Urteil des VG Göttingen vom 08.10.2013

VG Göttingen: biotop, befreiung, hochmoor, naturschutz, verordnung, erhaltung, grundstück, unterlassen, niedersachsen, eingriff

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Naturschutz - Verbot des Grünlandumbruchs
1. § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG begründet ein gesetzliches Verbot des
Grünlandumbruchs auf Moorstandorten.
2. Grünlandumbruch im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG ist die
Ausschaltung der etablierten Grasnarbe durch wendende
Bodenbearbeitung auch dann, wenn anschließend eine Neuansaat von Gras
erfolgt.
VG Stade 1. Kammer, Urteil vom 08.10.2013, 1 A 1676/12
§ 5 Abs 2 Nr 5 BNatSchG
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine naturschutzrechtliche Verfügung und
begehrt die Feststellung, dass sich auf seinem Grundstück kein Biotop
befunden hat.
Er ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück 4/2, Flur 7, der Gemarkung D..
Teil des Flurstücks war eine ca. 2,296 ha große Grünlandfläche. Am 26.
Januar 2012 stellte der Beklagte fest, dass der Kläger mit dem Umbruch dieser
Grünlandfläche begonnen hatte und zwar führte er einen Tiefumbruch mittels
Bagger durch. Der Beklagte untersagte am gleichen Tag mündlich die weiteren
Arbeiten.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2012 untersagte der Beklagte dem Kläger
schriftlich den Umbruch der Grünlandfläche. Nach seinen Feststellungen
handele es sich bei dem Teil der Fläche, der in dem anliegenden Luftbild grün
markiert sei, um Hochmoor. Ein Umbruch sei gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 des
Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege - BNatSchG - zu
unterlassen, so dass dieser auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 BNatSchG i.V.
mit § 2 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum
Bundesnaturschutzgesetz - NAGBNatSchG - zu untersagen gewesen sei. Der
Beklagte drohte dem Kläger für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die
Verfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € an. Er wies weiter auf die
Möglichkeit einer Befreiung nach § 67 BNatSchG hin.
Ebenfalls am 30. Januar 2012 wandte sich der Kläger an den Beklagten und
bat um Prüfung, ob ein Tiefumbruch zur Bodenverbesserung tatsächlich
genehmigungspflichtig sei. Er wolle auch künftig eine Grünlandnutzung
vornehmen; der Tiefumbruch diene der Verbesserung der natürlichen
Bodenfruchtbarkeit der Grünlandfläche. Nach seiner Auffassung sei die
Maßnahme nicht verboten. § 5 Abs. 2 BNatSchG sei keine unmittelbar
anwendbare Norm, da die Vorschrift weder hinreichend bestimmt sei noch für
eine Ableitung von Rechtsfolgen im Einzelfall geeignet sei. Dies ergebe sich
aus einem Vermerk des Bundesumweltministeriums vom 16. April 2011.
Hilfsweise beantragte der Kläger die Befreiung von dem Verbot des
Grünlandumbruchs. Das Flurstück sei überwiegend von der Bodenart "Sand"
und werde als Acker/Grünland genutzt. Lediglich im mittleren Bereich des
Flurstückes sei eine gewisse Moorauflage vorhanden, die die Bewirtschaftung
des gesamten Flurstückes erheblich erschwere. Mit der Durchführung der
Bodenverbesserungsmaßnahme in dem mittleren Bereich könne das gesamte
Flurstück erheblich besser bewirtschaftet werden. Die Maßnahme sei aus
agrarstruktureller Sicht auch als sehr sinnvoll einzustufen, da die
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landschaftlichen Ertragspotentiale unter Schaffung betriebswirtschaftlich
mindestens erforderlicher Schlaggrößen erschlossen würden. Aus
agrarstruktureller Sicht komme in der Region D. hinzu, dass durch die starke
Flächenkonkurrenz gewerblicher Flächenkäufer, insbesondere aus der
Torfindustrie, die vor Ort ansässigen Landwirte auf eine gute Nutzbarkeit ihrer
landwirtschaftlichen Flächen angewiesen seien, um den Viehbestand mit
qualitativ hochwertigem Futter zu versorgen und die landwirtschaftlichen
Betriebe in ihrer Existenz zu sichern. Die Bodenverbesserung diene auch dem
Ausgleich einer Verschlechterung der Entwässerungssituation des
Flurstückes, die durch den Radwegebau an der E. Straße entstanden sei. Die
beantragte Befreiung sei aus Gründen eines überwiegenden öffentlichen
Interesses zur Verbesserung der Agrarstruktur notwendig. Darüber hinaus
führe ein Verbot der Bodenverbesserungsmaßnahme zu einer unzumutbaren
Belastung. Die beabsichtigte Maßnahme sei mit den Belangen von
Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar.
