Urteil des VG Kassel vom 27.10.2003

VG Kassel: öffentliches interesse, altlasten, grundwasser, stand der technik, rechtsnachfolger, aufschiebende wirkung, kvg, stadt, verursacher, firma

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Gericht:
VG Kassel 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 G 2136/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 13 Abs 1 BBodSchG , § 4
Abs 3 BBodSchG
Gründe
Der am 11.09.2003 bei Gericht eingegangene Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom
09.September 2003 gegen die Untersuchungsanordnung des Antragsgegners
vom 21.August 2003, Az.: 41.4 KS – 100 i ks-fahne, wiederherzustellen,
ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der Antragsgegner hat in dem angegriffenen Bescheid vom 21.08.2003 die
sofortige Vollziehung der dort verfügten Maßnahmen gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4
VwGO angeordnet. Diese Anordnung ist zunächst formell nicht zu beanstanden, da
- wie in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorgeschrieben - das besondere Interesse an der
sofortigen Vollziehung mit Ausführungen, die sich auf den konkreten Fall beziehen,
schriftlich begründet worden ist.
In der Sache trifft das Gericht im Rechtsbehelfsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO
eine eigene Entscheidung über den Sofortvollzug des angegriffenen
Verwaltungsaktes. Dabei wird orientierend und - entsprechend der Natur des
Eilverfahrens - lediglich summarisch die Rechtmäßigkeit des angegriffenen
Verwaltungsaktes überprüft. Erweist sich dieser als offensichtlich rechtswidrig,
dann ist dem Antrag stattzugeben, weil am Vollzug offensichtlich rechtswidriger
Verwaltungsakte kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der
Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig und seine Vollziehung als eilbedürftig,
dann ist der Antrag abzulehnen. Läßt sich weder die offensichtliche
Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes
feststellen, dann ist die Entscheidung in Abwägung der beiderseitigen Interessen
zu treffen.
Vorliegend bestehen bei summarischer Prüfung nach Lage der Akten im
Eilverfahren jedenfalls keine ernstlichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des
angegriffenen Bescheids vom 21.08.2003, mit welchem der Antragsgegner der
Antragstellerin aufgegeben hat, eine im Grundwasser von Kassel befindliche
Schadstofffahne aus leichtflüssigen halogenierten Kohlenwasserstoffen (LHKW)
untersuchen und ein Konzept zur Sanierung der Schadstofffahne erstellen zu
lassen.
Rechtsgrundlage für die getroffenen Anordnungen sind die §§ 4 Abs. 3, 13 Abs. 1
des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur
Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz = BBodSchG).
Nach § 4 Abs. 3 BBodSchG sind u.a. der Verursacher einer schädlichen
Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger verpflichtet,
den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder
Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass
dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen
für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.
Die im Grundwasser von K. befindliche LHKW-Schadstofffahne ist eine Gewässer-
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Die im Grundwasser von K. befindliche LHKW-Schadstofffahne ist eine Gewässer-
Verunreinigung, die durch schädliche Bodenveränderungen bzw. Altlasten auf den
Flurstücken 37/2, 48/9 (jeweils Söhrestraße ) und 48/8 (Söhrestraße ) in K.
zumindest maßgebend mitverursacht wurde. Die ehemalige Firma R, deren
Gesamtrechtsnachfolgerin inzwischen die Antragstellerin ist, betrieb auf dem
Flurstück 37/2 von 1976 bis 1985 eine Umschlagstelle für LHKW-haltige
Flüssigkeiten mit Tanklager sowie auf dem Flurstück 48/9 von 1971 bis 1975 bzw.
auf dem Flurstück 48/8 von 1971 bis 1985 jeweils ein Fasslager für LHKW-haltige
Flüssigkeiten. Beim Betrieb dieser Anlagen gelangten LHKW-haltige Flüssigkeiten in
den Boden und von dort in das Grundwasser. Seit 1994 bzw. 1995 bzw. 1998 wird
auf diesen Grundstücken freiwillig eine Sanierung des Grundwassers durchgeführt.
Gleichwohl bestand den in den Akten befindlichen Messergebnissen aus 2002
zufolge auf diesen Grundstücken noch eine erhebliche Konzentration an LHKW in
der Bodenluft und im Grundwasser. Auf dem benachbarten Flurstück 13/32 wurde
der Boden ebenfalls mit LHKW verunreinigt, und zwar beim Betrieb eines
Chemikalien-Verkaufslagers der ehemaligen Firma E. Chemische Fabrik von 1960
bis 1970. Auch auf diesem Grundstück sind trotz seit ca. 1992 betriebener
Grundwassersanierungsmaßnahmen Bodenluft und Grundwasser weiterhin
sanierungsbedürftig. Das aus dem Boden dieser vier Grundstücke in das
Grundwasser gelangte LHKW hat sich nördlich der L. Straße zu einer
Schadstofffahne vereinigt, die sich nach Norden hin ausbreitet und auf die Fulda
hin bewegt und deren Sanierung durch die angegriffene Untersuchungsanordnung
vorbereitet werden soll.
