Urteil des VG Karlsruhe vom 02.12.2016

aufschiebende wirkung, abgabe, sondernutzung, gaststätte

VG Karlsruhe Beschluß vom 2.12.2016, 7 K 3612/16
Untersagungsverfügung gegen Pizzaservice
Leitsätze
Zum straßenrechtlichen Einschreiten gegen einen Pizzaliefer- und abholservice.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wird wiederhergestellt, soweit er sich gegen Ziffer 2 Satz 2 der
Verfügung der Antragsgegnerin vom 27.06.2016 richtet, und angeordnet, soweit er gegen Ziffer 3 i.V.m. Ziffer
2 Satz 2 dieser Verfügung gerichtet ist. Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
1 Der Antrag,
2
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 27.06.2016
wiederherzustellen,
3 ist, soweit er gegen die in Ziffer 3 der Verfügung für sofort vollziehbar erklärten Untersagungsverfügungen
in Ziffern 1 und 2 gerichtet ist, als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und hinsichtlich der unter
Ziffer 4 verfügten, bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von
250 EUR für eine Zuwiderhandlung gegen Ziffern 1 oder 2 als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 12 Satz 1 LVwVG statthaft.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist auch gegen Ziffer 2 Satz 2 der Verfügung ein Antrag nach
§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und für einen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung kein Raum, denn Ziffer 2 Satz 2 der Verfügung trifft der Sache nach keine
Feststellung zur Rechtslage, sondern eine Regelung dergestalt, dass dem Antragsteller untersagt wird, unter
näher benannten Voraussetzungen bestellte Waren/Speisen in eine Gaststätte abzugeben.
4 Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig, jedoch nur im tenorierten Umfang begründet. Entgegen der
Behauptung des Antragstellers ist in dem angegriffenen Bescheid das besondere Interesse am Sofortvollzug
der Beseitigungsverfügung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend schriftlich begründet. Die
Antragsgegnerin führt hierzu aus, verkehrliche Beeinträchtigungen und Verschmutzungen der Straße im
Zusammenhang mit den unter Ziffern 1 und 2 der Verfügung untersagten Geschäftspraktiken seien der
Allgemeinheit bereits vor Bestandskraft der Verfügung vor dem Hintergrund der bisher vom Antragsteller
trotz mehrerer Gespräche und Schreiben der Antragsgegnerin gezeigten Uneinsichtigkeit nicht zuzumuten.
5 Bei der somit nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse
an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung und dem Interesse des Antragstellers, vom
Vollzug der Verfügung bis zu einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit einstweilen
verschont zu bleiben, wird das Gewicht der gegenläufigen Interessen vor allem durch die summarisch zu
prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bestimmt. Je größer die Erfolgsaussichten
des Rechtsbehelfs sind, desto eher überwiegt das private Interesse an der Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung, während umgekehrt die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung im Rahmen
der Interessenabwägung ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass das Interesse des Betroffenen an der
Aussetzung der Vollziehung zurückzustehen hat. Soweit der der Verfügung zu Grunde liegende Sachverhalt
umstritten ist, erfordert die summarische Prüfung im Eilverfahren eine Sachverhaltsermittlung auf Grund
glaubhafter Tatsachen und überwiegender Wahrscheinlichkeiten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015,
§ 80 Rn. 125 m.w.N.).
6 Nach diesen Maßstäben ist dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 (dazu 1.)
und Ziffer 2 Satz 1 (dazu 2.) der Verfügung der Vorrang einzuräumen vor dem Interesse des Antragstellers,
vorerst die ihm durch Ziffern 1 und 2 Satz 1 untersagten Geschäftspraktiken weiter zu betreiben, denn die
angefochtene Verfügung erscheint insoweit bei summarischer Prüfung rechtmäßig. Ziffer 2 Satz 2 der
Verfügung erweist sich hingegen bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, so dass das Interesse des
Antragstellers, vom Vollzug dieser Untersagung einstweilen verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse
am Sofortvollzug überwiegt (dazu 3.).
1.
7 Die unter Ziffer 1 der Verfügung ausgesprochene Untersagung, zwischen 23:00 Uhr und 11:00 Uhr eine
Außenbewirtschaftung in Form des Verzehrs von im Betrieb des Antragstellers hergestellten Speisen oder
abgegebenen Getränken durch Kunden des Antragstellers auf der gesamten Breite der ... vor den Gebäuden
Nr. 1 und Nr. 3 (siehe markierter Bereich in der Anlage 1) zu betreiben, ist aller Voraussicht nach rechtlich
nicht zu beanstanden.
