Urteil des VG Göttingen vom 23.12.2013

VG Göttingen: überstellung, bundesamt, vollzug, niedersachsen, verordnung, ermessen, vervielfältigung, genehmigung, referat, datenschutz

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Dublin-II-Verfahren - Abschiebungsanordnung Polen
Erledigt sich eine Klage gegen einen Bescheid des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge nach § 27a AsylVfG durch Ablauf der 6 monatigen
Frist zur Überstellung des betroffenen Asylbewerbers an den zuständigen
Mitgliedsstaat, so sind die Kosten des Verfahrens bei offenem Ausgang des
Klageverfahrens hälftig zu teilen. Die Aufhebung des angefochtenen
Bescheides durch das Bundesamt ist dann kein Fall des freiwilligen
Unterliegens.
VG Göttingen 2. Kammer, Beschluss vom 23.12.2013, 2 A 778/13
§ 27a AsylVfG, § 34a AsylVfG, Art 20 Abs 1d S 2 EGV 343/2003, § 154 Abs 1 VwGO,
§ 161 Abs 2 S 1 VwGO, § 92 Abs 3 VwGO
Gründe
Nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten ist das
Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen
und nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Verfahrenskosten unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem
Ermessen zu entscheiden.
Im vorliegenden Fall entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des
Verfahrens hälftig zu teilen, denn der Ausgang des Klageverfahrens war bis
zur Abgabe der prozessbeendenden Erklärungen offen. Dies gilt namentlich
vor dem Hintergrund, dass die Frage der Reisefähigkeit der Klägerin zu 1.) und
des minderjährigen Klägers zu 2.) nicht abschließend aufgeklärt wurde. Die
Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsanordnung gem. § 34a Abs. 1 Satz 1
AsylVfG hängt jedoch davon ab, ob die Überstellung in den zuständigen
Mitgliedsstaat aus subjektiven, in der Person des Ausländers liegenden
Gründen rechtlich oder tatsächlich möglich ist. Eine Abschiebungsanordnung
darf daher erst ergehen, sobald feststeht, dass die Abschiebung bzw.
Überstellung durchgeführt werden kann (st. Rspr. der Kammer, vgl. etwa
Beschluss vom 6. November 2013 - 2 B 848/13 -, zit. nach juris Rn. 4 ff.
m.w.N.).
Eine vollständige Kostentragung durch die Beklagte aufgrund des Ablaufs der
6-Monats-Frist gem. Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 1. Alt. der Verordnung (EG) Nr.
343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und
des Verfahrens zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines
von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten
Asylantrags zuständig ist (ABl. EU L 50 vom 25. Februar 2003, S. 1) - sog.
Dublin-II-Verordnung -, geändert durch VO (EG) 1103/2008 vom 22. Oktober
2008 (ABl. EU L 304 vom 14. November 2008, S. 80), kommt dagegen nicht in
Betracht. Der Ablauf der Überstellungsfrist während des Laufs eines
gerichtlichen Klageverfahrens gegen einen Bescheid des Bundesamtes gem.
§§ 27a, 34a Abs. 1 AsylVfG ist kein Risiko, welches ausschließlich der Sphäre
der Beklagten zuzuordnen ist. Zwar hindert die Klageerhebung gem. § 75 Abs.
1 AsylVfG nicht den Vollzug der Abschiebungsanordnung; hierzu wäre gem. §
34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich gewesen. Gleichwohl sind
regelmäßig die kommunalen Ausländerbehörden in Niedersachsen mit dem
Vollzug der Überstellung des betroffenen Asylbewerbers an den zuständigen
Mitgliedsstaat betraut. Auf die Planung und Durchführung der Überstellung hat
das Bundesamt keinen Einfluss; das Dublin-Referat des Bundesamtes in
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Dortmund koordiniert insoweit nur die Kontingente für die von den
Ausländerbehörden angemeldeten Überstellungen. Daneben kann das
Bundesamt die im Einzelfall zuständige Ausländerbehörde nur auf das Ende
der Überstellungsfrist hinweisen.
Deshalb kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass das
Bundesamt dem Begehren der Kläger durch den Aufhebungsbescheid vom
18. Dezember 2013 vollumfänglich entsprochen und sich somit freiwillig in die
Rolle der Unterlegenen begeben hat.