Urteil des VG Kassel vom 11.11.2004

VG Kassel: gerichtsakte, beihilfe, schule, schüler, europäisches recht, sozialhilfe, computer, eltern, behörde, kauf

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Gericht:
VG Kassel 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 E 1655/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1603 Abs 2 S 2 BGB, § 21
Abs 1a Nr 7 BSHG, § 22 Abs 1
S 2 BSHG, § 76 Abs 2 Nr 5
BSHG, § 154 Abs 1 VwGO
Antrag auf Sozialhilfeleistungen für Markenkleidung zu
einem besonderen Anlass.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden
nicht erhoben.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, falls der Beklagte nicht Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Berechnung laufender Hilfe zum
Lebensunterhalt und begehrt diverse Hilfen in Einzelfällen.
Er lebte zum damaligen Zeitpunkt im Haushalt seines Vaters und besuchte das
Gymnasium und beantragte erstmals am 28.12.2001 laufende Hilfe zum
Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG).
Mit Bescheid vom 08.01.2002 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen
ab. In der Begründung heißt es, das anrechnungsfähige Einkommen überschreite
den maßgeblichen Sozialhilfebedarfssatz (Blatt 26 f. der Behördenakte). Nachdem
der Vater des Klägers für diesen Widerspruch eingelegt hatte (Blatt 29 der
Behördenakte), wurde mit Bescheid vom 15.04.2002 unter Abhilfe des
Widerspruchs dem Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt ab April 2002 in Höhe von
178,45 EUR monatlich bewilligt und eine Nachzahlung gewährt (Blatt 53 ff. der
Behördenakte). Bei der Berechnung ging die Behörde von einem Regelsatz in
Höhe von 230,08 EUR monatlich aus. Das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR
wurde als Einkommen angerechnet.
Mit Schreiben vom 15.04.2002 wandte sich der Vater des Klägers gegen den
Bescheid vom gleichen Tage und führte aus, bei der Kindergeldberechnung müsse
ein Betrag von 10,25 EUR unberücksichtigt bleiben. Damit könnten nur 143,74 EUR
angerechnet werden. Entsprechendes wurde auch mit Schreiben vom 04.05.2002
(Blatt 78 ff. der Behördenakte) vorgetragen.
Unter dem 24.04.2002 teilte der Beklagte dem Kläger mit, der Absetzungsbetrag
in Höhe von 10,25 EUR komme nach dem Wortlaut des § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG nur
bei minderjährigen unverheirateten Kindern in Betracht.
Am 24.05.2002 legte der Kläger förmlich Widerspruch gegen den Bescheid vom
15.04.2002 ein. In der Begründung führte er aus (Blatt 120 f. der Behördenakte),
von dem Kindergeld dürften nur 143,74 EUR angerechnet werden.
Mit Bescheid vom 25.04.2002 setzte der Beklagte die laufende Hilfe zum
Lebensunterhalt für den Zeitraum ab Mai 2002 erneut fest. Bewilligt wurden
203,45 € monatlich; ferner wurde eine Nachzahlung in Höhe von 103,33 € für den
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203,45 € monatlich; ferner wurde eine Nachzahlung in Höhe von 103,33 € für den
Zeitraum 27.12.2001 bis 30.04.2002 gewährt (Bl. 74 ff der Behördenakte).
Hiergegen legte der Kläger am 24.05.2002 Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 27.05.2002 wies der Beklagte den Kläger erneut darauf hin,
dass der Absetzbetrag des § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG nur bei minderjährigen
unverheirateten Kindern in Betracht komme. Hinsichtlich der Höhe des
Sozialhilferegelsatzes wurde ausgeführt, dass nach § 2 Abs. 3 Nr. 4 der
Regelsatzverordnung der Regelsatz für Personen von Beginn des 19. Lebensjahres
an 80 % des Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand betrage. Damit sei
zutreffend dem Kläger ein Regelsatz in Höhe von 80 % von 562,00 DM, also 450,00
DM (230,08 EUR), bewilligt worden.
