Urteil des VG Hannover vom 07.01.2013

VG Hannover: schutz der ehe, wiedereinreise, vorläufiger rechtsschutz, visum, aufenthaltserlaubnis, ausnahme, einreiseverweigerung, herausgabe, erlass, besitz

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Einreiseverweigerung am Flughafen
Eine nach § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG erteilte Fiktionsbescheinigung vermittelt
kein Recht zur Wiedereinreise (im Anschluss an OVG Münster ZAR 2009, 278).
VG Hannover 7. Kammer, Beschluss vom 07.01.2013, 7 B 6332/12
Art 13 EGV 562/2006, Art 35 EGV 810/2009, § 14 AufenthG, § 15 AufenthG, § 4
AufenthG, § 8 Abs 1 AufenthG, § 123 VwGO
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf 5.000,00 €
festgesetzt.
Gründe
I.
Der in C. Saudi-Arabien geborene Antragsteller ist jemenitischer
Staatsangehöriger. Er befindet sich im Besitz eines gültigen jemenitischen
Reisepasses sowie nach eigenen Angaben einer Aufenthaltserlaubnis für
Saudi-Arabien. Nachdem ihm die Deutsche Botschaft in Sanaa ein Visum zum
Zwecke des Erlernens der deutschen Sprache erteilt hatte, reiste er erstmals
2009 in das Bundesgebiet ein. Die Beigeladene erteilte ihm in der Folge
befristete Aufenthaltserlaubnisse zum Zwecke des Studiums und der
Durchführung von Intensivsprachkursen, zuletzt mit Wirkung bis 31. März 2011.
Bescheinigungen über Lernerfolge legte der Antragsteller nicht vor. Auf seinen
Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des weiteren
Besuchs des Studienkollegs erteilte die Beigeladene dem Antragsteller am 5.
Mai 2011 eine bis zum 30. Juni 2011 befristete Fiktionsbescheinigung nach § 81
Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - mit der Zweckbestimmung
„Klärung des weiteren Aufenthalts“. Nach Ablauf der Geltungsdauer dieser
Fiktionsbescheinigung zog der Antragsteller mit Erklärung vom 7. Juli 2011
seinen zuvor gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum
Zwecke des Besuchs des Studienkollegs zurück und beantragte nunmehr die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung mit seiner
zukünftigen deutschen Ehefrau. Hierauf verlängerte die Beigeladene die
Geltungsdauer der zuvor erteilten Fiktionsbescheinigung verschiedentlich,
zuletzt mit Wirkung bis zum 13. März 2013.
Zuvor hatte der Antragsteller am 9. Februar 2012 in Bremen die deutsche
Staatsangehörige D. geheiratet und war ausweislich der Meldebescheinigung
am 1. Mai 2012 in eine gemeinsame Wohnung unter der im Rubrum
bezeichneten Anschrift in E. gezogen.
Nach eigenen Angaben reiste der Antragsteller am 15. September 2012 nach
Saudi-Arabien aus, um seine dort wohnhafte Familie zu besuchen.
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Am 10. Oktober 2012 versuchte der Antragsteller ohne Visum aus Jeddah über
Istanbul kommend auf dem Flughafen Hamburg wieder in das Bundesgebiet
einzureisen. Hierzu legte er die vorbezeichnete Fiktionsbescheinigung vor. Nach
Rücksprache mit der Beigeladenen verweigerte die in Hannover ansässige
Bundespolizeidirektion (Antragsgegnerin) dem Antragsteller unter Verwendung
des Standardformulars in deutscher und englischer Sprache die Einreise. Zur
Begründung wurde auf §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit
Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 15.3.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das
Überschreiten der Grenzen durch Personen - Schengener Grenzkodex - (ABl.
