Urteil des VG Kassel vom 19.03.2008

VG Kassel: stand der technik, windkraftanlage, genehmigungsverfahren, typenprüfung, wesentlicher punkt, verfügung, anfechtungsklage, betreiber, erheblichkeit, verwaltungsverfahren

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Gericht:
VG Kassel 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 E 754/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 BImSchG, § 5 Abs 1
BImSchG
(Windkraftanlage-Nachlaufturbulenzen)
Leitsatz
1.Der Betreiber einer Windkraftanlage kann nicht darauf vertrauen, dass er den
bestehenden örtlichen Windverhältnissen auf Dauer unverändert ausgesetzt bleibt,
sondern muss von vornherein damit rechnen, dass weitere Windparkanlagen aufgestellt
werden, die seiner Anlage nicht nur Wind nehmen, sondern diesen auch in seiner
Qualität verändern.
2.Deshalb sind die im Nachlauf der Rotoren einer hinzutretenden Windkraftanlage
erzeugten Turbulenzen nur dann "schädliche" Umwelteinwirkungen i. S. v. § 3 Abs. 1
BImSchG, wenn sie dazu führen, dass die Auslegungslasten der bestehenden Anlagen
überschritten werden. Eine Beeinflussung, die sich noch im Rahmen der
Auslegungslasten seiner Anlage hält, muss der Betreiber einer bestehenden Anlage
hinnehmen; die Vorteile eines "Schonbetriebs" unterhalb der Schwelle der
Auslegungslasten sind nicht nach § 3 Abs. 1 BImSchG geschützt.
3.Bei der Ermittlung der am Standort einer Windkraftanlage herrschenden mittleren
Jahreswindgeschwindigkeit und der natürlichen Umgebungsturbulenz gibt es "systemim-
manente" Unsicherheiten. Das darin liegende Risiko bei der Begutachtung, ob die
Nachlaufturbulenzen einer hinzukommenden Anlage die Standsicherheit einer beste-
henden Anlage beeinträchtigen, trägt der Betreiber der bestehenden Anlage, wenn
deren Typenprüfung von vornherein den Standortbedingungen nicht gerecht wird.
Tenor
Die unter Ziffer 1) des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2005 dem
Genehmigungsbescheid vom 02.01.2004 hinzugefügten Nebenbestimmungen
Nrn. 5.15.1 und 5.15.2 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens haben der Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte
zu tragen.
Die Berufung wird zugelassen.
Dieses Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit
in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Mit Datum vom 02.01.2004 erteilte der Beklagte der Klägerin nach § 4 Bundes-
Immissionsschutzgesetz (BImSchG) die Genehmigung für die Errichtung und den
Betrieb einer aus drei Windkraftanlagen bestehenden Windfarm in den
Gemarkungen von ... und .... Es handelt sich um eine Anlage mit 85 m Nabenhöhe
und 70,5 m Rotordurchmesser (Typ S 77, im Folgenden bezeichnet als WEA 5) und
zwei Anlagen, die mit je 91,5 m Nabenhöhe und je 64 m Rotordurchmesser
genehmigt, aber sodann nur mit je 80 m Nabenhöhe errichtet wurden (Typ NM
1000/60, im Folgenden bezeichnet als WEA 6 und 7). Westlich bzw. südwestlich der
genehmigten Anlagen betreibt die Beigeladene, die mit Beschluss vom 01.06.2005
am Verfahren beteiligt wurde, sechs Windkraftanlagen (Typ M 700, im Folgenden
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am Verfahren beteiligt wurde, sechs Windkraftanlagen (Typ M 700, im Folgenden
bezeichnet als WEA 10-15) von jeweils 36 m Nabenhöhe und 30 m
Rotordurchmesser (genehmigt durch die Bauaufsichtsbehörde mit Bescheid vom
17.06.1994). Der kürzeste Abstand zwischen den Anlagen der Beigeladenen und
der Klägerin besteht zwischen der WEA 11 und der ostnordöstlich davon gelegenen
WEA 6 und beträgt 226 m.
Weitere Windkraftanlagen befanden sich seinerzeit nordöstlich der Windparks der
Klägerin und der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren.
Um eventuelle Auswirkungen der im Nachlauf der Rotoren der Anlagen der
Klägerin erzeugten Turbulenzen auf die Standsicherheit ihrer Anlagen prüfen zu
können, bat die Beigeladene, der die Genehmigung vom 02.01.2004 nicht
bekanntgegeben worden war, den Beklagten mit Schreiben vom 16.04.2004 um
die Übersendung von Turbulenzgutachten. Im Genehmigungsverfahren hatte die
Klägerin u. a. eine vom ... Nord erstellte „Gutachtliche Stellungnahme zur
Turbulenzbelastung im Windpark ...-...“ vorgelegt, die zu dem Ergebnis kam, dass
die - in Prozentwerten angegebene - effektive Turbulenzintensität I
eff
(d.h. die
Intensität sämtlicher auf die Anlagen der Beigeladenen einwirkenden Turbulenzen,
die sich aus den natürlichen Umgebungsturbulenzen I
o
und den im Nachlauf der
Rotoren benachbarter Windkraftanlagen erzeugten Turbulenzen I
w
ergibt) bei
keiner Anlage der Beigeladenen den Auslegungswert von 20 % überschreite. Mit
Schriftsatz vom 30.06.2004 erhob die Beigeladene Widerspruch gegen die
Genehmigung vom 02.01.2004 und beantragte mit Schriftsatz vom 16.09.2004 die
Aussetzung der Vollziehung der Genehmigung. Zur Begründung wies sie darauf
hin, dass ihre Anlagen ... Typ M 700 nur bis zu einer Turbulenzintensität von 18 %
geprüft seien, und legte eine „Gutachtliche Stellungnahme zur Turbulenzbelastung
im Windpark ...“ der ...-... ... vom 11.09.2004 vor, wonach dieser Wert bei allen
Anlagen der Beigeladenen überschritten war. Diese überhöhten
Turbulenzintensitäten erhöhten - so das Gutachten - deutlich die
Betriebsfestigkeitslasten an den Windkraftanlagen. Da die Windkraftanlagen noch
mindestens weitere 10 Jahre betrieben werden sollten, sei langfristig gesehen eine
Beschädigung der Windkraftanlagen möglich. Der Beklagte forderte den ... Nord
zur Stellungnahme zum Gutachten ...-... auf. Der ... Nord führte in einem im
Oktober 2004 erstellten Gutachten aus, lt. Aussagen des Herstellers sei die
Windkraftanlage ... Typ M 700 am Standort .../... auch für eine Turbulenzintensität
von 20 % und mehr geeignet, da bei der Typenprüfung die 18 %
Turbulenzintensität für die Windzone III angenommen worden seien, was einer
mittleren Jahreswindgeschwindigkeit von 7,6 m/s in 36 m Höhe entspreche. Am
Standort .../... hingegen betrage die mittlere Jahreswindgeschwindigkeit nur ca. 5,5
m/s in 36 m Höhe. Da in die detaillierten Lastrechnungen bei der Typenprüfung
sowohl die mittlere Jahreswindgeschwindigkeit als auch die Turbulenzintensität
eingingen, sei durch das deutliche Unterschreiten der zulässigen
Jahreswindgeschwindigkeit eine größere (als die in der Typenprüfung unterstellte)
Turbulenzintensität tolerierbar. Dies sei auch durch eine detaillierte Lastrechnung
unter Verwendung der vorliegenden Bedingungen darstellbar. Das Gutachten hielt
gleichwohl die Abschaltung der WEA 6, in deren Nachlaufströmung die WEA 11 der
Beigeladenen liegt, bei bestimmten Windrichtungen für erforderlich.
Mit Bescheid vom 13.10.2004 ordnete der Beklagte daraufhin die sofortige
Vollziehung der Genehmigung vom 02.01.2004 unter der Bedingung an, dass die
WEA 6 und 7 automatisch abgeschaltet werden, wenn der Wind aus Richtung 15 bis
135 Grad (Nordnordost bis Südost) weht. Das Verwaltungsgericht ... hat später,
auf einen entsprechenden Antrag der Klägerin hin, mit Beschluss vom 31.08.2006
(Az. 7 G 792/06) die uneingeschränkte sofortige Vollziehung des
Genehmigungsbescheids angeordnet.
Zu den unterschiedlichen Werten und Ergebnissen von ...-... und ... Nord holte der
Beklagte sodann eine gutachtliche Stellungnahme der Fa. ... (im Folgenden: ...)
ein. ... gab zur Ermittlung der mittleren Jahreswindgeschwindigkeit und der
natürlichen Umgebungsturbulenz am Standort der Anlagen zwei Gutachten bei ...,
..., in Auftrag, welche der Meteorologe Dr. ...-... ... am 05. bzw. 07.03.2005
erstellte. Auf der Grundlage der dort ermittelten Werte berechnete das Gutachten
von ... vom 12.04.2005 für die sechs Windkraftanlagen der Beigeladenen (WEA 10-
15) Turbulenzwerte (I
o
) zwischen 18,4 und 19,3 % bereits ohne Berücksichtigung
der für die Klägerin genehmigten Anlagen und kam sodann zu dem Ergebnis, dass
sich durch den Zubau der Anlagen der Klägerin die effektive Turbulenzintensität (I
eff
) bei der WEA 11 um 0,4 % und bei der WEA 14 um 0,2 % erhöhe; Auswirkungen
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auf die übrigen Windkraftanlagen der Beigeladenen seien nicht gegeben. Sodann
wird im Gutachten ausgeführt, die Windkraftanlage des Typs M 700 sei für die
Windzone III gemäß der „Vorläufige(n) Richtlinie für statische Nachweise von
Windkraftanlagen“ des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt), Fassung Juli
1988, ausgelegt. Bei der Berechnung der Betriebsfestigkeitslasten sei von einer
Turbulenzintensität von 18 % ausgegangen worden, jedoch enthalte die o. g.