Mit Bescheid vom 20.06.2002 wurde, da sich inzwischen der Regelsatz verändert
hatte, die Hilfe zum Lebensunterhalt ab Juli 2002 neu festgesetzt. Berücksichtigt
wurde (Blatt 133 ff. der Behördenakte) ein Regelsatz in Höhe von 235,00 EUR als
Bedarf und das empfangene Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR als Einkommen.
Am 10.07.2002 legte der Kläger auch gegen den Bescheid vom 20.06.2002
Widerspruch ein. In der Begründung führte er aus (Blatt 150 f. der Behördenakte),
auch der Bescheid vom 20.06.2002 sei rechtswidrig, da wiederum von dem
Kindergeld keine 10,23 EUR abgezogen worden seien sowie dem Kläger
irrigerweise lediglich 80 % des Regelsatzes zugesprochen worden sei. Dies sei
verfassungswidrig und verfassungsfeindlich. Der Gleichheitsgrundsatz sei
elementar verletzt. Es sei nicht hinnehmbar, dass sich die finanzielle Situation
eines Hilfeempfängers von Beginn des 19. Lebensjahres an um insgesamt 39,00
EUR verschlechtere. Dies stehe auch im Widerspruch zu § 1603 Satz 2 des BGB.
Ferner stellte der Kläger während des Bezugs laufender Leistungen mit Schreiben
vom 18.06.2002 mehrere Anträge auf Gewährung einmaliger Hilfen:
1. So beantragte er in diesem Schreiben (Bl. 137 ff der Behördenakte) Mittel für
Sommerbekleidung, Straßenschuhe, Sportschuhe und Sandalen. Mit Bescheid
vom 05.07.2002 wurde ihm hierfür eine Beihilfe in Höhe von 95,00 € gewährt. Am
10.07.2002 legte er auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und führte aus
(Bl. 152 f der Behördenakte), eine pauschale Beihilfe sei der Lebenssituation eines
Oberstufenschülers nicht angemessen. Mit Schreiben vom 18.11.2002 (Bl. 41 der
Gerichtsakte) erwiderte der Beklagte hierauf, die Pauschale sei angemessen, und
eine Pauschalierung diene der Gleichbehandlung aller Hilfesuchenden.
2. Enthalten in dem Schreiben vom 18.06.2002 war auch ein Antrag auf
Gewährung einer Beihilfe für den Kauf eines Computers sowie für
Sitzgelegenheiten und Regale als notwendigen Schulbedarf. Mit Bescheid vom
09.07.2002 wurde auch dieser Antrag abgelehnt. In der Begründung führte die
Behörde aus, ein PC sei für Schüler nicht zwingend vorgeschrieben, auch
Sitzgelegenheiten und Regale anlässlich privater Treffen mit Klassenkameraden
zählten nicht zum allgemeinen Schulbedarf (Bl. 145 f der Behördenakte). Gegen
diesen Bescheid legte der Kläger am 12.07.2002 Widerspruch ein (Bl. 146 ff der
Behördenakte). Mit Schreiben vom 18.11.2002 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass
dem Widerspruch nicht abgeholfen werde.
3. Ferner beantragte der Kläger – ebenfalls in dem Schreiben vom 18.06.2002 –
eine einmalige Beihilfe für eine Studienfahrt. Nachdem auf Anforderung des
Beklagten vom 14.10.2002 der Kläger am 28.10.2002 einen Nachweis über die
angefallenen Kosten vorlegte, wurden mit Bescheid vom 29.10.2002 (Bl. 202 der
Behördenakte; Bl. 34 der Gerichtsakte) die Kosten in voller Höhe übernommen.
Am 24.10.2002 beantragte der Kläger (Bl. 32 der Gerichtsakte) zusätzlich die
Übernahme der „Finanzierungskosten“ in Höhe von 6,75 € für angefallene Zinsen
sowie eine Aufwendungspauschale in Höhe von 20,00 €. Insoweit trug er vor, er
habe den Betrag vorfinanzieren müssen. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom
16.12.2002 (Bl. 52 ff der Gerichtsakte) abgelehnt; am 18.12.2002 legte der Kläger
Widerspruch ein.
4. Schließlich enthielt das Schreiben vom 18.06.2002 auch einen Antrag auf
Bewilligung einer Beihilfe für die Anschaffung von Schulbüchern und sonstigen
Schulmaterialien. Nach Vorlage einer Liste benötigter Bücher und Materialien (Bl.