Am 23. Februar 2012 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 30. Januar
2012 Widerspruch und bezog sich zur Begründung auf die bisher von ihm
vorgetragenen Erwägungen.
Am 1. März 2012 fand auf dem Grundstück des Klägers erneut eine
Ortsbesichtigung durch die Mitarbeiter des Beklagten statt. Im Anschluss daran
teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass sich auf der Fläche, die bislang noch
nicht umgebrochen sei, ein gesetzlich geschütztes Biotop in Gestalt einer
seggenreichen Nasswiese befinde.
Mit Bescheid vom 6. März 2012, der dem Kläger am 8. März 2012 zugestellt
wurde, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Am 1. März
2012 seien weitere Bodensondierungen zur Moormächtigkeit vorgenommen
worden. Diese habe bei allen sechs Bohrstellen mehr als 1 m betragen. Es
habe sich demnach bestätigt, dass es sich bei der bisher bezeichneten Fläche
um einen Moorstandort handele. Zudem sei festgestellt worden, dass sich auf
der Fläche kleinflächig seggenreicher Flutrasen befinde. Dieser Bereich sei
gemäß § 30 BNatSchG gesetzlich geschützt, so dass seine Zerstörung durch
Flächenumbruch verboten sei.
Im Mai 2012 stellte der Beklagte fest, dass der süd-westlich gelegene Teil der
umstrittenen Fläche, den der Kläger im Januar 2012 bereits umgebrochen
hatte, ebenso als Maisacker genutzt wird, wie der nord-östlich an die
verbliebene Grünlandfläche angrenzende Teil des Flurstückes.
Am 10. April 2012 hat der Kläger erhoben. Zur Begründung trägt er vor:
Die Feststellung des Beklagten, dass es sich bei dem von dem Beklagten im
Luftbild gekennzeichneten Teil des Grundstückes um Hochmoor handele, sei
zum Teil unrichtig. Der bereits umgebrochene südwestliche Teil sei als
sonstiger Acker einzustufen. Dort finde sich kein Hochmoor, sondern
Sandboden. Das Gelände sei deutlich höher gelegen als die Grünlandfläche.
Hochmoor habe sich in diesem Bereich nicht entwickelt. Die Unterlagen des
Beklagten ließen nicht erkennen, an welchen Stellen die Moormächtigkeit
genau ermittelt worden sei. Die Bilder seien nicht bestimmten Punkten auf der
Grünlandfläche zuzuordnen. Bei den nicht umgebrochenen Grünlandflächen
handele es sich hingegen um Moorböden. Für das Verbot, diese
Grünlandfläche umzubrechen, könne sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf § 5
Abs. 2 Nr. 5 i.V. mit § 3 Abs. 2 BNatSchG stützen. Ergänzend zu der bereits
vorgelegten Rechtsauffassung des Bundesumweltministeriums ergebe sich
dies auch aus einer Antwort der Niedersächsischen Landesregierung auf eine
kleine Anfrage im Niedersächsischen Landtag vom 1. Februar 2012. § 17 Abs.
8 BNatSchG finde ebenfalls keine Anwendung. Da es sich lediglich um eine
Maßnahme zur Bodenverbesserung und zur Grünlanderneuerung handele, sei
der Umbruch nicht genehmigungsbedürftig gewesen. § 17 Abs. 3 BNatSchG
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sei wegen § 7 Abs. 1 NAGBNatSchG nicht anwendbar.
Der Beklagte könne sich auch nicht auf ein gesetzliches Umbruchverbot nach
§ 30 BNatSchG stützen, weil ein gesetzlich geschütztes Biotop nicht vorliege.
