Urteil des VG Hannover vom 28.05.2014

VG Hannover: vorbehalt des gesetzes, anerkennung, schule, physiotherapie, erlass, unterricht, niedersachsen, eigenschaft, prüfungsordnung, auflage

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Staatliche Anerkennung von Schulen für andere als
ärztliche Heilberufe in Niedersachsen
Keine Rechtsgrundlage für einen Verwaltungsakt, mit dem die staatliche
Anerkennung einer Berufsfachschule für Physiotherapie nachträglich
geändert oder ergänzt wird
VG Hannover 6. Kammer, Urteil vom 28.05.2014, 6 A 6162/13
Art 12 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 7 Abs 1 GG, Art 72 Abs 1 GG, Art 74 Abs 1 Nr
19 GG, § 9 MPhG, § 1 Abs 5 SchulG ND
Tatbestand
Die Klägerin ist Trägerin mehrerer staatlich anerkannter Schulen für die
Ausbildung von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten.
Der in E. unter dem Namen Staatlich anerkannte Lehranstalten für
Physiotherapie E. (D. -Schule) betriebenen Schule hat die ehemalige
Bezirksregierung E. am 29. Mai 1979 die Eigenschaft einer staatlich
anerkannten Schule verliehen. Im Jahre 2010 übernahm die Klägerin mit
behördlicher Zustimmung die Trägerschaft für die Schule.
Der von der Klägerin unter dem Namen Schulen F. in E. betriebene Schule für
Physiotherapie hat die ehemalige Bezirksregierung Hannover mit Bescheid
vom 12. September 1995 die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Schule
verliehen. Der Anerkennungsbescheid ist mit Bescheid vom 21. Februar 1996
um eine Erweiterung der Ausbildungskapazität der Schule ergänzt worden.
Der von der Klägerin als A. -Schulen in G. betriebene Schule für
Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten hat die ehemalige
Bezirksregierung Hannover mit Bescheid der Bezirksregierung Hannover vom
13. Juni 1979 die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Schule verliehen. In
der Folgezeit wurde der Anerkennungsbescheid wegen der Erweiterung der
Schulkapazität mehrfach um die Zahl der aufzunehmenden Schüler
abgeändert, zuletzt mit Bescheid der Bezirksregierung Hannover vom 17. Mai
1996. Am 16. Juli 1998 stimmte die Bezirksregierung Hannover dem Wechsel
der Trägerschaft dieser Schule auf die Klägerin zu.
Mit zeitgleich erlassenen Bescheiden vom 22. Juli 2013 erklärte die Beklagte,
dass sie die staatlichen Anerkennungen dieser Schulen wie folgt ändere:
Für die Staatlich anerkannten Lehranstalten für Physiotherapie E. (D. -Schule)
werde die staatliche Anerkennung der Schule um folgende
Nebenbestimmungen ergänzt:
Die staatliche Anerkennung stehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs, falls die
Mindestanforderungen an Schulen für andere als ärztliche Heilberufe aus dem
Erlass des MK vom 13.04.2010 (Nds. MBI. S. 553) in der zurzeit geltenden
Fassung nicht oder nicht mehr erfüllt werden.
Inhaltlich seien die Lehrgänge nach § 1 Abs.1 der Ausbildungs- und
Prüfungsordnung für Physiotherapeuten (PhysTh-APrV) vom 06.12.1994
(BGBI. I S. 3770) in der zurzeit geltenden Fassung und dem normierten
Stoffverteilungsplan der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 PhysTh-APrV durchzuführen.
Die darin enthaltenen Stundenvorgaben seien bindend; eine Unterschreitung
der Vorgaben sei nicht zulässig.
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der Vorgaben sei nicht zulässig.
Der theoretische und praktische Unterricht sei getrennt nach Lehrgängen
durchzuführen. Ausnahmen seien nach der Zustimmung der Schulbehörde
möglich.
Für die Schulen F. in E. ordnete die Beklagte an, dass die hauptberufliche
Schulleitung Herrn H. I., die Stellvertretung Frau J. K. obliege. Die staatliche
Anerkennung der Schule werde um folgende Nebenbestimmungen ergänzt:
Die staatliche Anerkennung stehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs, falls die
Mindestanforderungen an Schulen für andere als ärztliche Heilberufe im Erlass
des MK vom 13.04.2010 (Nds. MBI. S. 553) in der zurzeit geltenden Fassung
nicht oder nicht mehr erfüllt würden.
