Urteil des VG Kassel vom 19.01.2010

VG Kassel: öffentliches interesse, wasserrecht, bewässerung, widerruf, bach, stadt, altes recht, zustand, wiese, eigentümer

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Gericht:
VG Kassel 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 K 1511/07.KS
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 15 Abs 4 S 2 Nr 1 WHG
Widerruf eines Wiesenbewässerungsrechts
Leitsatz
Wenn nach einem Wasserrecht die Wasserentnahme aus einem fließenden Gewässer
zur Wiesenbewässerung nur mit Hilfe von Stauschleusen erfolgen darf und die
Berechtigten nach einem Rezess, der den Inhalt des Wasserrechts regelt, verpflichtet
sind, die Stauschleusen in einem funktionsfähigen Zustand zu erhalten, dann liegt eine
Nicht-Ausübung des Rechts i. S. v. § 15 Abs. 4, Satz 2 Nr. 1. WHG auch dann vor, wenn
die Berechtigten zwar gelegentlich Wasser zur Bewässerung ihrer Wiesen entnehmen,
dies aber durch einen wilden Stau tun und die Stauschleusen jahrzehntelang
verwahrlosen lassen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten vorläufig vollstreckbar. Die
Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, falls der Beklagte nicht Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des Wiesengrundstücks Flur 2, Flurstück 19/2 im
Außenbereich der Gemarkung S-Stadt in der Gemeinde A-Stadt. Das Grundstück
grenzt im Norden an die Bundesstraße …, im Süden an das fließende öffentliche
Gewässer XY und im Osten an den C-Bach, der in einer Röhre unter dem
Straßendamm der Bundesstraße hindurchgeführt wird, dort an der Nordostecke
des Grundstücks austritt und an seiner Südostecke in die XY mündet.
U. a. zu Gunsten dieses Grundstücks wurde am 10.04.1973 durch den
Regierungspräsidenten in Kassel in das Wasserbuch für das Niederschlagsgebiet
D-F-Stadt unter Blatt-Nr. A 1c/ 284 ein Wiesenbewässerungsrecht eingetragen. Es
handelte sich um ein altes Recht, welches bereits vor 1914 ausgeübt und sodann
in einem Rezess vom 09.03.1927 näher geregelt und 1936 in das Wasserbuch des
Regierungspräsidenten eingetragen worden war. Es verlieh den Eigentümern von
Wiesengrundstücken entlang der XY sowie entlang des C-Bach das Recht, das
gesamte Wasser des C-Bach durch wilden Stau an zwei näher bezeichneten
Stellen nördlich der Bundesstraße sowie das gesamte Wasser der XY an drei näher
bezeichneten Stellen durch ortsfeste Stauschleusen aufzustauen und mittels
Bewässerungsgräben abzuleiten, um es zur Bewässerung der Wiesengrundstücke
zu gebrauchen und teilweise zu verbrauchen. Das Stau- und Bewässerungsrecht
durften die Berechtigten bei Hochwasser unbeschränkt und im Übrigen an
Sonntagen und bei überschüssigem, für den Mühlenbetrieb entbehrlichen Wasser
an einzelnen Wochentagen ausüben. Die drei Stauschleusen an der Aula bestehen
jeweils aus senkrechten Stein- bzw. Betonmauern an beiden Seiten des Bachufers
und einer zwischen diesen Mauern quer durch die Sohle des Bachbetts
verlaufenden Betonschwelle. In die beiden Ufermauern und - bei zwei
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verlaufenden Betonschwelle. In die beiden Ufermauern und - bei zwei
Stauschleusen auch in die Betonschwelle in der Mitte des Bachbetts - sind jeweils
senkrechte Eisenschienen eingelassen. Zwischen diesen Schienen befinden bzw.
befanden sich Bretter, die - von den Schienen geführt - auf und ab bewegt werden
konnten, so dass auf diese Weise der Stau hergestellt und reguliert werden
konnte.