Bei den Unterlagen des Beklagten befinde sich nichts, was die These eines
Biotopes nachvollziehbar untermauere. Das Gegenteil ergebe sich aus einem
von ihm, dem Kläger, in Auftrag gegebenen Gutachten der Planungsgruppe
grün GmbH.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2012 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2012
aufzuheben,
2. festzustellen, dass auf dem Flurstück 4/2 der Flur 7 der
Gemarkung D. der von dem Beklagten behauptete gesetzlich
geschützte Biotop „seggenreiche Nasswiese“ nicht, jedenfalls
nicht in dem vom Beklagten behaupteten Umfang vorhanden
gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, auch bei dem süd-westlichen Teil der umstrittenen Fläche habe es
sich um Hochmoor gehandelt. Dies ergebe sich aus den im Rahmen der
Ortsbesichtigung vom 1. März 2012 gefertigten Fotografien. Diese zeigten
einen ausgeprägten Hochmoorhorizont. Sand habe sich ca. 70 cm unter dem
Hochmoor befunden. Das Sachverständigengutachten, das der Kläger
vorlege, beschreibe den Zustand am 14. Mai 2012; zuvor habe der Kläger den
Boden durchmischt und planiert. Es habe sich auf dem Flurstück entgegen der
Auffassung des Klägers auch ein gesetzlich geschütztes Biotop befunden. Es
bleibe unklar, weshalb die von dem Kläger beauftragten Gutachter bei ihrer
Kartierung nicht annähernd dieselbe Artenzusammensetzung gefunden
hätten, wie er, der Beklagte, obwohl sie nur fünf Tage später auf der Fläche
gewesen seien. Allein der Umstand, dass Wiesen-Segge mit zahlreichen
Exemplaren vorhanden gewesen sei, reiche zur Einstufung als seggenreiche
Nasswiese aus. Wenn sich das Gutachten der Planungsgruppe grün GmbH
ausführlich mit Rohrglanzgras-Röhricht befasse, sei darauf hinzuweisen, dass
dies nicht Gegenstand des vorgefunden Biotoptyps sei. Mittlerweile befinde
sich allerdings tatsächlich kein Biotop mehr auf der Fläche des Klägers. Der
seggenreiche Flutrasen sei nach einer Besichtigung des Grundstückes im
September 2013 nicht mehr feststellbar.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze,
wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Vorgelegen hat auch
die Gerichtsakte 1 A 2305/12 nebst Beiakte. In diesem Verfahren wendet sich
der Kläger gegen Anordnungen, die der Beklagte im Hinblick auf die künftige
Bewirtschaftung des Grundstückes getroffen hat; weiter begehrt er eine
Befreiung von dem Umbruchverbot.
Entscheidungsgründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Das mit Ziffer 1. des Klageantrages verfolgte Begehren des Klägers ist
unzulässig, soweit es sich auf den südwestlichen Teil des Flurstückes bezieht,
der von dem Kläger im Januar 2012 bereits umgebrochen wurde. Soweit diese
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Fläche von der Verfügung betroffen ist, ist die Sache erledigt, weil der
Umbruch hier abgeschlossen ist. Nach den unstreitigen Feststellungen des
Beklagten nutzt der Kläger diese Fläche seit Mai 2012 für den Maisanbau. Ob
bzw. in welchem Umfang dieser bereits umgebrochene Teil des Flurstückes
Moor oder Hochmoor war, muss deswegen im Rahmen des vorliegenden
Verfahrens nicht entschieden werden.
Im Übrigen ist die mit dem Antrag zu 1. erhobene Klage unbegründet. Der
Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2012 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 6. März 2012 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten. Dabei ist Gegenstand des Bescheides allein
das Verbot, das Flurstück weiter umzubrechen. Eine eigenständige
feststellende Regelung im Hinblick auf das Biotop, das nach Auffassung des
Beklagten auf dem Grundstück des Klägers vorhanden war, hat der Beklagte
nicht getroffen. Dieser Umstand wurde lediglich als ergänzende und ersichtlich
nachrangige Begründung des ausgesprochenen Umbruchsverbotes
herangezogen.
