Urteil des VG Göttingen vom 30.06.2014

VG Göttingen: aufschiebende wirkung, subjektives recht, mitgliedstaat, überstellung, genfer konvention, asylbewerber, verordnung, eugh, aeuv, einzelrichter

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Ablauf der Überstellungsfrist in
Wiederaufnahmefällen nach der Dublin-II-VO bei
abgelehntem Eilantrag; subjektives Recht der
Asylbewerber
1. Die Überstellungsfrist aus Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2, 1. Alt. Dublin-II-VO
von sechs Monaten nach der Annahme eines Wiederaufnahmeersuchens ist
auch dann maßgeblich, wenn zwischenzeitlich ein Eilantrag nach § 80 Abs.
5 Satz 1, 1. Alt. VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt und
abgelehnt worden war. Ein abweichender Fristbeginn oder -ablauf, etwa
nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2, 2. Alt. Dublin-II-VO (sechs Monate nach dem
ablehnenden Eilbeschluss oder nach der rechtskräftigen Entscheidung in
der Hauptsache; Unterbrechungslösungen) oder im Wege der Hemmung
(sechs Monate nach der Wiederaufnahmezusage zuzüglich des Zeitraums
der An-hängigkeit des Eilantrags), kommt nicht in Betracht.
2. Auf die aus dem Ablauf der Überstellungsfrist und dem
Zuständigkeitsübergang auf den ersuchenden Mitgliedstaat (Art. 20 Abs. 2
Satz 1 Dublin-II-VO) resultierende objektive Rechtswidrigkeit der
Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 27a
AsylVfG kann sich der Asylbewerber auch berufen, weil mit der
Aufrechterhaltung der rechtswidrig gewordenen Abschiebungsanordnung
eine Verletzung in dessen subjektiven Rechten einhergeht.
VG Göttingen 2. Kammer, Beschluss vom 30.06.2014, 2 B 86/14
Art 78 AEUV, § 27a AsylVfG 1992, § 34a AsylVfG 1992, § 75 Abs 1 AsylVfG 1992, §
77 Abs 1 AsylVfG 1992, Art 18 EUGrdRCh, Art 51 EUGrdRCh, Art 52 EUGrdRCh, Art
6 EUGrdRCh, Art 20 Abs 1 Buchst d EGV 343/2003, Art 20 Abs 2 EGV 343/2003, Art
49 Abs 2 EUV 604/2013, § 80 Abs 5 VwGO, § 80 Abs 7 VwGO
Tenor
1. Der Beschluss vom 21. Januar 2014 - 2 B 932/13 - wird abgeändert.
Die aufschiebende Wirkung der am 13. November 2013 erhobenen Klage 2 A
931/13 der Antragsteller gegen die in Ziffer 2. des Bescheides des
Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. November 2013 enthaltene
Abschiebungsanordnung wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
2. Den Antragstellern wird für das Abänderungsverfahren ab Antragstellung
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt E. F. aus Göttingen
bewilligt.
Gründe
I.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO hat Erfolg.
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Eine nach dieser Vorschrift ausreichende rechtliche oder tatsächliche
Änderung, auf die sich die Antragsteller auch berufen können, ist nach Erlass
des abzuändernden Eilbeschlusses vom 21. Januar 2014 - 2 B 932/13 -
eingetreten.
1. Veränderte Umstände liegen in dem zwischenzeitlich erfolgten Ablauf der
sechsmonatigen Überstellungsfrist seit der von der Republik Polen am 11.
Oktober 2013 erklärten Wiederaufnahmezusage (Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2, 1.
Alt. der Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur
Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der
für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat
gestellten Asylantrags zuständig ist - Dublin-II-VO -; ABl. EG Nr. L 50 S. 1) vor.
Dies hat - da auch Anhaltspunkte für eine Fristverlängerung nach Art. 20 Abs.
2 Satz 2 Dublin-II-VO nicht gegeben sind - zur Folge, dass die ursprünglich
gegebene Zuständigkeit Polens für die Durchführung des Asylverfahrens der
Antragsteller mit Ablauf des 11. April 2014 nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-
VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist und der im
Klageverfahren 2 A 931/13 angefochtene Bescheid des Bundesamts für
Migration und Flüchtlinge - Bundesamts - vom 4. November 2013 in beiden
Ziffern - also auch hinsichtlich der in Ziffer 2. enthaltenen, auf Polen
bezogenen Abschiebungsanordnung - nach Erlass der gerichtlichen
Entscheidung vom 21. Januar 2014 in einer Rechte der Antragsteller
verletzenden Weise rechtswidrig geworden ist. Das bedeutet, dass im
maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 2.