212 ff der Behördenakte), die einen Gesamtbetrag von 272,84 € nannte, bewilligte
der Beklagte mit Bescheid vom 16.12.2002 (Bl. 55 f der Gerichtsakte) einen
Betrag in Höhe von 138,30 €. Hiergegen wurde am 18.12.2002 Widerspruch
eingelegt.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2003 wies der Beklagte sämtliche o.a.
Widersprüche zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 85 ff. der Gerichtsakte
Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 10.02.2003 beantragte der Kläger weiterhin eine Beihilfe für
Bekleidung für die Abiturfeier in Höhe von 380,00 €. Mit Bescheid vom 28.02.2003
(Bl. 76 der Gerichtsakte) wurden dem Kläger hierfür 200,00 € bewilligt und auch
überwiesen. Der Kläger überwies die Summe wieder zurück an den Beklagten und
legte mit Schreiben vom 06.03.2003 (Bl. 74 f der Gerichtsakte) Widerspruch gegen
den Bescheid vom 28.02.2003 ein. In der Begründung gab er an, die gewährte
Summe sei bei weitem nicht ausreichend. Diesen Widerspruch wies der Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2003 (Bl. 116 der Gerichtsakte) zurück.
Bereits vorher, am 09.07.2002, hat der Kläger Klage erhoben. In dieser wandte er
sich zunächst gegen die Berechnung der laufenden Leistungen und dort gegen
den nicht vorgenommenen Abzug beim Kindergeld in Höhe von 10,23 EUR sowie
den um 28,77 EUR gekürzten Regelsatz. Mit Schreiben vom 19.08.2002 (Blatt 13 f.
der Gerichtsakte) erweiterte der Kläger seine Klage hinsichtlich nicht bezifferter
Kosten einer Studienfahrt sowie Bekleidungsbeihilfe. Mit Schriftsätzen vom
14.11.2002 (Blatt 20 bis 28 der Gerichtsakte), 20.11.2002, 02.12.2002, 23.12.2002
wurde die Klage auf sämtliche einmalige Beihilfen erweitert, die mit Schreiben vom
18.06.2002 beantragt worden waren. Mit weiterem Schriftsatz vom 22.07.2003 (Bl.
97, 105 f der Gerichtsakte) erweiterte der Kläger seine Klage hinsichtlich der
380,00 € für Bekleidung für die Abiturfeier.
Auch nach Zustellung der Widerspruchsbescheide verfolgt der Kläger sein Klageziel
weiter. Er vertieft seine Begründungen aus dem behördlichen Verfahren und trägt
ergänzend vor, die volle Anrechnung des Kindergeldes und die Berechnung des
Sozialhilferegelsatzes vom Beginn des 19. Lebensjahres an benachteilige ihn als
Gymnasialschüler. Die durch Schule entstandenen und entstehenden Kosten seien
unabhängig vom Lebensalter und blieben bis Schulabschluss. Im Übrigen
widerspreche die Berechnung auch dem § 1603 Satz 2 BGB.
Hinsichtlich der beantragten Sommerbekleidung führt er aus, es sei nicht den
besonderen Verhältnissen in der Familie des Hilfesuchenden Rechnung getragen
worden. Da er Schüler sei, sei sein Bedarf anders zu beurteilen, als bei anderen
Antragstellern. Ein arbeitsloser Antragsteller benötige keine Sportkleidung.
Außerdem sei er 190 cm groß, was die Neuanschaffung von Kleidung erforderlich
mache. Im übrigen müsse noch die Bekleidungsbeihilfe für das 1. Halbjahr des
Jahres 2002 nachgezahlt werden.
Die beantragten Bücher und Studienmaterialien, wie sie auf der Liste der Jakob-
Grimm-Schule (Bl. 36 der Gerichtsakte) aufgeführt seien, seien allesamt
notwendig gewesen. Für einen erfolgreichen Gymnasialbesuch sei die Anschaffung
zusätzlicher Bücher, z.B. Nachschlagewerke, erforderlich. Ein Ausleihen von
Büchern sei ihm nicht möglich, da er zeitlich hierzu nicht in der Lage sei. Auch
benötige der Kläger Regale und Sitzgelegenheiten. Letztere seien deshalb
unverzichtbar, weil sich die Schüler zu gemeinsamer Arbeit und Lernen
wöchentlich träfen.
