Urteil des VG Göttingen vom 10.06.2013

VG Göttingen: aufschiebende wirkung, vorläufiger rechtsschutz, herstellungskosten, bauaufsicht, gespräch, gebäude, erwerb, versicherung, härte, hauptsache

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Baugebühren für Freiflächenphotovoltaikanlage
1. Nach niedersächsischem Landesrecht werden die Gebühren für die
Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer
Freiflächenphotovoltaikanlage nach dem Herstellungswert berechnet.
2. Die Kosten für die Planung und Genehmigung der baulichen Anlage sowie
den Erwerb von Rechten gehören nicht zum Herstellungswert.
3. Verzögert die Bauaufsicht das Genehmigungsverfahren, kann ein
Anspruch auf Erlass zusätzlich entstandener Baugebüren wegen unrichtiger
Sachbehandlung bestehen.
VG Göttingen 2. Kammer, Beschluss vom 10.06.2013, 2 B 649/12
§ 3 Abs 2 BauGebO ND, § 66 Abs 3 BauO ND, § 75 Abs 3 BauO ND, § 80 Abs 1 Nr 2
BauO ND, § 11 Abs 1 VwKostG ND, § 10 S 2 VwVfG
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Höhe der vom Antragsgegner
festgesetzten Kosten für die Genehmigung der Errichtung einer
Freiflächenphotovoltaikanlage zur Erzeugung von Öko-Strom in der Gemarkung
D. am Harz mit einer Leistung von etwa 1,4 MWp, die im Geltungsbereich des
qualifizierten Bebauungsplanes Nr. 9 „Gewerbegebiet E. Straße - F.“ gelegen ist.
Der Entwurfsverfasser der Antragstellerin reichte hierfür erstmals am 29. Februar
2012 einen Bauantrag mit diversen Bauvorlagen ein. Nach deren Sichtung
forderte der Antragsgegner mit Schreiben vom 8. und 14. März 2012 zahlreiche
Unterlagen und Angaben zum Bauvorhaben nach und leitete gleichzeitig das
Verfahren zur Beteiligung diverser Träger öffentlicher Belange und der
betroffenen Gemeinde ein. Die mit Schreiben des Entwurfsverfassers vom 20.
März 2012 nachgereichten Unterlagen gaben dem Antragsgegner erneut
Anlass, mit Schreiben vom 23. März und 10. April 2012 weitere Vorlagen
nachzufordern und wegen der beabsichtigten Überschreitung der im
Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen und Durchbrechung der dort
festgesetzten Grünflächen einen entsprechenden Antrag auf Befreiung von
diesen Festsetzungen. Die diesbezüglich überarbeiteten und ergänzten
Bauvorlagen des Entwurfsverfassers gingen am 27. April 2012 beim
Antragsgegner ein, der diese zunächst nur zur Herstellung des gemeindlichen
Einvernehmens an die Samtgemeinde G. am Harz weiterleitete. Der
Verwaltungsausschuss der Gemeinde D. am Harz stimmte auf seiner Sitzung
am 15. Mai 2012 dem geänderten Bauvorhaben zu. Offenbar erst nach dem
Eingang dieses Votums beim Antragsgegner am 18. Mai 2012 setzte dieser am
22. Mai 2012 sein Verfahren zur Beteiligung weiterer Träger öffentlicher
Belange, insbesondere diverser Fachämter seiner Kreisverwaltung und der
Energieversorgungsträger, fort. Die untere Naturschutzbehörde des
Antragsgegners äußerte in der Folge erstmals unter dem 4. Juni 2012
Bedenken hinsichtlich des von der Antragstellerin am 27. April 2012 vorgelegten
Bepflanzungsplans, indem sie auf den Verlauf einer Gasleitung der Fa. EON
Avacon AG aufmerksam machte und eine Bestätigung dieses Gasversorgers
forderte, dass die Ausgleichsmaßnahmen wie beantragt durchgeführt werden
könnten. Schon zuvor hatte die Antragstellerin den Antragsgegner mit Email
