Urteil des VG Karlsruhe vom 19.11.2010

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VG Karlsruhe Beschluß vom 19.11.2010, PL 12 K 1468/10
Personalvertretungsrecht: Übernahme von Auszubildenden in ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis - Einstellungsstopp; Jugendvertreter
Tenor
Das zwischen der Antragstellerin und der weiteren Beteiligten zu 1 nach § 9 Abs. 2 BPersVG begründete Arbeitsverhältnis wird aufgelöst.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin, die Gemeinde ..., begehrt die Auflösung des zwischen ihr und der weiteren Beteiligten zu 1 gemäß § 9 Abs.2 BPersVG
begründeten Arbeitsverhältnisses.
2
Mit Berufsausbildungsvertrag vom 30.01.2007 vereinbarten die Antragstellerin und die weitere Beteiligte zu 1 deren Ausbildung zur
Verwaltungsfachangestellten (Ausbildungsbeginn 01.09.2007 und Ausbildungsende 31.08.2010). Mit Bestehen der Abschlussprüfung am
08.07.2010 endete das Berufsausbildungsverhältnis.
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Bereits mit Schreiben vom 03.03.2010 teilte die Antragstellerin der weiteren Beteiligten zu 1 mit, dass nach dem erfolgreichen Abschluss des
Berufsausbildungsverhältnisses eine Übernahme in ein unbefristetes Beschäftigtenverhältnis nicht möglich sei, da die Gemeinde über Bedarf
ausbilde. Aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses vom 14.12.2009 könne sie jedoch nach erfolgreicher Beendigung des
Berufsausbildungsverhältnisses in ein auf drei Monate befristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden.
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Nachdem die weitere Beteiligte zu 1 wegen eines Arbeitsplatzwechsels der bisherigen Jugend- und Auszubildendenvertreterin am 01.04.2010
an deren Stelle nachgerückt war, beantragte sie mit Schreiben vom 12.05.2010 bei der Antragstellerin die Übernahme in ein unbefristetes
Vollzeitarbeitsverhältnis gemäß § 9 BPersVG. Mit Schreiben vom 19.05.2010 lehnte die Antragstellerin mit Hinweis auf den vom Gemeinderat am
14.12.2009 beschlossenen generellen Einstellungsstopp mit Wiederbesetzungssperre die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ab
und bot ihr ein bis 31.10.2010 befristetes Arbeitsverhältnis im Grundbuchamt der Gemeinde an.
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Mit Schriftsatz vom 24.06.2010 - eingegangen beim Verwaltungsgericht am 25.06.2010 - leitete die Antragstellerin ein
personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren ein mit dem Antrag, festzustellen, dass zwischen der Antragstellerin und der weiteren
Beteiligten zu 1 kein Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs.2 BPersVG begründet worden ist, hilfsweise das zwischen der Antragstellerin und der
weiteren Beteiligten zu 1 nach § 9 Abs.2 BPersVG begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen.
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Die Antragstellerin beantragt in der mündlichen Verhandlung nunmehr,
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das zwischen der Antragstellerin und der weiteren Beteiligten zu 1 nach § 9 Abs.2 BPersVG begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen.
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Zur Begründung trägt sie vor, eine Weiterbeschäftigung sei für sie unzumutbar. Die im kommunalen Haushaltsplan ausgewiesenen Stellen seien
vollständig besetzt. Außerdem habe der Gemeinderat in seiner Sitzung am 14.12.2009 einen generellen Einstellungsstopp beschlossen.
