Urteil des VG Karlsruhe vom 24.05.2013

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VG Karlsruhe Beschluß vom 24.5.2013, PL 12 K 3657/12
Kein Mitbestimmungsrecht bei der Eingruppierung nichthabilitierter
Akademischer Mitarbeiter
Leitsätze
Zum Begriff des "nichthabilitierten Akademischen Mitarbeiters an Forschungsstätten"
gem. § 94 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 LPVG
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe
I.
1
Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Verletzung seines
Mitbestimmungsrechts gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 2 und 3 LPVG aus Anlass der
Eingruppierung bzw. Einstellung und Eingruppierung eines Mitarbeiters der
weiteren Beteiligten. Der Antragsteller ist der Personalrat des xxx in xxx (im
Folgenden: xxx).
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Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 13.12.2012 - eingegangen
beim Verwaltungsgericht am 14.12.2012 - hat der Antragsteller ein
personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren eingeleitet. Er beantragt
zuletzt,
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1. festzustellen, dass die weitere Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des
Antragstellers verletzt, indem sie bei dem Mitarbeiter xxx eine übertarifliche
Eingruppierung vornimmt, ohne dass der Antragsteller dem zugestimmt hat
oder die Zustimmung des Antragstellers ersetzt wurde.
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2. festzustellen, dass die weitere Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des
Antragstellers aus § 75 Abs. 1 Nr. 3 LPVG verletzt hat, indem sie die
Einstellung und Eingruppierung des Mitarbeiters xxx dem Antragsteller nicht
zur Mitbestimmung vorgelegt hat.
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Zur Begründung trägt der Antragsteller vor:
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Der Mitarbeiter xxx sei im Jahr 2009 als Mitarbeiter im Medizincontrolling
eingestellt und in den Tarifvertrag für Ärzte (TV-Ä) eingruppiert worden. Er sei Arzt.
Sowohl die Einstellung als auch die Eingruppierung seien dem Personalrat nicht
zur Mitbestimmung vorgelegt worden, was einen Verstoß gegen § 75 LPVG
darstelle, da Herr xxx zu keiner Zeit in der Patientenversorgung eingesetzt worden
sei, sondern sich im Bereich des Medizincontrollings betätige. Seine Aufgabe sei
die Abrechnungsprüfung. Damit sei Herr xxx ein ganz normaler Mitarbeiter der
Verwaltung. § 94 LPVG finde auf seine Person keine Anwendung.
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Nachdem er (Antragsteller) im September 2012 Einblick in die Bruttolohn- und
Gehaltslisten genommen habe, habe er festgestellt, dass der Mitarbeiter xxx als
Oberarzt in Vergütungsgruppe Ä 3 des TV-Ä eingruppiert sei und eine Zielvorgabe
erhalten habe, bei deren Erreichen er einen Zielbonus in Höhe von 9.000,00 EUR
erhalten solle. Der Vorgang sei dem Personalrat nicht zur Zustimmung vorgelegt
worden, so dass ein Verstoß gegen das entsprechende Mitbestimmungsrecht
vorliege.
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Anlässlich einer weiteren Einsichtnahme in die Bruttolohn- und Gehaltslisten im
November 2012 habe er (Antragsteller) feststellen müssen, dass Herr xxx
zwischenzeitlich nicht mehr als Oberarzt vergütet werde, sondern einen sog. AT-
Vertrag zuzüglich einer Zielvorgabe mit einem Bonus in Höhe von 11.000,00 EUR
vereinbart habe. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Mitarbeiter xxx eine
übertarifliche Vergütung erhalte. Da er Mitarbeiter der Verwaltung sei, wäre die
übertarifliche Eingruppierung ihm (Antragsteller) gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 3 LPVG
zur Mitbestimmung vorzulegen gewesen. Dies sei nicht erfolgt. Die weitere
Beteiligte weigere sich, die Eingruppierung nachzuholen.
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Die weitere Beteiligte hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom
07.02.2013 beantragt,
10 den Antrag abzulehnen.