Mit Schreiben vom 02.02.1993 teilte die Gemeinde A-Stadt der unteren
Wasserbehörde beim Landrat des E-Stadt mit, dass das bei Flurstück 79/1
errichtete Stauwehr seit mindestens 15 Jahren nicht mehr benutzt und nicht mehr
unterhalten werde. Zum Ärgernis der angrenzenden Grundstücke staue sich bei
starkem Wasseranfall die XY, weil Äste vor dem Wehr festhingen. Das Hindernis
müsse umgehend beseitigt werden. Die untere Wasserbehörde versuchte
daraufhin Ende 1993 und Anfang 1994, die Berechtigten zum Verzicht auf das
Wasserrecht zu bewegen, indem als Alternative die Wasserentnahme mittels einer
Schlepperpumpe angeboten wurde. Es kam jedoch zunächst zu keiner
einvernehmlichen Lösung. Im Frühjahr 2002 entfernte die Gemeinde A-Stadt in
Absprache mit der unteren Wasserbehörde an dem oberen Wehr (bei Flurstück 35)
die restlichen Eisenschienen, so dass von diesem Wehr seitdem nur noch das
Mauerwerk und die Betonschwelle vorhanden sind. An dieser Stelle staute in 2003
der Eigentümer der Wiesengrundstücke 15/2 und 16/2 (Kläger im Verfahren 7 K
1529/07.KS) die XY vollständig auf, indem er quer über den Bachlauf Bretter vor
das Mauerwerk legte. Außerdem hob er entlang der Bundesstraße einen
Bewässerungsgraben von der Staustelle bis zu seinem Grundstück 15/2 aus. Bei
einer Ortsbesichtigung durch Vertreter des Staatlichen Umweltamts Kassel am
07.10.2003 wurde festgestellt, dass das mittlere Wehr (bei Flurstück 42) zwar noch
vorhanden, aber nicht mehr funktionsfähig sei. Der mittlere Eisenträger sei nahezu
vollständig durchgerostet. Die hölzernen Wellen (zum Bewegen der Schützbretter)
seien verfault. Die bauliche Substanz des Mauerwerkes sei durch erhebliche
Einwurzelungen stark in Mitleidenschaft gezogen. An der unteren Stauschleuse
(bei Flurstück 14) seien alle beweglichen Einrichtungen der Stauanlage vollständig
funktionsunfähig. Die noch vorhandenen seitlichen Sandsteinmauern seien in ihrer
baulichen Substanz erheblich geschädigt und einsturzgefährdet.
Bewässerungsgräben seien bei allen drei Staueinrichtungen in der Örtlichkeit nicht
vorhanden gewesen. Fotos, welche die Klägerseite am 09. bzw. 10.01.2010
gefertigt und zu den Gerichtsakten gereicht hat, zeigen, dass bei dem mittleren
Wehr die drei Eisenschienen noch vorhanden sind, ebenso die hölzernen Wellen
zum Bewegen der Schützbretter, die jedoch nicht mehr funktionsfähig sind. An
einer Seite hängen an der Welle noch einige Bretter. Bei dem unteren Wehr sind -
abgesehen von dem Mauerwerk - nur noch die Eisenschienen vorhanden, die
jedoch beide in Höhe der Oberkante des Mauerwerks seitlich abgeknickt sind.
Nachdem die Zuständigkeit hierfür auf das Regierungspräsidium als obere
Wasserbehörde übergegangen war, wurde dort ein Verfahren auf Widerruf des
Wasserrechts eingeleitet. Hierzu wurden die Berechtigten zunächst mit Schreiben
vom 05.03.2004 angehört. Darauf äußerten sich mehrere Berechtigte - darunter
auch die Kläger - dahin gehend, dass das Bewässerungsrecht in der
Vergangenheit in trockenen Sommern immer wieder ausgeübt worden sei und
auch künftig in trockenen Sommern für die Futtergewinnung nötig sei. Ein Stau
könne an den Stauschleusen bei Bedarf auch durch Einlegen von Holzbohlen
erfolgen. Es fanden noch Ortstermine mit den Berechtigten am 07.10. und
25.11.2004 statt. In der Folgezeit verzichteten bis auf die Kläger, die Eigentümer
der Flurstücke 15/2 und 16/2 (Kläger im Verfahren 7 K 1529/07.KS) und einen
weiteren Eigentümer alle übrigen Berechtigten auf das Wasserrecht. Mit Schreiben
vom 14.11.2006 wurden die Kläger nochmals zu dem beabsichtigten Widerruf
angehört.