HS. AsylVfG) das private Aussetzungsinteresse der Antragsteller, von einer
Überstellung nach Polen vorläufig verschont zu werden, das öffentliche
Interesse an der sofortigen Vollziehung nunmehr überwiegt.
a) Auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist in Gänze entgegen der
Auffassung der Antragsgegnerin (und des VG Karlsruhe, Beschluss vom 15.
April 2014 - A 1 K 25/14 -, juris Rn. 7) noch die Dublin-II-VO. Dies ergibt sich
aus Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und
Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von
einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat
gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO; ABl.
EU Nr. L 180 S. 31). Denn der erste Asylantrag der Antragsteller in Polen
wurde am 18./19. Dezember 2012 und damit vor dem 1. Januar 2014 gestellt;
auch das Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland wurde
vor diesem Stichtag an Polen gerichtet (nämlich am 8. Oktober 2013) und auch
von Polen beantwortet (am 11. Oktober 2013). Die unabhängig vom Zeitpunkt
der Antragstellung ab dem 1. Januar 2014 vorgesehene Anwendbarkeit der
Dublin-III-VO für Aufnahme- und Wiederaufnahmegesuche bezieht sich
jedenfalls nicht auf - wie hier - bereits vor diesem Stichtag gestellte und
beantwortete Gesuche (vgl. Beschluss eines anderen Einzelrichters der
Kammer vom 17. Februar 2014 - 2 B 31/14 -, juris Rn. 8; VG Hannover,
Beschluss vom 9. Januar 2014 - 1 B 7895/13 -, juris Rn. 18; VG Oldenburg,
Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 7136/13 -, juris Rn. 4).
b) Die nach der Dublin-II-VO einzuhaltende Überstellungsfrist hat
sechs
Monate ab der Wiederaufnahmezusage
2013 betragen (Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2, 1. Alt. Dublin-II-VO) und ist deshalb
am
11. April 2014
Dublin-II-VO).
c) Ein abweichender Fristbeginn bzw. -ablauf mit der Konsequenz, dass die
Überstellungsfrist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (30. Juni 2014)
noch nicht abgelaufen wäre, kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
aa) Dies gilt zunächst für die von der Antragsgegnerin in den Schriftsätzen
vom 3. und 26. Juni 2014 vorgenommene Berechnung (
sechs Monate ab
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Datum bzw. Zustellungsdatum des ablehnenden Eilbeschlusses,
Fristablauf am
21. bzw. 24. Juli 2014
VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 - W 6 S 14.50065 -, juris Rn. 22;
VG Regensburg, Beschluss vom 13. Dezember 2013 - RO 9 S 13.30618 -,
juris Rn. 20; missverständlicher bei juris.de wiedergegebener Leitsatz des
Beschlusses eines anderen Einzelrichters der Kammer vom 28. November
2013 - 2 B 887/13 -: „neu zu laufen beginnt“; ferner VG Hamburg, Beschluss
vom 4. Juni 2014 - 10 AE 2414/14 -, juris S. 6 des Beschlussabdrucks,
allerdings für die parallel strukturierte Überstellungsfrist in Aufnahmeverfahren,
Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin-II-VO). Für eine derartige Berechnung gibt es
keine rechtliche Grundlage.
Die ihr zugrunde liegende Ansicht versucht, sich auf Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2,
2. Alt. Dublin-II-VO zu stützen, nach welchem die Überstellungsfrist sechs
Monate „nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser
aufschiebende Wirkung hat“, endet. Sie geht davon aus, dass die (nach § 80
AsylVfG unanfechtbare) Ablehnung eines Eilantrags nach § 34a Abs. 2 Satz 1
AsylVfG in der seit dem 6. September 2013 geltenden Fassung i.V.m. § 80
Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO eine derartige „Entscheidung über einen
Rechtsbehelf“ in diesem Sinne darstellt, d.h. sie hält den Eilantrag selbst für
den maßgeblichen „Rechtsbehelf“ i.S.d. Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2, 2. Alt.
Dublin-II-VO. Unter Berufung auf § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG - nach welchem
bei rechtzeitigem Eilantrag eine Abschiebung vor der gerichtlichen
Entscheidung über den Eilantrag nicht zulässig ist - postuliert sie ferner, dass
bereits jeder (fristgerecht gestellte) Eilantrag selbst aufschiebende Wirkung im
unionsrechtlichen Sinne habe.