Nr. L 105 S. 1) - SGK - verwiesen. Der Antragsteller verfüge über kein gültiges
Visum oder gültigen Aufenthaltstitel. Unter Bemerkungen ist festgehalten:
„Fiktionsbescheinigung ausgestellt gem. § 81 (3) Satz 1 AufenthG“. Nach einem
Vermerk vom gleichen Tage reichte diese nach Auffassung der Antragsgegnerin
und der Beigeladenen für eine Einreise nicht aus. Auch sei die Erteilung eines
Ausnahme-Visums nicht in Betracht gekommen, weil für die (Wieder-)Einreise
ein Visum Typ D erforderlich sei, das nur mit Zustimmung der Beigeladenen
erteilt werden könne. In den Reisepass des Antragstellers wurde ein
Zurückweisungsstempel angebracht. Die Fiktionsbescheinigung wurde von der
Antragsgegnerin einbehalten und an die Beigeladene zurückgegeben. Sie
befindet sich nunmehr im Verwaltungsvorgang der Beigeladenen, der dem
Verwaltungsgericht vorliegt. Der Antragsteller wurde am gleichen Tag auf dem
Luftweg über Istanbul nach Jeddah zurückbefördert.
Gegen die Zurückweisung erhob der Antragsteller am 12. November 2012
(einem Montag) den in der Rechtsbehelfsbelehrung des Standardformulars
vorgesehenen Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Mit einem ebenfalls am 12. November 2012 beim Verwaltungsgericht Hannover
eingegangenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller den Erlass einer
einstweiligen Anordnung. Er hält die Einreiseverweigerung für rechtswidrig. Die
ihm erteilte Fiktionsbescheinigung berechtige ihn zur Wiedereinreise. Das
Betreiben eines Verfahrens auf Erteilung eines Visums und die damit
verbundene lange räumliche Trennung von seiner deutschen Ehefrau sei
unzumutbar, zumal sich die Deutsche Botschaft (richtig wohl: das Deutsche
Generalkonsulat) in Jeddah/Saudi-Arabien für unzuständig ansehe. Da die
Antragsgegnerin durch ihre Beamten die Fiktionsbescheinigung eingezogen
habe, obliege es auch ihr, das Notwendige zu veranlassen, um die Herausgabe
an ihn zu ermöglichen.
Der Antragsteller beantragt,
1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, ihm die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland
vorläufig zu gestatten und
2. die Antragsgegnerin (im Wege der einstweiligen Anordnung) zu
verpflichten, die durch die Beigeladene auf seinen jemenitischen
Reisepass ausgestellte Fiktionsbescheinigung an ihn herauszugeben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Die Zurückweisung sei rechtmäßig. Die etwaige Erteilung eines Ausnahme-
Visums sei aus den oben genannten Gründen nicht in Betracht gekommen. Die
hierzu erforderlichen Voraussetzungen, dass es dem Antragsteller aus
zwingenden Gründen verwehrt gewesen sei, bei der zuständigen deutschen
Auslandsvertretung ein Visum einzuholen und er unter Vorlage entsprechender
Nachweise einen unvorhersehbaren zwingenden Einreisegrund geltend
machen könne, lägen nicht vor. Zudem hätte die Erteilung eines solchen
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Ausnahme-Visums der vorigen Zustimmung der Beigeladenen bedurft, die diese
ersichtlich vor dem Hintergrund nicht erteilt hätte, dass sie den Antragsteller vor
seiner Ausreise nach Saudi-Arabien dahingehend belehrt habe, eine
Wiedereinreise mit der Fiktionsbescheinigung sei nicht möglich. Die
Fiktionsbescheinigung könne die Antragsgegnerin nicht herausgegeben, weil
sich diese nicht mehr in ihrem Besitz befinde.
Die Beigeladene
stellt keinen Antrag.
Nach ihrer Auffassung ist der Antrag bereits unzulässig, weil er auf eine
Vorwegnahme der Hauptsache ziele. Hinsichtlich des Antrages auf Herausgabe
der Fiktionsbescheinigung fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weil ein
solcher Antrag vor Anrufung des Gerichts ihr gegenüber nicht gestellt worden
sei. Zudem ermögliche die Fiktionsbescheinigung nicht erneut die
Wiedereinreise. Dessen ungeachtet habe der Antragsteller weder einen
Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund geltend gemacht.