Richtlinie keine Aussage zur mittleren Jahreswindgeschwindigkeit. Sodann sei der
Typ M 700 auch nach der dänischen Richtlinie DS 472 ausgelegt, wo eine
Turbulenzintensität von 17 % bei einer mittleren Jahreswindgeschwindigkeit von 6,8
m/s für die Berechnung der Betriebsfestigkeitslasten angenommen werde. Die
mittlere Jahreswindgeschwindigkeit am Standort betrage demgegenüber in
Nabenhöhe 36 m nur 5,5 m/s. Deshalb ergäben sich für die WEA des Typs M 700
hinsichtlich der Betriebsfestigkeitslasten Restsicherheiten. Eine endgültige
Aussage zur Standsicherheit lasse sich aber erst nach der Berechnung der
Betriebsfestigkeitslasten für die Windkraftanlage M 700 mit den ermittelten
Umgebungsbedingungen für den Standort treffen. Gegenwärtig könne die
Standsicherheit der WEA 10-15 aufgrund der erhöhten Turbulenzintensität (I
eff
)
nicht bestätigt werden. Diese Aussage gelte sowohl für die Windparkkonfiguration
ohne, als auch mit Berücksichtigung der neu errichteten Windkraftanlagen. Das
Gutachten schlug die Abschaltung der WEA 5-7 bei bestimmten Windrichtungen
vor, allerdings nur bei Windgeschwindigkeiten ab 8 m/s.
Durch Widerspruchsbescheid vom 29.04.2005 half der Beklagte dem Widerspruch
der Beigeladenen insoweit ab, als er die Nebenbestimmungen der Genehmigung
um eine Nr. 5.15 ergänzte, worin u. a. vorgeschrieben wird, dass die Anlagen WEA
5, WEA 6 und WEA 7 ab einer Windgeschwindigkeit von 8 m/s im 10-Minuten-
Mittelwert bei Windrichtung aus folgenden Sektoren abzuschalten sind: WEA 5:- 11
Grad bis + 19 Grad, WEA 6: + 22 Grad bis + 89 Grad, WEA 7: + 58 Grad bis + 125
Grad.
Im Übrigen wurde der Widerspruch der Beigeladenen zurückgewiesen.
Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 10.05.2005 zugestellt
Am 31.05.2005 hat die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben.
Mit Beschluss vom 01.06.2005 hat die Kammer die Firma C. zur Nutzung von
Windenergie zum Verfahren beigeladen.
Die Klägerin hat sodann durch ... eine Berechnung der Betriebsfestigkeitslasten
der WEA 10-15 unter Berücksichtigung der Umgebungsbedingungen am Standort
.../... vornehmen lassen. Das Gutachten vom 30.01.2006 geht hinsichtlich der
Standortbedingungen von den im Vorgutachten vom 12.04.2005 für die WEA 10-
15 errechneten Turbulenzintensitätswerten und der dort zugrunde gelegten
mittleren Jahreswindgeschwindigkeit (5,5 m/s) aus. Es seien die für diese
Bedingungen erforderlichen Betriebsfestigkeitslasten berechnet worden. Die derart
ermittelten Betriebsfestigkeitslasten seien mit den Auslegungslasten der
einzelnen Bauteile verglichen worden, die (als Lastannahmen) in den
Darstellungen des dänischen Herstellers der Anlagen ... Typ M 700 im Antrag auf
Erteilung der Typzulassung für die Bedingungen Turbulenzintensität 18 % und
mittlere Jahreswindgeschwindigkeit 6,8 m/s angegeben seien. Die Berechnung
habe ergeben, dass die für den Standort erforderlichen Betriebsfestigkeitslasten
innerhalb der technischen Toleranzen der Auslegungslasten dieses Anlagentyps
lägen. Die Standsicherheit der WEA 10-15 könne somit bestätigt werden.
Mit Beschluss vom 31.08.2006 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO
dem Berichterstatter zur Entscheidung übertragen.
Auf Grund der Beweisbeschlüsse vom 01.09. und 16.10.2006 haben die Gutachter
F. und E. von ... in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2006 ihre Gutachten
sowie das Verfahren zur Berechnung der effektiven Turbulenzintensität im
Rotornachlauf erläutert. Sie haben auch ausgeführt, dass die Informationen über
die Lastberechnungen für die einzelnen Bauteile der Anlage ... Typ M 700, die bei
der Konstruktion angestellt wurden und dann auch der Typprüfung zugrunde lagen,
ihnen von der Fa. ... zur Verfügung gestellt worden seien, sie jedoch nicht befugt
seien, diese Werte weiterzugeben, sondern ... habe ihnen die Auflage gemacht,
dass diese Werte vertraulich blieben und nicht an Dritte weitergegeben werden
dürften.
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Dies bemängelt die Beigeladene, da auf diese Weise eine Schlüssigkeitsprüfung
der im Gutachten von ... vom 30.01.2006 gewonnenen Ergebnisse nicht möglich
sei. Sodann könne eine Richtlinie aus dem Jahr 1988 nicht Grundlage für die
Ermittlung und Bewertung der Standsicherheit von Windkraftanlagen im Jahr 2006
bilden. Es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass sich die Erkenntnisse
über die Methoden, die zu berücksichtigenden Einflüsse der Turbulenzintensität,
der Windlasten u. a. zur Ermittlung und Bewertung der Standsicherheit von
Windkraftanlagen seitdem fortentwickelt hätten. So sei in Nr. 6.3.3 der aktuellen
DIBt-Richtlinie, Fassung März 2004, vorgesehen, dass eine gegenüber den
Auslegungsparametern erhöhte Turbulenzintensität auch erneute Nachweise für
maschinentechnische Teile der Windkraftanlage erfordere. Die Beigeladene weist
weiter darauf hin, dass die Verfahren und Rechenmodelle zur Ermittlung der
mittleren Jahreswindgeschwindigkeit, der natürlichen Umgebungsturbulenz und der
effektiven Turbulenz im Rotor-Nachlauf mit großen Unsicherheitsfaktoren behaftet
seien. Dem trage die im Gutachten von ...-... genannte Bandbreite der
Turbulenzwerte Rechnung. In Schleswig-Holstein sei es Genehmigungspraxis, bei
Vorliegen mehrerer Gutachten stets von der konservativsten Annahme
auszugehen. Davon abgesehen stimmten sämtliche Gutachten darin überein,
dass die im Rotornachlauf der Windkraftanlagen erzeugten Turbulenzen Einfluss
auf die Windkraftanlagen der Beigeladenen ausübten, so dass eine
Beeinträchtigung ihrer Anlagen unstreitig gegeben sei. Selbst wenn diese sich
während einer Betriebszeit von 20 Jahren, für welche die Betriebsfestigkeit der
Anlagen ausgelegt sei, noch nicht auswirken sollte, so könne die einzelne Anlage je
nach ihrem individuellen Zustand von Fall zu Fall auch länger betrieben werden,
und dies sei Bestandteil ihrer geschützten Eigentumsposition.
Das Gericht hat sodann mit Beweisbeschluss vom 09.03.2007 ein Gutachten des
Meteorologen Dr. ...-... ... c/o ... eingeholt, in welchem dieser zu den von den
Ergebnissen seiner Gutachten abweichenden Ergebnissen der Gutachten ...-... und
... Nord Stellung genommen und dabei insbesondere erläutert hat, worin die
Unterschiede in den von diesen Gutachten einerseits und von seinen Gutachten
andererseits angewendeten Verfahren zur Ermittlung der örtlichen
Windverhältnisse und Rauhigkeit sowie zur Berechnung der Turbulenz bestehen.
Außerdem hat er nochmals das von ihm in Abschnitt 2. seines
Turbulenzgutachtens vom 07.03.2005 beschriebene Verfahren näher erläutert.
Dieses Gutachten wurde mit Datum vom 20.04.2007 erstellt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass anhand der vorliegenden Gutachten und des
Ergebnisses der Beweisaufnahme im Verwaltungsstreitverfahren hinreichend
nachgewiesen sei, dass von ihren Anlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen,
Gefahren bzw. erhebliche Nachteile i. S. v. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImschG für
die Anlagen der Beigeladenen ausgehen.