Die Auffassung ist schon - ohne dass es hier auf § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG
ankäme - aus rechtssystematischen Gründen deshalb nicht überzeugend, weil
sie mit der (ablehnenden) Entscheidung über den Eilantrag einen
unzutreffenden Bezugspunkt wählt. Der „Rechtsbehelf“ i.S.d. Art. 20 Abs. 1 lit.
d) Satz 2, 2. Alt. Dublin-II-VO, dem aufschiebende Wirkung zukommt oder
nicht, ist nämlich nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 29. Januar
2009 - Rs. C-19/08 - [Petrosian], juris Rn. 46) und des Nds. OVG (Beschluss
vom 2. August 2012 - 4 MC 133/12 -, juris Rn. 15, 18) der
Hauptsacherechtsbehelf, d.h. die Klage (hier 2 A 931/13), nicht hingegen der
Eilantrag. Dies folgt bereits aus Art. 20 Abs. 1 lit. e) Sätze 4 und 5 Dublin-II-VO.
Nach Satz 4 kann gegen die Überstellungsentscheidung des ersuchenden
Mitgliedstaates in Wiederaufnahmefällen ein Rechtsbehelf eingelegt werden,
der nach Satz 5 keine aufschiebende Wirkung (im unionsrechtlichen Sinne)
hat (1. HS.), es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im
Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn dies
nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist (2. HS.). Daraus ist ersichtlich,
dass Eilanträge nur dem Ziel dienen können, die aufschiebende Wirkung eines
Hauptsacherechtsbehelfs (einer Klage) anordnen zu lassen, jedoch nicht
selbst Bezugsobjekt der aufschiebenden Wirkung zu sein vermögen.
Gegen die vom Bundesamt vertretene Ansicht spricht auch ein argumentum
ad absurdum: wäre der Eilantrag tatsächlich der maßgebliche „Rechtsbehelf“,
müsste konsequenterweise auch im Falle einer positiven (nach § 80 AsylVfG
gleichfalls unanfechtbaren) Eilentscheidung eine sechsmonatige
Überstellungsfrist zu laufen beginnen, obwohl mit dieser Entscheidung gerade
die aufschiebende Wirkung der Klage (und zwar in den oft unabsehbar weiten
zeitlichen Grenzen des § 80b VwGO) angeordnet wurde. Dadurch könnte es
auch in Fällen gerichtlicher Suspendierung der Abschiebungsanordnung zu
einem Ablauf der Überstellungsfrist vor einer Entscheidung in der Hauptsache
kommen - gemessen an Sinn und Zweck dieser aufschiebenden Wirkung ein
offenbar sinnwidriges Ergebnis.
bb) Aber auch ein abweichender Fristbeginn nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2,
2. Alt. Dublin-II-VO (
sechs Monate nach [rechtskräftiger] Entscheidung in
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der Hauptsache
; diese Frist hat hier noch nicht begonnen) kommt nach Ansicht des
erkennenden Einzelrichters bei der hier vorliegenden Ablehnung des ersten
Eilantrags nicht in Betracht. Denn der Klage 2 A 931/13 kam nicht etwa
deshalb aufschiebende Wirkung im unionsrechtlichen Sinne zu, weil der
parallel gestellte Eilantrag 2 B 932/13 das vorübergehende gesetzliche
Überstellungshindernis nach § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG ausgelöst hatte.
Soweit der Beschluss eines anderen Einzelrichters der Kammer vom 28.
November 2013 - 2 B 887/13 -, juris Rn. 6 und 8, Derartiges angenommen hat,
folgt der erkennende Einzelrichter dem nach eingehender Prüfung nicht.
Den Ausgangspunkt bildet der in Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 5, 1. HS. Dublin-II-
VO niedergelegte Grundsatz, nach welchem der Rechtsbehelf gegen die
Überstellungsentscheidung (i.S.d. Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 4 Dublin-II-VO), d.h.
die Klage, keine aufschiebende Wirkung hat. Unionsrechtlich ist mithin nach
der Dublin-II-VO eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs, die generell
mit seiner Einlegung einträte, ausgeschlossen. Dem korrespondiert die in (arg.
e) § 75 Abs. 1 AsylVfG getroffene Regelung, wonach Klagen gegen sog.
Dublin-Bescheide nach §§ 27a, 34a AsylVfG keine aufschiebende Wirkung (im
innerstaatlichen Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) haben.
§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG, der eine gesetzliche „Hänge- bzw.