Der Beklagte hat dem Kläger zu Recht untersagt, die restliche Grünlandfläche
des Flurstücks 4/2, Flur 7, der Gemarkung D. umzubrechen. Er kann sich
dabei sowohl auf § 3 Abs. 2 BNatSchG (i. d. F. d. Gesetzes v. 29.7.2009,
BGBl. I 2542, geändert durch Gesetz v. 6.2.2012, BGBl. I 2012) im Verbindung
mit § 2 Abs. 1 und Abs. 2 NAGBNatSchG (v. 19.2.2010, Nds.GVBl S. 104)
stützen, als auch auf § 17 Abs. 8 BNatSchG. In welchem Verhältnis beide
Ermächtigungsgrundlagen im Einzelnen zueinander stehen (vgl. hierzu z.B.
Fischer-Hüftle in Schuhmacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG § 17 Rn. 45;
Messerschmidt, Bundesnaturschutzrecht, Stand September 2011, § 17 Rn.
79), kann deswegen hier offen bleiben.
Nach § 3 Abs. 2 BNatSchG überwachen die für Naturschutz und
Landschaftspflege zuständigen Behörden - hier der Beklagte - die Einhaltung
der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes
erlassenen Vorschriften und treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die im
Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um deren Einhaltung sicherzustellen,
soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Vorschrift ist eine als Generalklausel
ausgestaltete Befugnisnorm, die einmal eine präventive Gefahrenabwehr
erlaubt und weiter zu Anordnungen ermächtigt, die auf Wiederherstellung des
rechtswidrig veränderten Zustandes gerichtet sind (vgl. z.B. Fischer-Hüftle
a.a.O., § 3 Rn. 3). Landesrechtlich wird die Vorschrift durch § 2 NAGBNatSchG
ergänzt, wonach die Naturschutzbehörde u.a. nach pflichtgemäßem Ermessen
die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen trifft, um die Einhaltung der
Rechtsvorschriften sicherzustellen (§ 2 Abs. 2 NAGBNatSchG).
Nach § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG soll die zuständige Behörde die weitere
Durchführung eines Eingriffs untersagen, wenn ein Eingriff im Sinne des § 14
BNatSchG ohne die erforderliche Zulassung oder Anzeige vorgenommen wird.
§ 17 Abs. 8 BNatSchG begründet eine Kompetenz für die jeweils zuständige
(Fach)Behörde im Rahmen von zulassungs- bzw. anzeigebedürftigen
Vorhaben (vgl. Messerschmidt a.a.O., § 17 Rn. 7 ff; Fischer-Hüftle a.a.O., § 17
Rn. 43 ff). Soweit die erforderliche Zulassung von der Naturschutzbehörde zu
erteilen wäre, kommt § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG dabei neben § 3 Abs. 2
BNatSchG i.V. mit § 2 NAGBNatSchG als Ermächtigungsgrundlage für die
Untersagung weiterer Maßnahmen in Frage (vgl. Messerschmidt a.a.O., § 17
Rn. 79; Fischer-Hüftle a.a.O., § 17 Rn. 45). Dabei ist auch die Entscheidung
darüber, ob eine Befreiung von einem Verbot des BNatSchG zu erteilen ist, ein
Zulassungsverfahren Sinne des § 17 BNatSchG (vgl. z.B. Messerschmidt
a.a.O., § 17 Rn. 28; Möller, Umweltrecht und Landnutzungsrecht, Band IV,
Naturschutzrecht, 5. Aufl. 2013, S. 204).
Hier sind die Voraussetzungen sowohl des § 3 Abs. 2 BNatSchG als auch des
§ 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG dafür gegeben, dem Kläger die von ihm
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geplanten Maßnahmen auf dem Flurstück 4/2 zu untersagen. Dabei ist
unerheblich, ob sich auf dem Grundstück ein Biotop befunden hat. Der
Tiefumbruch mittels Bagger auf der restlichen Grünlandfläche dieses
Flurstückes ist mit Bundesnaturschutzrecht bereits deswegen nicht vereinbar,
weil er einen Verstoß gegen das in § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG aufgestellte
Verbot eines Grünlandumbruches darstellt, der einer Befreiung nach § 67
BNatSchG bedurft hätte, über die der Kläger nicht verfügt. Der geplante
Umbruch der Fläche ist dabei weiter ein Eingriff im Sinne des § 14 Abs. 1
BNatSchG, der nicht dem sog. Landwirtschaftsprivileg des § 14 Abs. 2
BNatSchG unterfällt.
