Urteil des VG Karlsruhe vom 28.04.2009

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VG Karlsruhe Urteil vom 28.4.2009, 5 K 3572/07
Beamtenversorgung; Ruhensberechnung hinsichtlich arbeitsrechtlicher Abfindung
Tenor
Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 24. Juli 2007 und deren Widerspruchsbescheid vom 26. September 2007 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Versorgungsbezügen.
2
Die im Jahr 1949 geborene Klägerin erhält seit dem 01.12.1997 als Hinterbliebene ihres Ehemanns von der Wehrbereichsverwaltung Süd
Versorgungsbezüge (Witwengeld) nach der Besoldungsgruppe B 2. Seit dem 01.04.1999 war sie mit einem Bruttogehalt von zunächst 5.350 DM
teilzeitbeschäftigt. Eine Ruhensberechnung ergab damals, dass ihr Bruttoversorgungsbezug in Höhe von 4.739 DM nicht zu kürzen war. Auch in
der Folgezeit ergaben sich bei gestiegenem Einkommen von zuletzt 3.100,- EUR monatlich keine bzw. nur geringe Ruhensbeträge (34,42 EUR
monatlich).
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Im Juni 2003 teilte die Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis bei der Firma t. zum Ende des Monats gekündigt worden sei. Im Jahr 2006 gab sie
auf Nachfragen an, dass sie zum 02.08.2004 der Stadt Heidelberg die Aufnahme des Gewerbes „Büroservice“ angezeigt habe. Aus dem
angeforderten Einkommensteuerbescheid für 2003 ergab sich, dass die Klägerin bei der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in
Höhe von 25.000 EUR brutto erhalten und anschließend aus selbständiger Tätigkeit nur ein negatives Einkommen erzielt hatte. In der Folge
erläuterte die Klägerin, dass die Abfindung dem 1,25-fachen von sechs Monatsgehältern entspreche. Anfang 2007 legte sie die
Abwicklungsvereinbarung mit der Firma t. vom 14.04.2003 vor. Darin wird mit Blick auf die am 27.03.2003 ausgesprochene betriebsbedingte
Kündigung zum 30.06.2003 vereinbart: „Die Gesellschaft zahlt an die Arbeitnehmerin als Ausgleich für den Verlust ihres Arbeitsplatzes eine
Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG i.V.m. § 3 Nr. 9 EStG in Höhe von 25.000,- EUR … brutto. Die Abfindung ist am 30.06.2003 zur Zahlung fällig.“
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Im Mai 2007 teilte die Wehrbereichsverwaltung Süd der Klägerin mit, dass sie wegen der gezahlten Abfindung in der Zeit vom 01.01.2003 bis
zum 30.06.2003 Versorgungsbezüge in Höhe von 11.832,84 EUR zuviel erhalten habe. Die geleistete Abfindung von 25.000 EUR sei für die
Monate Januar bis Dezember 2003 als weiteres monatliches Einkommen in Höhe von jeweils 2.083,33 EUR anzusetzen. Somit habe die
Klägerin in den Monaten Januar bis Juni 2003 neben ihren Versorgungsbezügen aus dem Arbeitsentgelt und der anteiligen Abfindung ein
monatliches Erwerbseinkommen in Höhe von 5.183,33 EUR gehabt. Die für sie geltende Höchstgrenze von 5.573,78 EUR sei um den
Ruhensbetrag von 2.117,75 EUR monatlich überschritten. Nach Abzug dieses Betrags vom zustehenden Versorgungsbezug von 2.508,20 EUR
verblieben 390,45 EUR monatlich, ihr stünden jedoch mindestens 20 v.H. des Versorgungsbezugs, also 501,64 EUR, monatlich zu.
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Die Klägerin wandte ein: Eine Abfindung, die bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werde, solle den Verlust des Arbeitsplatzes
und des sozialen Besitzstands ausgleichen. Sie sei Lohnersatz. Insoweit bestehe eine Zweckbindung. Mit ihr sei das Arbeitslosengeld bis zur
Höhe des bisherigen Nettoeinkommens aufzustocken und über einen Zeitraum von mehreren Jahren, bei älteren Arbeitnehmern bis zum
Erreichen der Regelaltersrente, zu verteilen. Das sei z.B. im Unterhaltsrecht anerkannt und sei auch bei der Ruhensberechnung nach § 53
BeamtVG zu berücksichtigen. Deshalb könne bei der Ruhensberechnung monatlich nur der Betrag angerechnet werden, der zur Erzielung oder
Aufstockung der bisherigen Einkünfte erforderlich sei. Rein fürsorglich machte sie geltend, nicht mehr bereichert zu sein, weil sie die Zahlungen
für die allgemeine Lebenshaltung verbraucht habe. Einen rechtlichen Mangel der Zahlung habe sie nicht erkennen können, da sie davon habe
ausgehen dürfen, dass die Abfindung Lohnersatzfunktion habe, zumal sie ab Juli 2003 kein sonstiges Erwerbseinkommen erzielt habe.