Schieberegelung“ für den Zeitraum ab dem Eingang eines fristgerechten
Eilantrags bis zur Entscheidung des Gerichts hierüber statuiert, verleiht nicht
jeder Klage, zu welcher parallel ein Eilantrag (ohne Rücksicht auf seinen
Erfolg) gestellt wird, aufschiebende Wirkung im unionsrechtlichen Sinne (Art.
20 Abs. 1 lit. d) Satz 2, 2. Alt. Dublin-II-VO). Vielmehr kann die aufschiebende
Wirkung der Klage in diesem Sinne - die über die bloße Stellung eines
Eilantrags hinaus ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal dieser Vorschrift
darstellt - nach Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 5, 2. HS. Dublin-II-VO nur durch eine
gerichtliche (oder behördliche) Entscheidung im Einzelfall bewirkt werden, an
welcher es in den Fällen eines abgelehnten ersten Eilantrags nach §§ 80 Abs.
5 Satz 1, 1. Alt. VwGO, 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG jedoch gerade fehlt (vgl. VG
Hannover, Beschluss vom 31. März 2014 - 1 B 6483/14 -, juris Rn. 21 ff.; VG
Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 7136/13 -, juris Rn. 11 ff.; VG
Düsseldorf (Beschluss vom 24. März 2014 - 13 L 644/14.A - juris Rn. 12 ff.; VG
Hannover, Beschluss vom 13. Mai 2014 - 6 B 9277/14 -, juris Rn. 22 f.: letztere
beiden allerdings für Aufnahmefälle, Art. 19 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 4
Dublin-II-VO). § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG ändert hieran nichts. Denn das aus
ihm folgende temporäre Überstellungshindernis ist nicht gerichtlich oder
behördlich, sondern gesetzlich angeordnet; überdies handelt es sich um eine
abstrakt-generelle und nicht um eine konkret-individuelle Regelung. Deshalb
ist seine Wirkung - im Gegensatz zu einer Anordnung der aufschiebenden
Wirkung der Klage durch positiven gerichtlichen Eilbeschluss - nicht geeignet,
einen Ausnahmefall des Art. 20 Abs. 1 lit. e) Satz 5, 2. HS. Dublin-II-VO zu
erfüllen. Zu Recht weist das VG Potsdam (Beschluss vom 16. April 2014 - 6 L
211/14.A -, juris Rn. 8) in diesem Zusammenhang darauf hin, § 34a Abs. 2
Satz 2 AsylVfG bedeute nicht etwa, dass der deutsche Gesetzgeber von der
unionsrechtlich zulässigen Option einer automatischen Aussetzung der
Überstellung i.S.v. Art. 27 Abs. 3 lit. b) Dublin-III-VO Gebrauch gemacht hätte.
cc) Schließlich ist auch - ohne dass es im vorliegenden Fall darauf ankäme -
für die von den Antragstellern zitierte „Hemmungslösung“, die u.a. vom VG
Magdeburg (vgl. Urteil vom 28. Februar 2014 - 1 A 413/13 -, juris Rn. 18)
vertreten wird und die auf eine Überstellungsfrist von
sechs Monaten ab
Wiederaufnahmezusage zuzüglich des Zeitraums zwischen Eingang des
ersten Eilantrags
ablehnenden Eilbeschlusses
hinausliefe, in dem gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG eine Überstellung kraft
des gesetzlichen Hindernisses rechtlich nicht möglich war, kein Raum
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(Fristablauf in diesem Fall:
23. Juni 2014
rechtspolitischer Hinsicht einiges sprechen, weil sie dazu führte, dass dem
Bundesamt ungeachtet eines Eilverfahrens volle sechs Monate für die
Überstellung zur Verfügung stünden. Jedoch fehlt es für diesen „3. Weg“
gemessen an Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2 Dublin-II-VO an einer rechtlichen
Grundlage. Denn diese Vorschrift kennt nur zwei Anknüpfungspunkte
(tatsächliche bzw. fingierte Wiederaufnahmezusage oder Entscheidung über
einen aufschiebende Wirkung entfaltenden Rechtsbehelf); tertium non datur.
d) Nach alledem muss es bei dem aus Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2, 1. Alt.
Dublin-II-VO resultierenden Fristablauf nach sechs Monaten nach der
Wiederaufnahmezusage Polens verbleiben. Dass dem Bundesamt aufgrund
dieser Lösung wegen § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG nicht die vollen sechs
Monate für die Durchführung der Überstellung zugestanden werden, wie
vielfach beklagt worden ist (vgl. die unter c) aa) und bb) zitierten Judikate), liegt
in der Konsequenz der mitgliedstaatlichen gesetzgeberischen Entscheidung,
im Vorgriff auf den (frühestens ab dem 1. Januar 2014 anwendbaren) Art. 27
Abs. 3 lit. c) Satz 2 Dublin-III-VO schon zuvor (ab dem 6. September 2013)
eine von dieser Norm im Anwendungsbereich der Dublin-III-VO für die
Rechtsschutzvariante lit. c) zwingend geforderte „Hängeregelung“ zu schaffen.