Neueinstellungen seien deshalb grundsätzlich nicht möglich. Die Verwaltung sei beauftragt worden, in jedem Fall des Ausscheidens eines
Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin die Arbeiten in der Verwaltung zu verteilen. Es bestehe somit auch eine vom Gemeinderat beschlossene
haushaltsrechtliche Wiederbesetzungssperre. Bei der befristet angebotenen Tätigkeit im Grundbuchamt handle es sich um einen kurzfristig
anfallenden Mehraufwand, der keine dauerhafte Beschäftigung rechtfertige. Es sollten Digitalisierungsarbeiten durchgeführt werden, um die vom
Land Baden-Württemberg geplante Überführung der kommunalen Grundbuchämter in zentrale staatliche Grundbuchämter zu erleichtern. Nach
der Überführung der Grundbuchämter würden sogar Stellen frei. Im Übrigen sei der Schutzzweck der Regelung in § 9 BPersVG nicht tangiert. Die
weitere Beteiligte zu 1 sei zwischen ihrem Amtsantritt und ihrem Antrag auf unbefristete Weiterbeschäftigung nicht aktiv geworden. Der Nachweis
eines Tätigwerdens fehle jedenfalls. Es sei nicht bekannt, dass sie sich für die Interessen der Jugendlichen oder Auszubildenden eingesetzt
habe; auch nicht in einem konkreten Einzelfall. Es liege daher überhaupt kein personalvertretungsrechtlich wichtiger Anlass vor, der darauf
hindeuten würde, dass sie vor einer auch nur möglich gehaltenen Benachteiligung geschützt werden müsse. Da aufgrund des erlassenen
Einstellungsstopps auch keine anderen Auszubildenden übernommen würden, sei eine für möglich gehaltene Benachteiligung wegen der
Tätigkeit als Jugend- und Auszubildendenvertreterin völlig ausgeschlossen.
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Die weitere Beteiligte zu 1 beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
11 Sie macht geltend, sie nehme seit dem 01.04.2010 das Amt der Jugend- und Auszubildendenvertreterin wahr. Auf den Nachweis der Vertretung
von Interessen jugendlicher Mitarbeiter in einem konkreten Einzelfall komme es nicht an, da durch § 9 BPersVG bereits das Amt an sich
geschützt sei. Eine Weiterbeschäftigung sei für die Antragstellerin auch nicht unzumutbar. Dies könne ihr nur dann ausnahmsweise nicht
zugemutet werden, wenn der Beschäftigung gesetzliche oder tarifliche Einstellungshindernisse entgegenstünden oder wenn schwerwiegende in
der Person des Mitglieds der Jugend- oder Personalvertretung liegende Gründe gegeben seien, die es ausschlössen, dem Arbeitgeber die
Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses abzuverlangen. An der Besetzung freier Stellen sei die Antragstellerin weder durch normative
Regelungen noch durch andere sie in ihrer Arbeitgeberfunktion bindende Vorschriften einer anderen Stelle gehindert. Bei dem von der
Antragstellerin behaupteten Einstellungsstopp handle es sich um eine rein verwaltungsinterne Regelung, die sich nicht im Haushaltsplan
wiederfinde. Eine echte haushaltsgesetzliche Wiederbesetzungssperre im Sinne eines formalen Gesetzes liege nicht vor. Es komme lediglich
darauf an, ob ein ausbildungsadäquater Arbeitsplatz auf Dauer zur Verfügung stehe; dies sei der Fall. Sowohl im Grundbuchamt als auch in der
Datenverarbeitung und im Rechnungsamt, im Bürgerbüro, in der Bücherei und im Ordnungsamt sowie bei der gemeindeeigenen
Tochtergesellschaft, der Kurverwaltung, und in der gemeindeeigenen Volkshochschule sowie in weiteren Ämtern der Antragstellerin seien
ausbildungsadäquate Arbeitsplätze in der Vergütungsgruppe TVöD 5 vorhanden und besetzbar. Auch habe der Bürgermeister ihrer Vorgängerin
im Amt der Jugend- und Auszubildendenvertretung, deren befristeter Arbeitsvertrag nach Beendigung ihrer Ausbildung im Juli 2010 ausgelaufen
wäre, einen unbefristeten Arbeitsvertrag in der Entgeltgruppe TVöD 8 angeboten, den diese aber abgelehnt habe.
12 Der weitere Beteiligte zu 2 teilt mit Schriftsatz vom 22.07.2010 u.a. mit, dass von dort bestätigt werden könne, dass freiwerdende Stellen nicht neu
besetzt und die Aufgabengebiete auf andere Sachbearbeiter umverteilt würden. Der Gemeinderatsbeschluss vom 14.12.2009 werde somit
umgesetzt.
