Urteil des VG Hannover vom 24.01.2012

VG Hannover: zuwendung, aufwand, gemeinde, grundstück, kaufvertrag, erfüllung, geoinformation, erneuerung, niedersachsen, auskunft

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Anrechnung einer Zuwendung für Teilstrecke im
Straßenausbaubeitragsrecht
Bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen kommt eine Zuwendung (hier:
aus Dorferneuerungsmitteln), die eine Gemeinde zu den Ausbaukosten für die
Teilstrecke einer Straße erhält und die vor der Verteilung des umlagefähigen
Aufwands von den geförderten Gesamtkosten abzuziehen ist, nicht lediglich
den Anliegern der betroffenen Teilstrecke zugute, sondern allen Anliegern der
Anlage.
VG Hannover 9. Kammer, Urteil vom 24.01.2012, 9 A 2372/11
§ 6 KAG ND
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung
in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich mit ihren jeweiligen Klagen gegen die Heranziehung zu
Straßenausbaubeiträgen für den Ausbau des (E.)es zwischen seiner
Einmündung in die B 217 und der nördlichen Einmündung der Straße (F.) in Bad
Münder-(G.).
Die Kläger sind jeweils Eigentümer von am (E.) gelegenen Grundstücken in der
Gemarkung (G.), Flur 3. Dort gelten die Bebauungspläne Nr. 9.9, 9.9.1 bzw.
9.12.1 der Beklagten, die als Nutzung im Wesentlichen "Mischgebiet"
festsetzen. Der Kläger unter der laufenden Nr. 1 (im Folgenden: Kläger zu 1.) ist
der Vater des Klägers unter der laufenden Nr. 2 (im Folgenden Kläger zu 2.)
Dem Kläger zu 1. gehört das Grundstück (E.) 4 b mit einer Größe von 850 m².
Dem Kläger zu 2. gehören die Grundstücke (E.) 4
- Flurstück (H.) (Wohnhaus) mit einer Größe von 225 m²,
- Flurstück (I.) (Gewerbehalle) mit einer Größe von 1.643 m² und
- Flurstück (J.) (Gewerbegrundstück) mit einer Größe von 561 m²,
zusammen 2.204 m².
Der Kläger zu 2. betreibt auf den Gewerbeflächen einen Betrieb zur Herstellung
von Bauelementen.
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Der (E.) führt von der B 217 in nördliche Richtung. In dem abgerechneten
Abschnitt gliedert sich die Straße in einen südlichen, 120 m langen
"historischen“ Teil bis zur Einmündung eines schmalen Weges in Fortsetzung
des mittleren in Ost-West-Richtung verlaufenden Astes der Straße (K.) und den
nördlich daran anschließenden 118 m langen "normalen“ Teil bis zur
Einmündung des nördlichen in Ost-West-Richtung verlaufenden Astes der
Straße (K.) (Höhe (E.) 11 bzw. 12). Der sich weiter nördlich anschließende
Abschnitt des (E.)es war zum Zeitpunkt der Ausbaumaßnahme noch nicht
erstmalig hergestellt.
Der (E.) war vor dem Ausbau nach dem äußeren Eindruck eine einheitliche
Anlage, die jedoch im Jahr 1983 nicht alle Merkmalsbestimmungen einer
fertigen Einrichtung im Sinne der Erschließungsbeitragssatzung erfüllte. Der
Weg war am 30.06.1961 eine "vorhandene Straße" in dem abgerechneten
Abschnitt. Ein Ratsbeschluss der Beklagten aus dem Jahr 1974 stellte den Weg
zwar in ganzer Länge als endgültig hergestellt fest, doch missachtete der
Beschluss nach einem von den Beteiligten akzeptierten Rechtsgutachten die
Vorgaben des § 135 BBauG und wird deshalb als rechtswidrig angesehen. Der
Rechtsgutachter kam zu dem Ergebnis, dass der (E.) von der B 217 auf einer
Länge von etwa 190 m (Flurstück (L.)) - d. h. die südliche Straßenparzelle - eine
vorhandene Straße im Rechtssinne nach der Lage der Straße im Verhältnis zum
bebauten Ortskern, dem Grad der Bebauung an ihr und ihrem Ausbauzustand
im Verhältnis zu anderen als fertiggestellt geltenden Straßen des Ortes sei.