Auslegung und Anwendung der parallel für eine Übergangszeit noch
anwendbaren Dublin-II-VO, namentlich deren Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz 2, Abs.
2 Satz 1, sind damit nicht modifiziert worden.
2. Auf die aus dem Ablauf der Überstellungsfrist und dem
Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1
Dublin-II-VO i.V.m. §§ 34a Abs. 1 Satz 1, 27a AsylVfG resultierende objektive
Rechtswidrigkeit können sich die Antragsteller auch berufen, denn mit der
Aufrechterhaltung der rechtswidrig gewordenen Abschiebungsanordnung
nach Polen geht eine Verletzung in ihren subjektiven Rechten einher.
Soweit vereinzelte gerichtliche Entscheidungen eine subjektiv-rechtliche
Dimension der Regelungen zu den Überstellungsfristen in der Dublin-II-VO
ganz verneinen oder eine Rechtsverletzung des Betroffenen insoweit mit Blick
auf das Recht der Asylbewerber auf Prüfung des Asylantrags durch einen
Mitgliedstaat (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO) davon abhängig machen, dass
der ersuchte Mitgliedstaat nunmehr die Wiederaufnahme unter Verweis auf
den Ablauf der Überstellungsfrist explizit ablehnt (vgl. VG Würzburg, Beschluss
vom 11. Juni 2014 - W 6 S 14.50065 -, juris Rn. 18 f.; VG Lüneburg, Beschluss
vom 27. Mai 2014 - 2 B 37/14 -, S. 2 des Beschlussabdrucks; VG Hamburg,
Beschluss vom 8. April 2014 - 17 AE 1762/14 -, juris Rn. 19; VG Berlin,
Beschluss vom 19. März 2014 - 33 L 90.14 A -, juris Rn. 8; VG Osnabrück,
Beschluss vom 19. Februar 2014 - 5 B 12/14 -, juris Rn. 8; VG Ansbach,
Beschluss vom 13. Februar 2014 - AN 1 S 14.30090 -, juris Rn. 37), kann dem
nicht gefolgt werden.
Diese Auffassungen verweisen darauf, dass es keinen Anspruch des
Asylbewerbers auf Wahl eines für ihn zuständigen Mitgliedstaates oder auf
Durchführung eines Asylverfahrens durch den (nach der Dublin-II-VO)
zuständigen Mitgliedstaat gebe; aus Art. 18 der Charta der Grundrechte der
Europäischen Union (EUGRCh) folge ein Asylrecht nur nach Maßgabe der
Genfer Konvention und der unionsrechtlichen Verträge, die ein Gemeinsames
Europäisches Asylsystem vorsähen. In Ausfüllung dessen bestimme die auf
Art. 78 Abs. 2 lit. e) AEUV gestützte Dublin-II-VO, dass nur ein Mitgliedstaat für
die Prüfung des Asylantrags zuständig sei. Die (internen) Zuständigkeitsregeln
der Dublin-II-VO (einschließlich der Normen, die den Ablauf bestimmter Fristen
sanktionierten) seien allein an die Mitgliedstaaten adressiert, sähen Rechte
und Pflichten nur im Verhältnis dieser zueinander vor und dienten einzig dem
Zweck einer gerechten Verteilung von Lasten und Verantwortung innerhalb
des einheitlichen „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“. So
stehe etwa der Möglichkeit eines Mitgliedstaates zum Selbsteintritt kein
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subjektives Recht eines Asylbewerbers auf Ausübung des Selbsteintritts
gegenüber. Subjektive Rechte seien in der Dublin-II-VO nur ausnahmsweise
vorgesehen, etwa in Bezug auf den Schutz unbegleiteter Minderjähriger oder
die Wahrung der Familieneinheit.
a) Dieser - unmittelbar nur auf die in Ziffer 1. des Dublin-Bescheides verfügte
Ablehnung des im Bundesgebiet gestellten Asylantrags als unzulässig (§ 27a
AsylVfG) bezogenen - Argumentation, die einen textlichen Beleg in der Dublin-
II-VO schuldig bleibt, vermag der Einzelrichter - zumindest im Eilverfahren - im
Ergebnis nicht zu folgen.
