Urteil des VG Karlsruhe vom 17.12.2007

VG Karlsruhe (jugend und sport, aufschiebende wirkung, wirkung, tätigkeit, amt, baden, interesse, württemberg, antrag, aug)

VG Karlsruhe Beschluß vom 17.12.2007, 2 K 3498/07
Personenbezogene Anlässe begründen keine dienstliche Gründe für eine befristete Abordnung
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verfügung des Ministeriums für
Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg vom 02.10.2007 wird angeordnet.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die
Verfügung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg vom 02.10.2007, mit der die
Antragstellerin - Rektorin einer Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule - für die Dauer von zwei Jahren
vollumfänglich an das Regierungspräsidium XXX Landeslehrerprüfungsamt - abgeordnet worden ist.
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Der Antrag ist zulässig und begründet.
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig; insbesondere ist er gemäß § 80 V i. V. m.
II Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 126 III Nr. 3 BRRG statthaft, da es sich bei der angegriffenen dienstlichen Maßnahme
um einen Verwaltungsakt handelt, der kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist. Bei der Verfügung vom 02.10.2007
handelt es sich um eine Abordnung nach § 37 LBG, die - ebenso wie die Versetzung - nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verwaltungsakt ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 22.05.1980
- 2 C 30.78 -, ZBR 1981, 28). Eine Abordnung in diesem Sinne liegt vor, wenn dem betroffenen Beamten
vorübergehend eine Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle (Behörde) desselben oder eines anderen
Dienstherrn zugewiesen wird, wobei die Zugehörigkeit zur bisherigen Stammdienststelle erhalten bleibt (vgl.
BVerwG, Urt. v. 20.04.1977 - VI C 154.73). Dies ist vorliegend der Fall.
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Der Antrag ist auch begründet.
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Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs
anordnen, wenn seine aufschiebende Wirkung - wie hier - kraft Gesetzes entfällt. Das Gericht trifft seine
Entscheidung aufgrund einer eigenen Interessenabwägung, bei der im Rahmen einer summarischen
Überprüfung auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sind. Durch den in §
126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG normierten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen
Versetzungen und Abordnungen hat der Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass im Regelfall
das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einer derartigen Abordnung dem privaten Interesse des
betroffenen Beamten an einem Verbleib an seiner bisherigen Dienststelle vorgeht. Als Ausnahme von diesem
allgemeinen Grundsatz ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung jedoch dann geboten, wenn entweder
schon im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes festgestellt werden kann, dass der Rechtsbehelf des
Beamten gegen die Abordnungsverfügung überwiegende Aussicht auf Erfolg hat, oder wenn zwar der Ausgang
des Hauptsacheverfahrens noch offen ist, die Vollziehung der Abordnungsverfügung den Beamten jedoch so
hart treffen würde, dass demgegenüber der Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses durch eine
Aussetzung geringeres Gewicht zukommt. Ausgehend von diesen Grundsätzen sieht sich die Kammer
veranlasst, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Abordnungsverfügung
vom 02.10.2007 anzuordnen, da sich die Maßnahme nach summarischer Prüfung als rechtswidrig erweist.
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In formeller Hinsicht ist die Abordnungsverfügung zwar nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport als zuständige Behörde gehandelt. Dies ergibt sich aus § 2 Satz 1
Nr. 1 lit. d i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Ernennungsgesetz (ErnG). Danach ist den Ministerien in ihren jeweiligen
Geschäftsbereichen das Recht übertragen Beamte zu versetzen und abzuordnen. Die beamteten Lehrer
gehören zum Geschäftsbereich des Kultusministeriums. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 2 Satz 2
ErnG, wonach die Fachbeamten bei den Regierungspräsidien grundsätzlich durch das Innenministerium
ernannt werden. Davon ausgenommen sind die Fachbeamten des schulpsychologischen und
schulpädagogischen Dienstes, für die die Zuständigkeit beim Kultusministerium verbleibt. Auch § 4 Nr. 1 ErnG
ändert an der Zuständigkeit des Kultusministeriums nichts. Die danach auf die Regierungspräsidien
übertragenen Befugnisse beschränken sich auf deren Geschäftsbereich, d.h. auf die Versetzung oder
Abordnung von Lehrkräften von einer Schule zur anderen, beinhalten aber nicht die Versetzung oder Abordnung
von Lehrkräften in den außerschulischen Bereich.