Hinsichtlich des PC wird eine Bescheinigung der Jakob-Grimm-Schule, datiert auf
den 13.11.2002, vorgelegt. In dieser heißt es (Bl. 35 der Gerichtsakte), die
häusliche Arbeit am PC stelle im Rahmen der informationstechnischen Bildung in
der gymnasialen Oberstufe mittlerweile einen üblichen Standard dar. Der Kläger
führt hierzu aus, er habe sich einen PC ausgeliehen, dieser müsse aber im Januar
2003 zurückgegeben werden.
Schließlich trägt der Kläger vor, die Verfahrensweise von Seiten des Beklagten sei
nicht hinnehmbar. Zwischen der Beteiligung sozial erfahrener Personen und dem
Erlass des Widerspruchsbescheides lägen mehr als 6 Monate; dies verstoße gegen
europäisches Recht. Schon deshalb sei der Klage stattzugeben.
Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,
1. den Widerspruchsbescheid vom 26.06.2003 und die Bescheide vom 08.01.2002,
25.04.2002, 20.06.2002, 05.07.2002, 09.07.2002, 16.12.2002 sowie den Bescheid
vom 28.02.2003 und den Widerspruchsbescheid vom 10.09.2003 aufzuheben,
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und
2. den Beklagten zu verurteilen gemäß Schriftsatz vom 23.10.2002 dem Kläger die
beantragten laufenden und einmaligen Leistungen (erhöhter Regelsatz wg.
teilweiser Nichtanrechnung von Kindergeld sowie wegen besonderer Umstände
sowie Kleidungsbeihilfe für das 1. Halbjahr 2002, Mittel für Schulbedarf, den Kauf
eines PC, Sportbekleidung, Regale, Sitzgelegenheiten sowie Abiturbekleidung)
abzüglich bereits gezahlter Beihilfen nach den Vorschriften des
Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zwischenzeitlich hat der Kläger seine Abiturprüfung abgelegt und studiert. Ab dem
01.07.2003 wurden daher die laufenden Leistungen eingestellt. Eine hiergegen
unter dem Az. 7 E 120/04 erhobene Klage endete am heutigen Tage mit einem
Vergleich.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 16.09.2004 dem
Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf die Gerichts- und Behördenakten sowie die Gerichtsakte VG Kassel
7 E 120/04 nebst Beiakten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO zulässig und richtet sich jetzt
auch gegen die Widerspruchsbescheide vom 26.06.2003 und 10.09.2003.
Insbesondere wurde auch hinsichtlich der beantragten Beihilfe für Abiturbekleidung
(Bescheid vom 28.02.2003, Widerspruchsbescheid vom 10.09.2003) zulässig Klage
erhoben. Gegen den Bescheid vom 28.02.2003 hat der Kläger fristgemäß, nämlich
am 06.03.2003, Widerspruch eingelegt. Nachdem über diesen Widerspruch nicht
innerhalb von drei Monaten entschieden worden war, hat er sodann diesen
Anspruch im Wege der Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 22.07.2003 zum
Gegenstand dieses Verfahrens gemacht. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung lagen
die Voraussetzungen des § 75 VwGO vor. Nach Zustellung des
Widerspruchsbescheides vom 10.09.2003, die am 16.09.2003 erfolgte, wurde
dieser Anspruch mit Schriftsatz vom 15.10.2003 in das hier anhängige Verfahren
einbezogen. Dies geschah auch innerhalb der Klagefrist von einem Monat, denn
der Schriftsatz vom 15.10.2003 ging am 16.10.2003 bei Gericht ein.
Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die
Gewährung höherer Regelsätze für die Zeit zwischen dem 28.12.2001
(Antragstellung) und Juni 2003 (Ende des Sozialhilfebezugs). Ebenso wenig
bestehen Ansprüche auf einmalige Beihilfen über das bereits Gewährte hinaus, so
dass sich die ablehnenden Bescheide und Widerspruchsbescheide als rechtmäßig
erweisen und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen.
