Urteil des VG Göttingen vom 21.11.2012

VG Göttingen: recht am eigenen bild, öffentliche sicherheit, betroffene person, persönlichkeitsrecht, wiederholungsgefahr, veröffentlichung, internet, anschluss, rechtswidrigkeit, herausgabe

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Personalienfeststellung durch Polizeibeamte
Zu den Anforderungen an das Vorliegen einer Anscheinsgefahr wegen eines
befürchteten Verstoßes gegen § 22 Satz 1 des Kunsturhebergesetzes.
VG Göttingen 1. Kammer, Urteil vom 21.11.2012, 1 A 14/11
§ 22 KunstUrhG, § 23 KunstUrhG, § 13 Abs 1 Nr 1 SOG ND, § 13 Abs 2 SOG ND, § 2
Nr 1a SOG ND, § 113 Abs 1 S 4 VwGO, § 43 VwGO
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung
der Rechtswidrigkeit einer Identitätsüberprüfung.
Am 22.01.2011 gegen 15.36 Uhr wurde im Rahmen einer angemeldeten
Versammlung im Kreuzungsbereich N. /O. in E. eine Zwischenkundgebung
durchgeführt. Hierbei kam es zu einem Zusammentreffen zwischen dem Kläger
und Beamten der Bereitschaftspolizei aus P., das von den Beteiligten
unterschiedlich dargestellt wird. Unstreitig ist, dass der Kläger einem
Polizeibeamten für einige Minuten seinen Personalausweis aushändigte. Der
Kläger wurde von einer Bekannten begleitet, die eine Kamera in Richtung der
Polizeibeamten hielt.
Am 01.02.2011 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Feststellung der
Rechtswidrigkeit einer Personalienfeststellung begehrt. Er trägt vor, er sei am
fraglichen Tag von Polizeibeamten aufgefordert worden, seine Personalien
anzugeben. Zur Begründung hätten diese behauptet, er habe Fotografien der
Beamten angefertigt. Tatsächlich habe er jedoch keine Aufnahmen gemacht,
sondern die Beamten lediglich auf die von ihnen gefertigten Filmaufnahmen
angesprochen. Es sei auch nicht beabsichtigt gewesen, Aufnahmen zu
veröffentlichen und er habe zu keiner Zeit geäußert, er würde Fotos für ein
Bürgerforum verwenden. Der Personalausweis habe sich ca. vier Minuten lang
in den Händen eines der Polizeibeamten und damit außerhalb des Zugriffs des
Klägers befunden. Mit der Übergabe des Ausweises an den Beamten sei eine
Personalienfeststellung abgeschlossen gewesen, ohne dass es einer
Überprüfung oder Speicherung von Daten bedurft hätte. Die Maßnahme sei
rechtswidrig gewesen. Sie stelle einen Eingriff in seine allgemeine
Handlungsfreiheit und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Er
habe unter den Aspekten eines Rehabilitationsinteresses, einer
Wiederholungsgefahr und einer Grundrechtsbetroffenheit Interesse an der
begehrten Feststellung.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die bei ihm am 22.01.2011 durchgeführte
Personalienfeststellung rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unzulässig, weil ein Verwaltungsakt, der Gegenstand einer
Fortsetzungsfeststellungsklage sein könnte, nicht vorliege. Eine
Personalienfeststellung sei nicht durchgeführt worden. Sie sei lediglich geplant
gewesen, weil die Betroffenen Porträtfotos von Polizeibeamten ohne deren
Einverständnis angefertigt und die Verbreitung durch Verwendung der
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Aufnahmen für das Bürgerforum „Bürger beobachten Polizei“ angekündigt
hätten. Zu einer Überprüfung des Personaldokuments des Klägers sei es jedoch
nicht gekommen. Die Maßnahme sei zum Zweck der Deeskalation abgebrochen
worden, weil sie die Aufmerksamkeit der umstehenden
Versammlungsteilnehmer erregt habe. Der Kläger habe auch kein Interesse an
der begehrten Feststellung. Selbst eine abgeschlossene Identitätsfeststellung
sei ein vergleichsweise geringfügiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und die
allgemeine Handlungsfreiheit. Das Verhalten der Polizeibeamten habe hier zu
weiteren Maßnahmen nicht geführt, sodass keine erhebliche