Die Antragstellerin vertritt allerdings die Auffassung, dass diese Schadstofffahne
durch eine nicht näher bestimmbare Anzahl an Betrieben aus dem gesamten
Stadtteil verursacht worden sei und gespeist werde, so dass ein maßgebender
Ursachenzusammenhang zwischen dem Betrieb der Firma R auf den zuvor
genannten Flurstücken und der Schadstofffahne nicht nachgewiesen sei.
Demgegenüber hat der Antragsgegner jedoch auf den Seiten 9 bis 11 des
angegriffenen Bescheids vom 21.08.2003 (worauf hier zur Vermeidung von
Wiederholungen ausdrücklich Bezug genommen wird) ausführlich und
überzeugend dargelegt, dass sich aus den in Laufe der vergangenen Jahre an
zahlreichen Grundwassermessstellen vorgenommenen Beobachtungen sowie der
auf dem Betriebsgelände der KVG (nördlich der Leipziger Straße) über einen
längeren Zeitraum hinweg betriebenen Grundwassersanierung eine Verursachung
der Schadstofffahne durch die von der R. GmbH, K., betriebenen Anlagen sowie
durch den in der Nachbarschaft stattgefundenen Betrieb der Firma R Chemie
herleiten lässt. Zu den hiergegen durch die Antragstellerin in ihrer Antragsschrift
vorgetragenen Argumenten hat der Antragsgegner sodann in seiner
Antragserwiderung vom 22.09.2003 Stellung genommen und u.a. ausgeführt,
gerade auf Grund der Tatsache, dass im Bereich Kassel von den zuständigen
Behörden mehrere LHKW-Schadensherde vermutet worden seien, sei die
Grundwasserqualität dieses Gebietes seit 1987 systematisch und kontinuierlich auf
LHKW untersucht worden. Aufgrund der geologischen Untergrundverhältnisse
sowie der Grundwasserfließverhältnisse in Verbindung mit den abschätzbaren
eingetragenen Mengen könne die Herkunft von Schadstofffahnen durch
bestimmte Verursachergrundstücke schlüssig begründet werden. Dies sei auch im
Fall der LHKW-Fahne geschehen, zu deren Untersuchung und Sanierungsplanung
die Antragstellerin nunmehr herangezogen werde. Die von der Antragstellerin in
der Antragsschrift namentlich genannten sonstigen Verursacher könnten auf
Grund der Entfernung, der Fließrichtung und Fließgeschwindigkeit des
Grundwassers sowie der sonstigen hydrogeologischen und geologischen
Verhältnisse keinen Einfluss auf den im angegriffenen Bescheid vom 21.08.2003
betrachteten Fahnenbereich nehmen. Dies gelte insbesondere auch für das
Betriebsgelände der KVG, wo zwar seit 1991 eine Grundwassersanierung
betrieben, in deren Verlauf aber festgestellt worden sei, dass die Verunreinigung
nicht vom Betrieb der KVG herrühren könne, zumal es hier keine potentiellen
Eintragsherde für LHKW gegeben habe. Unzutreffend sei auch die Auffassung der
Antragstellerin, dass durch das im Zuge der Sanierung erfolgte Abpumpen von
Grundwasser auf dem KVG-Betriebsgelände ein Absenktrichter geschaffen worden
sei, der Schadstoffe sozusagen ”von allen Seiten” angezogen habe. Gerade um
das Heranziehen von Fremdverunreinigungen zu minimieren, sei die
Sanierungsanlage der KVG nur mit einer sehr niedrigen Förderrate betrieben
worden; hierdurch seien die Fließverhältnisse nur in einem kleineren, lokalen
Bereich verändert worden. Sodann vermag auch das Argument der Antragstellerin
nicht zu überzeugen, die gegenwärtig im Fahnenbereich vorgefundenen
Schadstoffe seien wesentlich vom Betrieb der F. R verursacht worden, weil dieser
von 1960 bis 1970 und damit früher als der Betrieb der R. GmbH stattgefunden
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von 1960 bis 1970 und damit früher als der Betrieb der R. GmbH stattgefunden
habe, so dass diese Schadstoffe einen ”Mobilitätsvorsprung” hätten. Allerdings
haben die Maßnahmen zur Grundwassersanierung, die auf den ehemaligen
Betriebsgrundstücken der R. GmbH seit 1994 bzw. 1995 bzw. 1998 durchgeführt
werden, dazu geführt, dass die Schadstofffahne ”abgerissen” ist. Dessen
ungeachtet erscheint der Zeitraum zwischen dem Ende des Betriebes der R.
GmbH im Jahre 1985 und dem Beginn der ersten Sanierungsmaßnahmen lange
genug, dass verunreinigtes Grundwasser von den Betriebsgrundstücken bis in die
nunmehr in Rede stehende Schadstofffahne gelangen konnte - zumal mit dem
Betrieb bereits in 1971 bzw. 1976 begonnen worden war. Alles in allem vermittelt
das im Eilverfahren vorliegende Aktenmaterial dem Gericht somit die
Überzeugung - di
e allenfalls durch fundierte gutachterliche Ausführungen erschüttert werden
könnte, welche die Antragstellerin aber im Eilverfahren nicht vorgelegt hat -, dass
die Schadstofffahne, zu deren Untersuchung und Sanierung die Antragstellerin
nunmehr herangezogen wird, maßgebend durch den Betrieb der R. GmbH auf den
zuvor genannten Flurstücken mitverursacht wurde.