Zumindest stünden Billigkeitsgründe einer Rückforderung entgegen.
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Mit Bescheid vom 24.07.2007 forderte die Wehrbereichsverwaltung Süd von der Klägerin Versorgungsbezüge in Höhe von 11.832,84 EUR
(brutto) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2003 zurück. Die Klägerin erhob am 20.08.2007 Widerspruch. In der Folge rechnete die
Wehrbereichsverwaltung Süd den Rückforderungsbetrag in monatlichen Raten von 800,- EUR gegen den Anspruch der Klägerin auf
Versorgungsbezüge auf.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2007 wies die Wehrbereichsverwaltung Süd den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus:
Abfindungen gehörten zum Erwerbseinkommen. Für ihre zeitliche Zuordnung enthalte das Versorgungsrecht eingeständige Regelungen.
Familienrechtliche oder steuerrechtliche Grundsätze gälten insoweit nicht. Werde solches Einkommen nicht in Monatsbeträgen erzielt, sei das
Einkommen des Kalenderjahres gemäß § 53 Abs. 7 Satz 5 BeamtVG auf zwölf Kalendermonate aufzuteilen. Anderes gelte nur, wenn die Zahlung
der Abfindung eindeutig anderen Zeiträumen zugeordnet werden könne. Hier folge aber weder aus der Berechnungs- oder Zahlungsweise noch
aus der Höhe oder dem Zweck der Abfindung eine eindeutige Zuordnung. Anhaltspunkte dafür, dass aus der Abfindung monatlich nur derjenige
Betrag anzurechnen sei, der zur Aufstockung der bisherigen Einkünfte erforderlich wäre, ergäben sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem
Zweck der Vorschrift. Ziel der Ruhensregelung sei die Kostensenkung der Versorgungshaushalte. Die Abfindung sei auch betragsmäßig nicht
geeignet, den Wegfall der Vergütung bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters auszugleichen. Die von der Klägerin genannten Parameter
(halbes Jahresgehalt, Faktor 1,25) dienten lediglich als Bemessungsgrundlage. Überzahlte Versorgungsbezüge stünden stets unter dem
Vorbehalt einer rückwirkenden Änderung und Rückforderung, wenn sich das zu berücksichtigende Einkommen ändere. Der Eintritt dieses
Vorbehalts verwehre dem Empfänger der Versorgungsbezüge den Einwand des Wegfalls der Bereicherung. Ohnehin habe die Klägerin die
Überzahlung zu vertreten, weil sie die Abfindung nicht umgehend angezeigt habe. Die Rückforderung sei nicht unbillig. Die Klägerin gerate
dadurch in keine Notlage. Schließlich sei ihr Ratenzahlung eingeräumt worden. Der Widerspruchsbescheid wurde am 01.10.2007 zugestellt.
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Die Klägerin hat am 30.10.2007 Klage erhoben. Sie trägt vor: Sie sei langjährig bei der Firma L. beschäftigt gewesen. Bei Fortdauer dieser
Beschäftigung wäre sie unter die Besitzstandsklausel des Übergangsrechts gefallen. Aus begründeter Sorge um ihren Arbeitsplatz sei sie zur
Firma B. gewechselt und dort als Bilanzbuchhalterin beschäftigt worden. Diese Firma sei dann auf die Firma t. übergegangen. Eine Abfindung
könne monatlich nur für die Zeiträume angesetzt werden, für die sie gedacht sei, also erst für den Zeitraum ab der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses, hier ab dem Juli 2003. Die Abfindung habe gerade dazu gedient, die finanzielle Nachteile auszugleichen, die ihr durch die
Kündigung entstanden seien. Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, dass ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt wegen ihres Alters sehr
ungünstig gewesen seien. § 53 Abs. 7 Satz 5 BeamtVG diene nur der Vereinfachung der Berechnung, rechtfertige aber keinen Eingriff in soziale
Grundrechte. Nach damaligem Recht hätten ihr 26 Monate Arbeitslosengeld zugestanden. Die Abfindung müsse auf die Zeit nach ihrer Zahlung
verteilt werden und zwar auf die folgenden 26 Monate, ggf. auf zwölf Monate oder, sofern eine Begrenzung auf das Kalenderjahr gelte, auf die
verbleibenden sechs Monate im Jahr 2003. In jedem Fall ergäbe sich dann kein Ruhensbetrag. Die Berechnungsweise der Beklagten wirke auf
abgeschlossene Bezugszeiträume der Versorgungsbezüge zurück und sei wegen Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 5 GG verfassungswidrig. Es
dürfe keinen Unterschied machen, ob eine Abfindung in der entsprechenden Vereinbarung bestimmten Monaten zugeordnet werde oder nicht.