Nach § 5 Abs. 2 BNatSchG sind bei der landwirtschaftlichen Nutzung neben
den Anforderungen, die sich aus den für die Landwirtschaft geltenden
Vorschriften und aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes
ergeben, insbesondere die in den Nrn. 1 - 6 genannten Grundsätze der guten
fachlichen Praxis zu beachten. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG ist auf
erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten
mit hohem Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten ein
Grünlandumbruch zu unterlassen.
Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG begründet dabei ein gesetzliches
Verbot, dessen Einhaltung durch die zuständige Naturschutzbehörde auf der
Grundlage von § 17 Abs. 8 BNatSchG bzw. von § 3 Abs. 2 BNatSchG
durchgesetzt werden kann (so auch Agena, Der Vollzug der
landwirtschaftlichen Grundsätze der guten fachlichen Praxis nach § 5 Abs. 2
BNatSchG, NuR 2012, 297; Fischer/Hüftle, in Schuhmacher/Fischer-Hüftle,
BNatSchG, § 5 Rn. 16; Vagedes in Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 5 Rn. 15;
Möller, Umweltrecht und Landnutzungsrecht, Band IV, Naturschutzrecht, 5.
Aufl. 2013, S. 88; Louis, Das neue Bundesnaturschutzrecht, NuR 2010, 77 ff).
Dies folgt aus dem klaren Wortlaut der Vorschrift, wonach ein
Grünlandumbruch auf den genannten Standorten "zu unterlassen ist" in
Verbindung mit dem Umstand, dass sich diese Vorgabe nunmehr - anders als
noch § 5 Abs. 4 BNatSchG a.F. - direkt an den Normanwender richtet (vgl.
insbesondere Agena, a.a.O). Die entgegenstehende Auffassung
(Messerschmidt, Bundesnaturschutzrecht, § 5 Rn. 30; wohl auch Gellermann,
Naturschutzrecht nach der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, NuR
2010, 73), wie sie auch von dem Bundesumweltministerium in dem Vermerk
vom 16. April 2011 sowie von dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt
und Klimaschutz vertreten wird (hierzu: LT-Drs. 16/0000 S. 40) überzeugt vor
diesem Hintergrund nicht.
§ 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG regelt die sich hieraus ergebenden
Verhaltenspflichten auch hinreichend bestimmt, denn die darin enthaltenen
unbestimmten Rechtsbegriffe können mit Hilfe naturwissenschaftlicher
Methoden ausgelegt und konkretisiert werden; auch ist es möglich, die
notwendige räumliche Abgrenzung vorzunehmen (vgl. Agena, a.a.O., S. 306.).
Die Maßnahmen, die der Kläger beabsichtigt hat, sind mit § 5 Abs. 2 Nr. 5
BNatSchG nicht vereinbar. Zunächst ist die umstrittene Fläche eine
Grünlandfläche, hierzu gehören Wiesen und Weiden, die als solche dauerhaft
genutzt werden (Kolodziejcok/Reken/Apfelbacher/Iven, Naturschutz,
Landschaftspflege, Stand 1/12 zu § 5 BNatSchG Rn. 27). Es ist zwischen den
Beteiligten weiter unstreitig, dass sich die noch vorhandene Grünlandfläche
auf einem Moorstandort, nämlich im Hochmoor befindet. Als Moorboden wird
dabei - unabhängig vom Wasserstand - Boden mit einer Torfschicht von mehr
als 30 cm im Oberboden definiert (hierzu: Umweltgutachten des
Sachverständigenrates für Umweltfragen für das Jahr 2012; SRU 2012, Rn.
401 m.w.N.).
