Urteil des VG Göttingen vom 21.11.2012

VG Göttingen: sparkasse, registrierung, widerruf, gefährdung, firma, gesetzliche vermutung, vermögensverfall, geschäftsführer, grundstück, geschäftshaus

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Widerruf der Registrierung im
Rechtsdienstleistungsregister
Verbindlichkeiten im sechsstelligen Bereich rechtfertigen den Widerruf der
Registrierung eines Inkassobüros im Rechtsdienstleistungsregister.
VG Göttingen 1. Kammer, Urteil vom 21.11.2012, 1 A 45/12
§ 12 Abs 1 Nr 1b RDG, § 14 Nr 1 RDG
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Registrierung im
Rechtsdienstleistungsregister.
Im September 1997 war dem Kläger die Erlaubnis zur außergerichtlichen
Einziehung von Forderungen nach dem Rechtsberatungsgesetz erteilt worden.
Nach Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) wurde der Kläger
am 30.03.2009 im Rechtsdienstleistungsregister als Inkassodienstleister sowie
als registrierter Erlaubnisinhaber registriert. Die Registrierung wurde mit der
Auflage erteilt, fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person
weiterzuleiten oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen. In der Mitteilung der
Registrierung wies der Beklagte darauf hin, dass er sich insbesondere im
Hinblick auf ein anhängiges Zwangsversteigerungsverfahren den Widerruf der
Registrierung vorbehalte. Erstmals im Juli 2009 hörte der Beklagte den Kläger
zu einem Widerruf der Registrierung an. Ein Widerruf erfolgte zunächst nicht. Die
Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Gläubigerin, der Sparkasse M.,
beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf über 400.000 Euro. Die Gläubigerin hoffte
auf eine vergleichsweise Regelung.
Nach Durchführung einer Geschäftsprüfung und Bekanntwerden eines weiteren
Zwangsversteigerungsverfahrens forderte der Beklagte den Kläger im Mai und
Juli 2011 auf, seine gegenwärtige finanzielle Situation durch eine
Gegenüberstellung von Schulden, Vermögen und Einnahmen darzustellen. Mit
Schreiben vom 26. Juli 2011 kam der Kläger dieser Aufforderung nach, ohne die
genaue Höhe der Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse M. darzulegen. Er
verwies darauf, dass er noch in Verhandlungen mit der Sparkasse zu einer
Umschuldung sei. Als weitere Verbindlichkeiten nannte er einen Restbetrag in
Höhe von 11.848,41 Euro aus seinem Gebot in einem
Zwangsversteigerungsverfahren für das Wohn- und Geschäftshaus in E., N..
Außerdem bestände eine Darlehnsvereinbarung mit seiner Schwester O. P.