Die Klägerin beantragt,
die unter Ziffer 1) des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2005 dem
Genehmigungsbescheid vom 02.01.2004 hinzugefügten Nebenbestimmungen
Nrn. 5.15.1 und 5.15.2 aufzuheben.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage mit dem gestellten Antrag
unzulässig sei. Denn der unter Nr. 5.15 geforderten Abschaltregelung zur
Sicherstellung der Standsicherheit der Nachbaranlagen komme
Bedingungscharakter zu. Sie könne nicht isoliert angefochten werden. Der von der
Klägerin begehrte uneingeschränkte Betrieb ihrer Windkraftanlagen bedürfe der
Änderung des Genehmigungsbescheids in der ihm durch den
Widerspruchsbescheid verliehenen Fassung. Die Klägerin müsse also eine
Verpflichtungsklage auf Erteilung einer neuen Genehmigung erheben. Dies folge
auch daraus, dass für die hier erhobene Anfechtungsklage die Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend sei.
Nach den im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vorliegenden
Gutachten sei jedoch der Nachweis, dass von den der Klägerin genehmigten
Anlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen für die Anlagen der Beigeladenen
ausgingen, nicht erbracht gewesen. Vielmehr habe u. a. das Gutachten von ...
Abschaltauflagen für erforderlich gehalten. Die dort empfohlenen Auflagen habe
er, der Beklagte, somit nach der damaligen Sachlage zu Recht angeordnet. Zumal
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er, der Beklagte, somit nach der damaligen Sachlage zu Recht angeordnet. Zumal
es der Klägerin obliege, im Genehmigungsverfahren nachzuweisen, dass die zur
Genehmigung beantragten Anlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen
verursachten. Diesen Nachweis habe die Klägerin frühestens durch das Gutachten
vom 30.01.2006 erbracht, und damit eine neue Sachlage geschaffen, welche sie
nach Erlass des Widerspruchsbescheids nunmehr in einem neuen
Verwaltungsverfahren auf Abänderung der Genehmigung geltend machen müsse.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten sowie zur Ergänzung des
Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte - einschließlich der
Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen am 15.11.2006 und
23.10.2007 - Bezug genommen sowie auf den Inhalt der Behördenakten der
Beklagten über das Genehmigungsverfahren (2 Aktenordner, in Ordner II
eingeheftet 2 Halbhefter) sowie 2 Bände „Verwaltungsstreitverfahren
Rechtsstreit“(192 Bl. bzw. 200 Bl.), die zum Verfahren beigezogen wurden und
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlungen gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgemäß erhobene Klage ist als Anfechtungsklage gegen den
Widerspruchsbescheid vom 29.04.2005, soweit dieser die Klägerin erstmalig
beschwert hat, gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zulässig. Entgegen der Auffassung
des Beklagten muss die Klägerin für ihr Klageziel, nämlich die Beseitigung der dem
Genehmigungsbescheid unter Nr. 5.15 hinzugefügten Abschaltregelung, nicht auf
eine Verpflichtungsklage verwiesen werden. Die Frage, ob die Abschaltregelung
selbständig anfechtbar ist (vgl. zur Teilanfechtung von Verwaltungsakten:
Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 42 Rdn. 21 ff.), stellt sich vorliegend nicht, weil
die Abschaltregelung im Zuge eines Rechtsbehelfsverfahrens als Bestandteil eines
Widerspruchsbescheids erlassen wurde und die Klägerin mit ihrer Klage lediglich
erreichen will, dass die Genehmigung so, wie sie ihr am 02.01.2004 bereits erteilt
wurde, fortbesteht. Für diesen Fall, wo der Widerspruchsbescheid erstmalig eine -
im ursprünglichen Verwaltungsakt noch nicht enthaltene - Beschwer enthält, sieht
§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ausdrücklich die isolierte Anfechtung des
Widerspruchsbescheids vor, bei deren Erfolg der Verwaltungsakt, welcher
Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens ist, in seiner ursprünglichen Fassung
fortbesteht. Dies würde z. B. auch dann gelten, wenn der Beklagte auf den
Drittwiderspruch hin die Genehmigung vollständig aufgehoben hätte. Die
Gestaltungswirkung des Widerspruchsbescheids ist insoweit mit derjenigen einer
Rücknahme bzw. eines Widerrufs eines Verwaltungsakts vergleichbar, wo ebenfalls
die Kassation des Rücknahme- bzw. Widerrufsakts dazu führt, dass der
ursprüngliche Verwaltungsakt unverändert fortbesteht.
Die Klage ist auch begründet, denn die im Widerspruchsbescheid der
Genehmigung vom 02.01.2004 hinzugefügten Nebenbestimmungen Nrn. 5.15.1
und 5.15.2 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Bei den Anlagen der Klägerin handelt es sich um Windkraftanlagen mit einer
Gesamthöhe von mehr als 50 m, für die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i. V. m
Nr. 1.6 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImschV ein Genehmigungsverfahren nach §§
4 ff. BImschG durchzuführen ist. Sie haben damit u. a. die in § 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG gestellten Anforderungen zu erfüllen, wonach genehmigungsbedürftige
Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass schädliche
Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren bzw. erhebliche Nachteile für die
Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Dabei
gehören zu der in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG geschützten Nachbarschaft auch die
Windkraftanlagen der Beigeladenen, so dass diese in dem vom Beklagten
durchgeführten Genehmigungsverfahren die Einhaltung dieser Bestimmungen
beanspruchen kann, und deshalb auch gemäß § 65 VwGO an dem Rechtsstreit der
Klägerin zu beteiligen ist.
Das Gericht gelangt jedoch zu der Überzeugung, dass von den Anlagen der
Klägerin so, wie sie am 02.01.2004 genehmigt worden sind, keine schädlichen
Umwelteinwirkungen, sonstigen Gefahren oder erhebliche Nachteile für die
Windkraftanlagen der Beigeladenen ausgehen, so dass die im
Widerspruchsbescheid hinzugefügten Abschaltauflagen nicht erforderlich sind, um
die Einhaltung der in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gestellten Anforderungen zu
gewährleisten.
Die von den Rotoren der Windkraftanlagen der Klägerin erzeugten Turbulenzen
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Die von den Rotoren der Windkraftanlagen der Klägerin erzeugten Turbulenzen
wirken unstreitig auf zumindest zwei Windkraftanlagen der Beigeladenen ein und
erhöhen die Belastungen, denen diese Anlagen im Dauerbetrieb ausgesetzt sind.
Bei dieser Einwirkung handelt es sich jedoch nicht um schädliche
Umwelteinwirkungen nach der hierfür in § 3 Abs. 1 BImSchG gegebenen Definition,
nämlich um Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind,
Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen herbeizuführen.
Hiernach ist mithin nicht jegliche Immission relevant, sondern es sind es nur
solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer erheblich sind. Die
Erheblichkeit wird in einer situationsbezogenen Abwägung mit dem Ziel des
Ausgleichs widerstreitender Interessen festgestellt (vgl. BVerwG, U.v. 19.01.1989 -
7 C 77.87 - BVerwGE 81, S. 197ff. = BauR 1989, S. 172 ff. = NJW 1989, S. 1291 ff;
Schulte in Giesberts/Reinhardt, Beck-Online-Kommentar Umweltrecht, 2007, § 3
BImschG Rdn. 43 f.; Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. I, 2003, § 5
BImSchG Rdn. 55). Dabei sind im Verhältnis benachbarter Grundstücke bzw.
Anlagen zueinander grundsätzlich nur solche Immissionen erheblich, welche auch
ein ziviles Abwehrrecht nach § 906 Abs. 1 BGB begründen (BVerwG, U.v.
29.04.1988 - 7 C 33.87 - BVerwGE 79, S. 254 ff. = NJW 1988, S. 2396 ff.; U.v.
19.01.1989, aaO.; B.v. 03.05.1996 - 4 B 50/96 - NVwZ 1996, S. 1001 ff. = BauR
1996, S. 678 ff.; Jarass, BImSchG , 7. Aufl., § 3 Rdn. 48). Nach diesen Grundsätzen
geht die Rechtsprechung (vgl. insbesondere OVG Münster, Beschlüsse v.
24.01.2000 - 7 B 2180/99 - NVwZ 2000, S. 1064 ff. = BRS 63, Nr. 149 sowie v.
01.02.2000 - 10 B 1831/99 - BRS 63, Nr. 150 und v. 09.07.2003 - 7 B 949/03 -
BauR 2003, S. 1712 ff. = BRS 66, Nr. 138) davon aus, dass der Betreiber einer
Windkraftanlage nicht darauf vertrauen kann, dass er den bestehenden örtlichen
Windverhältnissen auf Dauer unverändert ausgesetzt bleibt, sondern von
vornherein damit rechnen muss, dass weitere Windparkanlagen aufgestellt
werden, die seiner Anlage nicht nur Wind nehmen, sondern diesen auch in seiner
Qualität verändern. Dies gilt vorliegend auch für den Standort der Windparks der
Klägerin und der Beigeladenen, da diese innerhalb eines im Regionalplan
Nordhessen 2000 ausgewiesenen Vorranggebiets für Windenergie liegen und auch
die Bauleitplanungen der Gemeinde ... (für die Gemarkung ...) bzw. der Stadt ...