Der Tiefumbruch des Bodens mittels eines Baggers stellt auch einen
Grünlandumbruch im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG dar. Der Kläger
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beruft sich insoweit ohne Erfolg darauf, er wolle die Fläche nach Neueinsaat
mit Gras erneut als Grünlandfläche nutzen. Angesichts des Umstands, dass
der Kläger den bereits umgebrochenen Teil des Flurstücks im Süd-Westen seit
Mai 2012 als Maisacker nutzt, ebenso wie den auf der anderen Seite der
Grünlandfläche gelegenen Teil des Flurstücks, glaubt die Kammer dieses
Vorbringen nicht. Im Übrigen läge ein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Nr. 5
BNatSchG auch dann vor, wenn der Kläger tatsächlich nur eine sog.
Grünlanderneuerung beabsichtigt hätte. Anders als im Rahmen der
Verordnung zur Erhaltung von Dauergrünland (v. 6.10.2009, Nds.GVBl. S.
362), die lediglich die Umwandlung von Grünland zu Ackerland als
"Grünlandumbruch" im Sinne der Verordnung ansieht, kann im Sinne des § 5
Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG auch die Grünlanderneuerung "Grünlandumbruch"
sein (so auch Vagedes, in Lütkes/Ewer, BNatSchG, § 5 Rn. 29). Dafür spricht
zunächst der Wortlaut, denn § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG benennt mit der
Formulierung "Grünlandumbruch" eine Tätigkeit ohne Hinweis auf die
Zwecksetzung. "Umbruch" bedeutet dabei eine grundlegende Änderung bzw.
Umwandlung, wobei auch eine "Neugestaltung" oder "Erneuerung" einen
Umbruch darstellen können (Duden online,
http://www.duden.de/rechtschreibung/Umbruch). Weiter verfolgen § 5 Abs. 2
Nr. 5 BNatSchG einerseits und die Verordnung zur Erhaltung von
Dauergrünland andererseits unterschiedliche Ziele. Während die Verordnung
zur Erhaltung von Dauergrünland die Erhaltung der Gesamtgrünlandfläche in
der Förderregion (Niedersachsen und Bremen) bezweckt und
dementsprechend den "Umbruch" erlaubt, wenn sich der Betroffene
verpflichtet, im gleichen Umfang neues Dauergrünland in der Förderregion
anzulegen (§ 2 Abs. 2 der Verordnung zur Erhaltung von Dauergrünland, vgl.
auch VG Stade, Urt. v. 15.12.2011 -6 A 1546/10-) soll § 5 Abs. 2 Nr. 5
BNatSchG auch Bestandsschutz für einzelne Grünlandflächen bewirken
(hierzu Kolodziejcok/Reken/Apfelbacher/Iven, Naturschutz, Landschaftspflege,
Stand 1/12 zu § 5 BNatSchG Rn. 27).
Grund ist die besondere Bedeutung von Grünlandflächen für den Natur- und
Landschaftsschutz. Durch das Verbot des Grünlandumbruches nach § 5 Abs.
2 Nr. 5 BNatSchG sollen einmal Lebensräume für bestimmte Tier- und
Pflanzenarten gesichert werden, zum anderen sollen stoffliche
Umweltbelastungen vermieden werden, die mit dem Umbruch einhergehen
(vgl. die Begründung zum BNatSchG a.F., BT-Drs. 14/6378 S. 39). Derartige
stoffliche Umweltbelastungen entstehen aber nicht allein durch die
Folgenutzung der Fläche als Acker, sondern bereits durch die Beseitigung der
Grasnarbe an sich, die zu Mineralisationsschüben und dadurch zur
Nitratfreisetzung führt, was zu einer Belastung für das Grundwasser führen
kann (vgl. hierzu Landwirtschaftskammer Niedersachsen,
„Grünlandbewirtschaftung, ein Beitrag zum Wasserschutz“, Stand 2007 sowie
„Grünlanderneuerung ordnungsgemäß und effizient durchführen“, Stand
19.7.2013, www.lwk-niedersachsen.de). Gerade in Mooren wird schon durch
die Bodenbearbeitung und die Beseitigung der Grasnarbe selbst ein Teil des
im Boden gespeicherten Kohlenstoffes freigesetzt (vgl. hierzu NABU, "Position
Grünlandschutz", Stand 2009, www.nabu.de). Mit Blick auf Wortlaut und Zweck
des Gesetzes ist deswegen ein Grünlandumbruch im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr.