über 200.000 Euro. Gegenüber dem Finanzamt Northeim beständen aus
früheren gemeinsamen Steuerveranlagungen mit seiner ehemaligen Frau
Rückstände von 15.000 Euro sowie 3.500 Euro Grunderwerbssteuer. Daneben
führte er kleinere Verbindlichkeiten aus einem Leasingvertrag und einer
ärztlichen Behandlung auf. Den Verbindlichkeiten stellte er sein Vermögen
gegenüber, nämlich das Eigentum an seinem Privatgrundstück in E., D., für das
ein gerichtliches Wertgutachten über 250.000 Euro besteht, und seinen
Miteigentumsanteil an dem Wohn- und Geschäftshaus in E., N., für das ein
Verkehrswert in Höhe von 140.000 Euro ermittelt wurde. Außerdem habe er ein
Paket von 1.200 rechtskräftigen Schuldtiteln im Nominalwert von 5 Mio. DM
erworben, deren Realisierung kontinuierlich laufe. Bisher habe er daraus knapp
100.000 Euro aus Raten- und Abschlusszahlungen verwirklichen können.
Außerdem verfüge er über zahlreiche Forderungen gegenüber verschiedenen
Firmen und Privatpersonen, deren Realisierbarkeit allerdings ungewiss sei. Sein
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gesamtes Vermögen, einschließlich Hausrat etc., sowie seine Einnahmen seien
an seine Schwester sicherungsübereignet bzw. abgetreten. Sie ständen ihm
aber z.B. für Umschuldungen und zur persönlichen Nutzung unbefristet zur
Verfügung. Aus seiner Inkassotätigkeit erziele er kaum noch Einnahmen. Die
laufenden Kosten seines B. seien allerdings gedeckt. Seinen Lebensunterhalt
bestreite er aus dem Gehalt, das er von seinen Unternehmen beziehe. Die
monatliche Höhe bezifferte er mit durchschnittlich 2.600 Euro plus Kindergeld für
seine vier Kinder. Aus der Vermietung des Wohn- und Geschäftshauses in E.,
N., erhalte er insgesamt monatlich 909,50 Euro Miete vom Landkreis F. für drei
Wohnungsmietparteien. Mit der Firma Schlecker sei eine Miethöhe von netto
2.000 Euro zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung und Mehrwertsteuer
vereinbart.
Von dem Vorwurf des Betruges im Zusammenhang mit der Ersteigerung des
Wohn- und Geschäftshauses in E., Q., wurde der Kläger mit rechtskräftigem
Urteil des AG M. vom 27.10.2010 (X Ds XX Js XX/XX) freigesprochen. In den
Entscheidungsgründen beurteilte das Gericht das Geschäftsgebaren des
Klägers im Zusammenhang mit der Finanzierung des Objekts als „finanzielles
Harakiri“, verneinte aber ein betrügerisches Handeln.
Mit Schreiben vom 30.08.2011 hörte der Beklagte den Kläger erneut zu einem
Widerruf der Registrierung gemäß § 14 Nr. 1 RDG an und forderte ihn zugleich
auf, eine aktuelle Vermögensaufstellung vorzulegen. Daraufhin teilte der Kläger
mit, dass er auf seine Registrierung als Inkassodienstleister nicht freiwillig
verzichten werde und seine Vermögensverhältnisse keinesfalls als ungeordnet
anzusehen seien. Eine Vermögensaufstellung legte er nicht vor.
Mit Bescheid vom 30.11.2011, zugestellt am 05.12.2011, widerrief der Beklagte
gemäß §§ 14 Nr. 1, 12 Abs. 1 Nr. 1 b und Abs. 2 RDG die Registrierung des
Klägers im Rechtsdienstleistungsregister. Den Widerruf begründete der Beklagte
mit zwei Zwangsversteigerungsverfahren beim Amtsgericht M. und einem
Insolvenzverfahren beim Amtsgericht F., an denen der Kläger als Schuldner
bzw. als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer beteiligt sei. In einem
Zwangsversteigerungsverfahren (Aktenzeichen XX K XX/XX) habe die
Gläubigerin versucht gegen den Kläger als Schuldner eine Hauptforderung in
Höhe von 11.848,41 Euro durchzusetzen. Durch rechtskräftigen Beschluss vom
01.08.2011 habe das Amtsgericht M. der Firma R. S. T. UG, deren
Geschäftsführer der Kläger ist, in einem Versteigerungstermin das Grundstück
zugeschlagen und die Gläubigerin befriedigt. Das zweite
Zwangsversteigerungsverfahren (Aktenzeichen 10 K 14/07) betreibe die
Sparkasse M. gegen den Kläger und seine geschiedene Ehefrau. Im Juli 2011
beständen einschließlich Zinsforderungen Verbindlichkeiten in Höhe von
768.672,10 Euro. Die Zwangsversteigerung betreffe das gemeinsame
Hausgrundstück in E., D.. Am 17.05.2011 habe der Kläger den Eigentumsanteil
seiner Ehefrau ersteigert. Mit Beschluss vom 06.09.2011 habe das Amtsgericht
F. (Aktenzeichen XX IN XX/XX) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Firma U. V. -W. & X. GmbH, deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer
der Kläger sei, wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet. Außerdem hätten der Kläger
und seine geschiedene Ehefrau im September 2007 mit der Schwester des
Klägers, Frau O. P., eine Darlehnsvereinbarung in Höhe von 200.000 Euro
abgeschlossen. In der Vereinbarung heiße es u. a.:
„…Außerdem treten Y. und Z. C. ihre sämtlichen Einkünfte aus
selbstständiger und unselbstständiger Arbeit, aus Vermietung und
Verpachtung sowie etwa gewährten öffentlichen Leistungen an O. P. ab …
Allerdings verpflichten sich Y. und Z. C., ihr Vermögen und ihre Einkünfte
zugunsten von O. P. vor dem Zugriff Dritter zu schützen und bei etwaigen
Pfändungsversuchen jeglicher Art unverzüglich diese Vereinbarung
vorzulegen.“
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Im Rahmen einer Geschäftsprüfung sei darüber hinaus festgestellt worden, dass
der Kläger private Abbuchungen von seinem Treuhandkonto und private
Einzahlungen auf das Konto vorgenommen habe. Außerdem sei das
Treuhandkonto auch für Buchungen der inzwischen insolventen Firma U.