(für die Gemarkung ...) keine Festsetzungen enthalten, welche die den Anlagen
gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 Baugesetzbuch (BauGB) im Außenbereich zuerkannte
Privilegierung einschränken, so dass die Beigeladene mit dem Hinzutreten weiterer
Windkraftanlagen an diesem Standort rechnen muss. Als „Faustformel“ für die
konkrete Abgrenzung der Risikobereiche - d.h. für die Erheblichkeit - bezieht sich
die Rechtsprechung (VG Stade, B.v. 22.11.2005 - 2 B 1630/05 - recherchiert bei
juris sowie die zit. Beschlüsse des OVG Münster v. 09.07.2003, 01.02.2000 und
24.01.2000 - die beiden letztgenannten in Vorwegnahme der Werte des Erlasses)
dabei zunächst auf den Windenergie-Erlass des Landes Nordrhein-Westfalen vom
03.05.2002 (MBl. NRW 2002, S. 742), der davon ausgeht, dass bei Abständen von
weniger als 5 Rotordurchmessern in Hauptwindrichtung Auswirkungen auf die
Standsicherheit der Anlage zu erwarten sind und ein Abstand von weniger als 3
Rotordurchmessern im Hinblick auf die Standsicherheit grundsätzlich nicht
zuzulassen ist. Bei Abständen zwischen 3 und 5 Rotordurchmessern hat der
Antragsteller der hinzukommenden Anlage nachzuweisen, dass die
Standsicherheit vorhandener Anlagen nicht beeinträchtigt wird. Die zitierten
Entscheidungen sind zwar sämtlich zu Anlagen ergangen, die noch im
bauaufsichtlichen Verfahren genehmigt wurden. Die Vorschrift des § 35 Abs. 3 Nr.
3 BauGB, derzufolge im Außenbereich privilegierte Bauvorhaben keine schädlichen
Umwelteinwirkungen hervorrufen dürfen, entspricht jedoch dem § 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG, so dass im Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG sowie im
bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren gleichermaßen die Schädlichkeit, d.h.
die Erheblichkeit, der vor der Anlage ausgehenden Immissionen nach § 3 Abs. 1
BImSchG festzustellen ist.
Vorliegend befinden sich die Anlagen der Klägerin vom Windpark der Beigeladenen
aus gesehen im Nordosten, und damit nicht in der am Standort - aus Westen bzw.
Südwesten -vorherrschenden Hauptwindrichtung, und es entspricht der kürzeste
Abstand zwischen den Anlagen der Beigeladenen und der Klägerin - zwischen der
WEA 11 und der ostnordöstlich davon gelegenen WEA 6 - mit 226 m dem 3,5-
fachen Rotordurchmesser des (größeren) Rotors der WEA 6. Ebenfalls betroffen ist
die WEA 14 der Beigeladenen. Die übrigen 4 Anlagen (WEA 10, 12, 13 und 15)
liegen mehr als der 5-fache Rotordurchmesser von den Windkraftanlagen der
Klägerin entfernt. Nach den zuvor zitierten Grundsätzen ist daher jedenfalls für die
WEA 11 und 14 konkret zu überprüfen, ob ihre Standsicherheit beeinträchtigt wird.
Eine solche Beeinträchtigung ist nach der Überzeugung des Gerichts nicht
gegeben - was an anderer Stelle noch näher darzulegen sein wird.
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Die Standsicherheit der Anlagen der Beigeladenen ist dann im Einklang mit §§ 3
Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gewährleistet, wenn diejenigen Belastungen, für
welche die Anlage im Dauerbetrieb ausgelegt ist und die der Typenprüfung und
Typenzulassung zugrunde liegen, nicht überschritten werden. Windkraftanlagen
werden - soweit ersichtlich - so konstruiert, dass bei Einhaltung der
Betriebsfestigkeitslasten, für die sie ausgelegt sind, eine 20-jährige Betriebsdauer
erwartet werden kann (so u. a. die Ausführungen der Sachverständigen F. und E. in
der mündlichen Verhandlung am 15.11.2006). Werden die Lasten, für welche die
Anlage ausgelegt ist, im Dauerbetrieb überschritten, dann sind eine vorzeitige
Materialermüdung und das Auftreten von Schäden bereits während der
konzipierten Betriebsdauer zu erwarten. Erhöhen dagegen die Turbulenzen einer
benachbarten Anlage die Lasten im Dauerbetrieb, ohne dass dadurch die
Auslegungslast der betroffenen Anlage überschritten wird, dann wirkt sich dies im
Zweifel zwar auf die Störanfälligkeit und Lebensdauer der betroffenen Anlage aus.
Diese, sich noch im Rahmen der Auslegungslast haltende, Beeinträchtigung ist
jedoch im Zuge der Abgrenzung der Risikobereiche benachbarter
Windkraftanlagen hinzunehmen. Weil der Betreiber einer Windkraftanlage
grundsätzlich - jedenfalls dort, wo diese nach Planungsrecht dem Grunde nach
zulässig sind - mit dem Hinzutreten weiterer Windkraftanlagen in seiner
Nachbarschaft rechnen muss, erschöpft sich seine eigentumsrechtlich und
immissionsschutzrechtlich geschützte Rechtsposition darin, dass er seine Anlagen
unter Einhaltung ihrer Auslegungslasten betreiben kann. Vorteile, die ihm ein
„Schonbetrieb“ unterhalb der Schwelle der Auslegungslast bieten mag, sind nicht
nach §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG geschützt. Diese Güterabwägung ist
vergleichbar damit, dass sich die Schutzwürdigkeit vor Immissionen, und damit
deren Erheblichkeit, u. a. nach dem Gebietscharakter richtet, wobei der
Außenbereich - bei Fehlen planungsrechtlicher Einschränkungen - ein für
Windkraftanlagen privilegiertes Gebiet darstellt.
Die Standsicherheit der Anlagen der Beigeladenen ist vorliegend nicht schon
deshalb beeinträchtigt, weil der Turbulenzwert von 18 %, welcher bei der
Typenprüfung der Anlage ... M 700 zugrundegelegt wurde, am Standort
überschritten ist. So hat das OVG Münster in dem zitierten Beschluss vom
24.01.2000 ausgeführt, daraus, dass die Typenstatik, die der bauaufsichtlichen
Prüfung der Anlage zugrundelag, wegen der höheren Turbulenzintensitäten, die
beim Betrieb einer hinzugebauten Anlage zu erwarten seien, ihre Gültigkeit
verliere, lasse sich noch kein relevanter Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO
NW herleiten (nach dieser Bestimmung - insoweit inhaltsgleich § 11 Abs. 1 Satz 2
Hessischen Bauordnung - HBO - darf eine hinzukommende bauliche Anlage nicht
die Standsicherheit einer bestehenden baulichen Anlage gefährden). Vielmehr
bedürfe es dann im konkreten Fall einer Einzelfallbegutachtung, welche die
örtlichen Windbedingungen (mittlere Windgeschwindigkeit, Turbulenzintensität,
Windrichtungen) berücksichtige. Andernfalls hätten es nämlich die Hersteller von
Windkraftanlagen in der Hand, durch mehr oder weniger willkürlichen Ansatz
bestimmter Lastannahmen die Konkurrenzsituation in Windparks zu steuern. Dies
gilt auch für den vorliegenden Fall, wobei die Lastannahmen für die Anlage ... Typ
M 700 nicht „willkürlich“ erscheinen; vielmehr hat der dänische Hersteller
offensichtlich in erster Line Einsatzbedingungen im Küstengebiet im Auge gehabt,
wo über weitgehend ebenem Gelände dem Wind sich wenig Hemmnisse
entgegenstellen, so dass nur geringe Turbulenzen auftreten, andererseits aber der
Wind häufiger und stärker weht, und deshalb einerseits den Turbulenzwert mit 18
% relativ niedrig angesetzt, andererseits die „Windfestigkeit“ für die Windzone III,
und damit für eine hohe mittlere Jahreswindgeschwindigkeit, ausgelegt. Am
vorhandenen Standort in einer Mittelgebirgslandschaft verursachen die
Geländeverhältnisse sowie u. a. der Waldreichtum demgegenüber einerseits
höhere Turbulenzen, bei andererseits geringerer Windausbeute (Windzone II). Die
geringere Windausbeute - d.h. die niedrigere mittlere Jahreswindgeschwindigkeit -
führt dazu, dass die Anlage im Dauerbetrieb höhere Turbulenzen aushalten kann,
ohne dass dabei die Lasten, für welche die Anlage ausgelegt ist, überschritten
werden. Dies wird bereits in den Gutachten von ... Nord vom Oktober 2004 sowie
von ... vom 12.04.2005 ausgeführt, wo es heißt, dass angesichts der im Vergleich
zur Typenprüfung geringeren mittleren Jahreswindgeschwindigkeit höhere
Turbulenzen tolerierbar sind bzw. Restsicherheiten bestehen. Die
Sachverständigen F. und E. haben hierzu in der mündlichen Verhandlung am
15.11.2006 nochmals bestätigt, dass Turbulenzen und Windgeschwindigkeit
gegeneinander aufgerechnet werden können; dies sei Stand der Technik, man
könne die standortspezifischen Lasten mit den Auslegungslasten vergleichen, es
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könne die standortspezifischen Lasten mit den Auslegungslasten vergleichen, es
gebe hier keine ...retische Grenze. Diesen grundsätzlichen Ausführungen haben
auch die Beteiligten nicht widersprochen. Die zitierten Gutachten hielten zur
Ermittlung der Standsicherheit der Anlagen der Beigeladenen eine detaillierte,
konkrete Berechnung der Betriebsfestigkeitslasten der Anlage ... Typ M 700 unter
den am Standort herrschenden Turbulenz- und Windbedingungen für erforderlich
und empfahlen bis dahin - sozusagen „vorsorglich“ - bestimmte Abschaltauflagen
für Anlagen der Klägerin. Diese im Gutachten vom 12.04.2005 von ... empfohlenen
Abschaltauflagen hat der Beklagte sodann im Widerspruchsbescheid vom
29.04.2005 angeordnet.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Abschaltauflagen nach der Sachlage im
Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids rechtmäßig waren. Allerdings
hat sich bei der vorliegend erhobenen Anfechtungsklage die gerichtliche Prüfung
der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns im Allgemeinen nach der Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zu richten (vgl. u. a.