Die dort durch den Betrieb der R. GmbH verursachten Verunreinigungen des
Bodens sind schädliche Bodenveränderungen nach der Definition in § 2 Abs. 3
BBodSchG, nämlich Beeinträchtigungen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche
Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit
herbeizuführen, bzw. Altlasten nach der Definition in § 2 Abs. 5 Nr. 2. BBodSchG,
nämlich Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen
worden ist, durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für
den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden. Gefahren für den
einzelnen und die Allgemeinheit werden durch LHKW vor allem deshalb
herbeigeführt, weil LHKW bzw. die Stoffe, zu denen sich LHKW abbaut,
krebserregend sind. Das von der LHKW-Verunreinigung betroffene Grundwasser
wird auf dem Betriebshof der KVG als Brauchwasser genutzt. Sodann besteht die
Gefahr, dass die Schadstoffe ohne eine Sanierung der Schadstofffahne das
Grundwasser unter den Kleingärten im Hafenbereich, welches dort ebenfalls als
Brauchwasser genutzt wird, erreichen und auch in die Fulda geraten.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin richtet sich der Umgang mit den in
das Grundwasser gelangten Schadstoffen auch nicht etwa nach dem Wasserrecht,
sondern nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, da die bereits zitierte Vorschrift
des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG ausdrücklich auch die durch schädliche
Bodenveränderungen oder Altlasten verursachten Verunreinigungen von
Gewässern erfasst. Sodann lässt auch die Vorschrift des § 4 Abs. 4 Satz 3
BBodSchG, wonach die bei der Sanierung von Gewässern zu erfüllenden
Anforderungen sich nach dem Wasserrecht bestimmen, erkennen, dass der
Gesetzgeber bei solchen Verunreinigungen von Gewässern, die durch schädliche
Bodenveränderungen oder Altlasten verursacht werden, die Verantwortlichkeit und
die Sanierungspflicht nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz regeln und nicht dem
Wasserrecht überlassen wollte; andernfalls wäre die Vorschrift nämlich überflüssig.
Jedenfalls ist § 4 Abs. 3 BBodSchG einschlägig für den vorliegenden Fall, wo
Schadstoffe nicht unmittelbar in ein Gewässer eingeleitet wurden, sondern der
Boden mit ihnen verunreinigt wurde und die Schadstoffe sodann aus dem
verunreinigten Boden in das darunter befindliche Grundwasser gelangt sind. So
gehen z.B. auch das OVG B-Stadt (B.v. 19.01.2002 - 2 S 7/00 – NVwZ 2001, S. 582
ff., 584) und der VGH Mannheim (B.v. 03.09.2002 – 10 S 957/02 – NVwZ-RR 2003,
S. 103 ff., 105) davon aus, dass Verunreinigungen des Grundwassers, die durch
eine Schadstoffbelastung des Bodens verursacht wurden, nach Bodenschutzrecht
zu behandeln sind.
Sodann haftet die Antragstellerin als Gesamtrechtsnachfolgerin für die durch den
Betrieb der R. GmbH GmbH verursachten schädlichen Bodenveränderungen und
Altlasten nach § 4 Abs. 3 BBodSchG, obwohl die Rechtsnachfolge bereits vor dem
Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes (01.03.1999) eingetreten ist. So
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 09.09.1999 - 8 UE 656/95 - NVwZ
2000, S. 828) in einem Fall, in welchem die Rechtsnachfolge in der Vergangenheit
eingetreten war, entschieden, dass das - erst während der Anhängigkeit des
Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Bundes-Bodenschutzgesetz den Kreis der
Sanierungspflichtigen in § 4 abschließend bestimmt und damit frühere Regelungen
der Sanierungsverantwortlichkeit ersetzt. Dementsprechend wurde der dortige
Kläger, der nach § 12 Abs. 1 Nr. 1. Hessisches Altlastengesetz vom 20.12.1994
(GVBl. I, S. 764) als ”Rechtsnachfolger” in Anspruch genommen worden war, aus
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(GVBl. I, S. 764) als ”Rechtsnachfolger” in Anspruch genommen worden war, aus