8 Die Verfügung ist hinreichend bestimmt (§ 37 VwVfG). Der zeitliche Geltungsbereich ist klar benannt, wobei
die Beschränkung auf den Zeitraum täglich zwischen 23:00 Uhr und 11:00 Uhr die Ladenschlusszeiten nach
§ 3 Abs. 2 LadÖG unberührt lässt. Die Untersagung ist auch räumlich hinreichend konkretisiert. Zwar ist in
der Verfügung selbst der räumliche Geltungsbereich mit dem Bereich vor den Gebäuden ... 1 und 3
umschrieben. Der markierte Teil der Anlage 1 erstreckt sich demgegenüber auf den gesamten Teil der ...
zwischen der Hauptstraße und dem Grundstück ... 3, mithin auch auf den an das Grundstück Hauptstraße
168 bzw. an die Grundstücke ... 2 und Hauptstraße 166 grenzenden Bereich. Die zur Erläuterung der
Umschreibung ausdrücklich in Bezug genommene unzweideutige Markierung in der Anlage 1 lässt jedoch
keine Zweifel daran, dass diese skizzenförmige Bestimmung - und nicht die Umschreibung im Tenor der
Verfügung - den räumlichen Geltungsbereich begrenzt. Die Verfügung erwiest sich schließlich auch als
hinreichend bestimmt im Hinblick auf die dem Antragsteller überlassene Wahl der Mittel, das vorgegebene
Ziel zu erreichen. Mit der zeitlich beschränkten Untersagung einer Außenbewirtschaftung in Form des
Verzehrs von im Betrieb des Antragstellers hergestellten Speisen oder abgegebenen Getränken durch
dessen Kunden in dem benannten Bereich der ... wird der Antragsteller verpflichtet, den beschriebenen
Verzehr seiner Waren in diesem Bereich zwischen 23:00 Uhr und 11:00 Uhr zu unterbinden. Welche
Maßnahmen er hierzu ergreift, durfte die Antragsgegnerin der Entscheidung des Antragsstellers überlassen.
9 Ziffer 1 der Verfügung ist bei summarischer Prüfung auch im Übrigen rechtmäßig. Die Benutzung einer
Straße über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StrG der
Erlaubnis. Wird eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt, so kann nach Abs. 8 Satz 1 dieser
Norm die für die Erteilung der Erlaubnis zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung
der Benutzung oder zur Erfüllung der Verpflichtungen anordnen. Diese Voraussetzungen sind aller
Voraussicht nach gegeben.
10 Nach den von der Antragsgegnerin für den Zeitraum August 2011 bis August 2016 umfangreich
dokumentierten Feststellungen ihres Kommunalen Ordnungsdienstes und der Polizei ist davon auszugehen,
dass der Antragsteller - vorwiegend, wenn auch nicht ausschließlich in den Räumen des Pizzaservice -
Pizzen und Getränke an Kunden abgibt, die diese mit seinem Wissen und Wollen in zahlreichen Fällen,
mitunter in Gesellschaft von bis zu 30 anderen Kunden, in unmittelbarer Nähe in der ... konsumieren.
Hierbei handelt es sich um eine ohne die erforderliche Erlaubnis erfolgende straßenrechtliche Sondernutzung
durch den Antragsteller. Gemeingebrauch ist in § 13 Abs. 1 StrG definiert als der jedermann im Rahmen der
Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen gestattete
Gebrauch der öffentlichen Straßen, soweit durch die Benutzung einer öffentlichen Straße der
Gemeingebrauch anderer nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Die beschriebene Nutzung des
angrenzenden Bereichs der ... durch Kunden des Antragstellers ist eine nicht vom Gemeingebrauch umfasste
Inanspruchnahme der öffentlichen Straße durch den Antragsteller zum Zwecke der (Außen)Bewirtschaftung.