Den mit den streitigen Bescheiden abgerechneten Bereich des (E.)s widmete
die Beklagte mit Beschlüssen vom 06.12.1983 (südlicher Teil) und 26.06.2002
(nördlicher Teil) dem öffentlichen Verkehr.
1992 wurden an der abgerechneten Anlage sieben Straßenlampen errichtet und
der Beklagten in Rechnung gestellt.
Der Kläger zu 1. erwarb das Grundstück Flurstück (J.) am 30.07.1992 von der
Beklagten. Der Kaufvertrag regelt in § 5, dass sich der Kaufpreis auf ein voll
erschlossenes Grundstück bezieht und enthält den Zusatz: "Anliegerkosten und
Anschlussgebühren entfallen". Im Jahr 2007 erwarb der Kläger zu 2. seine
Grundstücke von dem Kläger zu 1.
Die Beklagte beantragte für die Erneuerung des „historischen“ Teils des (E.)es
eine Zuwendung zur Dorferneuerung und gab die voraussichtlichen
Gesamtkosten dafür mit 79.831,93 € (zuzüglich der nicht förderfähigen
Mehrwertsteuer) an. Mit Bescheid vom 04.06.2009 gewährte die Behörde für
Geoinformation, Landentwicklung und Liegenschaften Hannover für die
Maßnahme "Dorfgerechter Ausbau der Straße '(E.)' - Historischer Teil" eine
Zuwendung in Höhe von 34.429 € zur Förderung der Dorferneuerung nach der
Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur integrierten ländlichen
Entwicklung (ZILE). Zweck der Zuwendung ist eine "Verbesserung der
innerörtlichen Verkehrsverhältnisse". Die Nebenbestimmung Nr. 4 besagt, dass
die Zuwendung nur zur Erfüllung des im Zuwendungsbescheid bestimmten
Zwecks verwendet werden darf. Die Nebenbestimmung Nr.11 regelt:
"Soweit für die geförderten Maßnahmen Erschließungs- oder
Straßenausbaubeiträge erhoben werden, ist die bewilligte Zuwendung von
den geförderten Gesamtkosten vor Verteilung des umlagefähigen
Aufwands auf Gemeinde und Beitragspflichtige abzuziehen."
Die dem Zuwendungsbescheid beigefügten Allgemeinen Nebenbestimmungen
für Zuwendungen zur Projektförderung an Gebietskörperschaften und
Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften (ANBest-Gk) regeln in Nr.1.1:
"...Die Zuwendung darf nur zur Erfüllung des im Zuwendungsbescheid
bestimmten Zwecks verwendet werden. ..."
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2009 baute die Beklagte die abgerechnete Anlage aus. Sie bildete dabei zwei
Lose, weil nur der "historische“ Teil mit einer Zuwendung gefördert wurde. Zu
den Kosten des Straßenbaus
- für das Los Nr. 1 ("historischer“ Teil)
=
82.707,07
- für das Los Nr. 2 ("normaler“ Teil)
=
94.790,21
rechnete die Beklagte die Kosten für
- eine Parkfläche im Los 2
= 2.869,08
- eine Rechnung des Wasserbeschaffungsverbandes
Mühlenbachtal (WBV)
= 502,66
- eine Rechnung der Abwasserentsorgungs-GmbH der
Beklagten (ABM)
= 1.200,35
- und eine Rechnung für eine Probeentnahme
= 178,50
€.
Davon setzte die Beklagte Kostenerstattungen ab
- des WBV
= 685,44
- und der ABM
= 2.105,10
€.
So kam sie auf beitragsfähige Kosten in Höhe von 179.457,33 €.