Grundrechtsverletzung ersichtlich sei. Der Kläger könne sich auch nicht auf ein
Rehabilitationsinteresse berufen, denn der Vorgang sei nicht geeignet gewesen,
sein Ansehen herabzuwürdigen. Auch eine Wiederholungsgefahr sei nicht
ersichtlich, da es sich um einen situationsbedingten Einzelfall handele. Die
Klage wäre auch unbegründet, denn die Polizeibeamten hätten einen Verstoß
gegen das Kunsturhebergesetz befürchten müssen. Das Bürgerforum
veranstalte regelmäßige Treffen von Bürgern, die jedem offen ständen. Dort
hätten die Fotos gesichtet werden sollen. Die Polizeibeamten hätten deshalb
davon ausgehen dürfen, dass eine Veröffentlichung der Fotos geplant gewesen
sei; zumindest habe eine Anscheinsgefahr vorgelegen. Die Maßnahme sei auch
verhältnismäßig gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den
Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob die an dem Vorfall beteiligten
Polizeibeamten den Personalausweis des Klägers lediglich für wenige Minuten
in der Hand gehalten haben, ohne die Identität des Klägers zur Kenntnis zu
nehmen, und ob die bloße Entgegennahme des Ausweises bereits als
Identitätsfeststellung gemäß § 13 Abs. 1 und 2 Nds. SOG und damit als
Verwaltungsakt i. S. v. § 35 VwVfG (i. V. m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG) anzusehen
wäre. Denn die Klage ist entweder als Fortsetzungsfeststellungsklage in
entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder als allgemeine
Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft, nachdem sich die Maßnahme
bereits vor Klageerhebung erledigt hatte. Das für beide Klagearten
gleichermaßen erforderliche schutzwürdige Interesse des Klägers an der
begehrten Feststellung ist gegeben. Ein solches Interesse besteht u. a. in den
Fällen einer Wiederholungsgefahr (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.03.2012 - 6 C
12/11 -, NJW 2012, 2676), die hier zu bejahen ist. Ob der Kläger daneben auch
ein Rehabilitationsinteresse oder einen schwerwiegenden Grundrechtsverstoß
geltend machen kann, kann dahinstehen.
Eine Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass
unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen
eine gleichartige Maßnahme ergehen wird (BVerwG, Urteil vom 12.10.2006 - 4 C
12/04 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 m.w.N.), wobei es nicht des
Fortbestehens der gleichen Umstände in allen Einzelheiten bedarf (Hettich,
Versammlungsrecht in der kommunalen Praxis, 2003, Rn. 285). Der Kläger hat
im gerichtlichen Verfahren vorgetragen, er gehöre der Interessengemeinschaft
„BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ an und betrachte es als seine
Aufgabe, aus bürgerlichem Engagement das Verhalten der Polizei bei
Versammlungen zu dokumentieren, um die Rechtmäßigkeit dieses Verhaltens
sicherzustellen. Es wolle seine Tätigkeit fortsetzen, ohne Gefahr zu laufen, dabei
kontrolliert zu werden. Für die Kammer liegt es nahe, dass der Kläger im
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Rahmen der Teilnahme an Versammlungen und der Dokumentation des
Verhaltens von Polizeibeamten auch künftig wieder in eine vergleichbare
Situation geraten kann, in der ihm die Herausgabe seines Personalausweises
abverlangt wird. Damit ist das Interesse des Klägers an der begehrten
Feststellung auch nach Erledigung der hier in Streit stehenden Maßnahme
weiterhin schutzwürdig.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger ist der Auffassung, dass bereits
die bloße Herausgabe seines Personalausweises zu einer abgeschlossenen
Identitätsfeststellung gemäß § 13 Abs. 1 und 2 Nds. SOG geführt hat. Diese
Frage kann auch an dieser Stelle offen bleiben, denn die Voraussetzungen für
eine Identitätsfeststellung lagen aus Sicht der Polizeibeamten vor, sodass die
Maßnahme rechtlich nicht zu beanstanden war.