Diese für klassische Gastronomiebetriebe in der Rechtsprechung geklärte Zurechnung, wonach weder eine
Bewirtung auf der öffentlichen Straße noch die Aufstellung von zum Sofortverzehr auffordernder Stehtische
oder anderer Möbel für die Annahme einer Sondernutzung durch den Gastwirt erforderlich ist (vgl. allein für
die Altstadt der Antragsgegnerin: VG Karlsruhe, Beschl. v. 10.04.2010 - 5 K 279/10 -; Urt. v. 20.09.2011 - 4
K 2737/10 -, Juris; Urt. v. 20.09.2011 - 4 K 2211/10 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.07.2010 - 5 S
981/10 -; Beschl. v. 03.07.2012 - 5 S 2855/11 -; Beschl. v. 03.07.2012 - 5 S 2761/11 -), gilt uneingeschränkt
auch für den Betrieb des Antragstellers.
11 Bei einer somit vorliegenden Sondernutzung der öffentlichen Straße, für die dem Antragsteller auch keine
Erlaubnis erteilt wurde, kann die Behörde regelmäßig allein wegen der formellen Illegalität der
Sondernutzung Maßnahmen zu ihrer Beendigung anordnen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 05.03.2014 - 5 S
1775/13 -, Juris m.w.N.). Ob die Sondernutzung mit einer massiven Verschmutzung oder
Verkehrsbeeinträchtigung einhergeht, kann entgegen der Auffassung des Antragstellers dahingestellt
bleiben. Für einen Sonderfall, in dem offensichtlich ein Anspruch auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis
besteht und deshalb möglicherweise allein die formelle Illegalität für eine Anordnung nach § 16 Abs. 8 Satz 1
StrG nicht ausreicht, ist hier nichts ersichtlich. Auch die im Vergleich zu einem klassischen
Gastronomiebetrieb vorliegenden Besonderheiten des Betriebs des Antragstellers führen nicht zu einer
anderen Beurteilung. Bei dem ... handelt es sich um einen Pizza(liefer)service mit einigen wenigen
Stehtischen zum Sofortverzehr und einem - wohl baurechtlich genehmigten - Pizzaabholservice. Das
Mitnehmen der Speisen und Getränke zum Verzehr außerhalb der Räume des Pizzaservice ist einem
Abholservice immanent. Gleichwohl ersetzt die nicht näher beschriebene Genehmigung eines Abholservice
nicht eine erforderliche straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis, wenn die Kunden die Waren nicht
lediglich abholen, sondern in unmittelbarer Nähe auf öffentlicher Straße verzehren. Die straßenrechtliche
Untersagung kommt auch nicht einer Gewerbeuntersagung gleich. Zwar ist es naheliegend, dass der
Antragsteller der Verfügung nur dadurch nachkommen kann, dass er sich zwischen 23:00 Uhr und 11:00
Uhr auf den Pizzalieferservice und die Abgabe von Pizzen zum Sofortverzehr an den innerhalb seiner
Räumlichkeiten aufgestellten Stehtischen beschränkt und eine Abgabe seiner Ware zur Mitnahme gänzlich
unterlässt. Angesichts der verbleibenden Betriebsformen, insbesondere des für einen Pizzaservice ohnehin
im Vordergrund stehenden Lieferdienstes, und angesichts der zeitlichen Einschränkung auf den Zeitraum
nach 23:00 Uhr, für den nach den Richtlinien der Antragsgegnerin zur Erteilung von
Sondernutzungserlaubnissen zur Außenbewirtschaftung in ... vom 11.02.1993 derartige
Sondernutzungserlaubnisse grundsätzlich nicht erteilt werden, erscheint die Untersagung verhältnismäßig
und auch im Übrigen ermessensfehlerfrei. Dies wird auch nicht durch den Einwand des Antragstellers in
Frage gestellt, in der Altstadt der Antragsgegnerin seien Menschenansammlungen auch vor Lokalen normal
und zahlreiche Gaststätten und Imbissbetriebe würden Speisen zum Sofortverzehr vertreiben. Eine
vergleichbare straßenrechtliche Sondernutzung, die unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG von der
Antragsgegnerin geduldet wird, wurde vom Antragsteller nicht benannt und ist auch nicht ersichtlich.
Vielmehr ist der vorgelegten Aufstellung der Antragsgegnerin über 58 „Verwaltungsverfahren zur
Untersagung von Außenbewirtschaftungen in Form des Sofortverzehrs auf der Straße vor der Gaststätte“
zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin seit 2009 konsequent gegen derartige unerlaubte
Sondernutzungen vorgeht, was durch die Verfahren beim VG Karlsruhe zu den Aktenzeichen 5 K 279/10, 4
K 2737/10 und 4 K 2211/10 bestätigt wird.