Dazu setzte die Beklagte noch Kosten für das eigene Personal in Höhe von
1.431,00 € an:
- Technischer Zeichner (M.) 6 Std. à 53 €
(Aufmaß)
= 318,00
- Mitarbeiter (N.) 4 Std. à 53 €, davon 3 Stunden für
Submission und Vergabe und eine Stunde für eine
VA-Vorlage
= 212,00
- (O.) 17 Std. à 53 € = 901,00 €
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und ermittelte insgesamt 180.888,33 € für den Straßenbau. Sie addierte die
Kosten der Beleuchtung nach einer Rechnung der (P.) vom 16.04.1992 in Höhe
von 5.335,73 € und zog davon die Zuwendung aus Dorferneuerungsmitteln
wieder ab. Dies ergab einen beitragsfähigen Aufwand für den Straßenbau in
Höhe von 151.795,06 €. Außerdem berechnete die Beklagte die Kosten für den
Regenwasserhauptkanal zu 50 % (37.841,58 €). Bezogen auf eine Straße mit
überwiegendem Anliegerverkehr ergab sich daraus insgesamt bei einer
Beitragsfläche von 22.380 m² ein umlagefähiger Aufwand für den Straßenbau
inklusive des Regenwasserhauptkanalanteils von 6,355115 €/m².
Die Beklagte zog die Anlieger mit diesem Beitragssatz durch Bescheide vom
11.05.2011 zu dem Straßenausbau heran:
- den Kläger zu 1. zu einem Betrag von 5.401,85 €
sowie
- den Kläger zu 2.
für das Flurstück (H.) zu einem Betrag von 1.429,90 €
und für die Flurstücke (I.) und (J.) zu einem Betrag von 21.010,01 €.
Am 10.06.2011 haben die Kläger - der Kläger zu 1. zum Az. 9 A 2372/11, der
Kläger zu 2. hinsichtlich seiner Heranziehung wegen des Flurstücks (H.) zum
Az. 9 A 2373/11 und hinsichtlich der Heranziehung wegen der Flurstücke (I.)
und (J.) zum Az. 9 A 2374/11 - Klage erhoben und wie folgt begründet:
Sie unterstützten zwar, dass die Beklagte die ihr bewilligte
Dorferneuerungszuwendung von den Gesamtkosten des Ausbaus und nicht
lediglich von dem Gemeindeanteil abgezogen habe, aber zu beanstanden sei,
dass die Beklagte die Zuwendung auf die gesamte Ausbaumaßnahme und nicht
lediglich auf den Ausbau des "historischen“ Teils angerechnet habe. Die
Beklagte habe auch den beitragsfähigen Aufwand fehlerhaft ermittelt. Die
Berechnung einer Mitarbeiterstunde von Herrn (Q.) mit dem Betreff "VA-Vorlage"
diene der internen Willensbildung der Beklagten, zähle aber nicht zum
umlagefähigen Aufwand. Auch seien die Kosten der Beleuchtung nicht in den
Aufwand einzubeziehen. Die Beklagte sei grundsätzlich nicht berechtigt, von
den Klägern Ausbaubeiträge zu verlangen. Denn in dem Kaufvertrag aus dem
Jahr 1992 sei geregelt, dass sich der Kaufpreis auf ein erschlossenes
Grundstück beziehe und Anliegerkosten und Anschlussgebühren entfielen. Die
Kläger hätten seinerzeit nicht gemeint, dass sich Anliegerkosten nur auf die
Erschließungskosten bezögen.
Die Kläger beantragen in dem jeweiligen Verfahren,
den Bescheid der Beklagten vom 11.05.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt in allen drei Verfahren jeweils,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert:
Der Zuwendungsbescheid regele nur, dass bei Erhebung von
Straßenausbaubeiträgen die Zuwendung vor Verteilung des umlagefähigen
Aufwandes auf Gemeinde und Beitragspflichtige abzusetzen sei. Die
Zuwendungsbehörde habe die Beitragspflicht selbst nicht bestimmen können.
Für eine Abschnittsbildung zwischen dem „historischen“ und dem "normalen"
Teil des abgerechneten (E.)es hätten die Voraussetzungen gefehlt. Die Kosten
seien fehlerfrei ermittelt worden: Die Geltendmachung der Mitarbeiterkosten
beruhe auf § 6 Abs. 3 Satz 3 NKAG. Herr (R.) habe die Bauleitung gehabt. Als
Kosten der Beleuchtung seien die tatsächlich nach einer Rechnung von 1992
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erstellten Lampen abgerechnet worden. Die erste Lampe stehe am Haus (E.) 1,
die letzte am Haus Nr. 11. Der Begriff "Anliegerkosten" in dem Kaufvertrag sei
juristisch nicht korrekt gewählt. Das verkaufte Grundstück sei voll erschlossen
gewesen, so dass ein Erschließungsbeitrag nicht zu leisten gewesen sei. Auch
in dem Kaufvertrag von 2007 sei zwischen Erschließungs- und Ausbaubeiträgen
unterschieden worden.