Inhaltlich seien die Lehrgänge nach § 1 Abs.1 der Ausbildungs- und
Prüfungsordnung für Physiotherapeuten (PhysTh-APrV) vom 06.12.1994
(BGBI. I S. 3770) in der zurzeit geltenden Fassung und dem normierten
Stoffverteilungsplan der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 PhysTh-APrV durchzuführen.
Die darin enthaltenen Stundenvorgaben sind bindend; eine Unterschreitung
der Vorgaben sei nicht zulässig.
Der theoretische und praktische Unterricht sei getrennt nach Lehrgängen
durchzuführen. Ausnahmen seien nach Zustimmung der Schulbehörde
möglich.
Für die als A. -Schulen in G. betriebene Schule für Physiotherapeutinnen und
Physiotherapeuten ordnete die Beklagte an, dass die hauptberufliche
Schulleitung Herrn H. I. obliege. Die staatliche Anerkennung der Schule werde
um folgende Nebenbestimmungen ergänzt:
Die staatliche Anerkennung stehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs, falls die
Mindestanforderungen an Schulen für andere als ärztliche Heilberufe aus dem
Erlass des MK vom 13.04.2010 (Nds. MBI. S. 553) in der zurzeit geltenden
Fassung nicht oder nicht mehr erfüllt werden.
Inhaltlich seien die Lehrgänge nach § 1 Abs.1 der Ausbildungs- und
Prüfungsordnung für Physiotherapeuten (PhysTh-APrV) vom 06.12.1994
(BGBI. I S. 3770) in der zurzeit geltenden Fassung und dem normierten
Stoffverteilungsplan der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 PhysTh-APrV bzw. Anlage 2
bzw. Anlage 3 durchzuführen. Die darin enthaltenen Stundenvorgaben seien
bindend; eine Unterschreitung der Vorgaben sei nicht zulässig.
Der theoretische und praktische Unterricht sei getrennt nach Lehrgängen
durchzuführen. Ausnahmen seien nach der Zustimmung der Schulbehörde
möglich.
Mit der am 21. August 2013 erhobenen Klage hat die Klägerin die Bescheide
vom 22. Juli 2013 angefochten.
Zur Klagebegründung trägt die Klägerin vor, sie wende sich insbesondere
dagegen, dass der nur verwaltungsintern bindende Erlass des
Niedersächsischen Kultusministeriums vom 13. April 2010 im Wege einer
Nebenbestimmung inhaltlich zum Gegenstand der staatlichen Anerkennungen
gemacht werde. Hierfür fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigung, die es
der Beklagten ermöglichte, den angegriffenen Widerrufsvorbehalt als
Nebenstimmung in die jeweils bestandskräftigen staatlichen Anerkennungen
einzufügen. Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits am 28. August 1996
in der Verwaltungsstreitsache zwischen der Klägerin gegen die damalige
Bezirksregierung Hannover im Zusammenhang mit der staatlichen
Anerkennung einer Logopädenschule - BVerwG 6 C 1.95 - darauf
hingewiesen, dass es für die Festlegung der Voraussetzungen der staatlichen
Anerkennung einer Logopäden-Schule einer gesetzlichen Grundlage bedürfe.
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Nur übergangsweise könne für die Zeit der Schaffung der gesetzlichen
Grundlagen eine staatliche Anerkennung in Anlehnung an vorhandene
Verwaltungserlasse erfolgen. Ein Gesetz, auf dessen Grundlage die
Anforderungen des Erlasses des Kultusministeriums vom 13. April 2010 zum
Gegenstand bestandskräftiger Anerkennungsbescheide gemacht werden
könnten, fehle weiterhin. Gleiches gelte für die übrigen Auflagen in den
angegriffenen Bescheiden, insbesondere für die Beschreibung der
Schulleitung durch Herrn H. I. als hauptberuflich und die Vorgaben zu einer
Trennung von Unterricht nach Lehrgängen sowie bezüglich der
Stoffverteilungspläne und Stundenvorgaben.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 22. Juli 2013 bezüglich der
staatlichen Anerkennung der
- D. Schule E., Lehranstalt für Physiotherapie,
- Schulen F. E., Berufsfachschule für Physiotherapie,
- A. -Schulen G., Berufsfachschule für Physiotherapie,
zum Zeichen der Beklagten C., aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, sie dürfe die staatlichen Anerkennungen
der Schulen für die Ausbildung von Physiotherapeutinnen und
Physiotherapeuten ändern, denn gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 GG unterliege
das gesamte Schulwesen der staatlichen Aufsicht. Diese werde von der
Niedersächsischen Landesschulbehörde wahrgenommen und umfasse die
Aufgabe der staatlichen Anerkennung der Schulen nach § 9 MPhG sowie der
Festlegung des Inhalts und Umfangs der Anerkennung.