genutzt worden. Aus diesen gesamten Umständen ergebe sich, dass die
Vermögensverhältnisse des Klägers ungeordnet seien. Aufgrund der Höhe der
Verbindlichkeiten sei nicht abzusehen, dass er seine finanziellen Verhältnisse in
absehbarer Zeit ordnen könne. Aufgrund der ungeordneten
Vermögensverhältnisse ergebe sich eine konkrete Gefahr für die
Rechtsuchenden, die der Kläger nicht widerlegt habe.
Am 04.01.2012 hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Zur Begründung führt
er an, dass kein Zwangsversteigerungsverfahren mehr anhängig sei. Sein
Miteigentumsanteil am Grundstück N. in E. sei am 06.07.2011 tatsächlich
versteigert und die Gläubigerin befriedigt worden. Das Verfahren sei erledigt.
Das Zwangsversteigerungsverfahren zum Grundstück D. in E. sei mit Beschluss
des Amtsgerichts M. vom 17.05. vorläufig und am 17.11.2011 endgültig
eingestellt worden, nachdem die Sparkasse M. keinen neuen Antrag gestellt
habe. Das Insolvenzverfahren betreffe nicht ihn persönlich, sondern eine
selbstständige Firma, und rechtfertige nicht den Widerruf seiner Registrierung.
Seine Vereinbarung von September 2007 mit seiner Schwester sei ein
keinesfalls unübliches Darlehnsgeschäft. Die Vereinbarung stelle auch einen
Schutz seiner Inkassotätigkeit dar, da er mit ihr jeden Zugriff auf Fremdgelder
abwehren könne. Im Übrigen würden Vollstreckungsmaßnahmen aus der
Vereinbarung tatsächlich niemals erfolgen. Die Höhe der Verbindlichkeiten
gegenüber der Sparkasse M. belaufe sich nach einem Schreiben der Sparkasse
vom 30.12.2009 gegenüber dem Beklagten auf rund 480.000 Euro und sei
deshalb geringer als vom Beklagten angegeben. Er strebe weiterhin eine
einvernehmliche Lösung mit der Sparkasse M. an. Im Hinblick auf sein Eigentum
am Grundstück D. bestehe keine Überschuldung. Das Verhältnis zwischen
Immobilienvermögen und Immobiliendarlehn sei geordnet. Außerdem sei er
weder im Schuldnerverzeichnis eingetragen, noch seien in den letzten Monaten
persönlich gegen ihn Schuldtitel erwirkt worden. In seiner bisher 15-jährigen
Tätigkeit als Inkassodienstleister habe es niemals eine konkrete Gefährdung
von Mandantengeldern gegeben. Er sei deshalb nicht als unzuverlässig
anzusehen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 30.11.2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf den angefochtenen Bescheid. Darüber hinaus
trägt er vor, dass entgegen der Auffassung des Klägers seine Verbindlichkeiten
und sein Vermögen nicht ausgeglichen seien. Soweit der Kläger insoweit das
Wohn- und Geschäftshaus in E., N., mit berücksichtige, sei darauf hinzuweisen,
dass er nicht mehr Eigentümer dieses Hauses und es deshalb nicht mehr
seinem Vermögen zuzurechnen sei. Den Verbindlichkeiten des Klägers
gegenüber der Sparkasse M. in Höhe von mindestens 480.000 Euro zuzüglich
260.000 Euro aus dem Darlehnsvertrag mit seiner Schwester Frau O. P. beliefen
sich auf gut 740.000,00 Euro, denen der Verkehrswert des Wohnhauses in E.,
D., mit 250.000 Euro gegenüberstehe. Angesichts dieser Höhe der
Verbindlichkeiten und der vereinbarten Abtretung aller Einnahmen des Klägers
an seine Schwester sei nicht erkennbar, wie der Kläger seine
Vermögenssituation verbessern könne. Alle von ihm erwähnten Versuche, sich
mit der Sparkasse M. zu einigen, seien gescheitert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