Um eine Wahl des zuständigen Mitgliedstaates durch den Asylbewerber geht
es beim Ablauf von Überstellungsfristen von vornherein nicht; vielmehr steht
ein von der Dublin-II-VO (gesetzlich) vorgesehener Mitgliedstaat in Rede, der
sich von dem vorher zuständig gewesenen unterscheidet.
Selbst wenn man aber auch die Prämisse teilte, dass kein subjektives Recht
auf Prüfung des Asylantrags in einem bestimmten, nach der Verordnung
zuständigen Mitgliedstaat gegeben ist, so spricht jedenfalls viel dafür, Art. 20
Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO für die Überstellungsfrist in Wiederaufnahmefällen
(ebenso wie Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO für die Überstellungsfrist in
Aufnahmefällen, vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 6. August 2013 - 12 S
675/13 -, juris Rn. 13) als eine Ausnahme von diesem Grundsatz anzusehen.
Denn diese Normen zielen darauf ab, dem schutzwürdigen Interesse des
Asylbewerbers, dass sein Schutzgesuch - nach Ablauf eines gewissen
Zeitraums, welcher der Klärung von Zuständigkeitsfragen vorbehalten ist - in
angemessener Zeit in der Sache geprüft wird, zu dienen. Steht ihm insoweit
ein Anspruch auf sachliche Prüfung seines Asylantrags zu, so begründete
eine wegen Zuständigkeitsübergangs infolge Fristablaufs rechtswidrig
gewordene Überstellung eine Verletzung in subjektiven Rechten (vgl. VGH
Mannheim, a.a.O.; Lehnert/Pelzer, Effektiver Rechtsschutz im Rahmen des
EU-Asylzuständigkeitssystems der Dublin II-Verordnung, ZAR 2010, 41 [43]).
Aus der Abdullahi-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 10. Dezember 2013 -
Rs. C-394/12 -, juris Rn. 42 ff., insbesondere Rn. 62) folgt nichts anderes. Der
EuGH legt darin lediglich Art. 19 Abs. 2 Dublin-II-VO dahin aus, dass ein
Asylbewerber dann, wenn sich ein Mitgliedstaat wegen dessen illegalen
Grenzübertritts (Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-VO) für zuständig gehalten und
deshalb der Aufnahme des Betroffenen zugestimmt hat, der Heranziehung
dieses Zuständigkeitskriteriums nur unter Verweis auf systemische Mängel
des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in diesem Mitgliedstaat
entgegentreten kann, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe
für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer
unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 EUGRCh
ausgesetzt zu werden. Eine generelle Aussage zur subjektiv-rechtlichen
Dimension von (Überstellungs-) Fristen der Dublin-II-VO ist er schuldig
geblieben; er hat sich nur in ambivalenten Erwägungen zur Zielrichtung dieser
Verordnung ergangen (Rn. 52 ff.). In Rn. 48 hält er es mit Blick auf die EU-
weite unmittelbare Geltung der Dublin-II-VO (Art. 288 Abs. 2 AEUV) für
möglich, dass dadurch subjektive Rechte begründet werden. Soweit der
Gerichtshof in Rn. 57 - ebenso wie bereits in der Puid-Entscheidung (Urteil
vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 -, Asylmagazin 2013, 418) - den
Selbsteintrittsnormen in Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO (Souveränitätsklausel) und
Art. 15 Abs. 1 Dublin-II-VO (humanitäre Klausel) wegen des weiten
mitgliedstaatlichen Ermessens keine subjektiv-rechtliche Dimension
zugestehen will, hat dies für die hier vorliegende Konstellation des Ablaufs der
Überstellungsfrist keine Bedeutung. Denn der Zuständigkeitsübergang wird
insoweit unmittelbar kraft Gesetzes durch Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO
bewirkt; einer willentlichen Entschließung und Handlung des Mitgliedstaates
wie beim Selbsteintritt bedarf es hierzu nicht. Aus dem vom EuGH
entschiedenen Fall kann daher für das vorliegende Verfahren nichts
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Eindeutiges gewonnen werden. Die vom Gerichtshof in Rn. 59 betonten und
zusammengefassten Hauptzwecke der Dublin-II-VO (Schaffung einer klaren
und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines
Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates; effektiver Zugang zu den Verfahren
zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft; Gewährleistung einer zügigen