13 Die weitere Beteiligte zu 3 schließt sich den Äußerungen der weiteren Beteiligten zu 1 an.
14 Mit Schriftsatz vom 25.08.2010 nimmt die Antragstellerin zum Vorbringen der weiteren Beteiligten zu 1 Stellung. Sie weist darauf hin, dass primär
der Haushaltsgesetzgeber darüber zu entscheiden habe, ob in der Ausbildungsdienststelle ein geeigneter und besetzbarer Arbeitsplatz zur
Verfügung stehe. Zuständig sei hierfür der Gemeinderat gemäß § 79 GemO i.V.m. § 1 ff GemHVO. Ausschließlich der Gemeinderat habe in
ordentlich einberufenen Sitzungen darüber zu befinden, ob Stellen für Angestellte bereitgestellt würden und ob und wie ggf. diese besetzt
würden. Keinesfalls könne über den Weg der nach § 9 BPersVG bestehenden Weiterbeschäftigungspflicht die Schaffung neuer Arbeitsplätze
erzwungen werden. Der Beteiligten zu 1 sei bereits lange Zeit vor ihrem Amtsantritt als Jugend- und Auszubildendenvertreterin mitgeteilt worden,
dass eine Weiterbeschäftigung nach Abschluss der Ausbildung nicht möglich sei. Bereits aus diesem Umstand könne geschlossen werden, dass
eine Diskriminierung wegen ihres Amts als Jugend- und Auszubildendenvertreterin von vornherein ausgeschlossen sei.
15 Mit weiterem Schriftsatz vom 13.10.2010 führt die Antragstellerin im Hinblick auf die gerichtliche Aufklärungsverfügung vom 01.10.2010 und unter
Vorlage des Stellenplans der Gemeinde ... für das Haushaltsjahr 2010 im Einzelnen aus, dass im Stellenplan keine unbesetzte Stelle für
Vollzeitkräfte im Haushaltsjahr ausgewiesen sei und in den nächsten Jahren auch keine im Stellenplan ausgewiesene Vollzeitstelle frei werde,
die für die weitere Beteiligte zu 1 zur Verfügung gestellt werden könnte.
16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die von der
Antragstellerin vorgelegte Personalakte der weiteren Beteiligten zu 1 verwiesen.
II.
17 Der Antrag ist zulässig und begründet. Das Arbeitsverhältnis der weiteren Beteiligten zu 1 mit der Antragstellerin ist aufzulösen.
18 Das Auflösungsbegehren der Antragstellerin richtet sich nach § 9 BPersVG. Dessen entsprechende Anwendung in den Ländern bestimmt § 107
S. 2 BPersVG, wonach § 9 BPersVG unmittelbar für die Länder gilt.
19 Der Anwendungsbereich des § 9 BPersVG ist eröffnet. Die weitere Beteiligte zu 1 gehört zu dem in § 9 Abs. 1 BPersVG bezeichneten
Personenkreis. Als Auszubildende in dem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf Verwaltungsfachangestellte stand sie in einem
Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz (vgl. den Berufsausbildungsvertrag vom 30.01.2007). Dieses
Berufsausbildungsverhältnis endete mit dem Bestehen der Prüfung am 8.7. 2010. Zu diesem Zeitpunkt war die weitere Beteiligte zu 1 Mitglied der
Jugend-und Auszubildendenvertretung. Sie hat innerhalb der letzten drei Monate vor Ausbildungsende, nämlich mit Schreiben vom 12.05.2010
bei der Antragstellerin die Übernahme in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis gemäß § 9 BPersVG beantragt.