Bei den Schulen F. E. hätten Änderungen bei der Schulleitung Anlass
gegeben, einen Widerrufsvorbehalt aufzunehmen und auf die Anwendung der
Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten hinzuweisen.
Die Beklagte meint, Schulen für Physiotherapie seien verpflichtet, den Erlass
des Niedersächsischen Kultusministeriums über die Mindestanforderungen an
Schulen für andere als ärztliche Heilberufe vom 13. April 2010 in der derzeit
geltenden Fassung zu beachten. Verstöße dagegen berechtigten die
Aufsichtsbehörde zu einem schulaufsichtlichen Einschreiten.
Bei der A. -Schule G. sei ebenfalls eine Änderung der Anerkennung wegen
des Wechsels des Schulleiters erforderlich gewesen. Diese sei dann mit einem
Widerrufsvorbehalt und Bedingungen zu den Inhalten der Lehrgängen, der
Stoffverteilung sowie Auflagen zu gemeinsamen Unterricht versehen worden.
Hier müsse die staatliche Aufsicht prüfen, welche Anforderungen der Schule
im Anerkennungsbescheid besonders zu erwähnen seien.
Da die D. Schule E. demselben Schulträger gehöre, sei auch hier die
Anerkennung mit einen Widerrufsvorbehalt versehen und zu den Inhalten der
Lehrgängen, der Stoffverteilung sowie des gemeinsamen Unterricht um
Bedingen ergänzt worden.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakten A bis E), deren wesentlicher
Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
Die Bescheide der Beklagten vom 22. Juli 2013 bezüglich der staatlichen
Anerkennung der D. -Schule E., Lehranstalt für Physiotherapie, der Schulen F.
E., Berufsfachschule für Physiotherapie, und der A. -Schulen G.,
Berufsfachschule für Physiotherapie, werden gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO aufgehoben, weil sie rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren
Rechten verletzen.
Für die mit den angefochtenen Bescheiden angeordneten Änderungen und
Ergänzungen der staatlichen Anerkennungen der genannten Schulen fehlt es
an einer rechtlichen Grundlage. Sie verstoßen gegen den
verfassungsrechtlichen Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes.
Jeder Verwaltungsakt, der die Rechte des von ihm Betroffenen gestaltet,
bedarf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Dieser Grundsatz vom
Vorbehalt des Gesetzes folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem
Demokratieprinzip des Grundgesetzes (BVerfG, Beschl. vom 9. 5. 1972,
BVerfGE 33, 125 ff., 163 = DÖV 1972 S. 748) und ist nach Art. 28 Abs. 1 Satz
1 GG auch für die Verwaltung der Länder verbindlich. Ihm wird nur dann
Rechnung getragen, wenn eine gesetzliche Regelung vorhanden ist, die den
in Frage stehenden Sachverhalt des behördlichen Tätigwerdens nach
allgemeinen Grundsätzen der Gesetzesauslegung erfasst und dabei inhaltlich
verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Dieser Grundsatz vom
Vorbehalt des Gesetzes verpflichtet danach auch den Landesgesetzgeber, in
grundrechtsrelevanten Bereichen die wesentlichen Entscheidungen selbst zu
treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen, wobei es dem Gesetzgeber
allerdings nicht von vornherein verwehrt ist, Generalklauseln zu verwenden
und Spielräume zu eröffnen (vgl. BVerfG, Urt. vom 24.05.2006 – 2 BvR 669/04
–, BVerfGE 116, 24 ff. = NVwZ 2006 S. 807 ff.).