BVerwG, B.v. 04.07.2006 - 5 B 90/05 - recherchiert bei juris - m. w. Nachw.).
Vorliegend kommt es für die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der
Abschaltauflagen darauf an, ob beim auflagenfreien Betrieb der Anlagen der
Klägerin - entsprechend der Genehmigung in ihrer Fassung vom 02.01.2004 - die
Standsicherheit der Anlagen der Beigeladenen im Dauerbetrieb noch gewährleistet
ist. Dies ist entweder der Fall, oder es ist nicht der Fall, und hieran hat sich seit
Erlass des Widerspruchsbescheids auch nichts geändert, weil die Klägerin seitdem
keine Veränderungen an ihren Anlagen vorgenommen hat. Bei den der
Widerspruchsentscheidung zugrundeliegenden Gutachten handelt es sich somit
nicht um den entscheidungsrelevanten Sachverhalt als solchen, sondern um
dessen Ermittlung und Bewertung. Allerdings kann es im Einzelfall erhebliche
technische Schwierigkeiten bereiten, Art und Ausmaß der zu erwartenden
Immissionen - und damit deren „Schädlichkeit“ i. S. v. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG - festzustellen und vorherzusagen. Dies gilt - worauf noch im Einzelnen
einzugehen sein wird - u. a. auch für die Ermittlung der mittleren
Jahreswindgeschwindigkeit und Turbulenzintensität an einem bestimmten
Standort. Sodann hat derjenige, der eine genehmigungspflichtige Anlage errichten
und betreiben will, im Genehmigungsverfahren auch das Vorliegen der
Genehmigungsvoraussetzungen nachzuweisen. Dies schließt es aber ein, dass er
in einer Anfechtungsklage durch weitere Gutachten, Messwerte u. ä. den Nachweis
der „Unschädlichkeit“, der sich auch bei sorgfältiger Ermittlungstätigkeit im
Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung noch nicht erbringen ließ, nunmehr
erbringt. Mit diesem Prozessrisiko der Neubewertung der im Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung gegebenen Sachlage muss die beklagte Behörde leben.
Dies gilt vor allem für den vorliegenden Fall, wo die bei Erlass des
Widerspruchsbescheids vorliegenden Gutachten von ... Nord und ... einräumten,
dass die Standsicherheit der Anlagen der Beigeladenen trotz Überschreitung des
Turbulenzwertes von 18 % gewährleistet sein könne - vorbehaltlich einer
detaillierten Berechnung der Betriebsfestigkeitslasten unter Standortbedingungen.
Unter diesen Umständen hätte der Beklagte es der Klägerin ermöglichen müssen,
dass sie den konkreten Standsicherheitsnachweis erbrachte, wie sodann mit dem
Gutachten ... vom 30.01.2006 geschehen. Wenn der Beklagte dagegen das
Verwaltungsverfahren mit der Anordnung der von den Gutachtern „vorsorglich“,
bis zur detaillierten Berechnung der Standsicherheit, empfohlenen
Abschaltauflagen abschloss, dann muss er sich im anschließenden
Verwaltungsstreitverfahren auch eine detaillierte Neubewertung des Sachverhalts
entgegenhalten lassen.
Mit dem Gutachten von ... vom 30.01.2006 wird zur Überzeugung des Gerichts
nachgewiesen, dass beim Betrieb der Anlagen der Klägerin entsprechend der
Genehmigung in ihrer Fassung vom 02.01.2004 die Standsicherheit der Anlagen
der Beigeladenen gewährleistet ist. Wie von ihnen nochmals in der mündlichen
Verhandlung am 15.11.2006 erläutert, haben die Sachverständigen F. und E.
anhand der ihnen von der Herstellerfirma zur Verfügung gestellten Informationen
über die Lastberechnungen für die einzelnen Bauteile, die bei der Konstruktion der
Anlage ... Typ M 700 angestellt wurden und dann auch der Typenprüfung zugrunde
lagen, ein Rechenmodell aufgebaut, in welchem sie unter Eingabe der in den ...-
Gutachten ermittelten Werte und ihrer - im Gutachten vom 12.04.2005
vorgenommenen - Berechnung der effektiven Turbulenzintensität die für die
Anlagen am Standort bestehenden Lasten simuliert haben. Bei dieser Simulation
haben sie festgestellt, dass unter den simulierten Windbedingungen die
standortspezifischen Lasten durchweg unter den Auslegungslasten des Herstellers
und der Typgenehmigung liegen.
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Das Gericht hält das Gutachten vom 30.01.2006 für verwertbar, obwohl die dort
vorgenommenen Berechnungen nicht von Dritten nachgerechnet werden können,
weil die Sachverständigen zum einen durch die Herstellerfirma verpflichtet worden
sind, die ihnen zur Verfügung gestellten Konstruktionsdaten vertraulich zu
behandeln, und zum anderen auch das von ihnen entwickelte Rechenmodell zur
Simulation der standortspezifischen Lasten nicht Dritten zugänglich machen
wollen. Dort, wo dem Gericht der Sachverstand fehlt, um entscheidungserhebliche
Sachverhalte feststellen bzw. bewerten zu können, muss es Sachverständige zu
Rate ziehen und muss sich dann - mangels eigener Sachkunde - auch auf die
Aussagen der Sachverständigen verlassen. „Verlässlich“ sind diese Aussagen für
das Gericht dann, wenn der Sachverständige über die notwendige Qualifikation und
das notwendige Fachwissen verfügt, um die ihm in seinem Fachgebiet gestellten
Fragen beantworten zu können, und wenn sodann seine Aussagen und Fachurteile
sowie das von ihm gewählte Verfahren schlüssig und plausibel erscheinen. Dies ist
hier der Fall, denn ... ist ein nach DIN EN 45011 akkreditiertes Unternehmen zur
Zertifizierung von Windenergieanlagen und deren Komponenten in Deutschland,
Dänemark und den Niederlanden und bietet seinen Kunden zusätzlich u. a.
wiederkehrende Prüfungen sowie die Fertigungsüberwachung von
Windenergieanlagen und deren Bauteilen an. Die Sachverständigen F. und E.
haben dem Gericht auch angeboten, Nachweise über die Akkreditierung von ...
vorzulegen; jedoch wurde ihre diesbezügliche Qualifikation von den Beteiligten
nicht infrage gestellt. Auch erscheint die von ihnen gewählte Verfahrensweise
plausibel, die Belastungen, welchen die einzelnen Bauteile der Anlage am Standort
ausgesetzt sind, rechnerisch zu simulieren und mit den Lasten zu vergleichen, für
welche die Anlage nach den Konstruktions- und Typenprüfungsunterlagen
ausgelegt ist. Würden zusätzlich die Konstruktionsdaten der Anlage und die Daten
sowie die detaillierte Beschreibung der Simulationsberechnung offenliegen, dann
könnte das Gericht damit ohnehin nichts anfangen, weil es nicht in der Lage wäre,
dies selbst im einzelnen nachzuvollziehen und nachzurechnen, sondern dies
einem weiteren Sachverständigen überlassen müsste. Anlass zum Einholen eines
weiteren Fachgutachtens besteht jedoch für das Gericht, auch unter Beachtung
des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO, nur dann,
wenn begründete Zweifel an der Richtigkeit bzw. Aussagekraft eines vorliegenden
Fachgutachtens bestehen. Dabei ermöglicht es das dem Gericht im Rahmen des §
86 Abs. 1 VwGO bei der Erforschung des Sachverhalts eingeräumte Ermessen,
auch ein Gutachten, welches von der Behörde im Verwaltungsverfahren bzw. von
einem Prozessbeteiligten eingeholt wurde, der Entscheidungsfindung
zugrundezulegen, sofern an der Qualifikation des Gutachters kein Zweifel besteht
und seine Aussagen plausibel und seine Vorgehensweise sorgfältig erscheinen. Die
Beigeladene hat allerdings an dem Gutachten vom 30.01.2006 bemängelt, dass
die dort für die Bewertung der Lastannahmen herangezogene „Vorläufige Richtlinie
für statische Nachweise von Windkraftanlagen“ des Deutschen Instituts für
Bautechnik (DIBt), aus dem Jahr 1988 nicht die Grundlage für die Ermittlung und
Bewertung der Standsicherheit von Windkraftanlagen im Jahr 2006 bilden könne.