20 Gemäß § 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BPersVG kann der Arbeitgeber spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des
Berufsausbildungsverhältnisses beim Verwaltungsgericht beantragen, das bereits nach § 9 Abs. 2 BPersVG begründete Arbeitsverhältnis
aufzulösen. Einen solchen Antrag hat die Antragstellerin wirksam gestellt. Zwar hat sie bereits am 24.06.2010 - und damit vor Beendigung des
Ausbildungsverhältnisses - beim Verwaltungsgericht zunächst die Feststellung begehrt, dass ein Arbeitsverhältnis mit der weiteren Beteiligten zu
1 im Anschluss an deren Ausbildung nicht begründet werde. Wird ein solcher Feststellungsantrag nach § 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BPersVG gestellt,
aber nicht schon vor Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 2 BPersVG rechtskräftig entschieden, so kann er angesichts seiner
vorbeugenden Zielsetzung nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr wandelt er sich in einen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
BPersVG um, ohne dass es insoweit einer förmlichen Antragsänderung bedarf (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2008 - PL 15 S
533/ 08).
21 Der Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BPersVG ist begründet, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter
Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
22 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dann unzumutbar, wenn der Arbeitgeber
dem Jugendvertreter zum Zeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung (hier: 08.07.2010) keinen auf Dauer angelegten Arbeitsplatz
bereitstellen kann, der dessen Ausbildung entspricht und ihn sowohl hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses als auch
der Vergütung und der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten einem Beschäftigten gleichstellt, der vom Arbeitgeber für eine vergleichbare
Tätigkeit ausgewählt und eingestellt worden ist. Dabei kommt es für die Frage, ob ein ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz für den
Jugendvertreter zur Verfügung steht, allein auf den Bereich der Ausbildungsdienststelle an (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom
16.09.2008, a.a.O.).
23 Allerdings ist es - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - für die Anwendung des § 9 Abs.2 BPersVG unerheblich, ob sich die weitere
Beteiligte zu 1 während ihrer Amtszeit als (nachgerückte) Jugend- und Auszubildendenvertreterin konkret für Belange der Auszubildenden
eingesetzt hat, da die Vorschrift nach ihrem Schutzzweck bereits der Gefahr einer Benachteiligung eines Mitglieds der Jugend- und
Auszubildendenvertretung entgegenwirken und zugleich der Kontinuität der Gremienarbeit dienen soll (BVerwG, Beschl. v. 19.01.2009 - 6 P 1.08
-; juris). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung der Ausbildung am 08.07.2010 stand bei der Antragstellerin jedoch ein
ausbildungsadäquater, gesicherter Dauerarbeitsplatz für die weitere Beteiligte zu 1 nicht zur Verfügung. Dies ergibt sich aus Folgendem:
24 Darüber, ob in der Ausbildungsdienststelle ein geeigneter und besetzbarer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, hat primär der
Haushaltsgesetzgeber zu entscheiden (BVerwG, Beschl. v. 30.05.2007 - 6 PB 1/07 -; juris, m.w.N.). Ein vom Haushaltsgesetzgeber für alle freien
und frei werdenden Stellen ausgesprochenes Verbot der Wiederbesetzung ist als normative Regelung von der Verwaltung einzuhalten. Im
vorliegenden Sachverhalt hat der Gemeinderat der Antragstellerin mit Beschluss vom 14.12.2009 entschieden, die vier bei der Gemeinde
beschäftigten Auszubildenden nach erfolgreichem Abschluss der Prüfung wahlweise entweder für drei Monate in Vollzeit oder für sechs Monate
in Teilzeit befristet zu übernehmen. Dies bedeutet - anders ausgedrückt - dass keiner der vier bei der Antragstellerin beschäftigten
Auszubildenden nach Ausbildungsende in eine unbefristete Vollzeitstelle übernommen werden durfte. An diese verbindliche Maßgabe des für
den Gemeindehaushalt zuständigen Vertretungsorgans der Antragstellerin (§ 81 GemO i.V.m. §§ 1 ff. GemHVO) ist die Verwaltung beim
Haushaltsvollzug gebunden.