2.
12 Auch die unter Ziffer 2 Satz 1 der Verfügung ausgesprochene Untersagung, auf allen öffentlichen
Verkehrsflächen, das heißt allen öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, im in der Anlage 2
gekennzeichneten Bereich der Altstadt Bestellungen aufzunehmen oder bestellte Waren/Speisen
abzugeben, ist aller Voraussicht nach rechtlich nicht zu beanstanden.
13 Auch diese zeitlich unbeschränkte Untersagung ist hinreichend bestimmt (§ 37 VwVfG). Entgegen der seiner
Gleichsetzung der Verfügung mit einer Gewerbeuntersagung zu entnehmenden Annahme des Antragstellers
wird ihm nicht die gesamte Geschäftstätigkeit in der Altstadt der Antragsgegnerin untersagt, sondern
lediglich die beschriebene Geschäftstätigkeit auf öffentlichen Verkehrsflächen im räumlich hinreichend klar
begrenzten Gebiet der Altstadt, mithin vor seinem Betrieb oder auf einer anderen öffentlichen Straße in der
Altstadt.
14 Ziffer 2 Satz 1 der Verfügung erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Sie findet ihre
Rechtsgrundlage wiederum in § 16 Abs. 8 Satz 1 StrG. Nach den von der Antragsgegnerin für den Zeitraum
April 2015 bis April 2016 umfangreich dokumentierten Feststellungen ihres Kommunalen Ordnungsdienstes
und der Polizei, vom Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin am 24.05.2015 und im Antragsschriftsatz
vom 27.07.2016 eingeräumt, nimmt der Unternehmensinhaber persönlich oder durch seine Mitarbeiter an
Sonn- und Feiertagen, d.h. während der gesetzlichen Ladenschlusszeiten, auf öffentlicher Straße vor seinem
Betrieb oder unweit hiervon auf der Hauptstraße Bestellungen von Kunden entgegen und beliefert diese
dort mit den bestellten Pizzen. Dies stellt eine ohne die erforderliche Erlaubnis erfolgende straßenrechtliche
Sondernutzung dar. Der Antragsteller nutzt die öffentlichen Straßen insoweit nicht verkehrsbezogen. Es
handelt sich vielmehr um nicht unter den Gemeingebrauch fallende gewerblich-kommerzielle Betätigungen,
bei denen ein Verkehrsinteresse nicht vorhanden oder allenfalls nebensächlich ist und die nicht auf
individuelle Begegnung angelegt sind, sondern sich an die Allgemeinheit richten (VGH Bad.-Württ., Beschl. v.
12.07.1996 - 5 S 472/96 -; zur wirtschaftlichen Betätigung auf öffentlichen Verkehrsflächen in der Altstadt
der Antragsgegnerin vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 02.06.2003 - 5 K 2371/02 -, jew. Juris). Es gehört
grundsätzlich nicht zur Funktion einer öffentlichen Straße, und zwar auch nicht eines Fußgängerbereichs,
als "Verkaufsraum" zur Verfügung zu stehen, unabhängig davon, wie gemeingebrauchsverträglich sich die
wirtschaftliche Betätigung darstellt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31.01.2002 - 5 S 311/00 -; VG Karlsruhe, Urt.
v. 02.06.2003 - 5 K 2371/02 -, jew. Juris). Anhaltspunkte dafür, dass der Widmungszweck ausnahmsweise
auch diese gewerbliche Nutzung der öffentlichen Verkehrsfläche im Fußgängerbereich erfasst, sind nicht
ersichtlich.