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Beteiligten im Übrigen wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten, die Zwangsversteigerungsakten des Amtsgerichts M. zu den
Aktenzeichen XX K XX/XX und XX K XX/XX sowie die Insolvenzakten des
Amtsgerichts F. zum Aktenzeichen XX IN XX/XX, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Widerrufsbescheid
vom 30.11.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten
(§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Präsident des Landgerichts ist nach § 32 Satz 1 der Verordnung zur
Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung
(ZustVO-Justiz) für den Widerruf zuständig.
Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf der Registrierung des Klägers ist § 14
Nr. 1 RDG i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 b und Abs. 2 RDG. Danach widerruft die
zuständige Behörde die Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister
unbeschadet des § 49 Verwaltungsverfahrensgesetz oder entsprechender
landesrechtlicher Vorschriften, wenn begründete Tatsachen die Annahme
rechtfertigen, dass die registrierte Person die erforderliche Eignung oder
Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Dies ist in der Regel der Fall, wenn einer der
in § 12 Abs. 1 Nr. 1 RDG genannten Gründe nachträglich eintritt. Nach § 12 Abs.
1 Nr. 1 b RDG ist Voraussetzung für die Registrierung die persönliche Eignung
und Zuverlässigkeit, die in der Regel fehlt, wenn die Vermögensverhältnisse der
Person ungeordnet sind. Gemäß Abs. 2 sind die Vermögensverhältnisse einer
Person in der Regel dann ungeordnet, wenn über ihr Vermögen das
Insolvenzverfahren eröffnet worden oder sie in das vom Insolvenzgericht oder
vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 der
Insolvenzordnung, § 915 der Zivilprozessordnung) eingetragen ist. Ungeordnete
Vermögensverhältnisse liegen nicht vor, wenn im Fall der Insolvenzeröffnung die
Gläubigerversammlung einer Fortführung des Unternehmens auf der Grundlage
eines Insolvenzplanes zugestimmt und das Gericht den Plan bestätigt hat, oder
wenn die Vermögensinteressen der Rechtsuchenden aus anderen Gründen
nicht konkret gefährdet sind. Die Vorschriften sind insbesondere den §§ 7 Nr. 9,
14 Abs. 2 Nr. 7 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nachgebildet (s.
Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/3655, S. 68). Deshalb kann die zu den
Vorschriften der BRAO ergangene Rechtsprechung zur Auslegung
herangezogen werden. Ein Vermögensverfall (= ungeordnete
Vermögensverhältnisse) ist danach gegeben, wenn der Betroffene in
ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer
Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen
nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von
Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (ständige
Rechtsprechung, s. allein BGH, Beschluss vom 21.03.2011 - AnwZ (B) 97/09 -,
juris mit weiteren Nachweisen).
Soweit über das Vermögen des Rechtsdienstleisters das Insolvenzverfahren
eröffnet worden ist oder er in das Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, wird
vermutet, dass die Vermögensverhältnisse der Person ungeordnet sind (§ 12
Abs. 2 Satz 1 RDG). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Über das
Vermögen des Klägers ist ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet und er ist nicht in
das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Soweit über die Firma U. V. -W. & X.