Das Gericht hat eine unter dem 09.01.2012 erteilte Auskunft des Landesamtes
für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen zu der Frage eingeholt,
ob wegen der Nebenbestimmung zu dem Zuwendungsbescheid der Beklagten
vorgegeben sei, wie sie die Zuwendung bei Straßenausbaumaßnahmen zu
verwenden habe. Auf den Inhalt der Auskunft wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge
der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind als Anfechtungsklagen zulässig, aber nicht begründet. Die
angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in
ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die jeweils angegriffene Beitragserhebung ist § 6 NKAG
i.V.m. § 1 der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 22.02.1995 in
der Fassung der Satzung vom 06.03.2008 - SABS -. Danach erhebt die
Beklagte zur Deckung ihres Aufwandes für die Verbesserung und Erneuerung
ihrer öffentlichen Straßen Beiträge von Grundstückseigentümern, denen die
Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere
wirtschaftliche Vorteile bietet.
Die Kläger haben einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil in diesem Sinne von
der abgerechneten Ausbaumaßnahme. Der besondere wirtschaftliche Vorteil,
auf den das Straßenausbaubeitragsrecht abstellt, ist die qualifizierte Möglichkeit
der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße. Eine solche qualifizierte
Inanspruchnahmemöglichkeit haben in aller Regel Anlieger der ausgebauten
Anlage.
Die Beklagte hat den Aufwand, zu denen sie die Anlieger des (E.)s anteilig
herangezogen hat, zutreffend ermittelt. Richtigerweise hat sie die Anlage mit der
Länge des ausgebauten Abschnitts des (E.)s angenommen. Im
Ausbaubeitragsrecht wird die Anlage grundsätzlich von der natürlichen
Betrachtungsweise bestimmt (vgl. Driehaus, Erschließungs- und
Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 31 Rn. 7). Diese legt es - unbestritten von allen
Beteiligten - nahe, den (E.) südlich beginnend an der Einmündung in die B 217
sowohl in dem abgerechneten Abschnitt bis zur Einmündung des nördlichen
Arms der Straße (K.) als auch darüber hinaus als eine einheitliche Anlage im
beitragsrechtlichen Sinne zu begreifen. Gleichwohl liegt das nördliche Ende
nicht dort, wo es die natürliche Betrachtungsweise nahelegt, sondern an dem
Punkt, an dem die Beklagte die Anlage enden lässt. Denn in der
Rechtsprechung ist geklärt, dass der grundsätzlich auch für eine Anlage im
Straßenausbaubeitragsrecht geltende erschließungsbeitragsrechtliche
Einrichtungsbegriff dann nicht gilt, wenn spezifisch
straßenausbaubeitragsrechtliche Grundsätze dies gebieten (vgl. Driehaus,
a.a.O., § 31 Rn. 9). Zu diesen Ausnahmen gehört, dass eine im Sinne des
Erschließungsbeitragsrecht endgültig hergestellte bzw. im Sinne des § 242
BauGB vorhandene Straße später verlängert wird. Die Verlängerungsstrecke
kann wegen der insoweit erstmaligen Herstellung aus Rechtsgründen nicht zu
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Straßenausbaubeiträgen, sondern nur zu Erschließungsbeiträgen
herangezogen werden.
Der abgerechnete Abschnitt des (E.)s ist eine vorhandene Straße im Sinne des
§ 242 Abs. 1 BauGB. Dies ergibt sich aus den Feststellungen eines
Rechtsgutachtens aus dem Jahr 1983, die von den Beteiligten nicht
angezweifelt werden und denen das Gericht folgt. Die räumliche Ausdehnung
des ausgebauten Teils des (E.)s, für den die Beklagte die umstrittenen
Straßenausbaubeiträge erhoben hat, ist nach den zum Begriff der
Erschließungsanlage im Sinne von § 127 Abs. 2 BauGB entwickelten
Grundsätzen zu beurteilen. Danach endete eine Erschließungsanlage als
öffentliche zum Anbau bestimmte Straße (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) in der
Vergangenheit dort, wo sie ihre Anbaubestimmung verlor und in den
Außenbereich überging. Spätere Verlängerungen oder Veränderungen einer
fertigen Erschließungsanlage können diese nicht mehr in den Zustand der
Unfertigkeit zurückversetzen, so dass Verlängerungsstrecken vorhandener
Straßen, sofern sie die dafür erforderliche Mindestlänge erreichen, stets als
beitragsrechtlich selbstständige Erschließungsanlagen anzusehen sind (so
BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126).
Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung der Beklagten, wegen der nur für
den "historischen“ Teil gewährten Dorferneuerungsmittel die abgerechnete
Anlage - mit dem nach den obigen Grundsätzen zutreffend bestimmten Anfang
und Ende - insgesamt abzurechnen. Dem Wesen der Gesamtabrechnung
entspricht es, dass die vergleichsweise geringere Kostenhöhe im Bereich einer
Teilstrecke - wie immer sie zu erklären sein mag - den Aufwand für die
Gesamtstrecke senkt und damit bei der Umlegung des Gesamtaufwandes
sämtlichen Anliegern im Abrechnungsgebiet zugute kommen muss (VGH
Kassel, Beschluss vom 27.08.1991 - 5 TH 3093/90 -, Juris, Rn. 10).
Die mit dem Zuschuss verbundene Verringerung der Ausbaukosten kommt
schon deshalb nicht lediglich den Anliegern im ersten Bauabschnitt zugute, weil
der „historische“ Teil der Straße (Baulos 1) nicht aufgrund wirksamer
Abschnittsbildung als gesonderter Abschnitt abgerechnet werden kann. Insoweit
rügen die Kläger zu Unrecht, die Beklagte habe die abgerechnete Anlage in
zwei Abschnitte, den "historischen" und den "normalen" Teil, teilen müssen. Ein
Abschnitt darf grundsätzlich nur dann gebildet werden, wenn der Ausbau nach
den planerischen Vorstellungen der Gemeinde, die im Bauprogramm ihren
Niederschlag gefunden haben, fortgeführt werden soll, die tatsächliche
Ausführung sich aber zunächst auf eine bestimmte Strecke der geplanten
Ausdehnung beschränkt, wenn - mit anderen Worten - die Erneuerung der
Einrichtung nicht in einem Zuge, sondern in Etappen (Teilstrecken) verwirklicht
wird. Der Abschnitt muss dabei nach äußeren Merkmalen abgrenzbar sein (vgl.
Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8, Rn. 112 ff.). Weder hat die Beklagte mit
den beiden "Losen" der abgerechneten Anlage einen etappenweisen Ausbau
des (E.)s beabsichtigt, noch sind äußere Merkmale gegeben, die eine
Abschnittsbildung nahelegen.
Die Beklagte war auch nach den Förderrichtlinien nicht rechtlich gehalten, die ihr
gewährten Dorferneuerungszuwendungen nur von den Kosten für den von der
Dorferneuerung unmittelbar betroffenen "historischen" Teil des (E.)s abzuziehen
und damit allein den diesem Bereich direkt zuzurechnenden Anliegern zugute
kommen zu lassen (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl.
2012, § 16 Rn. 12 unter Berufung auf VGH Kassel a.a.O.). Bei der Heranziehung
zu Straßenausbaubeiträgen ist die Zuwendung, die eine Gemeinde zu den
Baukosten nur für einen Teil der ausgebauten Straßenstrecke erhält, zwar unter
Beachtung der konkreten Zuwendungsbestimmungen, aber nach
straßenausbaubeitragsrechtlichen Grundsätzen in Ansatz zu bringen. Danach
durfte die Beklagte von der straßenausbaubeitragsrechtlich zu bestimmenden
Anlage ausgehen und die hierzu insgesamt entstandenen Kosten für die von
Los 1 und Los 2 betroffenen Teile der Veranlagung zu Grunde legen. Sie war
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nach der Nebenbestimmung Nr. 11 des Zuwendungsbescheides allerdings
verpflichtet, die bewilligte Zuwendung von den „geförderten Gesamtkosten“
abzuziehen. Insoweit unterliegt die Beklagte subventionsrechtlich dem Gebot
der zweckentsprechenden Verwendung des Zuschusses. Ein Verwaltungsakt
wie der Zuwendungsbescheid, der eine einmalige Geldleistung zur Erfüllung
eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann
ansonsten, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise
auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung
nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem
Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (§ 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
VwVfG). Diese Zweckbestimmung unterstreicht Nr. 1.1 der dem
Zuwendungsbescheid beigefügten Allgemeinen Nebenbestimmungen für
Zuwendungen zur Projektförderung an Gebietskörperschaften und
Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften (ANBest-Gk), wonach die
Zuwendung nur zur Erfüllung des im Zuwendungsbescheid bestimmten Zwecks
verwendet werden darf.