Dies gilt auch für die Grundrechtsrelevanz behördlicher Regelungen der
Statusangelegenheiten von Privatschulen, an denen nach § 9 Satz 2 des
Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie (Masseur- und
Physiotherapeutengesetz - MPhG - vom 26.05.1994, BGBl. I S. 1084, zuletzt
geändert durch Artikel 45 des Gesetzes vom 06.12.2011, BGBl. I S. 2515) eine
Ausbildung durchgeführt werden kann, welche zur Erteilung der Erlaubnis des
Führens der Berufsbezeichnung „Physiotherapeutin“ oder „Physiotherapeut“
führt. Die durch eine Behörde verliehene staatliche Anerkennung solcher
Schulen wird in § 9 Satz 2 MPhG vorausgesetzt. Sie ist damit zwingender
Bestandteil der aufgrund des Bundesgesetzes gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2
GG geregelten Berufsausbildung von Physiotherapeutinnen und
Physiotherapeuten und schränkt im Verhältnis zu den Berufsbewerberinnen
und -bewerbern die Freiheit der Wahl des so bezeichneten Berufs durch die
Vorgabe einer bestimmten Schulart ein. Im Verhältnis zum Schulträger
schränkt das Erfordernis einer staatlichen Anerkennung von Schulen, die
errichtet werden, um Schülerinnen und Schüler für den Beruf mit der
Bezeichnung „Physiotherapeutin“ bzw. „Physiotherapeut“ auszubilden,
unmittelbar das Grundrecht der Privatschulfreiheit aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG
ein. § 9 Satz 2 MPhG setzt mit der staatlichen Anerkennung einen
behördlichen Rechtsakt voraus, mit welchem diesen Schulen der Status von
Ausbildungsstätten für die in den §§ 9 ff. MPhG geregelte Berufsausbildung
verliehen wird. Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verlangt deshalb,
dass durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung
geregelt wird, welche Behörde über die staatliche Anerkennung dieser
Schulen entscheidet und welche inhaltlichen Voraussetzungen, die sich nicht
bereits aus den bundesrechtlichen Ausbildungsregelungen ergeben, für die
Verleihung der Eigenschaft einer staatlich anerkannten Schule erfüllt sein
müssen.
Aus dem MPhG lässt sich eine entsprechende gesetzliche
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Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Verwaltungsakten, welche die
Voraussetzungen einer staatlichen Anerkennung in Bezug auf die
Anforderungen an die Beschäftigungsverhältnisses der Schulleitungen und die
Gestaltung und Gliederung der in der gemäß § 13 MPhG erlassenen
Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Physiotherapeuten (- PhysTh-APrV -
vom 06.12.1994, BGBl. I S. 3786; zuletzt geändert durch Art. 13 der
Verordnung vom 02.08.2013, BGBl. I S. 3005) im Einzelfall verbindlich regelt,
nicht herleiten. Dasselbe gilt für die Frage, welche Behörde des Landes
Niedersachsen für den Erlass solcher Verwaltungsakte zuständig wäre.
Vielmehr beschränkt sich der Bundesgesetzgeber in § 14 Abs. 1 und 2 MPhG
darauf zu bestimmen, welches Land jeweils die Entscheidungen nach § 2 Abs.
1 und § 7 Abs. 4 MPhG und nach § 6 Abs. 2 oder § 12 MPhG zu treffen hat.
Hat aber der Bundesgesetzgeber insoweit von seiner
Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG keinen Gebrauch
gemacht, ist die Regelung der Zulassung der Physiotherapeutenschulen sowie
der Eingriffsmöglichkeiten der Schulaufsicht gemäß Art. 72 Abs. 1 GG eine
Aufgabe der Gesetzgebung der Länder, denen hinsichtlich der staatlichen
Anerkennung die Fachaufsicht für die Physiotherapeutenschulen obliegt.
In Niedersachsen fehlt es vollständig an einer gesetzlichen Regelung der
staatlichen Schulaufsicht über die Berufsfachschulen für Physiotherapeutinnen
und Physiotherapeuten und deren Inhalt (Art. 7 Abs. 1 GG). Aus dem
gemeinsamen Runderlass des Niedersächsischen Kultusministeriums und
anderer oberster Landesbehörden „Zuständige Behörde für andere als
ärztliche Hilfsberufe“ (vom 23.11.2004, Nds. MBl. S. 866) ergibt sich nur, dass
die Niedersächsische Landesschulbehörde mit Verbindlichkeit für die Praxis
der Landesverwaltung zur zuständigen Behörde für die in § 14 MPhG
genannten Gegenstände der gegenüber den Ausgebildeten bzw.
Auszubildenden zu treffenden Erlaubnis-, Verkürzungs- und
Anrechnungsentscheidungen und für die Anwendung der Ausbildungs- und
Prüfungsordnung für Physiotherapeuten bestimmt worden ist. Im Übrigen
existiert auch eine Verwaltungsvorschrift, welche die zuständige Behörde
übergangsweise bis zur Schaffung der gesetzlichen Grundlagen ermächtigen
könnte, die rechtlichen Verhältnisse einer staatlich anerkannten Schule für
Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten hoheitlich zu gestalten, im Land
Niedersachsen nicht.