GmbH, deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Kläger war, ein
Insolvenzverfahren eröffnet worden war, begründet dies nicht die gesetzliche
Vermutung. Es handelt sich nämlich um eine selbstständige Firma, so dass das
Insolvenzverfahren nicht dem Kläger persönlich zuzurechnen ist.
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Aber es liegen ausreichende Beweisanzeichen dafür vor, dass sich der Kläger
bei Erlass des Widerrufsbescheids, dem maßgeblichen Zeitpunkt für die
Beurteilung der Rechtmäßigkeit (vgl. BGH Beschluss vom 29.06.2011 - AnwZ
(Brfg) 11/10 -, juris = NJW 2011, 3234 f.; VG Berlin Urteil vom 25.08.2011 - 1 K
5.10 -, juris), in ungeordneten Vermögensverhältnissen befand. Mit Schreiben
vom 06.06.2011 hat die Sparkasse M. in dem Zwangsversteigerungsverfahren
XX K XX/XX Verbindlichkeiten in Höhe von 773.863,40 Euro angemeldet. Auf
diese Forderungen ist die Sparkasse M. aus der Zwangsversteigerung des
Wohnhauses in E., D., in Höhe von insgesamt 83.597,98 Euro befriedigt worden.
Die genauen Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Sparkasse M. im
November 2011 sind zwar nicht bekannt, denn der Kläger ist entsprechenden
Aufforderungen zur Darstellung seiner Vermögensverhältnisse durch den
Beklagten (und im Gerichtsverfahren durch das Gericht) nicht nachgekommen.
Die Verbindlichkeiten dürften aber zwischen 480.000 Euro, die der Kläger selbst
genannt hat, und den knapp 770.000,00 Euro, die der Beklagte dem Widerruf
zugrunde gelegt hat, liegen. Nach Mitteilung der Sparkasse M. vom 28.08.2012
leistet der Kläger nämlich weiterhin keine Zahlungen auf die Forderungen. Bei
der weiteren rechtlichen Betrachtung geht das Gericht von den zugestandenen
Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse M. von mindestens 480.000 Euro
aus. In diesem Zusammenhang spricht es auch gegen den Kläger, dass er
selbst in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage war, die genaue Höhe
der Verbindlichkeiten zu benennen und dies mit fehlenden Mitteilungen der
Sparkasse begründete. Dies ist wenig glaubhaft. Es ist nämlich gängige Praxis,
dass Banken den Schuldner jährlich über den Stand seines Darlehenskontos
informieren. Vielmehr ist zu vermuten, dass der Kläger die wahre Höhe der
Verbindlichkeiten verschweigen will.
Hinzu kommt das Darlehen der Schwester des Klägers, Frau O. P., in Höhe von
200.000 Euro plus Zinsen seit 2007. Damit belaufen sich die Verbindlichkeiten
des Klägers auf über 680.000 Euro. Demgegenüber steht das Eigentum an
seinem Privathaus in E., D., für das ein Verkehrswert in Höhe von 250.000 Euro
ermittelt wurde. Seine Verbindlichkeiten sind damit durch sein
Immobilienvermögen lediglich zu einem guten Drittel abgedeckt. Soweit der
Kläger das Haus in E., N., in seine Vermögensbilanz mit einbezieht, ist dies nicht
berücksichtigungsfähig, denn das Haus steht im Eigentum der R. S. T. UG und
nicht des Klägers.