Hierzu hat der Sachverständige E. in seinem Schreiben vom 04.04.2006 an die
Vertreterin der Klägerin (Kopie in Bl. 13 der Gerichtsakte des Eilverfahrens 7 G
792/06) dahin gehend Stellung genommen, dass bei der Konstruktion der Anlage
... Typ M 700 deren Auslegungslasten entsprechend dieser Richtlinie in der
Fassung von 1988 berechnet worden seien - d.h. mit den damals vorgegebenen
Eingangsparametern einer Turbulenzintensität von 18 % und einer mittleren
Jahreswindgeschwindigkeit von 6,8 m/s. Bei der Prüfung, ob die Auslegungslasten
unter den am Standort vorliegenden Windbedingungen eingehalten seien, müsse
man deshalb u. a. auf diejenige Richtlinie zurückgreifen, unter deren Beachtung die
Anlage seinerzeit konstruiert bzw. typengeprüft worden sei. Dies leuchtet ein, und
es haben die Beigeladene bzw. der Beklagte darüber hinaus auch nicht näher
vorgetragen, was ansonsten an den von ... im Gutachten vom 30.01.2006
angestellten Berechnungen falsch gewesen sein soll. Nachdem die Herstellerfirma
sich (mit Schreiben vom 22.11.2006) gegenüber der Beigeladenen bereiterklärt
hatte, „unter Berücksichtigung einer noch zu erstellenden
Vertraulichkeitsvereinbarung“ ihre Konstruktionsunterlagen auch einem anderen
Sachverständigen zur Verfügung zu stellen, hätte es überdies der Beigeladenen
(bzw. dem Beklagten) freigestanden, ihrerseits ein weiteres Gutachten über die
Standsicherheit der Anlagen erstellen zu lassen und dem Gericht vorzulegen.
Der Bewertung der standortbedingten Lasten im Gutachten vom 30.01.2006 - und
damit der Aussage zur Standsicherheit der Anlagen der Beigeladenen - liegen die
in den Gutachten von ... vom 05. bzw. 07.03.2005 ermittelten Werte der mittleren
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in den Gutachten von ... vom 05. bzw. 07.03.2005 ermittelten Werte der mittleren
Jahreswindgeschwindigkeit sowie der natürlichen Umgebungsturbulenz (I
o
) und
die im Gutachten von ... vom 12.04.2005 errechnete Turbulenz im Nachlauf der
Rotoren der Anlagen der Klägerin (I
w
) und die sich daraus ergebende effektive
Turbulenz (I
eff
) zugrunde. Demgegenüber nennt das Gutachten von ...-...
durchweg höhere Werte der effektiven Turbulenz - bei den betroffenen WEA 11 I
eff
21,23 % (demgegenüber ...: I
eff
19,1 % ) und WEA 14 I
eff
19,92 %
(demgegenüber ...: I
eff
19,1 %). Neben den genannten Mittelwerten gibt ...-...
noch Werte für einen „Unsicherheitsbereich“ mit einer Bandbreite zwischen 2,86 %
und 2,48 % an, wobei hier die Höchstwerte dieser Bandbreite für die WEA 11 bei
22,59 % und die WEA 14 bei 21,38 % liegen. Auch das Gutachten ... Nord nimmt
für die WEA 11 mit I
eff
19,5 % einen gegenüber ... geringfügig höheren Wert an
(für die WEA 14 dagegen nur I
eff
17,7 %). Die Sachverständigen F. und E. haben
hierzu in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2006 eingeräumt, dass bei
Zugrundelegung zumindest der von ...-... angegebenen Werte die Standsicherheit
der Anlagen der Beigeladenen möglicherweise nicht mehr gewährleistet sei.
Jedenfalls müsse man dann für die einzelnen Bauteile weitaus detailliertere
Berechnungen, ggf. unter Berücksichtigung der spezifischen
Materialeigenschaften, anstellen.
Die Beigeladene macht hier geltend, dass die Verfahren und Rechenmodelle zur
Ermittlung der mittleren Jahreswindgeschwindigkeit, der natürlichen
Umgebungsturbulenz und der effektiven Turbulenz mit großen
Unsicherheitsfaktoren behaftet seien. Deshalb müsse im Genehmigungsverfahren
bei Vorliegen mehrerer Gutachten stets von der konservativsten Annahme -
vorliegend also den von ...-... genannten Werten - ausgegangen werden. Sei hat
deshalb in der mündlichen Verhandlung am 23.10.2007 einen Beweisantrag
gestellt, den Dipl. Ing. ..., Mitarbeiter des Staatlichen Umweltamts Schleswig, als
Zeugen zu folgenden Beweisthemen zu vernehmen:
„Ob es zutrifft, dass wegen der unterschiedlichen Annahmen und Rechenmodelle
zur Ermittlung und Bewertungen der Turbulenzintensität beim Betrieb von
Windenergieanlagen erhebliche Abweichungen zwischen den gutachterlichen
Immissionsprognosen festzustellen sind,
ob es zutrifft, dass diese Abweichung an einem Standort von Windenergieanlagen
9 % betragen hat,
ob es zutrifft, dass es bisher keine abgeschlossene praktische Validierung der
unterschiedlichen derzeit zugrundegelegten Annahmen und verwendeten
Rechenmodelle zur Ermittlung und Bewertung der Turbulenzintensität unter realen
Betriebsbedingungen gibt.“
Das Gericht folgt diesem Beweisantrag nicht, weil es die dort unter Beweis
gestellten Tatsachen teilweise bereits durch die im Verwaltungsverfahren und im
Verwaltungsstreitverfahren erstatteten Gutachten und sachverständigen
Äußerungen für hinreichend geklärt erachtet bzw. im Übrigen für nicht
entscheidungserheblich erachtet.
Dass die Immissionsprognosen verschiedener Gutachten voneinander abweichen,
zeigen bereits die im anhängigen Verfahren vorliegenden Gutachten. Das Gericht
hat deshalb den Meteorologen Dr. ... damit beauftragt, zu den unterschiedlichen
Ergebnissen - insbesondere den unterschiedlichen Werten der effektiven Turbulenz
in den Gutachten ...-..., ... Nord und ... - Stellung zu nehmen und das
Zustandekommen dieser unterschiedlichen Werte sowie die angewendeten
Verfahren zu erläutern. Aus den von ihm in seiner „Stellungnahme zu den
Berechnungen der Turbulenzintensität am Standort ...“ vom 20.04.2007
gegebenen Erläuterungen sowie aus den aktenkundigen Gutachten selbst lässt
sich folgendes entnehmen:
Zur mittleren Jahreswindgeschwindigkeit enthält allein das ...-Gutachten von Dr. ...
vom 05.03.2005 nähere Angaben über die Verfahrensweise. Ausgegangen wurde
dabei von den Messwerten der Jahre 1980 - 1990 der Station ... des deutschen
Wetterdienstes (Entfernung zum Standort ca. 30 km), bei denen u. a. auch die
Häufigkeitsverteilung für Windgeschwindigkeit und -richtung erfasst wurde. Hierzu
wird die Windrose in 12 Sektoren aufgeteilt und für jeden Sektor (d.h. für die
unterschiedlichen Windrichtungen) die Windgeschwindigkeit und Häufigkeit, mit
welcher der Wind aus dieser Richtung weht, angegeben und sodann - gewichtet
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welcher der Wind aus dieser Richtung weht, angegeben und sodann - gewichtet
nach Häufigkeit und Windstärke - ein Mittelwert gebildet. Die Messwerte ... wurden
durch Korrektur der bodennahen Messungen - also nach Abzug der am Messort ...
herrschenden Rauhigkeit - in ein „ungestörtes Windfeld“ umgerechnet und von
dort aus (offenbar durch Hinzufügung der für den Anlagenstandort ermittelten
Rauhigkeit) auf den zu beurteilenden Standort übertragen. Auf S. 18 des
Windgutachtens wird noch ausgeführt, dass ein wesentlicher Punkt für die
Ungenauigkeit die Auswahl der Basisstation sei, weshalb die Representativität der
Basisstation durch den Vergleich mit tatsächlichen Erträgen bestehender
Windkraftanlagen geprüft worden sei - und zwar vorliegend mit den Windparks ...,
... und ..., deren Entfernung zum Standort jeweils deutlich unter 10 km beträgt. Die
anderen Gutachten haben die mittlere Jahreswindgeschwindigkeit nicht selbst
ermittelt, sondern sich hierzu auf fremde Quellen bezogen, welche sie jeweils in
ihrem Literaturverzeichnis nennen. ...-... gibt keinen Gesamtwert für die mittlere
Jahreswindgeschwindigkeit an, sondern lediglich die einzelnen Werte für die 12
Windrichtungs-Sektoren sowie die Häufigkeitsverteilung auf die Sektoren. Die
offenbar aus einem „Windgutachten für den Standort .../...“, 1995, Autor: ... vom
Institut ..., ..., entnommenen Werte für die Häufigkeitsverteilung weichen bei den
Windrichtungen Süd bis Westnordwest erheblich von den ...-Werten ab.
Insbesondere kann dabei der Häufigkeitswert für West (255° bis 285°) von nur 2,99
% (und damit der niedrigste Wert aller Windrichtungs-Sektoren; ...-Wert West
demgegenüber: 16 %) nicht nachvollzogen werden (so auch Dr. ... v. 20.04.2007),
da es sich bei den Sektoren West bis Südwest um die Hauptwindrichtung handelt
und für die benachbarten Sektoren Werte von 8,12 % (WNW), 16,92 % (WSW) bzw.