Bei der Ermittlung des Einkommens im Jahr 2003 müssten auch ihre negativen Einkünfte in der zweiten Jahreshälfte aus der selbständigen
Tätigkeit als Bürohilfe berücksichtigt werden. Ein ihr ggf. entstehender Steuernachteil sei jedenfalls unbillig. Auch alle anderen angeführten
Umstände seien in einer Einzelfallprüfung zu berücksichtigen.
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Die Klägerin beantragt,
10
den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 24.07.2007 und deren Widerspruchsbescheid vom 26.09.2007 aufzuheben.
11 Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13 Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und bekräftigt ihre Auffassung, dass die Abfindung mangels zeitlicher Zuordnung zu gleichen Teilen
den monatlichen Einkünften der Klägerin im Zuflussjahr 2003 zuzuschlagen sei.
14 Der Kammer liegt ein Heft Versorgungsakten der Wehrbereichsverwaltung Süd vor.
Entscheidungsgründe
15 Die als Anfechtungsklage statthafte und auch sonst zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid
sind aufzuheben; denn sie sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16 Gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen
Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, also nach den § 812 ff. BGB, soweit - wie hier - gesetzlich nichts
anderes bestimmt ist.
17 Ob der Klägerin zuviel Versorgungsbezüge gezahlt wurden, richtet sich nach § 53 BeamtVG. Dass nach dieser Vorschrift - auch bei der
Hinterbliebenenversorgung - Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen auf die Versorgungsbezüge anzurechnen ist, wenn eine bestimmte
Höchstgrenze überschritten ist, unterliegt keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschrift verstößt weder gegen Art. 33
Abs. 5 GG (BVerwG, Urt. v. 19.02.2004 - 2 C 20.03 - BVerwGE 120, 154 = NVwZ 2004, 1361 = juris, Rdnr. 30 ff. und hierzu BVerfG,
Kammerbeschl. v. 11.12.2007 - 2 BvR 797/04 - ZBR 2008, 91) noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG (OVG NW, Urt. v. 05.03.2009 - 1 A 2560/07- juris). Der
Gesetzgeber darf auf diese Weise eine Über- bzw. Doppelversorgung des Empfängers von Versorgungsbezügen für die Zeit bis seinem Eintritt in
den gesetzlichen Ruhestand stark beschränken.
18 Eine bei Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG gehört zu dem bei der Ruhensberechnung gemäß §
53 BeamtVG zu berücksichtigenden Erwerbseinkommen. § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG, der durch das Versorgungsreformgesetz 1998 eingefügt
wurde, bestimmt dies ausdrücklich (ebenso schon VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.05.1995 - 11 S 2198/94 - juris zu § 54 SVG a.F., der hinsichtlich des
Einkommensbegriffs § 53 BeamtVG a.F. entsprach).
19 Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die der Klägerin Anfang Juli 2003 gezahlte Abfindung aber nicht als Einkommen in den ersten sechs
Monaten des Jahres 2003 zu berücksichtigen. Sie kann vielmehr erst ab dem Juli 2003 anteilig angerechnet werden. Dabei ist sie - über das
Kalenderjahr 2003 hinaus - auf mindestens zwölf Monate aufzuteilen. Ob eine Ruhensberechnung für diesen Zeitraum noch einen
Anrechnungsbetrag ergibt, braucht die Kammer nicht zu klären, weil der angefochtene Rückforderungsbescheid von einer angenommenen
Überzahlung allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2003 ausgeht. Im Übrigen erscheint jedenfalls für die folgenden sechs Monate eine
Überzahlung von Versorgungsbezügen an die Klägerin als ausgeschlossen, weil diese von Juli bis Dezember 2003 neben ihren
Versorgungsbezügen und der anteiligen Abfindung nach Lage der Akten keine positiven Einkünfte erzielt hatte und damit die
Einkommenshöchstgrenze von 5.707,55 EUR (vgl. die Berechnung VAS 163) für diesen Zeitraum nicht überschritten ist.