Aus der Nebenbestimmung Nr. 11 in dem Zuwendungsbescheid folgt jedoch
nicht das Gebot, die Zuwendung nur den Anliegern des "historischen“ Teils des
(E.)es zukommen zu lassen. Die Bestimmung regelt, dass die "Zuwendung von
den geförderten Gesamtkosten vor Verteilung des umlagefähigen Aufwands auf
Gemeinde und Beitragspflichtige abzuziehen" ist und diese damit beiden Seiten
zugute kommen soll. Diesem Befehl hat die Beklagte (auch) dadurch
entsprochen, dass sie von den Gesamtkosten der abgerechneten Anlage die
Zuwendung in Abzug gebracht und damit Beitragspflichtige begünstigt hat.
Begünstigter von Dorferneuerungsmaßnahmen können Beitragspflichtige sein.
Die Förderung von Maßnahmen der Dorferneuerung regelt die Richtlinie über
die Gewährung von Zuwendungen zur integrierten ländlichen Entwicklung
(ZILE), RdErl. d. ML vom 29.10.2007-, NdsMBl. 2007, 1217). Danach sind
Maßnahmen zur Dorferneuerung auch Maßnahmen zur Verbesserung der
innerörtlichen Verkehrsverhältnisse (Anlage, Nr. 322.2.2.1). Empfänger von
einer solchen Zuwendung können entweder Gemeinden und
Gemeindeverbände und/oder Teilnehmergemeinschaften und Verbände
und/oder natürliche Personen und Personengesellschaften sein (Richtlinie über
die Gewährung von Zuwendungen zur integrierten ländlichen Entwicklung
(ZILE), RdErl. d. ML vom 29.10.2007-, NdsMBl. 2007, 1217, Anlage, zu Nr.
322.2.2.1). Die Nebenbestimmung Nr. 11 setzt die „Vermutungsregel“ (von § 6
Abs. 5 Satz 5 NKAG und § 4 Abs. 3 SABS), dass öffentliche Zuweisungen
zunächst zur Deckung des Gemeindeanteils verwandt werden sollen außer
Kraft (vgl. Driehaus, a.a.O., § 16 Rdnr 14 m.w.N.; VG Dessau, Beschluss vom
29.12.2006 - 3 B 323/06 -, Juris; VG Magdeburg, Beschluss vom 04.11.2003 - 2
B 272/03 -, Juris; VG Bayreuth, Beschluss vom 14.09.2001 - B 4 S 01.254 -,
Juris).