18,7 % (SSW) angegeben werden. Da das zitierte Windgutachten nicht vorliegt,
kann nicht nachvollzogen werden, wie die Werte insgesamt ermittelt wurden, und
womit sich diese auffällige Abweichung erklären lässt. ... Nord gibt eine mittlere
Jahreswindgeschwindigkeit von ca. 5,5 m/s in 36 m Höhe an und zitiert im
Literaturverzeichnis eine „Gutachterliche Stellungnahme zur Turbulenzintensität
am Standort .../...“, Autor Dr. ..., ..., vom August 2002. Die dortigen
Häufigkeitswerte stimmen in den Sektoren NNO bis OSO mit den ...-Werten vom
05.03.2005 überein und weichen in den übrigen Sektoren um 1 % nach unten bzw.
nach oben ab (lediglich aus WSW Abweichung um 2 % nach oben). ... gibt im
Gutachten vom 05.03.2005 die mittlere Jahreswindgeschwindigkeit für jede
Windkraftanlage getrennt an, und zwar - jeweils in 36 m Höhe - für die beiden
betroffenen WEA 11 und 14 mit 5,42 m/s bzw. 5,41 m/s und für die am stärksten
belastete WEA 13 mit 5,54 m/s. Dr. ... weist auf S. 18 des Windgutachtens vom
05.03.2005 darauf hin, dass „die hier beschriebenen Abschätzungen … aus
methodischen und generell klimatologischen Gründen mit gewissen
Unsicherheiten behaftet“ sind und beschreibt und beziffert sodann die
Unsicherheitsfaktoren näher. Im Ergebnis gibt er sodann für die
Windgeschwindigkeit eine Unsicherheit von 5 % an.
Die natürliche Turbulenzintensität I
o
wird wesentlich von der Beschaffenheit der
Geländeoberfläche beeinflusst und erzeugt - und zwar gleichermaßen von der
Rauhigkeit und der Orographie. Dabei bezeichnet man mit „Rauhigkeit“ diejenigen
Geländeverhältnisse, die sich dem Wind als Hemmnis entgegenstellen (wobei es
sich am Standort .../... im Wesentlichen um die umgebende Bewaldung handelt),
und mit Orographie das Geländeprofil - Hügel, Berge, Täler (zu alledem: Dr. ... v.
20.04.2007, S. 4, 7). Die Bewertung der Geländeverhältnisse hängt von der
subjektiven Einschätzung des jeweiligen Gutachters ab. ...-... hat dabei einen
Bereich im Umkreis von 3 km um den Standort berücksichtigt und die
Geländeverhältnisse anhand der topographischen Karten im Maßstab von
1:25.000 sowie von Fotos, die von der Beigeladenen zur Verfügung gestellt
wurden, bewertet. ...-Nord (vgl. Stellungnahme vom Oktober 2004 - „Revision 4“)
gibt an, einen Umkreis von 50 km um den Standort berücksichtigt zu haben, wobei
der Einfluss der verschiedenen Geländeoberflächen abhängig vom Abstand zum
Windpark bewertet worden sei und bei einem Abstand von größer 10 km der
Einfluss der Geländeoberflächen stark abnehme. ... (Windgutachten v. 05.03.2005,
S. 3, 18; Turbulenzgutachten v. 07.03.2005, S. 11) bezieht sich ebenfalls auf die
Topographischen Karten 1:25.000, hat aber einzig zusätzlich eine Ortsbesichtigung
durchgeführt und berücksichtigt einen Umkreis von 8 - 10 km. Dr. ... (v.
20.04.2007, S. 6 sowie Turbulenzgutachten v. 07.03.2005, S. 13) weist hierzu
darauf hin, dass eine Abweichung von 5 cm bei der Rauhigkeitseinschätzung für
die Turbulentintensität einen Unterschied von etwa 0,5 % ausmacht. Von allen
Gutachtern (...-..., ... Nord und ...) wurde sodann - bei unterschiedlichen
Rauhigkeitseinschätzungen - die natürliche Umgebungsturbulenz nach einem in
der VDI-Richtlinie VDI 3783 Blatt 2/3 angegebenen Verfahren berechnet. Dieses
Verfahren beruht auf sehr vereinfachenden Annahmen und empirischen Formeln
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48
Verfahren beruht auf sehr vereinfachenden Annahmen und empirischen Formeln
und berücksichtigt nur die Rauhigkeitsverhältnisse und nicht die Orographie (Dr. ...
v. 20.04.2007, S. 7). Dr ... hat deshalb im Turbulenzgutachten vom 07.03.2005 die
natürliche Umgebungsturbulenz noch nach einem weiteren Verfahren (enthalten in
einem Programmpaket „WAsPEngeneering“) berechnet, wobei zunächst Karten
der Rauhigkeit und der Orographie erstellt wurden und sodann das Windfeld und
das Turbulenzfeld auf einem Gitter, das den gezeigten Bereich überspannt, durch
ein Strömungsmodell berechnet wurden, führt hierzu aber in seiner Stellungnahme
vom 20.04.2007 (S. 7) aus, dass das Ergebnis nicht zwangsläufig näher an der
Realität sein müsse als die Berechnung nach VDI 3783. Im Turbulenzgutachten
vom 07.03.2005 wurde als Ergebnis der Mittelwert aus beiden Berechnungen
angegeben (S. 11), und es wird allgemein darauf hingewiesen (S. 16), dass in der
Literatur unterschiedliche Ansätze zur Turbulenzbestimmung diskutiert werden.
Die vom Rotor erzeugte Nachlaufturbulenz I
w
wurde von den Gutachten ...-..., ...
Nord und ... (v. 12.04.2005) gleichermaßen nach dem Verfahren Frandsen und
Thogersen berechnet, wobei ... Nord eine modifizierte Fassung verwendet hat,
ohne die Modifikation näher zu erläutern. Zum Verfahren Frandsen/Thogersen
haben die Sachverständigen F. und E. in der mündlichen Verhandlung am
15.11.2006 ausgeführt, dass dieses inzwischen in den DIBt-Richtlinien zur
Berechnung der Abschattungseffekte sowie außerdem in den IEC (International
Electrotechnical Committee)-Richtlinien und zwar in Nr. 61400-1, Edition 3, von
2006 vorgesehen sei. Es habe mehrere wissenschaftliche Untersuchungen
gegeben, wie man die Abschattungseffekte, die eine Anlage auf die andere
ausübe, berechnen könne. Das Verfahren Frandsen/Thogersen habe hier
allgemeine Anerkennung, u. a. in den zuvor zitierten Richtlinien, gefunden. Es
handele sich um ein „konservatives“ Verfahren. Man habe festgestellt, dass die
Berechnungen den am Blattfuß gemessenen Werten relativ genau entsprächen;
die Werte an der Nabe und am Turm würden durch das Verfahren tendenziell
überschätzt.
Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass die unterschiedlichen
Ergebnisse der im anhängigen Verfahren vorliegenden Gutachten weniger auf der
Anwendung unterschiedlicher Rechenverfahren, sonder in erster Linie auf
Unterschieden bei der Einschätzung der Rauhigkeitsverhältnisse und der
Windrichtungsverteilung beruhen (ebenso Dr. ... v. 20.04.2007, S. 9, 1. Absatz).
Die erste von der Beigeladenen gestellte Beweisfrage ist damit für das anhängige
Verfahren beantwortet. Dass die Abwei...g an einem anderen Standort 9 %
betragen hat, hat keinen Aussagewert für das anhängige Verfahren, sondern
hängt mit den individuellen Bedingungen des dortigen Standorts sowie dem Inhalt
der dort vorgelegten Gutachten zusammen. Zu der schließlich unter Beweis
gestellten Behauptung, es gebe „keine abgeschlossene praktische Validierung“
der Verfahren zur Ermittlung und Bewertung der Turbulenzintensität, ist zu
bemerken, dass jedenfalls die Verfahren nach VDI 3783 Blatt 2/3 sowie nach
Frandsen/Thogersen allgemein angewendet werden und anerkannt sind. Fraglich
ist dagegen der Aussagewert der mit diesen gängigen Verfahren gewonnenen
Ergebnisse. Dr. ... führt hierzu aus (20.04.2007, S. 8 vorletzter und letzter Absatz):
„Nach den obigen Angaben zu den Methoden für die Bestimmung der natürlichen
Turbulenzintensität muss klar sein, dass es sowohl bezüglich der einfachen
...retischen Annahmen als auch bezüglich der subjektiven Einschätzung der
Rauhigkeitslänge einen weiten Unsicherheitsbereich gibt. … Generell gibt es
zwischen den Ergebnissen von empirischen oder numerischen Modellen und der
Realität eine Differenz. Bei den einfachen Ansätzen zur Bestimmung der
Turbulenzintensität und der Komplexität der realen Turbulenz muss diese Differenz
zwangsläufig relativ groß sein.“
Damit ist nach Auffassung des Gerichts auch die dritte, von der Beigeladenen
gestellte, Beweisfrage hinreichend beantwortet.