15 Die Ermessensausübung der Antragsgegnerin ist aller Voraussicht nach nicht zu beanstanden. Ein
offensichtlicher Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis besteht nicht,
wobei offen bleiben kann, ob die Richtlinien der Antragsgegnerin für gewerbliche Sondernutzungen
(Sondernutzungsrichtlinien Gewerbe - SRG -) vom 30.03.2006, die nach Ziffer 1.1. Satz 2 SRG gewerbliche
Nutzungen der Straßen und Plätze zum Aufstellen von Werbetafeln, Warenständern und
Dekorationsgegenständen betreffen, eine solche Erlaubniserteilung ausschließen. Die Einbeziehung aller
öffentlichen Verkehrsflächen in der Altstadt erscheint entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht
unverhältnismäßig. Auch wenn eine entsprechende Sondernutzung des Antragstellers bisher nur in der ...
und im angrenzenden Bereich der Hauptstraße festzustellen war, durfte die Antragsgegnerin nach dem
bisherigen Verhalten des Antragstellers davon ausgehen, dass dieser bei einer auf diese öffentlichen Straßen
beschränkten Untersagungsverfügung seine Geschäftstätigkeit auf andere öffentliche Straßen in der Altstadt
verlagert. Da ihm nicht die für einen Pizzaservice typische Belieferung von Kunden im Bereich der Altstadt,
sondern lediglich entsprechende Geschäftstätigkeiten auf öffentlichen Verkehrsflächen in diesem Gebiet
untersagt sind, handelt es sich hierbei entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht um eine faktische
Gewerbeuntersagung und auch nicht um eine unverhältnismäßige Einschränkung seiner
Berufsausübungsfreiheit. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass dieses Geschäftsmodell des
Antragstellers - abgesehen von dem damit möglicherweise auch beabsichtigtem Erhalt des Charakters eines
Ladengeschäfts - für ihn im Wesentlichen nur während des gesetzlichen Ladenschlusses, das heißt an Sonn-
und Feiertagen von Interesse ist, wenn ein Pizzaabholservice von ihm nicht mehr betrieben werden darf. Ein
vom Antragsteller angenommener Ermessensfehler wegen einer unterbliebenen Differenzierung zwischen
der Aufnahme der Bestellung und Abgabe bestellter Speisen ist ebenfalls nicht festzustellen. Der
Antragsteller hat nicht vorgetragen und es ist auch sonst nicht ersichtlich, in welcher Weise und warum die
Antragsgegnerin gehalten gewesen sein sollte, eine Differenzierung vorzunehmen. Ein Ermessensfehler ist
schließlich auch nicht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG festzustellen. Soweit der Antragsteller vorträgt, in der
Altstadt gebe es Dutzende Imbiss- und Gaststättenbetriebe mit einem Lieferservice, bei denen die
Kundschaft die Speisen in der Nähe verzehre und gegen die die Antragsgegnerin nicht vorgehe, macht er
bereits nicht geltend, dass diese Betriebe den Lieferservice auf öffentlichen Straßen betreiben. Im Übrigen
hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar dargelegt, dass ihr Bestellannahmen und -abgaben auf der
Neckarwiese, nicht aber auf öffentlichen Straßen in relevantem Umfang bekannt seien und sie gegen
vergleichbar gehäufte, räumlich/zeitlich konzentrierte und störbehaftete straßenrechtliche
Sondernutzungen anderer Lieferdienste in gleicher Weise einschreiten würde. Die vom Antragsteller
behauptete ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Obdachlosen und Ortsfremden, die aufgrund von
Ziffer 2 Satz 1 der Verfügung an Sonn- und Feiertagen nicht in den Genuss seiner Pizzen kommen könnten,
ist bereits keine von ihm geltend zu machende willkürliche Behandlung des Antragstellers. Im Übrigen ist es
dem Antragsteller unbenommen, diesen Personenkreis außerhalb des von der Untersagung umfassten
Altstadtbereichs bzw. während der Ladenöffnungszeiten in den Räumen des Pizzaservice mit seinen
Spezialitäten zu versorgen.
3.
16 Einer anderen rechtlichen Beurteilung unterliegt nach summarischer Prüfung jedoch Ziffer 2 Satz 2 der
Verfügung. Nach dieser Regelung liegt eine Abgabe auf öffentlicher Verkehrsfläche auch vor, wenn die
Abgabe in eine Gaststätte nicht für den Zweck des dortigen Verzehrs, sondern nur zur unmittelbar im
Anschluss erfolgenden Weiterverteilung der Bestellung von dort aus und Abgabe an die Kunden auf der
öffentlichen Verkehrsfläche erfolgt. Dem Antragsteller wird somit untersagt, bestellte Waren/Speisen in eine
in dem in der Anlage 2 gekennzeichneten Bereich der Altstadt gelegene Gaststätte abzugeben, wenn die
Abgabe nicht für den Zweck des dortigen Verzehrs, sondern nur zur unmittelbar im Anschluss erfolgenden
Weiterverteilung der Bestellung von dort aus und Abgabe an die Kunden auf der öffentlichen Verkehrsfläche
erfolgt.