Entgegen der Auffassung der Kläger will die Nebenbestimmung Nr.11 aber unter
den Beitragspflichtigen nicht lediglich die Anlieger des "historischen“ Teils der
abgerechneten Anlage begünstigen, vielmehr trifft sie keine Aussage dazu, ob
von der Zuwendung nur die Anlieger des "historischen“ Teils des (E.)s oder der
ganzen abgerechneten Anlage profitieren sollen. Dem steht die Formulierung,
dass die "bewilligte Zuwendung von den geförderten Gesamtkosten …
abzuziehen" sei, nicht entgegen. Der Zuwendungsbescheid ist hinsichtlich
seiner Zweckbestimmung einer Auslegung in entsprechender Anwendung des §
133 BGB zugänglich. Es kommt dabei darauf an, wie der Adressat - hier die
Beklagte - den Inhalt des Bescheides bei objektiver Würdigung unter
Berücksichtigung aller für ihn - sie - erkennbaren Umstände verstehen musste;
Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom
17.10.1975 - 4 C 66.72 -, BVerwGE 49, 244, vom 18.06.1980 - 6 C 5.79 -,
BVerwGE 60, 223, vom 06.09.1988 - 1 C 15.86 -, NJW 1989, 53, 54, und vom
17.08.1995 - 1 C 15.94 -, BVerwGE 99, 101). Insofern bleibt offen, ob "geförderte
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Gesamtkosten" bedeutet "Kosten des historischen Teils" oder "Kosten der
Straßenausbaumaßnahme". Dass die Beklagte diese Frage im Sinne der letzten
Alternative beantwortet, verstößt jedenfalls nicht gegen Subventionsrecht. Das
Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen hält laut
Auskunft vom 09.01.2012 nach der Nebenbestimmung Nr. 11 beide
Verteilungsmöglichkeiten für möglich, wenn es mitteilt, das Amt habe der
Beklagten diesbezüglich keine Vorgaben gemacht. Auszuschließen ist es
danach, dass die Beklagte sich unter den beiden subventionsrechtlich
möglichen Verteilungsalternativen für die den Klägern günstige hätte
entscheiden müssen. Denn straßenausbaubeitragsrechtlich ist die Beklagte
gehalten, den Gesamtaufwand für die ausgebaute Anlage zu ermitteln und auf
die Anlieger zu verteilen. Wenn dabei streckenweise unterschiedliche Kosten
entstehen, wie hier durch die Zuwendung für den "historischen“ Teil des (E.)s,
ändert das genauso wie bei unterschiedlichen Ausbauaufwendungen für
Straßenstrecken (z. B. wegen unterschiedlichen Bauuntergrundes) nichts daran,
auf die natürliche Betrachtungsweise bei der Anlagenbestimmung abzustellen.
Rein rechnerisch macht es überdies keinerlei Unterschied, ob die Beklagte die
Zuwendung zunächst von den Ausbaukosten für den geförderten Straßenteil (zu
Los 1) abgezogen hätte und dann die so verminderten Teilkosten zu den nicht
reduzierten Kosten für den weiteren Straßenteil (zu Los 2) addiert hätte. Die
Summe der umlagefähigen Gesamtkosten ändert sich dadurch nicht. Nach
mathematischen Regeln ist es bei einer reinen Addition und Subtraktion von
Beträgen völlig unerheblich, wann die jeweilige Operation erfolgt. Das Ergebnis
führt immer zu derselben Gleichung.
Die Beklagte kann auch den geltend gemachten Aufwand auf die Anlieger der
abgerechneten Anlage verteilen.
Soweit die Kläger meinen, die für den abgerechneten Straßenkörper verwandte
Pflastersteindecke sei gegenüber einer Asphaltdecke "Luxus" und führe zu
übersetzten Ausbauaufwendungen, folgt das Gericht dem nicht. Die Beklagte
gibt hierzu an, nach eigenen Ermittlungen in ihrem Stadtgebiet habe sich eine
Straßendecke aus Plastersteinen als die (zumal bei hohen Ölpreisen)
günstigere Alternative erwiesen. Das Gericht kann dies aus eigener Erfahrung
nachvollziehen. Auch haben die Kläger diesem Vorbringen der Beklagten nicht
substantiiert widersprochen. Dies gilt ebenso für den Verdacht des Klägers, die
Beklagte habe zu seinen Lasten private Grundstückszufahrten hergestellt. Die
Beklagte hat hierzu ausgeführt, sie habe lediglich die ausgebaute Anlage an die
privaten Grundstückszufahrten angeglichen. Auch der Mitteilung, der Austausch
der Abwasserentsorgungsleitungen sei der Schadhaftigkeit der bisherigen
Betonrohre geschuldet gewesen, hat der Kläger nicht widersprochen. Soweit der
Kläger bemängelt, im Gehwegbereich habe die Beklage eine
"Mauerbefestigung" und "Überbauten" stehen gelassen, kann dies den Aufwand
für den Straßenausbau nicht übersetzt haben und deshalb den Kläger nicht
belasten. Schließlich hat die Beklagte zu Recht die - zum Selbstkostenpreis -
1992 erstellten Beleuchtungseinrichtungen in den Aufwand einbezogen.