Außerdem bestätigt die Beigeladene, sie habe den Antragsteller darüber belehrt,
dass die Geltung der Fiktionsbescheinigung mit seiner Ausreise nach Saudi-
Arabien erlösche.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und der Beigeladenen Bezug
genommen, die dem Gericht zur Einsichtnahme vorgelegen haben.
II.
Dem zulässigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung muss der
Erfolg versagt bleiben.
1. Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig, weil er auf Gestattung der
vorläufigen Wiedereinreise und Herausgabe der Fiktionsbescheinigung
gerichtet ist und nicht ausschließlich die - sehr wahrscheinlich - erledigte
Einreiseverweigerung vom 10. Oktober 2012 zum Gegenstand hat. Wäre
letztere ausschließlicher Gegenstand des vorläufigen
Rechtsschutzverfahrens, wäre vorläufiger Rechtsschutz - jedenfalls
solange die Zurückweisung noch nicht vollzogen ist - gemäß § 123 Abs. 5
VwGO ausschließlich nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, weil es sich bei
der Einreiseverweigerung um einen Verwaltungsakt handelt. Zudem kann
auch mit einem statthaften Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht die
Einreise erstritten werden (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand: Juni
2010, § 15 AufenthG Rdnrn. 141ff.).
Das Verwaltungsgericht Hannover ist auch gemäß § 52 Nr. 5 VwGO für die vom
Antragsteller geltend gemachten Leistungsbegehren örtlich zuständig, weil die
Antragsgegnerin ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich des Gerichts hat. Dies gilt
gemäß § 52 Nr. 2 Satz 2 VwGO auch dann, wenn man die vom Antragsteller
angestrebte Gestattung der vorläufigen Einreise als Verwaltungsakt ansieht,
dessen Erlass mit der Verpflichtungsklage gegen die Antragsgegnerin als
Bundesbehörde durchgesetzt werden soll.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch nicht
begründet.
Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO - auch vor Klageerhebung
- zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges
Rechtverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung vor
allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile
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abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen
nötig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind gemäß § 123
Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Der Antragsteller hat jedoch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft
gemacht.
a. Soweit ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Gestattung der
vorläufigen (Wieder-)Einreise geltend gemacht wird, steht diesem § 4 Abs.
1 AufenthG entgegen. Denn der Antragsteller verfügt unstreitig nicht über
die für die Einreise erforderlichen - und hier allein in Betracht kommenden -
Aufenthaltstitel des Visums oder der Aufenthaltserlaubnis. Der
Antragsteller ist als jemenitischer Staatsangehöriger nicht von dem
Erfordernis der Einholung eines Visums befreit. Einen Sachverhalt, der
Anlass zu der Annahme geben könnte, er sei vom Erfordernis eines
Aufenthaltstitels befreit oder könne diesen erst nach seiner (Wieder-
)Einreise in das Bundesgebiet beantragen (§§ 39ff. AufenthV), hat er nicht
glaubhaft gemacht.
Die dem Antragsteller bereits am 5. Mai 2011 von der Beigeladenen nach § 81
Abs. 3 Satz 1 AufenthG erteilte und bis zum 13. März 2013 gültige
Fiktionsbescheinigung berechtigt - anders als eine nach § 81 Abs. 4 AufenthG
erteilte Fiktionsbescheinigung - nicht zur Wiedereinreise, weil mit der
Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der für die Wiedereinreise
nach § 4 Abs. 1 AufenthG erforderliche Aufenthaltstitel nicht geschaffen wird.