25 Ohne Erfolg beruft sich die weitere Beteiligte zu 1 in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.1989
- 6 P 22/85 -; juris. Dem dortigen Sachverhalt lag die Konstellation zugrunde, dass der Senat der Stadtgemeinde Bremen (= Verwaltung) einen
allgemeinen Einstellungsstopp beschlossen hatte, ohne dass dieser Umstand in dem von der Bürgerschaft (= Haushaltsgesetzgeber)
beschlossenen Haushaltsplan (Stellenplan) seinen Niederschlag gefunden hatte. In Anbetracht dieser tatsächlichen und rechtlichen Situation ist
das Bundesverwaltungsgericht - mit den Vorinstanzen - zu der Auffassung gelangt, dass sich die Antragstellerin (Stadtgemeinde Bremen) auf
einen solchen Einstellungsstopp, den das die Arbeitgeberfunktion ausübende Verwaltungsorgan selbst geschaffen hat, nicht berufen kann, weil
sich dann dieses Verwaltungsorgan - entgegen der Zweckbestimmung des § 9 BPersVG - hinsichtlich der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung
eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung auf ein von ihm selbst beschlossenes Einstellungshindernis berufen könnte
(BVerwG, a.a.O., Rdnr. 22 ).
26 Eine damit vergleichbare Sachverhaltskonstellation ist im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht gegeben. Vielmehr hat hier das für den
Haushalt zuständige Satzungsorgan (Gemeinderat) beschlossen, die über den Bedarf eingestellten Auszubildenden nach Ausbildungsende
nicht in ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis zu übernehmen. Diese Maßgabe hatte die Verwaltung der Gemeinde ... zu befolgen und es ist
auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass sie sich in der Folgezeit nicht an diese verbindliche Vorgabe gehalten hätte. Diese rechtliche
Beurteilung entspricht der inzwischen auch für den kommunalen Bereich ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Im
Beschluss vom 30.05.2007 - 6 PB 1/07 -; juris, hat das Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung den bereits
oben wiedergegebenen Grundsatz bestätigt, dass die Entscheidung darüber, ob in der Ausbildungsdienststelle ein geeigneter und besetzbarer
Arbeitsplatz zur Verfügung steht, primär der Haushaltsgesetzgeber zu treffen hat. Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt (a.a.O.,
Rdnr. 4):
27
„Ein vom Haushaltsgesetzgeber für alle freien oder frei werdenden Stellen ausgesprochenes Verbot der Wiederbesetzung ist - auch im
kommunalen Bereich, in welchen die Vertretungskörperschaft die Stellung des Haushaltsgesetzgebers hat und der Oberbürgermeister
die Rechte und Pflichten der kommunalen Körperschaft als Arbeitgeber ausübt - als normative Regelung von der Verwaltung
einzuhalten. Eine Stelle, die einer solchen Sperre unterliegt, kann dem Jugendvertreter daher nicht übertragen werden.“
28 Danach war - wie schon oben ausgeführt wurde - die Verwaltung der Antragstellerin an das vom Gemeinderat als „Haushaltsgesetzgeber“
ausgesprochene Verbot der Übernahme von Auszubildenden in ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis gebunden. Für die rechtliche
Beurteilung unerheblich ist damit auch das - von der Antragstellerin bestrittene -Vorbringen der weiteren Beteiligten zu 1, der Bürgermeister der
Antragstellerin habe im März 2010 ihrer Vorgängerin im Amt der Jugend- und Auszubildendenvertreterin - allerdings erfolglos - eine TvöD 8-
Stelle angeboten. Abgesehen davon, dass der Bürgermeister damit gegen die verbindliche Vorgabe des Gemeinderats in dessen Beschluss vom
17.12.2009 zuwider gehandelt hätte, kann aus diesem Sachverhalt - sein Vorliegen unterstellt - nicht hergeleitet werden, der Antragstellerin sei
eine Weiterbeschäftigung schon deswegen zuzumuten. Dies wäre nur dann unter Umständen denkbar, wenn die Antragstellerin innerhalb des
Drei-Monats-Zeitraums des § 9 Abs. 2 BPersVG vor dem vereinbarten Ausbildungsende tatsächlich eine Stellenbesetzung vorgenommen hätte,
statt diese (ausbildungsadäquate) Stelle für einen nach § 9 BPersVG geschützten Auszubildenden freizuhalten (BVerwG, Beschl. v. 01.11.2005 -