11 Sie trägt zur Begründung vor:
12 Der Mitarbeiter xxx sei weder Mitarbeiter der Verwaltung noch sei er übertariflich
eingruppiert. Herr xxx sei Leiter der Abteilungen Medizincontrolling,
Patientenmanagement und Qualitätsmanagement sowie zentrales
Projektmanagement. In dieser Tätigkeit sei er wissenschaftlich im Rahmen eines
von der DGPPN geförderten Projektes in Bereich Versorgungsforschung tätig. Die
von ihm verantworteten Datenerhebungen im Rahmen der Einführung des neuen
Entgeltsystems in der Psychiatrie dienten gleichermaßen wissenschaftlichen
Zwecken unter anderem mit dem Ziel, Qualitätsindikatoren in der Psychiatrie zu
entwickeln, aber auch für andere wissenschaftliche Projekte der weiteren
Beteiligten im Bereich der Therapieforschung. Herr xxx sei vom
Universitätsklinikum Heidelberg zur weiteren Beteiligten gekommen, er sei dort
auch als Arzt eingruppiert gewesen und seine Aufgabe habe in der
stellvertretenden Leitung des Medizincontrollings bestanden. Herr xxx sei
Beauftragter des Vorstandes der weiteren Beteiligten für das ärztliche
Qualitätsmanagement. Hierzu habe der Vorstandsvorsitzende des xxx Herrn xxx
auch als Ansprechpartner bei der Qualitätssicherungsstelle GeQiK benannt. Des
weiteren sei Herr xxx Beauftragter des Vorstandes für die Krankenhaushygiene
und koordiniere in dieser Funktion den Hygienebeauftragten - Arzt und die
Hygienefachkraft. Die Erfüllung dieser Tätigkeiten erfordere zwingend die
Qualifikation als Arzt. Darüber hinaus sei Herr xxx auch unmittelbar ärztlich tätig
und arbeite an seiner Promotion. Er sei auch in der Lehre tätig und führe
Weiterbildungsveranstaltungen durch, die von der Bundesärztekammer anerkannt
und mit Fortbildungspunkten ausgewiesen seien. Herr xxx sei ferner zuständig für
die Projektplanung Austrittsmanagement. Das Entlassmanagement sei
verpflichtender Bestandteil der Krankenhausbehandlung und müsse von allen
Krankenhäusern etabliert werden. Auch dies sei eine ärztliche Aufgabe. Im
Rahmen seiner Tätigkeit als Leiter Qualitätsmanagement sei Herr xxx
verantwortlich für die Entwicklung und Etablierung von medizinischen Standards,
wie z.B. dem Entlassmanagement und insbesondere auch dem MRSA-Standard.
Zu seinen ärztlichen Tätigkeiten gehöre ferner die Leitung des Projekts
Notfallambulanz. Des weiteren obliege ihm die Einführung einer
Hochschulambulanz sowie das Projekt „psychiatrische Institutionsambulanz“. Zu
seinen ärztlichen Aufgaben gehöre dabei auch die Interpretation von Daten zur
Sicherung der ärztlichen Qualität, beispielsweise der Überwachung der
nosokomialen Infektionen. Herrn xxx oblägen dabei vielfältige originär ärztliche
Aufgaben, so dass er zutreffender Weise nach dem TV-Ä einzugruppieren sei und
unter § 94 LPVG falle. Auch seine Tätigkeit als Medizincontroller stelle eine
ureigene ärztliche Tätigkeit dar. Auch nach Auffassung des Marburger Bundes
seien Medizincontroller in den Ärztetarifvertrag einzugruppieren. Die Tätigkeit als
Medizincontroller stelle den überwiegenden Schwerpunkt der Tätigkeit von Herrn
xxx dar, er sei deshalb völlig zu recht nach dem TV-Ä eingruppiert worden. Herr
xxx sei nicht übertariflich eingruppiert, sondern außertariflich entlohnt, wie dies
auch in anderen Universitätskliniken durchgehend gehandhabt werde. Damit sei
dem gestiegenen Umfang der Tätigkeiten wie auch der gestiegenen
Verantwortung Rechnung getragen worden. Im Übrigen sei dem Antragsteller die
außertarifliche Entlohnung von Herrn xxx nicht erst seit der Einsichtnahme in die
Bruttolohn- und Gehaltslisten im November 2012 zur Kenntnis gelangt, sondern
bereits aus Anlass einer Einsichtnahme in diese Listen im Sommer 2012.