der Pflicht genommen, weil keine Gesamtrechtsnachfolge vorlag und § 4 Abs. 3
BBodSchG nur den letzteren Nachfolgetatbestand erfasst. Das
Bundesverwaltungsgericht (U.v. 16.05.2000 - 3 C 2.00 - DVBl. 2000, S. 1353 ff.,
1355 f.) hat die gegen dieses Urteil eingelegte Revision zurückgewiesen und die
Rechtsauffassung bestätigt, dass § 4 BBodSchG die Sanierungsverantwortlichkeit
auch für in der Vergangenheit stattgefundene Rechtsnachfolgen abschließend
regelt (ebenso wohl auch: BayVGH, B.v. 22.03.2001 - 22 ZS 01/378 - NVwZ 2001,
S. 821ff., 822; VGH Mannheim, B.v. 29.04.2002 - 10 S 2367/01 - NVwZ 2002, S.
1260 ff., 1261). Dafür, dass der Gesetzgeber mit § 4 BBodSchG Tatbestände, die
vor Inkrafttreten des Gesetzes verwirklicht wurden, erfassen wollte, spricht auch,
dass in § 4 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 BBodSchG für schädliche
Bodenveränderungen oder Altlasten, die nach dem 01.03.1999 eingetreten sind,
bzw. für eine nach diesem Datum erfolgte Übertragung des Eigentums
ausdrücklich besondere Regelungen getroffen wurden, die ersichtlich eine
”Ausnahme von der Regel” darstellen sollen. Die von Spieth/Wolfers (NvwZ 1999,
S. 355 ff., 358 f.) vertretene gegenteilige Auffassung, auf welche die Antragstellerin
verweist, steht somit im Widerspruch zu der zitierten Rechtsprechung, der sich die
erkennende Kammer anschließt, und ist - soweit ersichtlich - auch in der Literatur
vereinzelt geblieben (zu der hier vertretenen Auffassung vgl. etwa v. Mutius/Nolte,
DÖV 2000, S. 1 ff., 2 f.; Nolte, NVwZ 2000, S. 1135 ff., 1136). Im übrigen würde
eine Beschränkung der Anwendung des Bundes-Bodenschutzgesetzes auf
Tatbestände, die nach dem 01.03.1999 verwirklicht wurden, die Antragstellerin im
Ergebnis nicht von ihrer Sanierungsverantwortlichkeit entlasten, da dann der davor
liegende Zeitraum nicht ”rechtsfrei”, sondern nach dem Hessischen
Altlastengesetz bzw. den davor geltenden Vorschriften des Hessischen
Abfallwirtschafts- und Altlastengesetzes zu behandele wäre - worauf noch
einzugehen sein wird.
Soweit durch § 4 BBodSchG erstmals Sanierungsverantwortlichkeiten begründet
werden, die nach der vor Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes
gegebenen Rechtslage nicht bestanden, stellt sich allerdings die Frage, ob und
inwieweit hier eine verfassungswidrige Rückwirkung vorliegt (vgl. hierzu
insbesondere v.Mutius/Nolte a.a.O., S. 3 f.; Nolte a.a.O., S. 1136; VGH Mannheim,
B.v. 25.10.1999 - 8 S 2407/99 - NVwZ 2000, S. 1199f., 1200; B.v. 11.12.2000 - 10
S 1188/00 – NVwZ 2002, S. 16 sowie zu § 12 Hessisches Altlastengesetz Papier,
DVBl. 1996, S. 125 ff). Dieser Frage braucht im vorliegenden Fall jedoch nicht
weiter nachgegangen werden, weil die Sanierungsverantwortlichkeit der
Rechtsnachfolger der ehemaligen R. GmbH GmbH, Kassel, durch deren Betrieb die
schädlichen Bodenveränderungen bzw. Altlasten verursacht wurden, nicht durch §
4 BBodSchG erstmals eingeführt wurde. Die R. GmbH GmbH, Kassel, wurde durch
Verschmelzungsvertrag und Beschluss der Gesellschafterversammlung, jeweils
vom 14.07.1989, mit der R. GmbH AG, A-Stadt, verschmolzen. Zu diesem
Zeitpunkt galten bereits die in das Hessische Abfallgesetz unter Umbenennung
dieses Gesetzes in Hessisches Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz eingefügten
Vorschriften der §§ 16 bis 24 über Sanierung von Altlasten, die in § 21 Abs. 1 Nr. 1
eine Sanierungsverantwortlichkeit u.a. für Inhaber sowie ehemalige Inhaber ”oder
deren Rechtsnachfolger” von Anlagen auf Altlasten im Sinne des § 16 Abs. 3
vorsehen. Diese Vorschriften sind im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land
Hessen, Teil I (S. 137) vom 13.06.1989 verkündet worden und gemäß Artikel 3 des
Gesetzes am Tage nach der Verkündung, also am 14.06.1989, in Kraft getreten.
Als ”Altlast” galt eine Fläche § 16 Abs. 3 des Gesetzes zwar nur, wenn nach § 18
durch förmliche Behördenentscheidung eine Altlastenfeststellung getroffen worden
war. In Bezug auf die Betriebsgrundstücke der ehemaligen R. GmbH GmbH,
Kassel, ist eine solche Feststellung zwar erst mit Bescheid vom 04.03.1997 erfolgt,
der bisher noch nicht bestandskräftig geworden, sondern mit der seit 06.06. 2003
beim Verwaltungsgericht Kassel anhängigen Klage (Az. 7 E 1266/03) angefochten
ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass seit dem 14.06.1989 eine gesetzliche
Regelung bestand, nach welcher die Rechtsnachfolger der R. GmbH GmbH, Kassel,
zur Sanierung der durch deren Betrieb verursachten Verunreinigungen des Bodens
herangezogen werden konnten, so dass bereits im Zeitpunkt der Verschmelzung
mit der R. GmbH AG die letztgenannte Gesellschaft damit rechnen musste, dass
ihr gegenüber eine Altlastenfeststellung nach § 18 des Hessisches
Abfallwirtschafts- und Altlastengesetzes erging und sodann
Sanierungsmaßnahmen von ihr gefordert wurden. Die Rechtsnachfolgevorschrift
des § 21 Abs. 1Nr. 1. ist sodann inhaltlich unverändert in § 12 Abs. 1 Nr. 1 des
Hessischen Altlastengesetzes vom 20.12.1994 (GVBl. I, S. 764) übernommen
worden, der im Zeitpunkt der am 24.03.1998 erfolgten Verschmelzung der R.