Mit gleichlautenden Bescheiden an beide Kläger vom 27.09.2007 widerrief der
Beklagte das im Wasserbuch für das Niederschlagsgebiet D-F-Stadt unter Blatt-Nr.
A lc/ 284 zu Gunsten der Kläger eingetragene Wiesenbewässerungsrecht. Zur
Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass gemäß § 15 Abs. 4, Satz 2 Nr. 1.
Wasserhaushaltsgesetz (WHG) alte Rechte und Befugnisse entschädigungslos
widerrufen werden könnten, wenn der Unternehmer die Benutzung drei Jahre
ununterbrochen nicht mehr ausgeübt habe. Das Wiesenbewässerungsrecht werde
mindestens seit 1993 nicht mehr ausgeübt. Aufgrund der nicht mehr vorhandenen
Bewässerungsgräben und der nicht mehr vorhandenen bzw. nicht mehr
funktionstüchtigen Stauanlagen sei die Ausübung des Rechts auch praktisch nicht
möglich. Die Aufhebung des Rechts bedeute keinen schweren Eingriff in die Rechte
der Kläger, weil das Wiesenbewässerungsrecht auf Grund des Zustandes der
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der Kläger, weil das Wiesenbewässerungsrecht auf Grund des Zustandes der
Anlagen nicht mehr ausgeübt werden könne und erhebliche Investitionen
erforderlich seien, die Anlagen wieder in einen funktionsfähigen Zustand zu
versetzen. Es werde nicht verkannt, dass das alte Recht auch einen ideellen Wert
für die Kläger habe. Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes sei das
Wiesenbewässerungsrecht jedoch dadurch, dass es wirtschaftlich nicht mehr
genutzt werden könne, für die Inhaber im wahrsten Sinne des Wortes nutzlos
geworden. Aus diesem Grund könne bei der Abwägung des Interesses der Kläger
an der Aufrechterhaltung des Wiesenbewässerungsrechts mit dem öffentlichen
Interesse am Widerruf des Rechts dem Erhaltungsinteresse kein hohes Gewicht
beigemessen werden. Am Widerruf bestehe ein öffentliches Interesse; hierfür
genüge es, dass die allgemeine öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung für das
betreffende Gewässer wiederhergestellt werden solle. Die Entscheidung stehe im
Einklang mit dem wasserrechtlichen Grundsatz, dass „Vorratsrechte" nicht
eingeräumt bzw. aufrechterhalten werden sollten. Durch die Möglichkeit, die
Durchgängigkeit der Aula an den betroffenen Stauwehren wieder herzustellen,
werde den Grundsätzen des Wasserhaushaltsgesetzes und den Forderungen der
Wasserrahmenrichtlinie Rechnung getragen.
Gegen die Bescheide haben die Kläger am 22.10.2007 beim Verwaltungsgericht
Kassel Klage erhoben, zu deren Begründung sie u. a. folgendes vortragen:
Die Bewässerung erfolge von Fall zu Fall bei Bedarf in sehr trockenen Sommern.
Dabei könne es dazu kommen, dass mehrere Jahre hintereinander die Wehre nicht
genutzt würden. Sie könnten aber bei Bedarf sofort wieder instandgesetzt bzw. -
wie das obere Wehr - kurzfristig für einen vorübergehenden Stau genutzt werden.