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Auch die seitens der Antragstellerin geäußerte Ansicht, sie sei als Adressatin der belastenden Maßnahme
nicht gemäß § 28 Abs. 1 LVwVfG ordnungsgemäß angehört worden, teilt die Kammer nicht. Im Rahmen der
förmlichen Anhörung muss dem Anzuhörenden hinreichend Zeit gewährt werden, sich unter Berücksichtigung
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sachgerecht zu äußern. Die ihm hierzu gesetzte Frist muss nach den
Umständen des Einzelfalles angemessen sein. Eine Mindestfrist gibt es nicht. Bedeutung, Umfang und
Dringlichkeit der Verwaltungsmaßnahme im öffentlichen Interesse sind mit dem subjektiven
Rechtsschutzinteresse des Betreffenden abzuwägen. Der Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 30.08.2007
eine Äußerungsfrist bis zum 03.09.2007 gesetzt. Hierbei handelt es sich um eine vergleichsweise kurze
Äußerungsfrist, die allerdings nach den Umständen des Falles noch angemessen war. Die Antragstellerin war
bereits anlässlich eines am 10.08.2007 geführten Dienstgespräches über die beabsichtigte Abordnung
informiert worden. Durch ihren Verfahrensbevollmächtigten ließ sie sodann vorab fernmündlich mitteilen, sich
hiergegen zur Wehr setzen zu wollen. Das förmliche Anhörungsschreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe
vom 30.08.2007 zu der Abordnung kam daher für die Antragstellerin keineswegs überraschend. Sie konnte sich
bereits zuvor mit dem Für und Wider der Abordnung auseinandersetzen. Dem Interesse der Antragstellerin an
einer längeren Äußerungsfrist stand zudem das berechtigte Interesse des Antragsgegners gegenüber, die
Abordnungsverfügung wie ursprünglich geplant rechtzeitig zum Ende der baden-württembergischen
Sommerferien mit Wirkung ab dem 10.09.2007 zu erlassen, um den Weggang der Rektorin während des
laufenden Schulhalbjahres zu vermeiden. Eine Abordnung während des laufenden Schulhalbjahres erregt
grundsätzlich noch größeres Aufsehen und bereitet organisatorisch erheblich mehr Schwierigkeiten für eine
Schule als Abordnungen, die bei Beginn des Schuljahres abgeschlossen sind. Dies wäre auch nicht im Sinne
der Antragstellerin gewesen.
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Die Abordnungsverfügung ist jedoch materiell-rechtlich fehlerhaft ergangen. Sie kann weder auf § 37 Abs. 1
LBG noch auf § 37 Abs. 2 LBG gestützt werden.
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Gemäß § 37 I LBG kann ein Beamter vorübergehend ganz oder teilweise zu einer seinem Amt entsprechenden
Tätigkeit an eine andere Dienststelle abgeordnet werden, wenn ein dienstliches Bedürfnis besteht. Diese
Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar geht die Kammer mit dem Antragsgegner davon aus, dass
innerhalb der XXX, deren Schulleiterin die Antragstellerin ist, ein objektiv schwerwiegendes und andauerndes
Spannungsverhältnis herrscht. Das Vertrauensverhältnis zwischen der Schulleitung und dem größten Teil des
Lehrerkollegiums ist derart gestört, dass eine reibungslose Zusammenarbeit im täglichen Dienstbetrieb nur
noch schwer möglich ist. In diesem Umstand ist ein dienstliches Bedürfnis für die Abordnung der
Antragstellerin zu sehen. Auf die Frage der Verursachung oder des Verschuldens kommt es hierbei nicht an.
Es genügt, dass die Antragstellerin wesentlich an den Spannungen teil hat (ständ. Rspr: vgl. VGH Bad.-Württ.,
Beschl. v. 16.06.2004 - 4 S 1073/04 - m.w.N.). Jedoch erfolgt die Abordnung hier nicht zu einer dem Amt der
Antragstellerin entsprechenden Tätigkeit. Als Rektorin einer Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule ist die
Antragstellerin Inhaberin eines funktionsgebundenen Amtes. Dieses bestimmt sich nicht allein abstrakt-
funktionell, sondern wird nach der mit dem Amt konkret verbundenen Funktion als Schulleiterin umschrieben.