13 Der Antrag sei somit abzulehnen, da Herr xxx sowohl Forschungsaufgaben
wahrnehme als auch im Bereich des Medizincontrollings in der Lehre tätig sei. Bei
der Wahrnehmung der Aufgaben des Hygienebeauftragten und der
Qualitätssicherung handle es sich zweifelsfrei um ärztliche Aufgaben, weshalb
keine Eingruppierung nach TV-L erfolgt sei. Der Abschluss eines außertariflichen
Vertrages unterliege nicht der Mitbestimmung des Antragstellers.
14 Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die
gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
15 Das Gericht hat am 05.04.2013 eine Güteverhandlung in dieser Sache
durchgeführt. Wegen des Ergebnisses dieser Güteverhandlung wird auf die
hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.
II.
16 Der zulässige Antrag ist nicht begründet. Das vom Antragsteller geltend gemachte
Mitbestimmungsrecht gem. § 75 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 LPVG aus Anlass der
Einstellung und Eingruppierung des Mitarbeiters xxx besteht nicht, da dieser als
nichthabilitierter Akademischer Mitarbeiter an einer Forschungsstätte dem
Personenkreis des § 94 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 LPVG zugehört, auf den § 75 LPVG
keine Anwendung findet.
17 Der Landesgesetzgeber hat in § 94 LPVG besondere Vorschriften für Lehre und
Forschung erlassen mit dem Ziel, sicherzustellen, dass die Freiheit von
Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 GG) nicht durch
Beteiligungsrechte der Personalvertretungen beeinträchtigt wird (Leuze, in:
Leuze/Wörz/Bieler, Das Personalvertretungsrecht in Baden-Württemberg, Komm.,
§ 94 Rdnr. 1 m.w.N.). Für die nichthabilitierten Akademischen Mitarbeiter an
Forschungsstätten, die nicht wissenschaftliche Hochschulen sind, beansprucht
das Landespersonalvertretungsgesetz zwar grundsätzlich Geltung, nimmt aber die
§§ 75, 77 und 80 Abs. 1 Nr. 3 bis 8 und Abs. 3 Nr. 1 LPVG hiervon aus.
18 Der Mitarbeiter xxx unterfällt nach Auffassung der beschließenden Kammer
eindeutig dem Personenkreis des § 94 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 LPVG.
19 Zwischen den Beteiligten ist zunächst unstreitig, dass es sich bei dem xxx um eine
Forschungsstätte im Sinne dieser Regelung handelt. Dies ergibt sich ohne
weiteres aus § 2 der Satzung für die Stiftung „Zentralinstitut für Seelische
Gesundheit“, wonach die Forschung in der Psychiatrie neben der Vorbeugung,
Behandlung und Rehabilitation seelischer Erkrankungen (§ 2 Nr. 2), der
Ausbildung von Studierenden (§ 2 Nr. 3), der Fortbildung und Förderung des
wissenschaftlichen Nachwuchses (§ 2 Nr. 4) und der Beratung bei der Planung
und der Vorbereitung von Einrichtungen und Diensten der öffentlichen
Gesundheitspflege auf dem Gebiet der seelischen Gesundheit (§ 2 Nr. 5) an erster
Stelle der dem xxx übertragenen Aufgaben steht (§ 2 Nr. 1 der Satzung, GBl. 2005
Nr. 9, S. 443).
20 Der Mitarbeiter xxx ist auch „nichthabilitierter Akademischer Mitarbeiter“ i.S.d. § 94
Abs. 2 S. 1 Nr. 2 LPVG. Zur Bestimmung des Personenkreises der
„Akademischen Mitarbeiter“ ist auf die Legaldefinition in der einschlägigen
hochschulrechtlichen Vorschrift zurückzugreifen (Leuze, a.a.O., Rdnr. 12 m.w.N.).