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Nds. SOG können die Verwaltungsbehörden und die
Polizei die Identität einer Person feststellen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr
erforderlich ist. Dabei können sie zur Feststellung der Identität die erforderlichen
Maßnahmen treffen, insbesondere die betroffene Person anhalten, nach ihren
Personalien befragen und verlangen, dass sie mitgeführte Ausweispapiere zur
Prüfung aushändigt (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG). Eine Gefahr im Sinne des
Gesetzes ist gemäß § 2 Nr. 1 Lit. a Nds. SOG eine konkrete Gefahr, das heißt
eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit
besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder
Ordnung eintreten wird. Die Annahme einer Gefahr setzt eine auf Tatsachen
gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen
Geschehensverlauf voraus. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung
über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim
polizeilichen Eingriff die gegenwärtige Sicht entscheidend und es kommt nicht
darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme
gewinnt. War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das
Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann
rechtmäßig, wenn sich die Prognose im weiteren Verlauf der Dinge als unrichtig
erweisen sollte (sog. Anscheinsgefahr). Umgekehrt kann eine polizeiliche
konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam
nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche
Handeln begründet werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
19.08.2010 - 1 S 2266/09 -, DVBl 2010, 1569).
Die Identitätsfeststellung hat den Zweck, entweder Personalien einer
unbekannten Person festzustellen oder zu prüfen, ob eine Person diejenige ist,
für die sie sich ausgibt. Sie wird im Allgemeinen nicht geeignet sein, unmittelbar
eine konkrete Gefahr abzuwehren, ihrem Entstehen vorzubeugen oder eine
Straftat zu verhüten. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ein Verantwortlicher oder
potenziell Verantwortlicher sich durch die Identitätsfeststellung beispielsweise
davon abhalten ließe, die geplante Handlung oder Tat zu begehen. Die
Identitätsfeststellung kann jedoch Klarheit darüber verschaffen, gegen welche
Person ggf. erforderliche gefahrenabwehrende Maßnahmen zu richten sind
(Böhrenz/Unger/Siefken, Nds. SOG, 9. Auflage 2008, § 13 Anm. 3).
Die an der Maßnahme beteiligten Polizeibeamten befürchteten am fraglichen
Tag, dass ihr Recht am eigenen Bild durch das Verhalten des Klägers und
seiner Begleiterin verletzt werden könnte. Das Recht am eigenen Bild stellt ein
mögliches Schutzgut der öffentlichen Sicherheit dar (BVerwG, Urteil vom
28.03.2012, a.a.O.). Nach §§ 22 Satz 1, 33 des Gesetzes betreffend das
Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie
(Kunsturhebergesetz - KunstUrhG) dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des
Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Demgegenüber können sich Betroffene gegen den bloßen Akt des
Fotografierens grundsätzlich nicht mit der Begründung wehren, ihr allgemeines
Persönlichkeitsrecht würde verletzt. Im Verhältnis zum allgemeinen
Persönlichkeitsrecht sind die Vorschriften des Kunsturhebergesetzes für ihren
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Geltungsbereich leges speciales. Soweit es um die Verletzung des Rechts am
eigenen Bild als besondere rechtliche Ausprägung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts geht, scheidet ein Rückgriff auf das allgemeine
Persönlichkeitsrecht daher regelmäßig aus. Da § 22 Satz 1 KunstUrhG nur das
Veröffentlichen und Verbreiten von Bildnissen erfasst, kann lediglich in
außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommen, dass bereits allein das
Fotografieren einen spezifischen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
des Betroffenen darstellt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.08.2010,
a.a.O.; VG Meiningen, Urteil vom 13.03.2012 - 2 K 373/11 Me -, NVwZ-RR 2012,
551). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
Die Polizeibeamten durften jedoch im Zeitpunkt der von ihnen getroffenen
Maßnahme davon ausgehen, dass ihr Recht am eigenen Bild durch einen
Verstoß des Klägers und seiner Begleiterin gegen § 22 Satz 1 KunstUrhG mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit verletzt werden würde. Wie
der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, erweckte seine
Begleiterin durch ihr Verhalten den Eindruck, als filme sie die Beamten. Dieses
Verhalten muss sich der Kläger zurechnen lassen. Wie seine Begleiterin war er
aufgrund von „Buttons“ o. Ä., die an ihrer Bekleidung angebracht waren, als
Angehöriger der Interessengemeinschaft „BürgerInnen beobachten Polizei und
Justiz“ zu erkennen. Beide Personen traten gegenüber den Beamten gleichsam
als „Beobachtungs-Team“ auf, wobei der Kläger mit den Beamten diskutierte
und seine Begleiterin (zumindest) den Anschein erweckte, Videoaufnahmen zu
machen. Angesichts der Zugehörigkeit zu der Interessengruppe und der
Wahrnehmung unterschiedlicher Aufgaben kommt es nicht darauf an, ob - was
zwischen den Beteiligten streitig ist - auch der Kläger Aufnahmen gemacht hat.