GmbH AG zur Antragstellerin galt und erst durch die Vorschrift des § 4 Abs.
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GmbH AG zur Antragstellerin galt und erst durch die Vorschrift des § 4 Abs.
BBodSchG abgelöst wurde. Eine gesetzlich geregelte Sanierungsverantwortlichkeit
der Rechtsnachfolger der R. GmbH GmbH, Kassel, bestand somit von Anfang an
und wurde nicht etwa erst durch das Bundes-Bodenschutzgesetz begründet, so
dass eine Rückwirkung hier nicht vorliegt.
Die Frage der Rückwirkung stellt sich allerdings auch hinsichtlich der
Verantwortlichkeit des ursprünglichen Verursachers. Sofern und soweit nämlich
das ursächliche Verhalten nicht gegen das im Zeitpunkt der Verursachung einer
schädlichen Bodenveränderung oder Altlast geltende Recht verstieß bzw. das
Bundes-Bodenschutzgesetz gegenüber dem damals geltenden Recht gesteigerte
Anforderungen stellt, würde § 4 BBodSchG bislang nicht bestehende Pflichten
erstmals begründen. Hierzu vertritt der VGH Mannheim in seinem Beschluss vom
29.04.2002 (a.a.O., S. 1261) - offenbar unter Aufgabe seiner noch in den
Beschlüssen vom 25.10.1999 (a.a.O., S. 1200) und 11.12.2000 (a.a.O., S. 16)
geäußerten Bedenken - die Auffassung, das Bundes-Bodenschutzgesetz ziele
weder auf eine verfassungsrechtlich grundsätzlich ausgeschlossene Rückwirkung
belastender Rechtsfolgen, noch seien mit seiner Einführung an in der
Vergangenheit abgeschlossene Tatbestände für die Zukunft neue, verschärfende
Rechtsfolgen geknüpft worden; vielmehr bezögen sich die Bestimmungen auf die
Folgen der Verursachung einer Gefahr oder eines Gefahrenverdachts, die in die
Gegenwart hineinreichten und aktuell Handlungsbedarf begründeten. Die
Rechtsprechung, welche sich in Ermangelung spezialgesetzlicher Regelungen (wie
etwa die zuvor zitierten Bestimmungen des hessischen Altlastenrechts) mit der
Frage befassen musste, ob nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht der
Rechtsnachfolger eines Handlungsstörers, der seinerseits noch nicht durch eine
konkrete Ordnungsverfügung in Anspruch genommen worden war, zur Sanierung
von Altlasten herangezogen werden kann, hat hierzu die Auffassung vertreten,
dass sich die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit (auch des Rechtsnachfolgers)
grundsätzlich nach der Rechtslage beurteilt, die zum Zeitpunkt des vorgeworfenen
Verhaltens galt (vgl. VG Düsseldorf, U.v.06.04.1998 - 8 K 8084/96 - NVwZ 1999, S.
216 f.; OVG Münster, U.v. 30.05.1996 - 20 A 2640/94 - NVwZ 1997, S. 507ff.; VG
Köln, U.v. 14.04.1994 - 14 K 6068/92 - NVwZ 1994, S. 927 ff.). Derjenige, der im
Zeitpunkt der Verursachung rechtmäßig gehandelt hat, wäre somit
möglicherweise bei verfassungskonformer Auslegung des § 4 Abs. 3 BBodSchG
nicht als ”Verursacher” anzusehen. Auch dieser Frage braucht jedoch für die
Entscheidung im vorliegenden Fall nicht weiter nachgegangen zu werden, weil die
bei dem auf einem Grundstück bis 1975 und auf den beiden anderen
Grundstücken bis 1985 andauernden Betrieb durch die R. GmbH GmbH
verursachten Verunreinigungen des Bodens mit LHKW jedenfalls seit Inkrafttreten
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) im Jahre 1974 als schädliche
Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG anzusehen waren. Es
ist weder nach Lage der Akten im Eilverfahren ersichtlich, noch von der
Antragstellerin näher dargetan, dass diese Verunreinigungen etwa nach dem
damaligen Stand der Technik beim Betrieb der Anlagen unvermeidlich (§ 22 Abs. 1
Nrn. 1. und 2. BImSchG) oder aber durch eine den Anlagen ggf. nach BImSchG
oder § 16 Gewerbeordnung erteilte Genehmigung erlaubt waren.