Der Unterschied zwischen der Erlaubnisfiktion in § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG
und der - hier nicht vorliegenden - Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG
ist im Gesetzeswortlaut angelegt. Die Erlaubnisfiktion stellt auf einen
bestehenden rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Aufenthaltstitel ab
und verschafft dem Ausländer nach Antragstellung den Vorteil, dass sein
weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet bis zur Entscheidung der
Ausländerbehörde als erlaubt gilt. Hingegen vermittelt § 81 Abs. 4 AufenthG eine
weitergehende Rechtsposition. Danach gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom
Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als
fortbestehend. Aus diesem Grund vermittelt die dem Antragsteller lediglich nach
§ 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erteilte Fiktionsbescheinigung kein Recht zur
Wiedereinreise (OVG Münster, Beschluss vom 11.5.2009 - 18 B 8/09 - u.a. ZAR
2009, S. 278; Nr. 81.5.3 VV-AufenthG; Hailbronner, AuslR, Stand: Februar 2010,
§ 81 AufenthG Rdnr. 20; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und
Ausländerrecht, 5. Aufl., § 81 AufenthG Rdnr. 18; a.A. Funke-Kaiser, aaO, § 81
AufenthG Rdnr. 31; Hofmann in HK-AuslR, § 81 Rdnr. 39; Pfersich ZAR 2009, S.
279).
Auch Art. 6 Abs. 1 GG gewährt dem mit einer deutschen Staatsangehörigen
verheirateten Antragsteller grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf
Aufenthalt. Vielmehr ist es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe nach
Art. 6 Abs. 1 GG grundsätzlich vereinbar, den Antragsteller auf die Einholung
eines erforderlichen Visums zu verweisen (BVerfG, Beschluss vom 10.5.2008 -
2 BvR 588/08 - InfAuslR 2008, S. 347). Der Antragsteller hat nicht glaubhaft
gemacht, dass ihm die Einholung eines Visums vor Wiedereinreise nicht
zumutbar ist. Sein Hinweis in der Antragsschrift, die Deutsche Botschaft (richtig
wohl: das Deutsche Generalkonsulat) in Jeddah habe sich für unzuständig
erklärt, mag darin begründet sein, dass der Antragsteller nicht saudischer,
sondern jemenitischer Staatsangehöriger ist und das Deutsche Generalkonsulat
in Jeddah nach einem Hinweis auf der Homepage des Auswärtigen Amtes in
Visafragen saudische Staatsangehörige betreut. Für Rechtsmittel gegen eine
etwaig unberechtigte Visaverweigerung durch deutsche Auslandsvertretungen
ist die Antragsgegnerin weder passiv legitimiert noch das Verwaltungsgericht
Hannover örtlich unzuständig.
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Auch das Bestehen eines Folgenbeseitigungsanspruchs nach etwaig
rechtswidriger Zurückweisung an der Grenze bei dem am 10. Oktober 2012
erfolgten (Wieder-)
Einreiseversuch ist nicht glaubhaft gemacht. Die Zurückweisung ist bei
summarischer Überprüfung nach §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2, 4 Abs. 1
AufenthG in Verbindung mit Art. 13 SGK rechtmäßig erfolgt. Formale Fehler sind
nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin brauchte über die nach § 14 Abs. 2
AufenthG grundsätzlich mögliche Ausstellung eines Ausnahme-Visums für die
Einreise durch die Antragsgegnerin nicht ausdrücklich zu entscheiden, weil der
Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, ein solches bei seinem
Einreiseversuch am 10. Oktober 2012 beantragt zu haben. Dessen ungeachtet
lagen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines an der Außengrenze
beantragten Visums nach Art. 35 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 über einen Visakodex
der Gemeinschaft - Visakodex - (ABl. Nr. L 243 S. 1) - VK - nicht vor. Denn
Voraussetzung ist gemäß Art. 35 Abs. 1 lit. b) VK u.a., dass der Antragsteller an
der Grenzübergangsstelle - gegebenenfalls unter Vorlage von Belegen -
unvorhersehbare zwingende Einreisegründe geltend macht. Weder hat der
Antragssteller im gerichtlichen Verfahren das Vorliegen solcher zwingenden
unvorhersehbaren Gründe glaubhaft gemacht, noch hat er solche bei seinem
Einreiseversuch am 10. Oktober 2012 gegenüber den Beamten der
Antragsgegnerin geltend gemacht.