20 Nach Auffassung der Kammer ist eine an kündigungsschutzrechtlichen Grundsätzen orientierte Abfindung bei einer Ruhensberechnung gemäß
§ 53 BeamtVG als Einkommen den Monaten zuzuordnen, in denen der Versorgungsempfänger wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes
voraussichtlich Einkommensminderungen hinnehmen muss. Soweit in vereinzelten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen eine andere
Auffassung vertreten wird (vgl., im Einzelnen unterschiedlich argumentierend, VG Gießen, Urt. v. 30.03.2006 - 5 E 1435/05 - juris; Bayer. VG
München, Urt. v. 27.01.2005 - M 12 K 03.35542; VG Hannover, Urt. v. 16.10.2007 - 2 A 2428/06 -; VG Göttingen, Urt. v. 24.06.2004 - 3 A 3449/02 -
juris), folgt dem die Kammer nicht.
21 Nach allgemeinen Grundsätzen ist bei der Ruhensberechnung darauf abzustellen, für welchen Zeitraum ein Einkommen bestimmt ist, gleich ob
dies im Einzelfall zu einer Besserstellung des Versorgungsberechtigten führt oder nicht (BVerwG, Urt. v. 12.06.1975 - II C 45.73 - Buchholz
238.41 § 53 SVG Nr. 1 zu einem für mehrere Monate gezahlten Urlaubsgeld; ebenso BVerwG, Beschl. v. 31.03.2000 - 2 B 67.99 - Buchholz 239.1
§ 53 BeamtVG Nr. 10).
22 Ob eine Zuordnung einer einmalig gezahlten Abfindung auch nach Inkrafttreten von § 53 Abs. 7 Satz 4 und 5 BeamtVG 1998 erfolgen kann, ist in
der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Der Wortlaut der Vorschrift gibt hierauf keine Antwort. Zwar bestimmt § 53 Abs. 7 Satz 4
BeamtVG, dass das Erwerbs- und das Erwerbsersatzeinkommen bei der Ruhensberechnung monatsbezogen berücksichtigt werden. Satz 5 der
Vorschrift sagt, dass dann, wenn Einkommen nicht in Monatsbeträgen erzielt wird, das Einkommen des Kalenderjahres, geteilt durch zwölf,
anzusetzen sei.
23 Dies schließt aber nicht aus, dass Abfindungen, die in einem Betrag ausgezahlt werden, bei der Ruhensberechnung nur für die Zukunft und ggf.
auch über das Kalenderjahr hinaus auf einzelne Monate aufgeteilt werden. Die Gesetzesmaterialien sagen dazu zwar nichts aus. So verhält sich
die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 53 BeamtVG 1998 nicht zur Frage der zeitlichen Zuordnung einer Abfindung (BT-Drucks. 13/9527,
abgedr. bei Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG mit BeamtVG, § 53 BeamtVG Rdnr. 8f). Dies spricht dagegen, dass insoweit, insbesondere mit
dem neu eingefügten § 53 Abs. 7 Satz 4 und 5 BeamtVG, eine Änderung der Rechtslage herbeigeführt werden sollte. Zuvor galt aber, dass
Abfindungen nach den Umständen des Einzelfalls auf längere Zeiträume, auch über das Kalenderjahr der Zahlung hinaus, zu verteilen waren.
So hatte es der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Jahr 1995 für rechtmäßig gehalten, dass eine im Jahr 1993 gezahlte Abfindung
anlässlich der einverständlichen Aufhebung eines Anstellungsvertrags über 100.000 DM auf einen sehr langen Zeitraum (27 Monate) aufgeteilt
und eine Ruhensberechnung für diesen (künftigen) Zeitraum vorgenommen wurde (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.05.1995 - 11 S 2198/94 - Juris).
Im Entwurf einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVGVV), dort Nr. 53.7.1 heißt es dementsprechend
im Anschluss an die Feststellung, dass Abfindungen zum Erwerbseinkommen gehörten, der Einmalbetrag werde den Einkünften der Monate
Januar bis Dezember des Zuflussjahres zu gleichen Teilen zugeschlagen (Satz 6); abweichend davon sei nur zu verfahren, wenn die Zahlungen
eindeutig anderen Zeiträumen zugeordnet werden könnten (Satz 7).