Die nach allem als Gesamtrechtsnachfolgerin grundsätzlich gemäß § 4 Abs. 3 Satz
1 BBodSchG für eine Sanierung der Gewässerverunreinigung verantwortliche
Antragstellerin kann gegen ihre Heranziehung auch nicht mit Erfolg einwenden, der
Antragsgegner habe statt ihrer die nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG
gleichermaßen verantwortlichen Grundstückseigentümer bzw. die
Rechtsnachfolger der Rühl Chemie in Anspruch nehmen müssen und insoweit sein
Ermessen bei der Auswahl des Störers fehlerhaft ausgeübt. Da weder nach dem
Gesetz noch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine Rangfolge unter mehreren
Störern besteht, gibt die Befugnis, auch andere in Anspruch nehmen zu können,
für sich allein keinen Anlass zu Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der
Inanspruchnahme eines bestimmten Störers. Allenfalls könnte sich aus
besonderen Umständen des Einzelfalles heraus ein bestimmter Störer derart
”aufdrängen”, dass seine Verschonung zu Lasten anderer Störer unbillig
erschiene. Vorliegend könnten solche Umstände vor allem dann gegeben sein,
wenn die Schadstofffahne, zu deren Sanierung die Antragstellerin herangezogen
wird, zum weit überwiegenden Teil durch den Betrieb der R. Chemie verursacht
worden wäre und der Betrieb der R. GmbH GmbH hierzu nachweislich nur einen
untergeordneten Beitrag geleistet hätte. Dann erschiene es angemessen, den
Verursacher R. Chemie oder dessen Rechtsnachfolger heranzuziehen bzw. sich -
da hier auf Seiten des Verursachers offenbar niemand mehr greifbar ist (siehe
hierzu die Ausführungen auf S. 21 des Bescheids vom 21.08.2003) - an den
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hierzu die Ausführungen auf S. 21 des Bescheids vom 21.08.2003) - an den
jetzigen Eigentümer des ehemaligen Betriebsgrundstücks, die Deutsche Bahn AG,
zu halten. Der Antragsgegner hat jedoch (S. 22-23) in den Gründen des Bescheids
vom 21.08.2003 schlüssig dargelegt, dass nach den vorliegenden Erkenntnissen
und Messergebnissen der Betrieb der R. GmbH GmbH - im Verhältnis zur R. -
einen geschätzten Anteil von mindestens 50 % verursacht hat, zumal sich auf den
von der R. GmbH GmbH genutzten Grundstücken 3 Kontaminationsschwerpunkte
befinden. Unter diesen Umständen kann die Antragstellerin ihre aus der
Rechtsnachfolge des Verursachers resultierende Verantwortung nicht auf einen
anderen Hauptverursacher abwälzen. Hinsichtlich des Verhältnisses der
Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin des Verursachers zu den jetzigen
Eigentümern der ehemaligen Betriebsgrundstücke der R. GmbH GmbH, nämlich
der Deutschen BP AG bezüglich der Flurstücke 37/2 und 48/9 sowie der Stadt
Kassel bezüglich des Flurstücks 48/8, hat der Antragsgegner in den Gründen des
Bescheids vom 21.08.2003 dargelegt, dass er diese vor allem deshalb nicht
anstelle der Antragstellerin in Anspruch genommen habe, weil die Haftung des
Zustandsstörers aus verfassungsrechtlichen Gründen auf den Wert des
Grundstücks beschränkt sei und überdies die Inanspruchnahme der Stadt Kassel
unberücksichtigt lassen würde, dass der seinerzeit mit der R. GmbH GmbH
geschlossene Pachtvertrag eine Abwälzung der Haftung auf den Pächter vorsehe.
Diese Erwägungen sind sachgerecht und damit frei von Ermessensfehlern.
Darüber hinaus erscheint es hier, wo die Bodenverunreinigungen durch den
Betrieb einer Anlage verursacht wurden, aus dem der Betreiber wirtschaftliche
Vorteile gezogen hat, sachgerecht, den Gesamtrechtsnachfolger des Betreibers,
der diese Vorteile im Zuge der Rechtsnachfolge übernommen hat, vor dem
Grundstückseigentümer heranzuziehen. Für die Heranziehung der Antragstellerin
spricht sodan auch (S. 24 des Bescheids vom 21.08.2003), dass diese im Zuge
der Sanierungsmaßnahmen auf den ehemaligen Betriebsgrundstücken bereits ein
mit der Problematik vertrautes Ingenieurbüro beschäftigt, das die komplexen
Zusammenhänge und die Örtlichkeiten kennt, was eine zügige Abwicklung und in
der Regel auch eine Kostenersparnis erwarten lässt.
Die gegen die somit zu Recht als Sanierungsverantwortliche gemäß § 4 Abs. 3
BBodSchG in Anspruch genommene Antragstellerin ergangene Anordnung findet
ihre Rechtsgrundlage in § 13 BBodSchG. Gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung soll bei
Altlasten, bei denen wegen der Verschiedenartigkeit der nach § 4 erforderlichen
Maßnahmen ein abgestimmtes Vorgehen notwendig ist oder von denen auf Grund
von Art, Ausbreitung oder Menge der Schadstoffe in besonderem Maße schädliche
Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die
Allgemeinheit ausgehen, die zuständige Behörde von einem nach § 4 Abs. 3, 5
und 6 zur Sanierung Verpflichteten die erforderlichen Maßnahmen
(Sanierungsuntersuchungen) sowie die Vorlage eines Sanierungsplanes verlangen.