Dies sei z. B. in 2003, aber zuletzt auch während der Trockenperiode im Sommer
2009, geschehen. Eine solche Bewässerung in Trockenperioden, sei für den -
inzwischen von ihren Kindern geführten - landwirtschaftlichen Betrieb mit
Milchviehhaltung unverzichtbar, da man hier auf frisches Grünfutter angewiesen
sei. Im übrigen habe der Sohn der Kläger in 2005 die Bereitschaft bekundet, die
Wehre wieder instandzusetzen; ihm sei jedoch von einer Mitarbeiterin der oberen
Wasserbehörde gesagt worden, dass dies nicht möglich sei. Man könne den
Klägern auch nicht ein Fehlen der Bewässerungsgräben entgegenhalten. Diese
Gräben seien eher flache Mulden gewesen, da tiefe Gräben die Bewirtschaftung
des Grünlandes behinderten und auch bei flachen Gräben ein ausreichendes
Eindringen des Wassers in die Wiese gewährleistet sei. Ggf. könne man wegen des
besseren Durchflusses in die Mulde mit dem Pflug eine Furche ziehen. Sodann
erfolge die Bewässerung durch den am Nordrand der Wiesen verlaufenden
Seitengraben der Bundesstraße. Im Übrigen erfolge eine Bewässerung des
Wiesengrundstücks der Kläger auch durch den C-Bach, der zu diesem Zweck
unmittelbar hinter seinem Austritt aus dem Durchlass unter der Bundesstraße wild
aufgestaut werde, so dass das Wasser seitlich auf die Wiese fließe.
Die Kläger beantragen,
die Bescheide des Beklagten vom 27.09.2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Gründe der angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend
vor, dass das Wasserrecht in früheren Zeiten weniger der Bewässerung, sondern in
erster Linie der Düngung der Wiese gedient habe. Diese Funktion sei jedoch durch
den Bau von Kläranlagen - u. a. auch für die Ortslage von S-Stadt - entfallen. Er
weist sodann darauf hin, dass den Interessen der Kläger, die Wiese bei Bedarf in
Trockenperioden zur Grünfuttergewinnung zu bewässern, dadurch Rechnung
getragen werden könne, dass eine Grundwasserentnahme bis zu 3.600 cm
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Jahr bedenkenlos möglich und erlaubnisfrei sei und darüber hinaus die Möglichkeit
bestehe, eine wasserrechtliche Erlaubnis für eine Entnahme per Pumpe zu
beantragen. Sodann müsse aus gewässerökologischer Sicht immer ein
Mindestabfluss von 40 l/s in der XY verbleiben, was bei dem z. B. in 2003 und 2009
praktizierten wilden Stau nicht gewährleistet sei.
Mit Beschluss vom 03.12.2009 wurde der Rechtsstreit gem. § 6 Abs. 1 VwGO dem
Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten sowie zur Ergänzung des
Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, einschließlich der
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Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, einschließlich der
Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 12.01.2010, verwiesen sowie auf
den Inhalt der Wasserbuchakten des Regierungspräsidiums Kassel (1 Band W Nr.
D-F-Stadt A 1c/283/284/285, 279 Bl. sowie 3 Bände W Nr. 452, 453, 454
Ziegenhain, 20 Bl., 31 Bl., 17 Bl.), die zum Verfahren beigezogen wurden und zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind
rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Gemäß § 15 Abs. 4, Satz 2 Nr. 1. Wasserhaushaltsgesetz (WHG) können alte
Rechte und Befugnisse ohne Entschädigung widerrufen werden, wenn der
Unternehmer die Benutzung drei Jahre ununterbrochen nicht mehr ausgeübt hat.