5 BNatSchG jedenfalls die Ausschaltung der etablierten Grasnarbe in
Verbindung mit einer wendenden Bodenbearbeitung, auch wenn anschließend
eine Neueinsaat von Gras erfolgt. Inwieweit der Einsatz von Totalherbiziden
zum Abtöten der Grasnarbe mit anschließender Direktsaat oder eine
Grünlanderneuerung durch Fräsen einer Grünlandfläche mit Rücksicht auf den
beabsichtigten Lebensraumschutz einen Grünlandumbruch nach § 5 Abs. 2
Nr. 5 BNatSchG darstellt, kann hier offen bleiben, denn der Kläger hat auf dem
streitigen Flurstück unstreitig mit einer wendenden Bodenbearbeitung
begonnen.
Der von dem Kläger beabsichtigte Umbruch stellt zugleich eine erhebliche
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Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit und Funktionsfähigkeit des
Naturhaushalts durch eine Veränderung der Gestalt von Grundflächen dar, die
nicht nach § 14 Abs. 2 BNatSchG privilegiert ist und damit als Eingriff im Sinne
von § 14 Abs. 1 BNatSchG anzusehen ist. Da der Kläger nicht über eine
Befreiung im Sinne des § 67 BNatSchG verfügt und Gründe, von einer
Anwendung des § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG abzusehen, nicht ersichtlich
sind, hat der Beklagte den weiteren Eingriff zu Recht untersagt (§ 17 Abs. 8
BNatSchG). Auch gemessen an § 3 Abs. 2 BNatSchG i.V. mit § 2
NAGBNatSchG ist das Einschreiten des Beklagten nicht zu beanstanden,
insbesondere ist die Anordnung, den weiteren Umbruch zu unterlassen,
geeignet, erforderlich und verhältnismäßig. Auf die Frage, ob der Kläger eine
Befreiung von dem Verbot des § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG verlangen kann,
kommt es hier nicht an, weil sowohl § 3 Abs. 2 BNatSchG als auch § 17 Abs. 8
Satz 1 BNatSchG allein an die formelle Rechtswidrigkeit der durchgeführten
Maßnahme anknüpfen. Im Übrigen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf
eine Befreiung. Dies hat die Kammer mit Urteil vom heutigen Tag (1 A 2305/12)
entschieden.
Die Zwangsgeldfestsetzung beruht auf §§ 65, 67, 70 Nds.SOG; Gründe, sie zu
beanstanden, gibt es nicht.
Ohne Erfolg bleibt die Klage auch, soweit der Kläger mit Ziffer 2. des
Klageantrages die Feststellung begehrt, dass auf seinem Grundstück kein
Biotop gewesen ist. Für diesen Antrag fehlt es an dem nach § 43 Abs. 1 VwGO
erforderlichen Feststellungsinteresse. Ein solches Interesse bestünde
allenfalls für eine in die Zukunft gerichtete Feststellung, weil nur eine solche
sich auf die künftige Nutzbarkeit des Grundstückes auswirken könnte (vgl.
hierzu Nds.OVG, Urt. v. 10.3.2005 -8 LB 4072/01-, juris). Insoweit besteht
zwischen den Beteiligten aber kein Streit mehr, denn auch nach der
Einschätzung des Beklagten ist ein Biotop auf den umstrittenen Flächen des
Klägers nicht mehr vorhanden. Die Vorgaben zur Bewirtschaftung der
umstrittenen Fläche, die der Beklagte im Hinblick auf den von ihm
angenommenen Biotopschutz mit Bescheid vom 13. März 2012 getroffen
hatte, und die u.a. Gegenstand des Verfahrens 1 A 2305/12 waren, hat der
Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung dementsprechend
aufgehoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 Nr.
11, 711 ZPO.
Die Berufung wird nach §§ 124a Abs. 1 Nr. 3, 124 Abs. 1 VwGO zugelassen,
weil die Frage, ob es sich bei § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG um eine Verbotsnorm
handelt, grundsätzliche Bedeutung hat.