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass
die Gebührenforderung deshalb nicht berechtigt sei, weil keine zwangsweise
Außerbetriebsetzung ihres Kraftfahrzeuges durchgeführt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.07.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Kostenbescheid sowohl dem Grunde als auch der
Höhe nach zu Recht erlassen worden sei.
Die Kammer hat den Rechtstreit mit Beschluss vom 17.09.2009 dem
Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Der Prozesskostenhilfeantrag der Kläger wurde mit Beschluss vom 23.09.2009
abgelehnt, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.
Auf die dagegen eingelegte Beschwerde änderte der Hessische
Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 09.12.2009 die angefochtene
Prozesskostenhilfeentscheidung ab und gewährte der Klägerin Prozesskostenhilfe
für das Klageverfahren. In der Begründung ist ausgeführt, dass es streitig sei, ob
für eine Maßnahme, die vom Vollzugsdienst zur Durchsetzung einer
Außerbetriebsetzungsanordnung im Wege der Verwaltungsvollstreckung getroffen
werde, die bundesrechtliche Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr
oder das Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz i.V.m. einer dazu ergangenen
Kostenordnung gelte. Der Senat neige zur letztgenannten Auffassung. Die
Vollstreckung der verkehrsrechtlichen Grundverfügung richte sich in Hessen nach
dem Hess. Verwaltungsvollstreckungsgesetz, wofür Kosten nach der
Vollstreckungskostenordnung zu erheben seien.
Das Gericht hat am 20.05.2010 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen
des Ergebnisses wird auf die angefertigte Niederschrift verwiesen. Zur Ergänzung
des Tatbestandes wird im Übrigen auf die Gerichtsakte und die Behördenakten der
Beklagten (1Hefter) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Kostenbescheid der
Beklagten vom 07.07.2009 ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach
rechtmäßig und verletzt daher die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Klage ist
deshalb abzuweisen.
Gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV - hat die
Zulassungsbehörde unverzüglich Maßnahmen zur Außerbetriebsetzung eines
Kraftfahrzeuges einzuleiten, wenn - wie hier - durch eine Anzeige einer
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bekannt gegeben wird, dass für das Fahrzeug
keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung mehr besteht. Eine solche Anzeige hat die
Kfz-Haftpflichtversicherung der Klägerin - Z-Versicherung - am 20.03.2009 bei der
Zulassungsbehörde der Beklagten eingereicht und mitgeteilt, dass das
Versicherungsverhältnis zur Klägerin für das Kraftfahrzeug X seit dem 09.03.2009
nicht mehr bestehe.
§ 25 Abs. 4 FZV verpflichtet die Zulassungsbehörde, nach Eingang einer solchen
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§ 25 Abs. 4 FZV verpflichtet die Zulassungsbehörde, nach Eingang einer solchen
Anzeige unverzüglich Maßnahmen zur Außerbetriebsetzung eines Kraftfahrzeuges
einzuleiten. Denn die Vorschrift dient dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer und
soll die weitere Verwendung nicht mehr ausreichend versicherter Fahrzeuge im
Straßenverkehr unverzüglich verhindern. Die Zulassungsbehörde ist auch nicht
verpflichtet, durch Rückfragen beim Versicherer und/oder beim Fahrzeughalter
nachzuprüfen, ob eine Erlöschensanzeige zu Recht ergangen ist. Ihre Verpflichtung
zum unverzüglichen Einschreiten wird allein durch den Eingang der
Erlöschensanzeige des Versicherers ausgelöst (vgl. BVerwG, Urteil vom
22.10.1992, BVerwGE 91, 109).
Die Beklagte untersagte deshalb der Klägerin mit der – bestandskräftigen -
Verfügung vom 24.03.2009 zu Recht den weiteren Betrieb des Fahrzeuges im
öffentlichen Straßenverkehr und drohte ihr rechtsfehlerfrei die zwangsweise
Stilllegung des Kraftfahrzeuges für den Fall an, dass sie nicht bis spätestens zum
31.03.2009 die Kennzeichenschilder zur Entstempelung sowie die
Zulassungsbescheinigung vorgelegt habe.
Nachdem die Klägerin dieser Verfügung bis zur gesetzten Frist am 31.03.2009
nicht nachgekommen war, war die Beklagte gemäß § 25 Abs. 4 FZV gehalten,
ihren Vollzugsdienst mit der Zwangsstilllegung des Kraftfahrzeuges der Klägerin zu
beauftragen.
Entgegen der vom Hess. Verwaltungsgerichtshof in dem Beschluss vom
09.12.2009 – 5 D 2775/09 – (Fundstelle: juris) vertretenen Auffassung hat die
Beklagte ihre Gebührenforderung für die Einleitung der Zwangsstilllegung des
Fahrzeuges der Klägerin zutreffend auf Nr. 254 der – bundesrechtlichen –
Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr – GebOSt - gestützt, die
einen Gebührenrahmen von 14,30 € bis 286,00 € für von Kfz-Haltern veranlasste
Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde vorsieht.
Zu Unrecht meint der Hessische Verwaltungsgerichtshof, dass die
Gebührennummer 254 GebOSt nur einen Gebührentatbestand für die
verkehrsrechtliche Grundverfügung, nicht aber auch für die Vollstreckung der
Anordnung im Verwaltungsvollstreckungsverfahren darstelle. Diese
Gebührenordnung hat der Bund in Ausübung seiner Gesetzgebungskompetenz für
den Straßenverkehr gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 Grundgesetz – GG – auf der
Grundlage der Ermächtigung des § 6a Straßenverkehrsgesetz - StVG – erlassen.
Danach werden Gebühren und Auslagen erhoben für Amtshandlungen nach dem
Straßenverkehrsgesetz. Der Hess. Verwaltungsgerichtshof hat in dem
vorgenannten Verfahren 5 D 2775/09 ( a.a.O.) übersehen, dass durch Art. 5 der
Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer
straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2008 (BGBl I 2008, Nr. 31, S.
1338-1376), in Kraft getreten am 30.10.2008, die Gebührenordnung für
Maßnahmen im Straßenverkehr geändert worden ist, indem u.a. folgender Satz
angefügt wurde: „Die Gebühr umfasst auch die im Zusammenhang mit der
Vollstreckung der Anordnungen entstehenden Kosten.“
Damit ist klargestellt worden, dass dazu auch Maßnahmen im Zusammenhang
mit der Stilllegung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und damit
Vollstreckungsakte gehören. Eine Gebühr wird somit auch fällig, wenn die
Voraussetzungen für die von einem Kraftfahrzeughalten veranlasste
Stilllegungsanordnung nach Einleitung der Zwangsmaßnahmen wegfallen.
In Ausführung des durch Bundesrecht vorgegebenen Gebührenrahmens sieht die
Gebührenliste der Beklagten für eine eingeleitete Zwangsstilllegung - ohne dass es
zu einer solchen tatsächlich gekommen ist - eine Gebühr in Höhe von 127,80 €
vor. Dagegen ist nichts zu erinnern, denn die von der Antragstellerin veranlasste
Maßnahme erforderte einen erheblichen Verwaltungsaufwand, wobei die konkret
festgesetzte Gebühr sich im mittleren Bereich des vorgegebenen
Gebührenrahmens bewegt.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt hat der Gebührenschuldner auch die Entgelte für die
Zustellung der Anordnungen nach dem Straßenverkehrsgesetz zu tragen, so dass
auch insoweit die Klage keinen Erfolg hat.
Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis
hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
28 Die Berufung ist zuzulassen, weil das Urteil von einer Entscheidung des Hess.
Veraltungsgerichtshofs abweicht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.