Eine dem Amt entsprechende Tätigkeit an der neuen Dienststelle im Sinne von § 37 I LBG ist daher nur bei
entsprechendem Funktionszuschnitt gewährleistet (vgl. OVG Koblenz, Beschl. v. 19.12.2001 - 2 B 11412/01 -
NVwZ-RR 2002, 856). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Die Antragstellerin soll an eine Abteilung des
Regierungspräsidiums abgeordnet werden. Dass die Tätigkeit dort in ihren konkreten Funktionen nicht dem
funktionsgebundenen Amt der Antragstellerin als Rektorin entspricht, stellt auch der Antragsgegner nicht in
Abrede. Die funktionellen Dienstaufgaben unterscheiden sich erheblich. Eine Abordnung auf Grundlage des §
37 Abs. 1 LBG kommt daher nicht in Betracht.
10 Auch die Voraussetzungen einer Abordnung nach § 37 Abs.2 LBG sind nicht gegeben. § 37 Abs. 2 LBG
ermöglicht grundsätzlich auch eine Abordnung zu einer dem Amt des Betreffenden nicht entsprechenden
Tätigkeit, wenn diesem die Wahrnehmung der neuen Tätigkeit auf Grund seiner Vorbildung oder
Berufsausbildung zuzumuten ist und die Abordnung die Dauer von zwei Jahren nicht übersteigt. Voraussetzung
hierfür ist das Vorliegen „dienstlicher Gründe“. Dienstliche Gründe im Sinne dieser Vorschrift liegen hier jedoch
nicht vor. Das Gesetz konkretisiert selbst nicht, was es unter dem Begriff der dienstlichen Gründe versteht.
Trotz der weiten sprachlichen Fassung des Begriffs muss dieser aufgrund des systematischen
Zusammenhangs mit dem Begriff des „dienstlichen Bedürfnisses“ nach § 37 Abs. 1 LBG eng ausgelegt
werden. Dies ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des erst mit Gesetz vom 15.12.1997 (GBl. S.
522) eingeführten § 37 Abs. 2 LBG. Auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht
des Dienstherrn nach Art. 33 Abs. 5 GG sowie Art. 77 Abs. 1 LVerf müssen an die Abordnung zu einer nicht
statusgemäßen Tätigkeit deutlich höhere Anforderungen gestellt werden als an statusgemäße Abordnungen
nach § 37 Abs. 1 LBG. Die Eingriffsintensität ist bei § 37 Abs. 2 LBG bedeutend höher. Dienstliche Gründe
sind daher nur solche Umstände, die aus erheblichen organisatorischen Schwierigkeiten des Dienstherrn, wie
beispielsweise der Auflösung, wesentlichen Änderung des Aufbaues oder der Verschmelzung von Behörden,
erwachsen und einen dringenden Handlungsbedarf in Richtung auf die Abordnung auslösen. Teilweise wird
sogar gefordert, dass dem Dienstherrn die Verwendung des Beamten an dessen bisheriger Dienststelle objektiv
unmöglich ist. Personenbezogene Anlässe unterfallen dagegen nicht dem Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2
LBG (vgl. die Gesetzesbegründung LT-Drs. 12/2067, S. 36; zum entsprechenden rheinland-pfälzischen
Beamtenrecht OVG Koblenz, Beschl. v. 19.12.2001 - 2 B 11412/01 - NVwZ-RR 2002, 856; zum
entsprechenden § 17 Abs. 2 BRRG Ziekow, DÖD 1999, 7; anders VG Göttingen, Beschl. v. 19.1.1998 - 3 B
3401/97 - NVwZ-RR 1998, 667 ff.). Diese Anforderungen an die „dienstlichen Gründe“, die eine Abordnung zu
nicht statusgemäßen Tätigkeiten ermöglichen, sieht die Kammer nach summarischer Prüfung als nicht erfüllt
an. Die innerschulischen Spannungen begründen zwar ein dienstliches Bedürfnis iSd § 37 Abs. 1 LBG, ein
derartiger personenbezogener Anlass löst jedoch für den Dienstherrn keinen organisatorischen Zwang aus, der
eine Abordnung nach § 37 Abs. 2 LBG rechtfertigen würde (OVG Koblenz, Beschl. v. 19.12.2001 - 2 B
11412/01 - NVwZ-RR 2002, 856). Die Spannungen sind, unabhängig von der Frage, ob sie durch die
Antragstellerin verursacht wurden oder einen von bestimmten Personen losgelösten Grad erreicht haben, ein
personenbezogener Anlass, der nicht der organisatorisch-dienstlichen Sphäre zuzurechnen ist.
11 Dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs war daher stattzugeben.
12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 I VwGO.
13 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr.2 GKG. Wegen des vorläufigen
Charakters des Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO war der Auffangwert auf die Hälfte herabzusetzen.