Nach § 52 Abs. 1 S. 1 Landeshochschulgesetz - LHG - sind Akademische
Mitarbeiter die Beamten und Angestellten, denen weisungsgebunden im Rahmen
der Aufgabenerfüllung der Hochschule, insbesondere in Wissenschaft,
Forschung, Lehre und Weiterbildung, wissenschaftliche Dienstleistungen nach
Maßgabe ihrer Dienstaufgabenbeschreibung obliegen. Nach Satz 2 der Vorschrift
gehört zu den wissenschaftlichen Dienstleistungen auch die Wahrnehmung von
Aufgaben in der Lehre. Satz 3 des § 52 Abs. 1 LHG bestimmt ferner, dass im
Bereich der Medizin zu den wissenschaftlichen Dienstleistungen auch Tätigkeiten
in der Krankenversorgung gehören.
21 Danach ist der Mitarbeiter xxx Akademischer Mitarbeiter im Sinne dieser Vorschrift,
wie die weitere Beteiligte mit ihrem Schriftsatz vom 07.02.2013 im Einzelnen
substantiiert dargetan hat. Denn er erbringt als Arzt mit einem abgeschlossenen
Hochschulstudium (§ 52 Abs. 3 S. 1 LHG) wissenschaftliche Dienstleistungen in
der Forschung (§ 52 Abs. 1 S. 1 LHG), nimmt Aufgaben in der Lehre wahr (§ 52
Abs. 1 S. 2 LHG) und ist in der Krankenversorgung tätig (§ 52 Abs. 1 S. 3 LHG). Im
Einzelnen:
22 Die weitere Beteiligte hat zur Überzeugung der beschließenden Kammer
dargetan, dass der Mitarbeiter xxx im Bereich der Versorgungsforschung
wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt, indem er im Rahmen eines von der
DGPPN geförderten Projekts, das der Entwicklung von Qualitätsindikatoren in der
Psychiatrie und der Therapieforschung dient, für die zur Durchführung des
Projekts erforderlichen Datenerhebungen verantwortlich ist. Als Referent von
Vorträgen zum Thema Qualitätssicherung nimmt er ferner Aufgaben der Lehre
wahr, wie die weitere Beteiligte im Schriftsatz vom 07.02.2013 ausgeführt hat.
Diese Weiterbildungsveranstaltungen für Ärzte, Psychologen und Pflegekräfte
sind von der Bundesärztekammer anerkannt und werden mit Fortbildungspunkten
bewertet. Darüber hinaus erbringt er in seiner Funktion als Beauftragter für
Krankenhaushygiene, Projektleiter Austrittsmanagement und
Qualitätsmanagement, Leiter der Projekte Notfallambulanz und psychiatrische
Institutionsambulanz Tätigkeiten in der Krankenversorgung. Nach Auffassung der
beschließenden Kammer erfordert dieses Tatbestandsmerkmal nicht notwendig
den unmittelbaren Patientenbezug; vielmehr können darunter auch solche
Tätigkeiten fallen, die - wie die eben genannten Funktionen - mittelbar dem
Bereich der Krankenversorgung zugerechnet werden können. Dass der
Mitarbeiter xxx darüber hinaus - und zwar auch im Schwerpunkt - im Bereich des
Medizincontrollings tätig ist, ändert an der Anwendbarkeit des § 94 Abs. 2 S. 1 Nr.
2 LPVG nichts, da diese Vorschrift nicht - wie etwa die Regelung in § 81 S. 1
LPVG - eine überwiegende wissenschaftliche Tätigkeit voraussetzt.
23 Der Antrag war somit abzulehnen. Offenbleiben kann, ob im Fall des Mitarbeiters
xxx mit Rücksicht auf dessen funktionelle Ansiedlung auf Vorstandsebene und
das ihm gewährte Jahresgehalt, das deutlich über dem Jahresgehalt eines
Beamten der Besoldungsgruppe A 16 liegt, § 75 LPVG auch deshalb nicht
anzuwenden ist, weil dieser als „entsprechender Arbeitnehmer“ i.S.d. § 81 S. 2
LPVG anzusehen ist (siehe dazu den zwischen den Beteiligten im Verfahren - PL
12 K 2403/12 - ergangenen Beschluss vom heutigen Tag).
24 Eine Kostenentscheidung war im personalvertretungsrechtlichen
Beschlussverfahren nicht zu treffen. Das Verfahren ist gebührenfrei. Auslagen
werden nicht erhoben und nicht erstattet.