Auf die im Niedersächsischen Schulgesetz (NSchG) verankerten Regelungen
über die von den Schulbehörden wahrgenommene staatliche Schulaufsicht
(§§ 120, 167 NSchG) kann als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die
nachträgliche Änderung und Ergänzung der staatlichen Anerkennung von
Physiotherapeutenschulen nicht zurückgegriffen werden. Sie sind, soweit das
NSchG in seinem Elften Teil bestimmte Anforderungen an die Schulleitungen
und den Unterricht an Schulen in freier Trägerschaft stellt, auf die
Rechtsverhältnisse von Schulen im Sinne von § 9 Satz 2 MPhG weder
unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Bezüglich der staatlich
anerkannten Physiotherapeutenschulen A. -Schulen G. und Schulen F. E.
besteht zwar die Besonderheit, dass das Rechtsverhältnis zwischen der
Klägerin und dem Land Niedersachsen durch das den Beteiligten bekannte
Urteil des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 28. November 2001 - 13 L
2847/00 - (n. v.) insoweit rechtskräftig geklärt ist, als es sich bei beiden
Schulen um Ersatzschulen im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG handelt, für
die das Land Niedersachsen rechtswidrig nicht den Zugang zu einem
Genehmigungsverfahren nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG, 4 Abs. 3 Nds.
Verfassung (NV) eröffnet hat. Daraus allein ergibt sich aber noch nicht die
Möglichkeit einer analogen Anwendung der Regelungen des NSchG auf die
staatliche Schulaufsicht über die Berufsfachschulen für Physiotherapeutinnen
und Physiotherapeuten. Denn der Landesgesetzgeber hat in § 1 Abs. 5 Satz 1
Nr. 3 NSchG ausdrücklich festgelegt, dass das NSchG auf diese Schulen
keine Anwendung findet. Mit der abschließenden Aufzählung der in § 1 Abs. 5
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Satz 2 NSchG namentlich genannten Rückausnahmen ist das Gesetz in
diesem Punkt auch nicht lückenhaft, denn der Landesgesetzgeber hat sich bei
der Einführung der Regelung des § 1 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 NSchG durch das
Gesetz zur Verbesserung von Bildungsqualität und zur Sicherung von
Schulstandorten (vom 02.07.2003, Nds. GVBl. S. 244) bewusst dafür
entschieden, die vorhandenen Schulen für Physiotherapie nicht in den
Geltungsbereich des NSchG einzubeziehen. Er hat die bis zum Erlass jenes
Gesetzes geltende Verordnungsermächtigung zur Einbeziehung dieser
Schulen in den Geltungsbereich des NSchG aufgehoben, um zu verhindern,
dass sich Schulträger „in den Geltungsbereich des NSchG einklagen und
damit erhebliche Finanzhilfeansprüche auslösen“ (vgl. Nds. Landtag,
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP vom 10.03.2003, LT-Drs.
15/30 S. 15).
Außerhalb des Anwendungsbereichs des NSchG gibt es ebenfalls keine
Rechtssätze, welche die Beklagte dazu ermächtigten, den freien Trägern von
Berufsfachschulen für Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten im Wege
des Verwaltungsakts bestimmte Mindestanforderungen in Gestalt von
hauptberuflich tätigen Schulleitungen, ferner die Beachtung des Erlasses des
Niedersächsischen Kultusministeriums vom 13. April 2010 (Nds. MBl. S. 553)
oder eine bestimmte Gestaltung und Gliederung der gesetzlich vorgegebenen
Lehrgänge aufzugeben.
Der den schulbehördlichen Bescheiden über die Verleihung der Eigenschaft
staatlich anerkannter Schulen - zum Teil nachträglich - beigefügte allgemeine
Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer
Auflage, „sofern es im Interesse der Ausbildung der Teilnehmerinnen und
Teilnehmer oder im sonstigen Interesse geboten sei“, lässt sich als
Ermächtigungsgrundlage für die inhaltliche Änderung und Ergänzung der
staatlichen Anerkennungen nicht heranziehen. Mit der Erklärung, dass einem
begünstigenden Verwaltungsakt nach § 36 Abs. 2 Nr. 5
Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nds.
Verwaltungsverfahrensgesetz (NVwVfG) ein Auflagenvorbehalt beigefügt wird,
wird keine selbständige Rechtsgrundlage für die Änderung oder Ergänzung
des Verwaltungsakts geschaffen. Mit einem Auflagenvorbehalt bringt die
Behörde in rechtlicher Hinsicht nur zum Ausdruck, dass sich der Begünstigte
im Fall einer nachträglich verfügten Auflage gegenüber der damit verbundenen
Einschränkung seiner Rechtsstellung nicht auf Vertrauensschutz (§ 48 Abs. 2
Satz 1 und 2 VwVfG) berufen kann (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs,
Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 36 Rdnr. 89).