Auf die in Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 29.4.2004 - Unionsbürgerrichtlinie - (ABl. Nr. L 158 S 77,
ber. ABl. Nr. L 229, S. 35) - UnionsRL - zugunsten von Familienangehörigen von
Unionsbürgern geregelten Erleichterungen vor einer Zurückweisung an der
Grenze kann sich der Antragsteller nicht berufen, weil er nicht dem
Anwendungsbereich dieser Richtlinie unterfällt. Denn diese gilt nach ihrem Art. 3
Abs. 1 („Berechtigte“) nur für Unionsbürger, die sich in einen anderen als den
Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, begeben oder sich dort
aufhalten, und deren Familienangehörige. Damit findet die Richtlinie keine
Anwendung auf Unionsbürger, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit keinen
Gebrauch gemacht haben und sich stets in dem Mitgliedstaat aufgehalten
haben, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, wie hier die deutsche Ehefrau
des Antragstellers. Folglich können Familienangehörige wie der Antragsteller
aus der Richtlinie kein abgeleitetes Aufenthalts- oder Einreiserecht herleiten
(EuGH, Urteil vom 5.5.2011 - Rs. C-434/09, McCarthy -; BVerwG, Urteil vom
22.6.2011 - 1 C 11/10 - NVwZ 2012, S. 52). Familienangehörige von Deutschen
unterfallen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
allerdings dann den aus dem Freizügigkeitsrecht abgeleiteten unionsrechtlichen
Nachzugsregelungen, wenn es sich um sogenannte Rückkehrerfälle handelt
(EuGH, u.a. Urteil vom 11.12.2007 - Rs. C 291/05, Eind - InfAuslR 2008, S. 114).
Dies setzt aber voraus, dass der deutsche Ehegatte in so nachhaltiger Weise
von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, dass die praktische
Wirksamkeit seines Freizügigkeitsrechts als Unionsbürger es erfordert, seinem
Ehepartner einen unionsrechtlichen Nachzugsanspruch zuzubilligen (BVerwG,
Urteile vom 16.11.2010 - 1 C 17.09 - NVwZ 2011, S. 495 und vom 11.1.2011 - 1
C 23/09 - NVwZ 2011, S. 871: Kurzaufenthalt zur Eheschließung in Dänemark
reicht nicht aus). Einen entsprechenden Sachverhalt hat der Antragsteller jedoch
ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr wurde die Ehe am 9. Februar 2012
in Bremen geschlossen, der Antragsteller ist ausweislich der
Meldebescheinigung erst am 1. Mai 2012 mit seiner deutschen Ehefrau in
Bremen zusammengezogen und wenige Monate später nach Saudi-Arabien
ausgereist. Der Wiedereinreiseversuch erfolgte an der deutschen Grenze.
Nach alledem ist der geltend gemachte Anspruch auf Gestattung der vorläufigen
(Wieder-) Einreise ohne vorherige Einholung eines bei der zuständigen
deutschen Auslandsvertretung einzuholenden Visums zum Zwecke der
Familienzusammenführung nicht glaubhaft gemacht.
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b. Danach besteht auch kein Anspruch des Antragstellers gegen die
Antragsgegnerin auf sofortige Herausgabe der für ihn als ersichtlich im
Ausland aufhältig funktionslos gewordenen Fiktionsbescheinigung, zumal
sich diese auch im Verwaltungsvorgang der Beigeladenen und damit nicht
mehr im Besitz der Antragsgegnerin befindet.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren gemäß § 162 Abs. 3
VwGO aus Billigkeitsgründen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil sie
keinen Antrag im Sinne von § 154 Abs. 3 VwGO gestellt und sich damit keinem
eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 GKG.