Der Kläger verfügt auch über keine Einnahmen, die in absehbarer Zeit zu einer
deutlichen Reduzierung der Verbindlichkeiten führen würden. Er erhält nach
eigenen Angaben 2.600 Euro monatlich aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer
seiner Unternehmen. Dieser Betrag ist zum einen für seinen eigenen und den
Unterhalt seiner vier Kinder erforderlich und steht damit für die Abzahlung seiner
Verbindlichkeiten nicht zur Verfügung. Darüber hinaus hat er seine gesamten
Einnahmen an seine Schwester zur Absicherung des Darlehens abgetreten, so
dass sie auch aus diesem Grund nicht zur Tilgung der Verbindlichkeiten
beitragen können. Soweit der Kläger auf seine erworbenen 1.200 Schuldtitel im
Nominalwert von ca. 5 Mio. DM verweist, trägt dies ebenfalls nicht zu einer
nachhaltigen Verbesserung seiner finanziellen Verhältnisse bei. Denn nach
seinem eigenen Vortrag reichen die daraus realisierten Einnahmen gerade aus,
seinen Bürobetrieb zu finanzieren. Da der Kläger seine Verbindlichkeiten nicht
erfüllt, sind zwei Zwangsversteigerungsverfahren erfolgt, an denen er als
Schuldner beteiligt war. Seine finanziell enge Lage besteht bereits seit Beginn
seiner Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister, ohne dass es dem Kläger
gelungen ist, sie nachhaltig zu konsolidieren. Umschuldungsvereinbarungen mit
der Sparkasse M. sind trotz mehrjährigen Gesprächen nicht zustande
gekommen. Diese Gesichtspunkte führen in ihrer Gesamtheit dazu, dass die
Vermögensverhältnisse des Klägers ungeordnet sind.
Die Feststellung der ungeordneten Vermögensverhältnisse begründet
grundsätzlich die Annahme der konkreten Gefährdung der Interessen der
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Rechtssuchenden. Der BGH hat dazu zu der vergleichbaren Vorschrift des § 14
Abs. 2 Nr. 7 BRAO in seinem Beschluss vom 18.10.2010 - AnwZ (B) 21/10 -,
juris) ausgeführt:
„..Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen
Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines
Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der
Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im
Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den
darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. etwa
BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511;
Beschluss vom 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924,
m.w.N.). Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung
ausnahmsweise nicht gegeben war, liegen nicht vor…
Besondere Umstände, insbesondere ausreichende arbeitsvertragliche
Beschränkungen und Sicherungsvorkehrungen, welche die Annahme
rechtfertigen, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden
durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts ausnahmsweise schon
vor Abschluss des andauernden Insolvenzverfahrens nicht mehr zu
befürchten war, lagen nicht vor. Sie waren insbesondere nicht deshalb
gegeben, weil der Antragsteller mit Wirkung vom 21. Dezember 2008 als
Partner aus der Anwaltsgesellschaft A. und Partner ausschied und seither
aufgrund eines unbefristeten Anstellungsvertrages vom 17. Dezember
2008 anwaltlich für diese Kanzlei tätig ist. Hierzu gilt:
(1) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden kann nach der
Rechtsprechung des Senats in Ausnahmefällen ausgeschlossen sein,
wenn der Rechtsanwalt die zum Schutz der Interessen der
Rechtsuchenden in seiner Lage erforderlichen Vorkehrungen trifft und
(vertrags-) rechtlich und tatsächlich sicherstellt, dass diese Vorkehrungen
auch eingehalten werden (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2007, AnwZ (B)
101/05, NJW 2007, 2924, 2925; Beschluss vom 9. November 2009, AnwZ
(B) 87/08; Beschluss vom 8. Februar 2010, AnwZ (B) 67/08). Das setzt
regelmäßig die Aufgabe einer Tätigkeit als Einzelanwalt und den
Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einer Anwaltssozietät voraus
(BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006,
559, 560; Beschluss vom 8. Februar 2010, AnwZ (B) 67/08), der nach der
Organisation der Sozietät (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2008,
AnwZ (B) 67/07, aaO), dem Umfang der Tätigkeitsverpflichtung des
Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät (vgl. BGH, Beschluss vom 17.
September 2007, AnwZ (B) 75/06, AnwBl. 2008, 66, 67) und den
getroffenen vertraglichen und tatsächlichen Vorkehrungen einen effektiven
Schutz der Interessen der Rechtsuchenden erwarten lässt (BGH,
Beschluss vom 9. November 2009, AnwZ (B) 87/08; Beschluss vom 8.