Die Kläger bewässern ihr Wiesengrundstück bei Bedarf in sehr trockenen Sommern
und räumen selbst ein, dass es dabei dazu kommen könne, dass mehrere Jahre
hintereinander das Bewässerungsrecht nicht ausgeübt werde. Das Gericht hält es
jedoch nicht für erforderlich, Beweis darüber zu erheben, wann in den vergangenen
Jahren konkret das Bewässerungsrecht ausgeübt wurde, und ob es dabei Pausen
von 3 Jahren gegeben hat, in denen das Recht nicht ausgeübt, und somit der
Tatbestand des § 15 Abs. 4, Satz 2 Nr. 1. WHG verwirklicht wurde. Denn der
Tatbestand der Nichtausübung ist auch dadurch erfüllt, dass die drei
Stauschleusen mindestens seit 1993 nicht mehr unterhalten werden, sondern
dem Verfall preisgegeben sind. In § 10 - „Wiesenbewässerung“- des Rezesses vom
09.03.1927, welcher Regelungen zum Inhalt des Wasserrechts trifft, heißt es: „Die
vorhandenen Stauschleusen und Stauvorrichtungen sind von den Beteiligten in
ordnungsmäßigen Zustand zu versetzen und in solchem zu erhalten.“ Sodann
darf nach § 10 des Rezesses und nach dem Inhalt der Wasserbucheintragung aus
der XY Wasser nur mit Hilfe der Stauschleusen entnommen werden - d. h. mit Hilfe
von Einrichtungen, durch die, wenn sie sich in einem funktionsfähigen Zustand
befinden, der Wasserstand und der verbleibende Wasserdurchfluss der XY jederzeit
reguliert werden kann. Nach allem gehört zum „Ausüben“ des Wasserrechts auch
die laufende Unterhaltung und Überwachung der Stauschleusen - u. a. die
regelmäßige Entfernung von Schwemmgut, welches an den Stauschleusen
anlandet.
Wenn die Kläger dem entgegenhalten, dass sie jederzeit bereit seien, die
Stauschleusen wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen, falls
ihnen das Wasserrecht belassen werde, so verkehren sie Ursache und Wirkung.
Denn die Schleusen befanden sich in einem verwahrlosten Zustand, lange bevor
das Verfahren auf Widerruf des Wasserrechts eingeleitet und der Widerruf verfügt
wurde. Um das Wasserrecht ausüben zu können, waren die Inhaber des
Wasserrechts jedoch in all’ diesen Jahren nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet,
die Stauschleusen in einem funktionsfähigen Zustand zu unterhalten. Dass eine
Mitarbeiterin der oberen Wasserbehörde dem Sohn des Klägers in 2005 gesagt
haben soll, dies sei „nicht möglich“, erscheint deshalb nicht nachvollziehbar und
erklärt vor allem nicht die bis dahin bereits jahrelang bestehende Untätigkeit. Den
wahren Grund hierfür hat die Klägerseite vielmehr in der mündlichen Verhandlung
angedeutet, dass nämlich angesichts der Vielzahl der Berechtigten und deren
unterschiedlicher Interessen (schließlich haben die meisten von ihnen am Ende auf
das Wasserrecht verzichtet) eine funktionierende Handhabung des Unterhalts der
Anlagen - und vor allem deren gemeinschaftliche Finanzierung - nicht zustande
gekommen sei. Insoweit müssen sich die Kläger das Desinteresse und die
Untätigkeit der übrigen Berechtigten zurechnen lassen. Schließlich hat es sich
auch für die Kläger und diejenigen Berechtigten, die außer ihnen noch Interesse an
einer Bewässerung ihrer Wiesen hatten, offenbar nicht gelohnt, dafür die
Stauschleusen zu unterhalten. Vielmehr haben sie - wie jedenfalls in 2003 und
2009 geschehen - die gelegentlich notwendige Bewässerung durch einen wilden
Stau vorgenommen. Ein solcher wilder Stau ist jedoch durch das Wasserrecht nicht
gedeckt, selbst wenn er am Ort einer Stauschleuse geschieht und sich deren noch
vorhandene Reste zunutze macht. Denn er erfolgt nicht durch eine funktionsfähige
und vor allem regulierbare Anlage.
Ebenso ist die von den Klägern praktizierte Entnahme von Wasser aus dem C-Bach
zur Bewässerung ihres Wiesengrundstücks nicht von dem entzogenen Wasserrecht
gedeckt. Denn dieses erlaubt nur den Stau des C-Bach an zwei näher
bezeichneten Stellen oberhalb der Bundesstraße, wogegen die Kläger das Wasser
unterhalb der Bundesstraße in Höhe ihres Wiesengrundstücks entnehmen (eine
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unterhalb der Bundesstraße in Höhe ihres Wiesengrundstücks entnehmen (eine
Entnahme an den im Wasserbuch bezeichneten Stellen würde den Klägern
ohnehin nichts nützen, weil wegen der dazwischen verlaufenden Bundesstraße von
dort kein Wasser auf ihr Grundstück gelangen kann). Deshalb hat das Gericht auch
im Zusammenhang mit § 15 Abs. 4, Satz 2 Nr. 1. WHG nicht weiter aufgeklärt, ob
und in welchem Umfang die Wasserentnahme aus dem C-Bach in der
Vergangenheit noch praktiziert wurde, weil die Kläger vom Widerruf des
Wasserrechts nicht betroffen sind, soweit es die Wasserentnahme aus dem C-Bach
zum Inhalt hat.