Im Unterschied dazu sieht § 9 Abs. 2 BBodSchG vor, dass beim Verdacht einer
Altlast oder schädlichen Bodenveränderung zunächst eine Untersuchung zur
Gefährdungsabschätzung angeordnet werden kann. Die mit dem angegriffenen
Bescheid angeordneten Maßnahmen dienen jedoch - entgegen der Auffassung der
Antragstellerin - nicht lediglich der Gefährdungsabschätzung i.S.v. § 9 BBodSchG.
Vielmehr sind die in § 13 Abs. 1 BBodSchG geforderten Voraussetzungen für die
Anordnung einer Sanierungsuntersuchung und die Vorlage eines
Sanierungsplanes gegeben. Aus den im Verwaltungsverfahren gewonnenen
Erkenntnissen geht nämlich bereits hervor, dass im Bereich südlich der Leipziger
Straße eine LHKW-Schadstofffahne existiert, von der eine Gefahr für den einzelnen
oder die Allgemeinheit ausgeht, und diese Schadstofffahne durch den Betrieb der
R. GmbH GmbH maßgebend mitverursacht wurde. Obwohl durch die angeordneten
Maßnahmen auch die Ausbreitung der Schadstofffahne ermittelt werden soll
(wobei es in der Praxis durchaus zu gewissen Überschneidungen des
Anwendungsbereichs der beiden Untersuchungsarten kommen kann - vgl. OVG B-
Stadt, a.a.O., S. 584), liegt der Schwerpunkt der Anordnung eindeutig in der
Ermittlung und Planung der Sanierung dieser Schadstofffahne, die ein
abgestimmtes Vorgehen i.S.v. § 13 Abs. 1, 1. Alternative erfordert. Gemäß § 13
Abs. 2 BBodSchG kann dabei die zuständige Behörde - wie in dem angegriffenen
Bescheid geschehen - auch verlangen, dass die Sanierungsuntersuchungen sowie
der Sanierungsplan von einem Sachverständigen nach § 18 erstellt werden.
Bedenken bestehen sodann auch nicht dagegen, dass der Antragsgegner in den
Gründen des Bescheids vom 21.08.2003 einen Sanierungsschwellenwert als
Sanierungsziel angibt, der mit Rücksicht auf die Hintergrundbelastung in dem -
durch zahlreiche aktive und stillgelegte Industrie- und Gewerbestandorte
geprägten - Stadtteil 100 Mikrogramm LHKW pro Liter betragen soll. Von der
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geprägten - Stadtteil 100 Mikrogramm LHKW pro Liter betragen soll. Von der
Ermächtigung in § 8 Abs. 1 Nr 2. BBodSchG, durch Rechtsverordnung sog.
Maßnahmewerte festzusetzen, bei deren Überschreitung in der Regel von einer
schädlichen Bodenveränderung oder Altlast auszugehen ist und Maßnahmen
erforderlich sind, wurde bisher kein Gebrauch gemacht, so dass der vom
Antragsgegner vorgenommene Verweis auf die Verwaltungsvorschrift zu § 77
Hessisches Wassergesetz, nicht zuletzt im Hinblick auf die in § 4 Abs. 4 Satz 3
BBodSchG enthaltene Verweisung auf das Wasserrecht, sachgemäß erscheint.
Nach dieser Verwaltungsvorschrift werden Sanierungsmaßnahmen in der Regel bei
Überschreiten eines Orientierungswertes von 50 Mikrogramm LHKW/l ausgelöst.
Diesen Wert hat der Antragsgegner im Hinblick auf die Hintergrundbelastung des
Stadtteils verdoppelt und verweist hierzu in den Gründen des Bescheids vom
21.08.2003 (S.17) darauf, dass der Wert von 100 Mikrogramm LHKW/l auf der
Auswertung von über 10-jährigen Messungen an ca. 400 Grundwassermessstellen
im gesamten Stadtteil beruht. Das mit 100 Mikrogramm LHKW/l angegebene
Sanierungsziel führt, entgegen der Auffassung der Antragstellerin, nicht etwa
dazu, dass die Antragstellerin die Hintergrundbelastung des gesamten Stadtteils
sanieren soll. Zum einen ist es nicht ersichtlich, dass etwa das gesamte
Grundwasser des Stadtteils Bettenhausen höher als 100 Mikrogramm/l mit LHKW
belastete wäre, vielmehr sind an Messstellen außerhalb der Schadstofffahne auch
niedrigere Werte gemessen worden. Zum anderen liegen die Werte in dem für eine
Sanierung infrage kommenden Bereich über der Sanierungsschwelle von 100
Mikrogramm LHKW/l, so dass eine Reduzierung auf diesen Schwellenwert die
Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit mindert und damit sinnvoll
erscheint.