6 P 3/05 -; juris, Rdnr. 37 sowie Ilbertz/Widmaier, BPersVG, Komm., 11. Aufl. § 9 Rdnr. 16b).
29 Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Prüfung mehr, ob bei der Ausbildungsdienststelle zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ausbildungsendes
(08.07.2010) ein auf Dauer angelegter, ausbildungsadäquater Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Die beschließende Kammer bemerkt lediglich
obiter dictum, dass auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht erkennbar geworden ist, inwieweit ein solcher Sachverhalt
vorgelegen haben könnte. Vielmehr hat die Antragstellerin zu dem Vorbringen der weiteren Beteiligten zu 1 im Einzelnen plausibel dargetan,
dass frei gewordene Arbeitskapazitäten auf andere Mitarbeiter verteilt, bzw. frei gewordene Stellen nicht wiederbesetzt worden sind. Soweit die
weitere Beteiligte zu 1 während des gerichtlichen Verfahrens und in der mündlichen Verhandlung weitere, vermeintlich freie und mit ihrer Person
besetzbare Arbeitsplätze geltend gemacht hat, handelt es sich dabei entweder um nicht ausbildungsadäquate Stellen (etwa Beamtenstellen; § 9
BPersVG betrifft indes lediglich Angestelltenstellen; vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.11.2005, a.a.O.) oder um Arbeitsplätze, die zum hier
maßgeblichen Zeitpunkt noch mit Stelleninhabern besetzt waren und erst zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise - vorbehaltlich einer
Stelleneinsparung - wieder besetzt werden können oder um - hier nicht relevante - Arbeitsplätze außerhalb der Ausbildungsdienststelle. Nach
der jüngeren Rechtsprechung des BVerwG (Beschl. v. 26.05.2009 - 6 PB 4.09 -; juris) besteht keine Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers,
auf ihm zu Gebote stehenden freien Stellen Arbeitsplätze zu schaffen, die auf die Qualifikation der Jugend- und Auszubildendenvertretung
zugeschnitten sind, die ihre Weiterbeschäftigung geltend machen. Vielmehr ist die Entscheidung darüber, ob freie Stellen überhaupt in Anspruch
genommen werden sollen und welche fachlichen Anforderungen ggf. zu stellen sind, als Wahrnehmung einer typischen Arbeitgeberfunktion von
den Verwaltungsgerichten nicht auf ihre Richtigkeit oder auch nur Plausibilität zu überprüfen. Auch ist der öffentliche Arbeitgeber nicht
verpflichtet, Stellenanteile zu vollen Arbeitsplätzen zusammenzuführen, die auf die Qualifikation des Jugendvertreters zugeschnitten sind
(BVerwG, Beschl. v. 09.12.2009 - 6 PB 35.09 -; juris). Auf dieser Ebene der Entscheidungsfindung beschränkt sich die Wirkung von § 9 BPersVG
auf eine Missbrauchskontrolle. Vor Willkür ist der Jugendvertreter dennoch geschützt. Seine Weiterbeschäftigung ist ausnahmsweise zumutbar,
wenn die Entscheidung der Dienststelle über die Verwendung freier Stellen erkennbar das Ziel verfolgte, seine Anstellung zu verhindern.
30 Für eine solche Annahme gibt der vorliegende Sachverhalt nichts her. Bereits die Tatsache, dass nach dem Gemeinderatsbeschluss vom
14.12.2009 eine Übernahme aller vier Auszubildenden in ein Dauerarbeitsverhältnis nach Abschluss der Ausbildung ausgeschlossen wird,
deutet unmittelbar auf das Fehlen einer Benachteiligungsabsicht zu Lasten der weiteren Beteiligten zu 1 hin. Auch sonst ist nichts dafür
ersichtlich, dass die Antragstellerin mit der Verweigerung der Weiterbeschäftigung der weiteren Beteiligten zu 1 das Ziel verfolgt haben könnte,
wegen deren Betätigung als Jugend- und Auszubildendenvertreterin eine Anstellung in einem Dauerarbeitsverhältnis zu verhindern.
31 Der Auflösungsantrag musste daher Erfolg haben. Eine Kostenentscheidung war im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht zu
treffen. Das Verfahren ist gebührenfrei. Auslagen werden nicht erhoben und nicht erstattet.