Zunächst erweisen sich die angegriffenen Bescheide bzw. Widerspruchsbescheide
nicht deshalb als rechtswidrig, weil zwischen Beantragung und Entscheidung
längere Zeiträume lagen. Zum einen wurde die Verzögerung teilweise vom Kläger
selbst verursacht, da er notwendige Unterlagen erst verspätet beibrachte (z.B. bei
der Beihilfe für die Klassenfahrt), zum anderen ist eine längere Verfahrensdauer
noch kein Umstand, der einen Bescheid allein deshalb rechtswidrig macht (vgl.
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. A., § 11 Rn. 22 m.w.N.). Dem Kläger hätte auch, wenn
er nicht auf die beantragten Beihilfen warten wollte, der Weg des einstweiligen
Rechtsschutzes vor Gericht nach § 123 VwGO offen gestanden, so dass
problemlos Abhilfe möglich gewesen wäre.
Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht erweisen sich die angefochtenen Bescheide
als rechtmäßig. Zunächst hat der Beklagte zutreffend die Höhe des dem Kläger
zustehenden Regelsatzes berechnet.
Von dem Kindergeld war, anders als dies der Bevollmächtigte des Klägers meint,
nicht der Betrag von 10,25 € abzusetzen, denn gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG
kann dies lediglich bei minderjährigen, unverheirateten Kinder erfolgen. Zu Beginn
des Sozialhilfebezugs war der Kläger bereits volljährig und fiel damit nicht mehr
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des Sozialhilfebezugs war der Kläger bereits volljährig und fiel damit nicht mehr
unter o.a. Regelung. Dass lediglich minderjährige Kinder von der Vorschrift erfasst
werden, begegnet keinen rechtlichen Bedenken, insbesondere ist nicht eine
Gleichbehandlung deshalb geboten, weil § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB eine solche für
den Bereich des Familienrechts ausdrücklich anordnet. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB
regelt, dass Eltern verpflichtet sind, die ihnen zustehenden Mittel gleichmäßig für
den Unterhalt aller minderjährigen Kinder zu verwenden; S. 2 der Vorschrift
erstreckt diese Verpflichtung auch auf volljährige unverheiratete Kinder bis zur
Vollendung des 21. Lebensjahres, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines
Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Ziel der
Vorschrift ist es, den rechtlich zwar selbständigen, tatsächlich aber in gewissem
Sinne weiterhin "unselbständigen" Kindern den erforderlichen Unterhalt zu erhalten
(vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 12. September 2001, Az: 20 WF 0592/01, 20 WF
592/01, FamRZ 2002, 695 ff).
Demgegenüber verfolgt der durch das Gesetz zur Familienförderung vom
22.12.1999 (BGBl. I, S. 2552) eingefügte § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG ganz andere
Ziele: Die Vorschrift war seinerzeit deshalb neu geschaffen worden, damit die zum
01.01.2000 wirksam gewordene Familienförderung durch die Kindergelderhöhung
für das erste und das zweite Kind auch Familien mit minderjährigen Kindern
erreichen kann, die Sozialhilfe erhalten (vgl. hierzu Schellhorn/Schellhorn, BSHG,
16. A., § 76, Rn. 40a). Zielrichtung des Gesetzgebers war mithin die Förderung von
Sozialhilfeempfängern mit minderjährigen Kindern, nicht jedoch auch mit solchen,
die zwischen 18 und 21 Jahren alt sind und noch eine Schule besuchen. Aus der
unterschiedlichen gesetzgeberischen Zielsetzung rechtfertigt sich die
Ungleichbehandlung; ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz ist mithin nicht
gegeben.
Eine Erhöhung des Regelsatzes kam auch nicht unter Berücksichtigung der
besonderen Lebenssituation des Klägers nach 22 Abs. 1 S. 2 BSHG in Betracht.