Februar 2010, AnwZ (B) 67/08).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist in den Blick zu nehmen, dass schon
nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO der Widerruf der
Zulassung die Regel und die Annahme einer trotz des Vermögensverfalls
nicht gegebenen Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden die
Ausnahme ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05,
NJW 2007, 2924). Der Vermögensverfall des Anwalts lässt befürchten,
dass entweder der Anwalt selbst oder aber dessen Gläubiger auf Gelder
der Mandanten zugreifen. Ziel der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO
ist es, dieser Gefahr vorzubeugen. Daran hat sich die Rechtsanwendung
zu orientieren. Von einem Widerruf der Zulassung eines in
Vermögensverfall geratenen Anwalts kann folglich nur dann abgesehen
werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung eine sichere Prognose
dahingehend getroffen werden kann, dass sich im zu entscheidenden
Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines
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Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden. Grundlage einer solchen
Prognose kann nicht nur der Abschluss eines - unter Umständen den
einschlägigen Senatsentscheidungen nachgebildeten -
Anstellungsvertrages sein. Vielmehr entscheidet eine Gesamtwürdigung
aller maßgeblichen Umstände darüber, ob die Gefährdung der
Rechtsuchenden hinreichend sicher ausgeschlossen ist. Dies wird
angesichts der für eine Gefährdung streitenden Vermutung nur in seltenen
Ausnahmefällen in Betracht kommen; die Feststellungslast trifft den
Rechtsanwalt (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010, AnwZ (B) 67/08)…“
Diesen Grundsätzen schließt sich das Gericht an und überträgt sie auf die
vergleichbare Vorschrift des § 12 Abs. 2 RDG. Der Kläger hat keine
Gesichtspunkte vorgetragen, die dem Gericht eine sichere Prognose
ermöglichen, dass sich in seinem Fall die typischen Gefahren, die mit dem
Vermögensverfall eines B. verbunden sind, nicht realisieren werden. Bereits seit
mehreren Jahren führt der Kläger immer wieder an, mit der Sparkasse M. eine
Umschuldung zu erreichen, ohne dass dies zum Erfolg führte. Die Vereinbarung
mit seiner Schwester zur Abtretung seines gesamten Vermögens und aller
Einnahmen steht einer solchen Prognose ebenfalls entgegen, da sich der
Kläger insoweit in einer absoluten Abhängigkeit von seiner Schwester befindet.
Seine hohen Verbindlichkeiten haben ihn nicht davon abgehalten weitere
riskante finanzielle Geschäfte zu machen, wie das AG M. in seinem Urteil vom
27.10.2010 (X Ds XX Js XX/XX) feststellte. Damit hat er die
Vermögensinteressen Dritter gefährdet. Soweit der Kläger vorträgt, in der
Vergangenheit habe es in Bezug auf seine Inkassotätigkeit keinerlei
Beschwerden gegeben, begründet dies ebenfalls keine sichere Prognose, denn
es handelte sich um das normale, zu verlangende Verhalten eines
Rechtsdienstleisters. Im Übrigen ist bei der Geschäftsprüfung im Jahr 2010
festgestellt worden, dass von seinem Treuhandkonto sowohl private
Abbuchungen als auch Zahlungsverkehr der inzwischen insolventen Firma U.
erfolgt waren und somit eine Vermischung seiner Inkassotätigkeit mit dem
privaten Zahlungsverkehr stattgefunden hatte. Der Auflage seiner Registrierung,
fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person weiterzuleiten
oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen, ist der Kläger nicht
nachgekommen. Seine Inkassotätigkeit hat er deshalb entgegen seinem Vortrag
nicht beanstandungsfrei ausgeübt.
Der Widerruf der Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister ist nach alledem
rechtmäßig. Mildere Mittel, die Gefährdung der Rechtsuchenden zu vermeiden,
bestehen nicht. Der Kläger führt seine Inkassotätigkeit als Alleinunternehmer
durch und es ist für den Beklagten unzumutbar, ständig zu kontrollieren, ob es
tatsächlich zu einem Fehlverhalten gegenüber seinen Mandanten und deren
konkreter Gefährdung kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.
V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.