17 Hintergrund dieser Verfügung sind die entsprechende Ankündigung des Antragstellers gegenüber der
Antragsgegnerin im Mai 2015 und die für den Zeitraum Mai 2015 bis Juni 2016 dokumentierten
sporadischen Feststellungen des Kommunalen Ordnungsdienstes der Antragsgegnerin, wonach davon
auszugehen ist, dass der Antragsteller gelegentlich an Sonn- und Feiertagen, d.h. während der gesetzlichen
Ladenschlusszeiten, Pizzen in die gegenüberliegende Shisha-Bar ... - möglicherweise auch in die ebenfalls in
der ... gelegene Bar ... - liefert, wo sie von Kunden des Antragstellers abgeholt und sodann außerhalb der
Lokalitäten verzehrt werden. Die Antragsgegnerin nimmt in der Verfügung ausdrücklich auf Feststellungen
ihres Kommunalen Ordnungsdienstes am 12.06.2016 Bezug, wonach der Antragsteller zwei Pizzakartons in
die Shisha-Bar brachte, die kurz darauf dort von einer Kundin abgeholt wurden und sodann von dieser und
ihren Begleitern auf einem Treppenabsatz in der etwa 25m südlich vom Pizzaservice des Antragstellers in
die ... mündenden ... verzehrt wurden. Ausgehend von dieser Geschäftspraxis des Antragstellers, welche die
Antragsgegnerin mit der Verfügung zu unterbinden sucht und die gerade keine „Abgabe an die Kunden auf
der öffentlichen Verkehrsfläche“ umfasst, dürfte Ziffer 2 Satz 2 der Verfügung dahingehend zu verstehen
sein, dass eine zu unterlassene Abgabe in eine Gaststätte auch dann gegeben ist, wenn diese nicht zum
Zweck des dortigen Verzehrs, sondern zum Zweck der Abholung und des nachfolgenden Verzehrs auf
öffentlichen Verkehrsflächen erfolgt, der Abholservice des Antragstellers mithin in eine Gaststätte verlagert
wird. Ein solches Verständnis der Verfügung wird dadurch bestätigt, dass eine vom Antragsteller
vorgenommene oder von ihm veranlasste Abgabe seiner Ware auf den öffentlichen Verkehrsflächen in der
Altstadt bereits von der Untersagung in Ziffer 1 Satz 1 der Verfügung umfasst ist.
18 Ungeachtet dieser Zweifel an ihrer hinreichenden Bestimmtheit ist die Verfügung aller Voraussicht nach
nicht von der von der Antragsgegnerin allein in Bezug genommenen Ermächtigungsgrundlage in § 16 Abs. 8
StrG gedeckt. Die mit Ziffer 2 Satz 2 der Verfügung dem Antragsteller untersagte näher beschriebene
Abgabe bestellter Waren in eine Gaststätte stellt nicht ohne Weiteres eine straßenrechtliche Sondernutzung
dar. Der Antragsteller nutzt auf diese Weise die öffentliche Straße nicht als Verkaufsraum; er beliefert seine
Kunden gerade nicht auf der öffentlichen Straße und veranlasst auch keinen Dritten zu einer solchen
Straßennutzung. Einen straßenrechtlichen Bezug weist die Geschäftspraxis lediglich in folgender Form auf:
Zum einen durch den vom Gemeingebrauch umfassten Transport der Waren in eine Gaststätte, zum
anderen durch die Nutzung der öffentlichen Straße in Form des Verzehrs von Waren des Antragstellers
durch dessen Kunden. Dieser Verzehr auf öffentlicher Straße ist jedoch, soweit er nicht eine ohnehin bereits
von Ziffer 1 der Verfügung umfasste Außenbewirtschaftung darstellt, keine Sondernutzung der öffentlichen
Straßen durch den Antragsteller. Insbesondere führt der Umstand, dass die Waren anschließend auf
öffentlichen Verkehrsflächen verzehrt werden, nicht dazu, dass die Straße unabhängig davon, wo die
Kunden ihre Waren erhalten haben, als Verkaufsraum genutzt wird. Die Straßennutzung unterscheidet sich
vielmehr nicht von einem typischen Take-Away-Imbissbetrieb, bei dem die Kunden die Waren im Imbiss
erwerben, mitnehmen und unterwegs verzehren. Dass hier der Abholservice von den Räumlichkeiten des
Antragstellers in ein anderes Lokal verlagert wird, betrifft nicht die straßenrechtliche Nutzung; diese stellt
sich nicht anders dar als bei einer Abholung im Pizzaservice selbst. Diese Geschäftspraxis des Antragstellers
ist somit entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin keine unzulässige Umgehung des Verbots, öffentliche
Flächen als Verkaufsraum zu nutzen, sondern ausschließlich eine Umgehung der gesetzlichen
Ladenschlusszeiten, gegen die mit den Mitteln des Straßenrechts nur vorgegangen werden kann, soweit sie
sich als Außenbewirtschaftung im Sinne von Ziffer 1 der Verfügung darstellt.