Allein aus der Tatsache, dass der Kläger sich im fraglichen Zeitraum in einer
schulischen Ausbildung befand, rechtfertigt noch nicht die Zuerkennung eines
höheren Regelsatzes (ebenso VG Darmstadt, Beschluss vom 1. Dezember 1986,
Az: VI/V G 1853/86). Sofern konkret höhere Aufwendungen durch die Ausbildung
bedingt sind, ist es Aufgabe des Hilfeempfängers, diese nachzuweisen, die
pauschale Behauptung, es entstünden durch die Teilnahme an einer Ausbildung
erhöhte Aufwendungen, rechtfertigt es allein nicht, laufende Leistungen zum
Lebensunterhalt gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 BSHG abweichend von den Regelsätzen
zu bemessen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 17. Februar 1987, Az: 9 TG 3452/86;
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. März
1992, Az: 8 A 1958/89). Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass ihm höhere
Aufwendungen als anderen Hilfeempfängern entstanden sind, die
sozialhilferechtlich relevant wären. Geltend gemacht wurden jeweils nur
Einzelpositionen, für die individuelle Hilfen gewährt werden sollten, eine konstante
individuelle Belastung allein wegen der schulischen Ausbildung hat der Kläger nicht
dargetan. Sein Vortrag im übrigen beschränkt sich auf allgemeine Behauptungen
hinsichtlich der „Lebensrealität eines Oberstufenschülers“, die jedoch den
individuellen Vortrag nicht ersetzen können.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die beantragten einmaligen Leistungen
über das hinaus, was ihm bereits bewilligt wurde.
Hinsichtlich der erstmals mit Schreiben vom 18.06.2002 beantragten
Kleiderbeihilfe hält das erkennende Gericht die gewährte Beihilfe für ausreichend.
Ein Betrag von 95,00 € reicht regelmäßig aus, um eventuell erforderliche
Neuanschaffungen nach Verschleiß zu tätigen. Dabei verkennt das Gericht nicht,
dass unter Schülern gerade besondere Marken hohes Ansehen genießen; wie der
Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist es aber nicht Aufgabe der Sozialhilfe,
dieses Markenbewusstsein noch dadurch zu fördern, dass auch
Sozialhilfeempfänger mit Markenkleidung ausgestattet werden. Zu berücksichtigen
ist auch, dass solche Schülerinnen und Schüler, deren Eltern nur wenig über dem
Sozialhilfesatz verdienen, sich auch keine teuren Kleidungsstücke leisten können.
Der Vortrag des Bevollmächtigten, der letztlich darauf hinausläuft, man müsse für
Oberstufenschüler allein wegen des Besuchs der Oberstufe eine höhere Beihilfe
gewähren, ist abwegig. Mittel für angemessene Bekleidung stehen jedem
Jugendlichen gleichermaßen zu, unabhängig davon, welchen Schulabschluss er
anstrebt. Der Kläger hat auch nicht – etwa durch Vorlage von Rechnungen –
konkret dargelegt, wofür die erhaltenen 95,00 € ausgegeben wurden und welche
Kleidungsstücke, insbesondere Sportbekleidung, noch fehlen, so dass in
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Kleidungsstücke, insbesondere Sportbekleidung, noch fehlen, so dass in
Ermangelung eines konkreten, über der Pauschale liegenden, Bedarfs auch
insoweit die Klage abzuweisen ist.
Bezüglich der Bekleidungspauschale für Winter 2002 fehlt es bereits an einem
rechtzeitigen Antrag. Sozialhilfe ist so rechtzeitig zu beantragen, dass der Behörde
genügend Zeit verbleibt, den Sachverhalt zu prüfen und den Bedarf zu ermitteln.
Eine Gewährung von Sozialhilfe für die Vergangenheit ist ausgeschlossen, da
Sozialhilfe nur der Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage dient. Für die
Winterbekleidung 2002 wurde jedoch erstmals im gerichtlichen Verfahren ein
Bedarf angemeldet, also weit nach dem maßgeblichen Bewilligungszeitraum.
Auch hat der Kläger keinen Anspruch auf Bereitstellung von finanziellen Mitteln für
die Beschaffung eines Computers. Als Anspruchsgrundlage kommt hier § 21 Abs.