24 An diese Zuordnung dürfen nach Auffassung der Kammer keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Es trifft zwar zu, dass eine
Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG Arbeitsentgelt und kein Ersatz für (künftiges) Arbeitsentgelt ist. Sie stellt eine Entschädigung für den Verlust
des Arbeitsplatzes dar, der eingetreten ist, obwohl die Kündigung ungerechtfertigt war. Auch lässt sich aus den Bemessungskriterien des § 10
Abs. 2 KSchG nicht ableiten, für welche Dauer eine solche Abfindung potentielle künftige Einkommensverluste ausgleichen soll. Wesentlich für
ihre Höhe sind vor allem die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers. Eine Abfindung hat daneben auch
Sanktionswirkung. Allerdings ist mit besonderem Gewicht auch zu berücksichtigen, welche Chancen der Arbeitnehmer besitzt, auf dem
Arbeitsmarkt eine neue Stelle zu finden, insbesondere dann, wenn die Arbeitslosigkeit schon feststeht. Dennoch muss sie nicht einem Vielfachen
eines Monatsverdienstes entsprechen, auch wenn in der Praxis oft ein solcher Ansatz gewählt wird (vgl., zum Ganzen, Erfurter Kommentar zum
Arbeitsrecht, beck-online, 9. Aufl. 2009, § 10 KSchG Rdnr. 1 ff.). Damit stehen Abfindungen der genannten Art keineswegs etwa Einmalzahlungen
aus Aufträgen an einen selbständig Erwerbstätigen gleich, die der Gesetzgeber bei der Regelung des § 53 Abs. 7 Satz 5 BeamtVG im Auge
gehabt haben dürfte. Dementsprechend wertet die Rechtsordnung Abfindungen gemäß §§ 9, 10 KSchG durchaus als Einkommensersatz und
löst die Schwierigkeiten der Zuordnung auf künftige Zeiträume bei fehlender näherer Bestimmung durch den Leistenden nach den Umständen
des Einzelfalls, so etwa im Pfändungsrecht (vgl. § 850i ZPO und dazu Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, a.a.O. Rdnr. 11), im Wohngeldrecht,
im Unterhaltsrecht oder bei der Anrechnung auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 143a SGB III). Geboten erscheint der Kammer eine solche
Berücksichtigung von Abfindungen bei der Ruhensberechnung gemäß § 53 BeamtVG auch deshalb, weil ansonsten Ergebnisse zustande
kämen, deren Härte kaum verständlich wäre - so würde je nach den Umständen des Einzelfalls eine im Dezember eines Jahres gezahlte
Abfindung fast vollständig aufgezehrt werden - und die wie oben aufgezeigt auch im Widerspruch zur Berücksichtigung von Abfindungen in
anderen Rechtsgebieten stünden.
25 Die Kammer sieht keinen Anlass, genau festzulegen, auf welchen Zeitraum die Abfindung der Klägerin ab dem 01.07.2003 aufzuteilen ist. Denn
das Einkommen der Klägerin in dem vorausgegangenen Beschäftigungsverhältnis und die Höhe der Abfindung lassen jedenfalls darauf
schließen, dass die für die Klägerin entstehende Einkommenslücke zumindest für die Dauer der nächsten zwölf Monaten geschlossen werden
sollte. Bei einer anteiligen Berücksichtigung für die Monate Juli bis Dezember 2003 überschreitet der Ruhensbetrag die Höchstgrenze nicht.
Offenlassen kann die Kammer auch, ob die Berechnungsweise der Klägerin ansonsten gemäß § 53 Abs. 7 Satz 4 und 5 BeamtVG rechtmäßig
wäre. Sie entspricht zwar wohl Nr. 53.7.1 Satz 6 des auszugsweise vorgelegten Entwurfs einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum
Beamtenversorgungsgesetz, wo es heißt, dass der Einmalbetrag den Einkünften der Monate Januar bis Dezember des Zuflussjahres zu gleichen
Teilen zugeschlagen werde (so auch VG Hannover, Urt. v. 16.10.2007 - 2 A 2428/06 -), könnte aber im Widerspruch zur Auffassung von
Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., § 53 BeamtVG Rdnr. 46d stehen, wo es heißt, dass, wenn der Versorgungsempfänger nicht durchgängig
während des gesamten Jahres beschäftigt war und er Einkommen für Zeiträume erzielt hat, die über einen Monat hinausgehen, der Jahresbetrag
geteilt durch zwölf zu Grunde gelegt werde (so auch Bayer. VG München a.a.O.).
26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Von einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der
Kostenentscheidung sieht die Kammer ab. Die Berufung hat die Kammer wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§
124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO); denn es bedarf ggf. rechtsgrundsätzlicher Klärung, in welcher Weise Abfindungen gemäß §§ 9, 10
KSchG bei der Ruhensberechnung gemäß § 53 Abs. 7 Satz 4 und 5 BeamtVG zu berücksichtigen sind.
27
Beschluss
28 Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 11.832,84 EUR festgesetzt.
29 Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG verwiesen.