Nach allem sind somit ernstliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des
angegriffenen Bescheids vom 21.08.2003 nicht ersichtlich, wobei es der
erkennenden Kammer allerdings nicht völlig ausgeschlossen erscheint, dass sich
im Hauptsacheverfahren durch weitere tatsächliche Erkenntnisse oder
gutachterliche Äußerungen der entscheidungserhebliche Sachverhalt (teilweise)
anders darstellt. Eine bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens
vorzunehmende Interessenabwägung fällt jedoch auch zu Ungunsten der
Antragstellerin aus. Das Gericht folgt hier der vom VGH Mannheim in dem zitierten
Beschluss vom 03.09.2002 (a.a.O., S. 103 f.; vgl. auch B.v. 29.04.2002, a.a.O., S.
1261) vorgenommen Interessenabwägung, wonach dann, wenn feststeht, dass der
Boden eines Grundstücks mit gesundheitsgefährdenden Stoffen durchsetzt ist und
diese auch zu einer Verunreinigung des Grundwassers geführt haben, dem
Interesse des Gemeinwesens, möglichst rasch die Ursachen und das Ausmaß der
Verunreinigungen zu erkunden und die Möglichkeiten einer Sanierung zu klären,
besonders großes Gewicht zukommt und das Interesse einer als Verursacher
herangezogenen Person, von den Kosten bestimmter Erkundungsmaßnahmen so
lange verschont zu bleiben, bis ihre Verantwortlichkeit sowie die Zweck- und
Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen abschließend geklärt sind,
demgegenüber regelmäßig weniger schwer wiegt. Dies soll jedenfalls dann gelten,
wenn die zu erwartenden Kosten nicht so hoch sind, dass die gesamte
wirtschaftliche Existenz des Betroffenen als ernstlich gefährdet anzusehen ist.
Hinzu kommt, dass der Betroffene im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache
von der Behörde im Wege der Folgenbeseitigung (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO)
die Erstattung der ihm aus der Befolgung der Anordnung erwachsenden Kosten
beanspruchen kann - worauf der VGH Mannheim (a.a.O., S. 104) ebenfalls hinweist
-, so dass sein Interesse, vom Sofortvollzug verschont zu bleiben, letztlich nur in
dem Risiko besteht, die Kosten für eine möglicherweise rechtswidrige Anordnung
bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorhalten zu müssen. Diese
Überlegungen treffen in vollem Umfang auch auf den vorliegenden Fall zu.
Anhaltspunkte dafür, dass ein Aufbringen und Vorhalten der vom Antragsgegner
mit € 16.400,- veranschlagten Kosten die gesamte wirtschaftliche Existenz der
Antragstellerin ernstlich gefährden würde, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin weist der vorliegende Fall auch keine
Besonderheiten auf, die zu dem Ergebnis führen würden, dass - abweichend von
der vom VGH Mannheim vorgenommen Wertung - ein öffentliches Interesse an der
alsbaldigen Durchführung der im angegriffenen Bescheid angeordneten
Maßnahmen überhaupt nicht besteht bzw. äußerst geringfügig ist. Insbesondere
bietet der Umstand, dass der Antragsgegner den Widerspruch gegen den
Altlastenfeststellungsbescheid vom 04.03.1997 erst am 09.05.2003 beschieden
hat, keinen Anlass zu der Annahme, die Sanierung der Schadstofffahne sei nicht
eilbedürftig. Vielmehr erscheint es gerade deshalb, weil die Schadstofffahne sich
im Laufe der Jahre nach Norden fortbewegt und ausgebreitet hat und nunmehr
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im Laufe der Jahre nach Norden fortbewegt und ausgebreitet hat und nunmehr
ihre Ausbreitung bis zur Fulda und den im Hafenbereich gelegenen Kleingärten
droht, geboten, ihre Sanierung alsbald in Angriff zu nehmen und dabei als ersten
Schritt einen Sanierungsplan zu erstellen. Sodann bestand ein sachlicher Grund
für die lange Dauer des Widerspruchsverfahrens darin, dass die Antragstellerin
bzw. ihre Rechtsvorgängerin zunächst die Bereitschaft signalisiert hatten, freiwillig
zur Sanierung der Schadstofffahne beizutragen, sofern sich die Firma R. bzw.
deren Rechtsnachfolger hieran beteiligen würden. Das Widerspruchsverfahren
wurde dann fortgesetzt und zum Abschluss gebracht, als feststand, dass eine
Beteiligung seitens der Rühl Chemie nicht erfolgen werde. Im übrigen haben die im
Zeitraum von 1997 bis in die Gegenwart vorgenommenen Messungen und
Beobachtungen weitere Erkenntnisse über die Ausbreitung der Schadstofffahne in
Richtung Fulda und Kleingärten ergeben, aus denen hervorgeht, dass ihre
Sanierung nunmehr ohne weitere Verzögerung in Angriff genommen werden
muss.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist daher mit der Kostenfolge des § 154
Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs.
1, 20 Abs. 3 GKG, wobei für das Eilverfahren der Streitwert auf die Hälfte der für die
angeordneten Maßnahmen zu erwartenden Kosten, mithin mit € 8.200,-,
festgesetzt wird (vgl. auch insoweit VGH Mannheim, B.v. 03.09.2002, a.a.O., S.
103, 107).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.