19 Soweit sich die Androhung eines Zwangsgeldes in Ziffer 4 der Verfügung auf den Fall einer Zuwiderhandlung
gegen Ziffer 2 Satz 2 der Verfügung bezieht, war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mangels
vollstreckbarer Grundverfügung anzuordnen. Da das Zwangsgeld in Höhe von jeweils 250,00 Euro für jede
Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1 oder Ziff. 2 angedroht worden ist, hat die teilweise Anordnung der
aufschiebenden Wirkung auf die Zwangsgeldandrohung im Übrigen keine Auswirkungen. Insoweit entspricht
sie den gesetzlichen Anforderungen (vgl. insbesondere §§ 2, 20, 23 LVwVG). Auch die Höhe des angedrohten
Zwangsgelds hält sich im gesetzlichen Rahmen, ist hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
20 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Zur Bestimmung des Anteils, zu dem die
Antragsgegnerin unterliegt, stellt die Kammer ausgehend von einem Geschäftsbetrieb des Antragstellers
zwischen 18:00 Uhr und 5:00 Uhr auf die zeitlich Relevanz der ihm jeweils untersagten Geschäftspraktiken
ab. Die wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers werden durch Ziffer 1 der Verfügung werktags ab 23
Uhr, von Ziffer 2 Satz 1 der Verfügung sonn- und feiertags von 0:00 Uhr bis 5:00 Uhr und von Ziffer 2 Satz
2 der Verfügung - beschränkt durch die Öffnungszeiten der kooperierenden Gastronomiebetriebe - sonn- und
feiertags von 0:00 Uhr bis 3:00 Uhr berührt. Da sich eine differenzierte Bewertung der wirtschaftlichen
Bedeutung der auf diese Weise quantifizierbaren Untersagungstatbestände der Kammer nicht aufdrängt,
ergibt sich hieraus ein Unterliegensanteil von 1/13. Dieser Anteil ist derart gering, dass dem Antragsteller
die Kosten ganz aufzuerlegen sind.
21 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den
Empfehlungen Nr. 1.5 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung
der zuletzt beschlossenen Änderung vom 18.07.2013. Eine Halbierung des Streitwerts kommt wegen der
Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht.
22 Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen. Zwar bot die Rechtsverfolgung soweit
sie auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 2 Satz 2 der
Verfügung der Antragsgegnerin vom 27.06.2016 gerichtet ist, aus den vorstehenden Gründen hinreichende
Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Der Antragsteller kann jedoch nach seinen persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung selbst aufbringen. Da das Verfahren zur
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin zur
Unternehmenssphäre des Pizzaservice gehört und die erforderlichen Kosten notwendige Betriebsausgaben
darstellen, kommt es auf die - im Übrigen weder nachvollziehbar dargelegten noch hinreichend belegten -
privaten Einkünfte und Belastungen des Unternehmensinhabers nicht an (vgl. OLG Schl.-Holst., Beschl. v.
24.01.2002 - 16 W 305/01 -; OLG Nürnberg, Beschl. v. 04.12.2002 - 6 W 3409/02 -, jew. Juris). Nach der
vorgelegten Gewinnermittlung nach § 4 EStG für den Pizzaservice „...“ sind die Kosten der Prozessführung
ohne Weiteres aus dem Unternehmen aufzubringen.