Zutreffend, aber im Ergebnis ohne Relevanz, verweisen die Kläger darauf, dass
eine Mitarbeiterstunde von Herrn (Q.) zur Fertigung einer Vorlage für den
Verwaltungsausschuss (53 €) zu Unrecht in den umlagefähigen Aufwand
eingeflossen sei. Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 NKAG rechnen zum umlagefähigen
Aufwand nur die vom Personal der Gemeinde für Maßnahmen nach Absatz 1
Satz 1 ("Der Aufwand kann nach den tatsächlichen Aufwendungen oder nach
Einheitssätzen ermittelt werden.") zu erbringenden Werk- und Dienstleistungen,
d. h. nur die Arbeitsleistungen eigener Dienstkräfte der Gemeinde, die speziell
für die technische Durchführung einer bestimmten beitragsfähigen
Ausbaumaßnahme angefallen sind (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8, Rn.
342). Werden aber die 53 € für die Mitarbeiterstunde aus dem Aufwand
herausgerechnet, ergibt sich ein Beitragssatz von ca. 6,353339 €/m² statt der
geforderten 6,355115 €/m², der zu einer marginalen Veränderung des
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gegenüber den Klägern festgesetzten Beitrages führen würde (für den Kläger zu
1. z. B. ca. 5.400,33 € statt 5401,85 €). Die je nach den Stellen hinter dem
Komma des auf den Quadratmeter bezogenen Beitragssatzes unterschiedlichen
Rechenergebnisse im „Centbereich“ verlangen aber keine Korrektur der
angefochtenen Bescheide (vgl. BSG, Urteil vom 21.07.2009 - B 7 AL 23/08 R -,
NZS 2010, 232).
Die Auffassung der Kläger, aus dem Kaufvertrag vom 30.07.1992 über eine
Teilfläche des Gewerbegrundstücks des Klägers zu 2. ergebe sich, dass die
Beklagte auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichtet habe, teilt
das Gericht nicht. Zum einen bezieht sich der Vertrag nur auf einen sehr kleinen
Teil der herangezogenen Grundstücksflächen und es fehlen Hinweise darauf,
dass der Vertrag auch über diese Teilfläche hinaus Gültigkeit beansprucht. Zum
anderen folgt aus der Formulierung "Anliegerkosten und Anschlußgebühren
entfallen." kein Verzicht der Beklagten auf die künftige Erhebung von
Straßenausbaubeiträgen. Selbst wenn unterstellt würde, dass Beiträge vom
Wortlaut "Anliegerkosten und Anschlußgebühren" erfasst wären, erlaubte schon
die in die Gegenwartsform gekleidete Wendung "entfallen" nicht, ihr den Sinn zu
geben "werden auch für zukünftige Maßnahmen entfallen". Offenkundig will § 5
des Vertrages insoweit den Kaufpreis näher bestimmen und besagt hierzu
lediglich, dass zum Kaufzeitpunkt keine "Anliegerkosten und
Anschlußgebühren" zu leisten sind. Dass sich die Formulierung auf künftige
Beitragsforderungen beziehen soll, ist ihr nicht zu entnehmen. Im Übrigen
ständen einer solchen Bedeutung auch Rechtsgründe entgegen. Denn die
Beklagte hätte mit den Klägern nicht wirksam vereinbaren können, auf jedwede
Form der Beitragserhebung für alle Zukunft zu verzichten. Es ist mit dem
Charakter des Abgabenrechts nicht vereinbar, ein Grundstück unabhängig von
allen unvorhersehbaren Rechtsentwicklungen in jeder Hinsicht, also z. B. auch
in Bezug auf Straßenausbaukosten, trotz einer bestehenden
Beitragserhebungspflicht von einer Beitragspflicht freizustellen (vgl. OVG
Lüneburg, Beschluss vom 12.11.1998 - 9 L 4482/97 -, V. n. b.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708
Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Das Gericht lässt die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung zu der Frage zu, ob eine Zuwendung, die eine
Gemeinde zu den Ausbaukosten für die Teilstrecke einer Straße erhält und die
vor der Verteilung des umlagefähigen Aufwands von den geförderten
Gesamtkosten abzuziehen ist, lediglich den Anliegern der betroffenen
Teilstrecke zugute kommt oder allen Anliegern der Anlage. Das Gericht hält
diese Frage für obergerichtlich klärungsbedürftig.