Bearbeitung der Asylanträge [Beschleunigung]) mögen in Aufnahmefällen, in
denen mangels erfolgter anderweitiger Asylantragstellung und angesichts
unklarer Reisewege erhebliche Unsicherheiten über den (ursprünglich)
zuständigen Mitgliedstaat bestehen können, dazu führen können, dass eine im
Einzelfall gegebene Aufnahmezusage eines Mitgliedstaates als klärende
Maßnahme anzusehen und für maßgeblich zu erachten ist. Klarheit,
Praktikabilität, Effektivität und Beschleunigung sprechen im hier zu
entscheidenden Fall des Ablaufs einer Überstellungsfrist in einem
Wiederaufnahmefall, in dem die ursprüngliche Zuständigkeit des ersuchten
Mitgliedstaates Polen feststand und in dem sich ebenso klar und praktikabel
aus Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO ein zwischenzeitlich erfolgter
Zuständigkeitswechsel hin zum ersuchenden Mitgliedstaat Deutschland
ablesen lässt, eher dafür, dem Asylbewerber einen im Rechtsschutzwege
durchsetzbaren Anspruch auf Beachtung des Zuständigkeitswechsels und auf
Prüfung seines Asylantrags im nationalen Verfahren zuzugestehen, anstatt
nunmehr seine Überstellung rechtsschutzlos und verordnungswidrig trotz
Unzuständigkeit des ersuchten Staates zu betreiben, was zu nicht von der
Dublin-II-VO gewollten Unsicherheiten und Unstimmigkeiten sowie weiteren
Verzögerungen führen würde. Auf den Umstand, dass die Republik Polen hier
ursprünglich am 11. Oktober 2013 ihre Wiederaufnahmebereitschaft erklärt
hat, lässt sich angesichts des Ablaufs der Überstellungsfrist und des damit
einhergehenden Zuständigkeitsübergangs nichts (mehr) stützen. Im Übrigen
war die (tatsächliche oder fingierte) Wiederaufnahmezusage nach Art. 20 Abs.
1 lit. a) bis d) Dublin-II-VO ohnehin eine Voraussetzung für die zunächst ins
Auge gefasste Überstellung dorthin gewesen. Ihr kommt jedoch keine
„Ewigkeitswirkung“ zu.
b) Im Übrigen übersieht die Gegenansicht, dass im Abänderungs-/Eilverfahren
nicht unmittelbar die Ablehnung des im Bundesgebiet gestellten Asylantrags
als unzulässig (Ziffer 1. des Dublin-Bescheides) in Rede steht, bei deren
Überprüfung mögliche positive Ansprüche aus Art. 18 EUGRCh i.V.m. Art. 78
AEUV und aus der Dublin-II-VO zu berücksichtigen sind. Vielmehr geht es im
Abänderungs-/Eilverfahren (nur) um die in Ziffer 2. enthaltene
Abschiebungsanordnung, einen belastenden Verwaltungsakt, mit dem
unmittelbar ein Zwangsmittel - die Abschiebung - festgesetzt wurde (vgl.
Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. NL Juni 2014, § 34a Rn. 49, 64).
Dieser ermächtigt die Ausländerbehörde, solange er gesetzlich sofort
vollziehbar bleibt (arg e. § 75 Abs. 1 AsylVfG) und soweit das vorübergehende
Überstellungshindernis aus § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG nicht (mehr) besteht,
zu einer freiheitsbeschränkenden zwangsweisen Rückführung der
Antragsteller nach Polen. Diese im Adressatenverhältnis (Staat -> betroffener
Privater) ergangene Maßnahme greift deshalb ohne Zweifel - unabhängig von
der Frage nach Leistungsrechtspositionen, die sich auf die Durchführung eines
Asylverfahrens im Bundesgebiet richten - in Grundrechte als Abwehrrechte ein,
die die persönliche (Fortbewegungs-)Freiheit schützen; jedenfalls aber in die
subsidiär heranziehbare allgemeine Handlungsfreiheit, die vor ungesetzlichem
Zwang schützt (vgl. für die deutsche Rechtslage BVerfG, Urteil vom 16. Januar
1957 - 1 BvR 253/56 -, BVerfGE 6, 32 - Elfes). Dabei kann im vorliegenden
Abänderungsverfahren die Frage offenbleiben, ob europäische Grundrechte -
Artt. 6, 52 EUGRCh als unionsrechtliches Primärrecht - oder deutsche
Grundrechte - Artt. 2 Abs. 2 Satz 2, 2 Abs. 1 GG als mitgliedstaatliches
Verfassungsrecht - diesen grundsätzlichen Schutz vor derartigen Eingriffen
bieten. Für die erste Alternative könnte sprechen, dass die Mitgliedstaaten,
soweit sie unionsrechtliches Sekundärrecht wie hier die Dublin-II-VO (eine
Verordnung i.S.d. Artt. 78 Abs. 2, 288 Abs. 2 AEUV) anwenden, gemäß Art. 51
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Abs. 1 Satz 1 EUGRCh an die europäischen Grundrechte gebunden sind (vgl.
EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und C-493/10 - [N.S.],
juris Rn. 68). Die zweite Alternative kommt in Betracht, wenn man den
deutschen Sonderweg, ausweislich § 34a Abs. 1 AsylVfG als einzige
Überstellungsform (ungeachtet der Varianten aus Art. 7 Abs. 1 VO [EG] Nr.
1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 - Dublin-DVO -, Abl. EG
Nr. L 222 S. 3, i.d.F. der VO [EU] Nr. 118/2014 der Kommission vom 30.
Januar 2014, ABl. EU Nr. L 39 S. 1) die zwangsweise Rückführung
(Abschiebung) vorzusehen, als nicht mehr vom unionsrechtlichen Rechtskreis
impliziert ansähe. Soweit, was naheliegt, insoweit europäische Grundrechte
anwendbar sind, kann ihre Bindungswirkung jedenfalls nicht durch einen
pauschalen Verweis auf einen einheitlichen „Raum der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts“ oder ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem derogiert
werden. Sekundärrechtliche Regeln wie diejenigen der Dublin-II-VO können
allenfalls europäische Grundrechte einschränken, was aber an den
Voraussetzungen des Art. 52 Abs. 1 EUGRCh zu messen ist. Dasselbe gilt für
§ 34a AsylVfG im Verhältnis zu den genannten Artikeln des Grundgesetzes,
soweit sie hier anwendbar sein sollten.
Die genaue Zuordnung zum anwendbaren Grundrechtsregime muss für die
hier interessierenden Zwecke nicht erfolgen, weil im einen wie im anderen Fall
eine Rechtsverletzung deshalb gegeben ist, weil es an der - von Art. 52 Abs. 1
EUGRCh oder Art. 2 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1
GG geforderten - Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs fehlt. Denn die
zentrale Voraussetzung der den Eingriff deckenden Rechtsgrundlage (§§ 34a
Abs. 1 Satz 1, 27a AsylVfG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 lit. e) Dublin-II-VO), nämlich
dass ein anderer Mitgliedstaat als die Bundesrepublik Deutschland für das
Asylverfahren der Antragsteller zuständig ist, wird in einer nach § 77 Abs. 1
Satz 1, 2. HS. AsylVfG beachtlichen Weise nicht (mehr) erfüllt. Gegen eine
derartige Rechtsverletzung ist auch durch die Fachgerichte Rechtsschutz zu
gewähren.
3. Die nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO beachtliche, von den Antragstellern
geltend gemachte Änderung hat für das vorliegende Abänderungsverfahren
zur Konsequenz, dass unter Abänderung des Eilbeschlusses vom 21. Januar
2014 - 2 B 932/13 - die aufschiebende Wirkung der Klage 2 A 931/13 gegen
die Abschiebungsanordnung vom 4. November 2013 anzuordnen ist. Nur der
Vollständigkeit halber weist der Einzelrichter darauf hin, dass aus einer
solchen (atypischen) Suspendierung wegen des Ablaufs einer alten
Überstellungsfrist nicht etwa folgt, dass nunmehr nach Art. 20 Abs. 1 lit. d) Satz
2, 2. Alt. Dublin-II-VO mit einer rechtskräftigen Entscheidung über die Klage 2 A
931/13 eine neue Überstellungsfrist begänne (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom
6. Februar 2013 - 13 LA 270/11 -, juris Rn. 7).
4. Auf die Frage, ob der fortdauernden Vollziehbarkeit der
Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auch die von den
Antragstellern zunächst geltend gemachte Risikoschwangerschaft der
Antragstellerin zu 2. unter dem Aspekt eines inlandsbezogenen
Vollstreckungshindernisses (Reiseunfähigkeit) entgegengehalten werden
könnte, kommt es nach alledem nicht mehr an.
Da die Antragsgegnerin unterliegt, hat sie gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die
Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
II.
Den Antragstellern war gemäß §§ 114 Abs. 1, 121 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 166
Abs. 1 VwGO unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten
Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil sie die persönlichen und wirtschaftlichen
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Voraussetzungen hierfür erfüllen und ihr Abänderungsbegehren aus den unter
I. genannten Gründen hinreichende Erfolgsaussichten besitzt und nicht
mutwillig ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).