Dr. ... vertritt sodann die Auffassung, dass vor dem Hintergrund der bestehenden
Unsicherheit die Differenz zwischen den Ergebnissen der im anhängigen Verfahren
vorliegenden Gutachten verhältnismäßig gering sei, und schließt mit der
Bemerkung (20.04.2007, S. 9, letzter Absatz):
„Bei dieser dann doch relativ guten Übereinstimmung ist eine Diskussion über
mögliche Unterschiede im Detail bei einer so komplizierten Größe wie der
Turbulenzintensität eigentlich müßig.“
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Diese „verfahrensimmanenten“ Unsicherheiten bei der Bestimmung der effektiven
Turbulenzintensität führen jedoch - entgegen der Auffassung der Beigeladenen -
nicht notwendig dazu, dass im Genehmigungsverfahren bei Vorliegen mehrerer
Gutachten stets - ungeprüft - von der konservativsten Annahme ausgegangen
werden muss. Vielmehr müssen die Gutachten in Bezug auf die Sorgfalt und
Plausibilität des Vorgehens gewürdigt werden. Hier fällt bei dem Gutachten ...-...
zunächst bei den Angaben zur Windrichtungsverteilung die auffällige Abwei...g für
den Westsektor auf, die sich nach der übereinstimmenden Einschätzung von Dr. ...
und ... Nord nicht erklären und nachvollziehen lässt. Sodann fällt auf, dass bei
Einschätzung der Rauhigkeit lediglich ein Umkreis vom 3 km berücksichtigt wurde.
Für den bei den Rauhigkeitslängen angegeben Unsicherheitsbereich bezieht sich
das Gutachten auf die im Literaturverzeichnis genannte Quelle „Wind Atlas
Analysis and Application Program“. Hierbei handelt es sich lt. Dr. ... (20.04.2007,
S. 8, 4. Absatz) um ein Handbuch, welches eine Zuordnung zwischen der
Vegetation und der Rauhigkeitslänge in Tabellenform angibt - und in diesen
Angaben offenbar eine gewisse Bandbreite aufweist. Das Gutachten enthält keine
Angaben darüber, wie die - innerhalb dieser Bandbreite angegebene - „mittlere
Rauhigkeitslänge“ (Tabelle 3) ermittelt wurde, die jeweils bei ca. 40 % der
Bandbreite liegt und sich dann in den Mittelwerten der I
eff
niederschlägt. Dies
lässt vermuten, dass eine gegenüber den Tabellenwerten differenziertere und
genauere Einschätzung der Rauhigkeitsbedingungen am Standort nicht erfolgt ist.
Die Verfahrensweise im Turbulenzgutachten von ..., die Umgebungsbedingungen
nicht nur anhand der topographischen Karten, sondern zusätzlich mittels einer
Ortsbesichtigung einzuschätzen, erscheint demgegenüber plausibler und
sorgfältiger (so auch die Ansicht der Sachverständigen F. und E. in der mündlichen
Verhandlung am 15.11.2006). Hinzu kommt, dass ... einzig neben der Rauhigkeit
auch die Orographie berücksichtigt und hierzu ein zweites Berechnungsverfahren -
zur Kontrolle der nach VDI 3783 Blatt 2/3 durchgeführten Berechnung -
angewendet hat. Eine entsprechend höhere Sorgfalt wurde auch bei der Ermittlung
der mittleren Jahreswindgeschwindigkeit im Windgutachten an den Tag gelegt,
indem für die Übertragung der Messwerte der Wetterstation auf die
Standortbedingungen eine umfangreiche Gegenkontrolle durch die Auswertung
der Ertragsergebnisse benachbarter Windparks erfolgte. Alles in allem sind die
Ergebnisse des Windgutachtens und des Turbulenzgutachtens ... in einer
sorgfältigen und auch im Einzelnen nachvollziehbaren Verfahrensweise
zustandegekommen. Sodann ist ... für die Bereiche „Bestimmung des
Windpotentials, Analyse und Auswertung von Windmessungen, Abschätzung der
Turbulenzintensität“ akkreditiert, die anderen beiden Gutachter dagegen nicht.
Der Umstand, dass die Ergebnisse des Wind- und des Turbulenzgutachtens ... und
die darauf aufbauenden Berechnungen der effektiven Turbulenzintensität und der
Standsicherheit durch ... plausibel und nachvollziehbar erscheinen, ändert
allerdings nichts an der zuvor beschriebenen „verfahrensimmanenten“
Unsicherheit, die auch den dort angewendeten Verfahren anhaftet. Diese
Unsicherheit geht jedoch im Zuge der nach §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG
vorzunehmenden situationsbezogenen Abwägung der Risikobereiche jedenfalls im
vorliegenden Fall nicht einseitig zu Lasten der Klägerin. Die Anlagen der
Beigeladenen sind nur bis zu einer Turbulenzintensität von 18 % typengeprüft,
wurden aber an einem Standort errichtet, wo die Intensität der natürlichen
Umgebungsturbulenz bereits mehr als 18 % beträgt, so dass eigentlich bereits bei
Erteilung der Genehmigung ein individueller Standsicherheitsnachweis erforderlich
gewesen wäre, zumal bereits in der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am
17.06.1994 vorliegenden DIBt-Richtline vom Juni 1993 als
Standsicherheitsnachweis eine Turbulenzfestigkeit für eine I
eff
bis 20 % gefordert
wurde. Der Umstand, dass die Anlage ... Typ M 700 bei der Typenprüfung für eine
hohe Windfestigkeit ausgelegt wurde, spricht - wie zuvor dargelegt und erörtert -
allerdings dafür, dass sie unter den am Standort herrschenden Bedingungen auch
höhere Turbulenzen aushält. Die „verfahrensimmanenten“ Schwierigkeiten, welche
die Klägerin nunmehr hat, um den Nachweis zu erbringen, dass ihre Anlagen die
Standsicherheit der Anlagen der Beigeladenen nicht beeinträchtigen, resultieren
jedoch wesentlich daraus, dass die Beigeladene Anlagen errichtet hat, deren
Typenprüfung den Standortbedingungen nicht gerecht wird. Die beim individuellen
Nachweis der Standfestigkeit auftretende „verfahrensimmanente“ Unsicherheit ist
daher unter den vorliegend gegebenen Umständen der Risikosphäre der
Beigeladenen zuzuordnen. Die Klägerin hat somit durch das Gutachten ... vom
30.01.2006 hinreichend nachgewiesen, dass vom Betrieb ihrer Anlagen keine
schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. v. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für die
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schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. v. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für die
Anlagen der Beigeladenen ausgehen, sondern diese Anlagen im Rahmen ihrer
Auslegungslasten standsicher betrieben werden können.
Soweit in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG neben schädlichen Umwelteinwirkungen noch
von Gefahren und Nachteilen die Rede ist, werden diese von der in § 3 Abs. 1
BImSchG gegebene Definition bereits erfasst und sind nur relevant, wenn sie
„erheblich“ sind. Dies ist - wie eingangs dargelegt - im Verhältnis konkurrierender
Windkraftanlagen dann nicht der Fall, wenn sie im Rahmen ihrer Auslegungslasten
betrieben werden können. „Gefahr“ bedeutet dabei, dass der Eintritt eines
Schadens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Schäden, welche
die Anlagen der Klägerin verursachen, sind jedoch vorliegend nicht zu erwarten,
wenn die Anlagen der Beigeladenen im Rahmen ihrer Auslegungslasten betrieben
werden.
Nach der hier vorgenommenen Beweiswürdigung und Beweislastverteilung sind
sodann auch die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG von den Anlagen der
Beigeladenen einzuhaltenden Anforderungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 HBO gewahrt,
wonach eine hinzukommende bauliche Anlage nicht die Standsicherheit einer
bestehenden baulichen Anlage gefährden darf (vgl. hierzu auch die zitierten
Beschlüsse VG Stade v. 22.11.2005 sowie OVG Münster v. 09.07.2003, 01.02.2000
und 24.01.2000).
Auf die nach allem begründete Anfechtungsklage hin werden daher die im
Widerspruchsbescheid vom 29.04.2005 hinzugefügten Nebenbestimmungen Nrn.
5.15.1 und 5.15.2 aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten und der Beigeladenen gemäß §
154 Absätze 1 und 3 VwGO zu gleichen Teilen auferlegt, weil sie unterlegen sind.
Deshalb, weil nämlich die Beigeladene mit ihrem Klageabweisungsantrag in vollem
Umfang unterlegen ist, entspräche es auch nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO der
Billigkeit, ihre außergerichtlichen Aufwendungen einem anderen Beteiligten oder
der Staatskasse aufzuerlegen. Nachdem die Beigeladene die Erstattung
außergerichtlicher Aufwendungen somit nicht beanspruchen kann, ist auch eine
Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im
Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO entbehrlich.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Frage, ob im Verhältnis konkurrierender
Windkraftanlagen zueinander auch ein „Schonbetrieb“ unterhalb der Schwelle der
Auslegungslast vor Einflüssen hinzugebauter Windkraftanlagen nach § 3 Abs. 1
BImSchG geschützt ist, über den vorliegenden Einzelfall hinaus grundsätzliche
Bedeutung hat und - soweit für das Gericht ersichtlich - bisher noch nicht
höchstrichterlich entschieden worden ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der
Kosten ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.