Die Beamten durften in der von ihnen wahrgenommenen Situation mangels
anderer Anhaltspunkte davon ausgehen, dass die aus nächster Nähe
angefertigten Aufnahmen nicht lediglich dazu dienten, später allein vom Kläger
und/oder seiner Begleiterin betrachtet zu werden. Ein Anlass, allein zu diesem
Zweck Aufnahmen von ihnen anzufertigen, war für sie ersichtlich nicht zu
erkennen. Des Weiteren mussten die Beamten mangels jeglichen Anhaltspunkts
auch nicht davon ausgehen, dass die Aufnahmen später in einem gegen sie
eingeleiteten Strafverfahren als Beweismittel dienen sollten; insoweit liegt der
Sachverhalt anders als derjenige, der dem Urteil des VG Meiningen vom
13.03.2012 (a.a.O.) zugrunde liegt. Sie mussten daher aufgrund der ihnen
vorliegenden Erkenntnisse befürchten, dass der Zweck der Anfertigung der
Aufnahmen darin lag, diese im Internet zu veröffentlichen und damit unter
Verletzung ihres Rechts am eigenen Bild zu verbreiten und öffentlich zur Schau
zu stellen. Weil ein anderer Grund für die Beamten nicht ersichtlich war,
bestanden insoweit hinreichend konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer
Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.03.2012, a.a.O.).
Die Beamten mussten auch nicht davon ausgehen, dass eine der Ausnahmen
gemäß § 23 KunstUrhG vorlag, denn eine solche Ausnahme lag objektiv nicht
vor. Die gezielte Abbildung einzelner Polizeibeamter unterfällt auch dann nicht
regelmäßig der Ausnahme „Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte“ (§
23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG), wenn sie anlässlich eines örtlich bedeutsamen
Ereignisses angefertigt wird. Aus dem Bereich der Zeitgeschichte stammen in
erster Linie Bildnisse, in denen der Abgebildete nicht lediglich als Person,
sondern wegen seiner Verbindung zum Zeitgeschehen das Interesse der
Öffentlichkeit findet (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.08.2010, a.a.O.).
Es ist nicht erkennbar, dass diese Voraussetzung hier vorlag. Bei aus nächster
Nähe der Betroffenen angefertigten Aufnahmen handelt es sich auch nicht um
„Bilder von Versammlungen, Aufzügen oder ähnlichen Vorgängen, an denen die
dargestellten Personen teilgenommen haben“ (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG),
denn derartige Bilder bezwecken nicht die Dokumentation eines
Versammlungsgeschehens, bei der es in Kauf zu nehmen ist, dass Teilnehmer
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der Versammlung erkennbar sind, sondern die Aufnahme von Einzelpersonen.
Nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung ist, dass der Kläger in der
mündlichen Verhandlung dargelegt hat, dass es der Gruppe „BürgerInnen
beobachten Polizei und Justiz“ bei ihrer Tätigkeit immer auch um den Schutz der
Persönlichkeitsrechts der beobachteten Personen gehe. Denn es ist nicht davon
auszugehen, dass dies den Polizeibeamten am fraglichen Tag bei ihrer
Beurteilung der Situation bekannt war. Wie bereits dargelegt, war für die
Beamten ein anderer Zweck des Verhaltens des Klägers und seiner Begleiterin
als derjenige, die mutmaßlich angefertigten Aufnahmen zu verbreiten bzw.