1a BSHG in Betracht. Danach werden einmalige Leistungen insbesondere zur
Beschaffung von besonderen Lernmitteln für Schüler (Nr. 3) und von
Gebrauchsgütern von längerer Gebrauchsdauer und höherem Anschaffungswert
(Nr. 6) gewährt. In beiden Fällen ist Voraussetzung, dass die Beschaffung
"notwendig" im Sinne des § 12 BSHG ist, der allgemein regelt, was der "notwendige
Lebensunterhalt" umfasst. Hinsichtlich der Notwendigkeit von Computern für
Hilfeempfänger, die eine Schule besuchen, hat das OVG Lüneburg in seinem Urteil
vom 11. Juni 2003 (Az: 4 LB 279/02, FEVS 55, 208 ff) ausgeführt:
Danach kann ein Computer durchaus als notwendiges Lernmittel im Sinne o.a.
Vorschrift angesehen werden. Jedoch besteht im konkreten Fall deshalb kein
Anspruch, weil der Kläger im fraglichen Zeitraum einen Computer nutzen konnte
und auch tatsächlich genutzt hat. So hat der Vater und Bevollmächtigte des
Klägers angegeben, sein Sohn habe sich – jedenfalls bis Januar 2003 – einen
Computer ausleihen können. Aber auch in der Zeit danach bis zum Abitur muss
der Familie ein Computer zur Verfügung gestanden haben, denn sämtliche
Schreiben an den Beklagten und ebenso alle Schriftsätze an das Gericht wurden
mit Hilfe eines PC angefertigt, was sich aus dem Schriftbild zweifelsfrei erkennen
lässt. Diesen PC, der dann wohl dem Vater gehört haben muss, hätte der Sohn
problemlos mitbenutzen können. Dass darüber hinaus noch besondere
Programme oder gar ein Internetzugang erforderlich waren, wurde nicht
vorgetragen, so dass im fraglichen Zeitraum ein konkreter Bedarf nicht bestand.
Mit zutreffenden Erwägungen hat der Beklagte ferner den Antrag auf Gewährung
einer Beihilfe für den Kauf von Sitzgelegenheiten sowie Regalen abgelehnt.
Besonders ausgestaltete Möbel für den Zweck der Zusammenkunft mit
Klassenkameraden waren nicht notwendig; vielmehr hätte sich der Kläger mit
bereits vorhandenen Stühlen und Tischen behelfen können. Entsprechendes gilt
für die beantragten Regale. Aus eigener Erfahrung vermag der Einzelrichter zu
beurteilen, welcher zusätzliche Platzbedarf für Schulmaterialien erforderlich ist,
solcher Stauraum lässt sich regelmäßig auch bei kleineren Wohnungen schaffen,
ohne neue Regale zu erwerben.
Der Kläger hat ferner auch keinen Anspruch auf die Bewilligung von
„Finanzierungskosten“, also die Erstattung von Zinsen, die im Rahmen der
Finanzierung der Klassenfahrt angefallen sind. Regelmäßig sind alle Ausgaben, die
im Zusammenhang mit der allgemeinen Lebensführung stehen, also auch
Kontoführungsgebühren und evtl. Zinslasten, mit den Regelsätzen nach der
RegelsatzVO abgegolten (vgl. Ziff. 87 des "Systematischen Verzeichnisses für die
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, abgedr. bei Schellhorn/Schellhorn, BSHG
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Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, abgedr. bei Schellhorn/Schellhorn, BSHG
16.A., § 1 RegelsatzVO Rn. 17). Im übrigen wurde nicht nachgewiesen, dass
überhaupt Zinsen gezahlt werden mussten. Dass darüber hinaus ein Anspruch auf
eine „Aufwendungspauschale“ in Höhe von 20,00 € bestehen könnte, allein
deshalb, weil der Antrag des Klägers später beschieden wurde, hält das Gericht für
schlicht abwegig. Ebenso wenig wie das Sozialamt des Beklagten eine
Bearbeitungsgebühr dafür fordern kann, dass es den Antrag des Klägers
bearbeitet, kann der Kläger Pauschalen dafür verlangen, dass er sich um seine
Angelegenheiten, nämlich die Finanzierung der Klassenfahrt, kümmert.