Der Beklagte hat auch nicht ermessensfehlerhaft gehandelt, indem er das
Wasserrecht widerrief, obwohl die Kläger nach ihrem unstreitigen Vortrag in
Trockenperioden darauf angewiesen sind, die Wiese zu bewässern, um Grünfutter
für die Viehhaltung in ihrer Landwirtschaft bereitstellen zu können. Allerdings liegt
es im Ermessen der Wasserbehörde, trotz der langjährigen Nichtausübung der
Benutzung vom Widerruf eines alten Rechts abzusehen, wenn in absehbarer Zeit
mit der Wiederaufnahme der Benutzung zu rechnen ist (HessVGH, B. v.
13.10.1994 - 7 UE 1982/91 - juris; BVerwG, B. v. 29.11.1993 - 7 B 114.93 - NVwZ
1994, S. 783 f. = juris). Dies heißt aber nicht, dass die Wasserbehörde in solchen
Fällen dazu verpflichtet ist. Sie hat vielmehr auch dort, wo ein Interesse an der
weiteren Ausübung besteht, privates und öffentliches Interesse gegeneinander
abzuwägen - wobei es für das Bestehen eines öffentlichen Interesses bereits
genügt, dass der Wasserschatz wieder uneingeschränkt für die Allgemeinheit
nutzbar gemacht und auf diese Weise die allgemeine öffentlich-rechtliche
Benutzungsordnung für das betreffende Gewässer wiederhergestellt werden soll
(vgl. die zitierten Entscheidungen des HessVGH und des BVerwG, a.a.O.). Darüber
hinaus besteht vorliegend ein konkretes öffentliches Interesse an der Beseitigung
der verwahrlosten Stauanlagen, die ein Abflusshindernis darstellen. Andererseits
haben die Kläger ihr Wasserrecht in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht
so ausgeübt, wie es seinem Inhalt entsprach - nämlich durch die Wasserentnahme
mittels funktionsfähiger und ordnungsgemäß unterhaltener und gewarteter
Stauschleusen. Dies war ihnen wegen mangelnder Funktionsfähigkeit der
Stauschleusen auch gar nicht möglich. Vielmehr haben sie die gelegentlich
notwendige Bewässerung ihrer Wiesen durch wilde Staus der XY und des C-Bach
vorgenommen. Damit haben sie zum Ausdruck gebracht, dass sie an der
Ausübung eines Wasserrechts mit dem zuvor beschriebenen Inhalt kein Interesse
haben. Sodann kann ihrem durchaus berechtigten Interesse, ihre Wiese für eine
bestimmungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung gelegentlich zu bewässern,
dadurch Rechnung getragen werden, dass sie eine wasserrechtliche Erlaubnis zur
Wasserentnahme aus der XY bzw. dem C-Bach mittels einer Pumpe beantragen
(was bei einem anderen Berechtigten, der sodann auf das Wasserrecht verzichtet
hat, erfolgt ist und den Klägern im Vorfeld des Widerrufs auch angeboten wurde).
Nach allem ist die Klage abzuweisen, und die Kläger tragen gemäß § 154 Abs. 1
VwGO die Kosten des Verfahrens, weil sie unterlegen sind. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus §§
167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.217,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
Für den Widerruf des Wasserrechts war mangels näherer Anhaltspunkte für die
Bewertung des Klägerinteresses gemäß § 52 Abs. 2 GKG der Auffangstreitwert
festzusetzen. Hinzu kommen gemäß § 52 Abs. 3 GKG die für den Erlass des
Bescheids festgesetzten Verwaltungskosten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.