öffentlich zur Schau zu stellen, nicht erkennbar. Die Beamten gehörten einer
Einheit der Bereitschaftspolizei aus P. an, die zur Unterstützung der örtlichen
Einsatzkräfte hinzugezogen worden war. Es ist nicht anzunehmen, dass ihnen
die Interessengemeinschaft, der der Kläger angehört, bzw. deren Internet-Auftritt
näher bekannt war und sie Informationen über deren Umgang mit den im
Rahmen ihrer „Beobachtungen“ angefertigten Aufnahmen hatten. Sie waren in
der konkreten Einsatzsituation auch nicht gehalten, hierzu Erkundigungen
anzustellen. Angesichts ihrer aus damaliger Sicht berechtigten Befürchtungen
hinsichtlich der Verwendung der Aufnahmen mussten sie sich auch nicht mit der
Erklärung des Klägers zufrieden geben, man werde die Bilder nicht im Internet
veröffentlichen.
Anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall (Urteil
vom 28.03.2012, a.a.O.) bestand vorliegend keine Kollision mit dem Grundrecht
der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), sodass eine Abwägung der
Interessen der betroffenen Beamten mit diesem Schutzgut nicht notwendig war.
Da der Kläger kein Vertreter der Presse ist, kommt es auch nicht auf die Frage
an, ob bei Journalisten hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 22 Satz 1
KunstUrhG grundsätzlich von deren Rechtstreue auszugehen ist (vgl. VGH
Baden-Württemberg, Urteil vom 19.08.2010, a.a.O., mit weiteren Nachweisen).
Die Maßnahme der Polizeibeamten war des Weiteren auch nicht deshalb
unverhältnismäßig, weil die mit einer Bildaufnahme verbundene Möglichkeit
eines rechtsverletzenden Gebrauchs, insbesondere einer gegen Rechte Dritter
verstoßenden Veröffentlichung, nach Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.03.2012, a.a.O.) nicht notwendig
immer auf der ersten Stufe abgewehrt werden muss, sondern in vielen Fällen
auch auf der zweiten Stufe des Gebrauchs des entstandenen Bildes geschehen
kann. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, es könne
unverhältnismäßig sein, die durch den Journalisten beabsichtigte Fotoaufnahme
selbst zu verhindern, wenn die Möglichkeit bestehe, Vorkehrungen gegen die
befürchtete anschließende Verletzung eines Rechtsguts durch den Gebrauch
des Bildes zu treffen. Ein solches Vorgehen hätte in dem vom
Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Fall auch nahe gelegen, weil die
Journalisten sich durch ihre Presseausweise gegenüber dem Einsatzleiter
ausgewiesen hätten und kooperationsbereit gewesen seien. Eine vergleichbare
Situation bestand vorliegend gerade nicht. Den Polizeibeamten waren die
Personalien des Klägers nicht bekannt und sie hätten ohne eine
Identitätsfeststellung bei einer späteren Veröffentlichung der Aufnahmen keine
Möglichkeit mehr gehabt, den Rechtsverstoß zu verfolgen und eine Verletzung
eigener Rechte geltend zu machen. In einem solchen Fall muss es möglich sein,
„auf der ersten Stufe“ die Identität desjenigen festzustellen, von dem bei einer
Beurteilung der gegenwärtigen Sachlage voraussichtlich eine Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit ausgeht. Die Identitätsfeststellung stellt sich zudem als
ein verhältnismäßig geringfügiger Grundrechtseingriff dar, der im Hinblick auf
das Gewicht der (mutmaßlich) gefährdeten Rechtsgüter angemessen erscheint.
Dies gilt umso mehr für die konkret in Streit stehende Maßnahme, die mit der
Rückgabe des Personalausweises an den Kläger endete, ohne dass weitere
Feststellungen zu seiner Person getroffen wurden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
23 Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.
V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.