Hinsichtlich beantragten Schulbücher und sonstigen Schulmaterialien ist die
Argumentation des Beklagten einleuchtend und zutreffend. In Übereinstimmung
mit dem geltenden Recht, insbesondere der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 29. Oktober 1997, Az: 5 C 34/95,
BVerwGE 105, 281ff; Urteil vom 28. März 1996, Az: 5 C 32/95 BVerwGE 101, 37 ff)
hat der Beklagte unterschieden zwischen besonderen Lernmitteln, für die mit
Bescheid vom 16.12.2002 (Bl. 55 f der Gerichtsakte) eine Beihilfe in Höhe von
138,30 € bewilligt wurde, und sog. „persönlichen Bedürfnissen des täglichen
Lebens“, die bereits in dem Regelsatz enthalten sind. Letztgenannte
Bedarfsgruppe zeichnet sich dadurch aus, dass diese Bedürfnisse ihrem Wesen
nach solche aus freier, selbstbestimmter und -gestalteter, eben "persönlicher"
Lebensführung sind, während hingegen die besonderen Lernmittel zwingend mit
dem Schulbesuch zusammenhängen und vom Hilfeempfänger nicht beeinflusst
werden können. Zu der letzten Gruppe zählen insbesondere die von der Schule
angebotenen kulturellen Aktivitäten (Theaterbesuch, Studientag etc.), sofern nicht
– was vorliegend aber nicht vorgetragen wurde – der Besuch zwingend
vorgeschrieben war. Gleiches gilt für die Fotomaterialien. Dass ferner der Erwerb
von 2 T-Shirts der Schule nicht notwendig war, sondern lediglich im Rahmen der
allgemeinen Lebensführung liegt, ist nach Auffassung des Gerichts offensichtlich,
so dass auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers und der
Bescheinigung der Schule ein weitergehender Anspruch nicht anzuerkennen ist.
Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Gewährung einer (weiteren)
Beihilfe für Kleidung anlässlich der Abiturfeier. Anspruchsgrundlage hierfür ist § 21
Abs. 1a Nr. 7 BSHG, nach dem einmalige Leistungen für besondere Anlässe zu
gewähren sind. Die Abiturfeier ist ein solcher besonderer Anlass, für den
grundsätzlich eine Beihilfe in Betracht kommt, insbesondere auch für
angemessene Kleidung. Ein Anspruch scheidet aber aus, weil dem Kläger bereits
mit Bescheid vom 28.02.2003 eine Beihilfe für diesen Zweck bewilligt wurde, die
auch ausreichend war. Nach Auffassung des Gerichts lässt sich für den Betrag von
200,00 € all das beschaffen, was für einen Jugendlichen an Kleidung erforderlich ist,
um bei einer Abiturfeier nicht gegenüber den anderen Abiturienten negativ
aufzufallen. Als Beispiel zieht das Gericht den im Internet verfügbaren
Quellekatalog (Stand: November 2004) heran, der folgende Artikel auflistet:
Anzug, klassischer Schnitt (große Größe) mit Jacke und Hose: 89,99 €
Hemd, weiß gestreift (große Größe): 33,99 €
Krawatte: 12,99 €
Attilio-Cappelletti-Schuhe: 49,99 €
Paar Socken, schwarz: 9,00
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Gesamt: 195,96 €
Dieses Beispiel zeigt, dass es durchaus möglich ist, eine bescheidene, aber
angemessene Abendgarderobe für einen Mann bzw. Jugendlichen zum Preis von
unter 200,00 € zu erwerben. Der vom Kläger bzw. seinem Vater genannte Betrag
von 380,00 € ist demzufolge weit überzogen und war von dem Beklagten nicht zu
bewilligen.
Dass der Vater des Klägers die bereits gewährten und überwiesenen 200,00 €
wieder an den Beklagten zurück überwiesen hat, begründet keinen Anspruch
zumindest auf die 200,00 €. In der Rücküberweisung liegt ein konkludenter Verzicht
auf die bewilligten 200,00 €, und, da keinem Hilfeempfänger Sozialleistungen
aufgezwungen werden dürfen, wurde dadurch der Beklagte von seiner
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aufgezwungen werden dürfen, wurde dadurch der Beklagte von seiner
Leistungspflicht frei.
Zusammenfassend war damit die Klage mit der Kostenfolge des §154 Abs. 1
VwGO abzuweisen. Gemäß § 188 Satz 2 VwGO werden keine Gerichtskosten
erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §
167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.