vom 31. Mai 2012 wegen der vom Gesetzgeber zum 1. Juli 2012
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beschlossenen Absenkung der Vergütung für Ökostrom nach dem EEG und der
hiermit verbundenen Gefahr für die Finanzierung ihres Vorhabens auf die
Dringlichkeit der Erteilung der von ihr beantragten Baugenehmigung
aufmerksam gemacht. Mit Email vom 4. Juni 2012 vertiefte die Antragstellerin ihr
Vorbringen zu den Gefahren für das Projekt und beantragte zur Beschleunigung
des Verfahrens die Erteilung einer Teilbaugenehmigung zur Einbringung der
Gestellpfosten. Wegen ausstehender Stellungnahmen weiterer Träger
öffentlicher Belange lehnte der Antragsgegner in einem Telefonat vom 5. Juni
2012 dieses Begehren der Antragstellerin ab. Am 7. Juni 2012 ging beim
Antragsgegner per Email die Stellungnahme der Fa. EON Avacon AG ein, die
die untere Naturschutzbehörde des Antragsgegners unter dem 8. Juni 2012
veranlasste, nach telefonischer Erörterung mit der Antragstellerin, ihrem
Entwurfsverfasser und dem Gasversorger eine Abänderung der geplanten
Kompensationsmaßnahmen zu fordern, die später Eingang in die
Baugenehmigung fand.
Am 13. Juni 2012 sprach der Eigentümer der zu bebauenden Flächen, Herr H.
I., im Auftrag der Antragstellerin bei dem Abteilungsleiter der Bauaufsicht des
Antragsgegners, Herrn J., vor und wies diesen darauf hin, dass mit der
Baumaßnahme sofort begonnen werden müsse, um die Anlage noch rechtzeitig
vor dem 1. Juli 2012 in Betrieb nehmen zu können. Zwischen den Beteiligten ist
insoweit unstreitig, dass der Abteilungsleiter für die besondere Situation der
Antragstellerin Verständnis zeigte und auch keine Einwände gegen den
sofortigen Baubeginn erhob bzw. diesen - so die Antragstellerin - „erlaubte“.
Nach dem Vorbringen des Antragsgegners habe sein Abteilungsleiter darüber
hinaus den Eigentümer zusätzlich auf die gebührenrechtlichen Konsequenzen
eines Baubeginns ohne Baugenehmigung hingewiesen, welche dem
Eigentümer indes schon bekannt gewesen seien.
Unmittelbar nach diesem Gespräch errichtete die Antragstellerin auf einer
Fläche von rund 29.000 m² ein mit Aluminiumpfosten im Boden verankertes
Trägersystem der Herstellerfirma CWF, auf das sie insgesamt 5.942
Photovoltaikmodule und dazugehörige Wechselrichter montierte und diese mit
der Übergabestation des Stromnetzbetreibers verkabelte.
Nachdem im Anschluss an die Stellungnahme der Fa. Harz Energie Netz GmbH
vom 31. Mai 2012 eine vom Antragsgegner telefonisch angeforderte
ergänzende Stellungnahme dieses Stromnetzbetreibers zu den geplanten
Ausgleichsmaßnahmen bei ihm am 25. Juni 2012 eingegangen war, erließ er
unter dem 28. Juni 2012 die beantragte Baugenehmigung und setzte hierfür mit
Kostenbescheid vom selben Tage Gebühren und Auslagen i.H.v. 61.488,00 €
fest. Grundlage dieser Festsetzung war u.a. die Ermittlung der
Herstellungskosten der Antragstellerin vom 9. Mai 2012 i.H.v. 2.664.410,00 €
brutto, die ihr Entwurfsverfasser mit Telefax vom 22. Mai 2012 bestätigt hatte.
Die aus den Herstellungskosten gem. Ziffer 1.1.2 der Nds.
Baugebührenordnung (NBauGO) errechnete Gebühr für die Genehmigung der
Baumaßnahme i.H.v. 20.250,00 € verdreifachte der Antragsgegner gem. Ziffer
1.1.3 NBauGO im Hinblick auf die Errichtung der Photovoltaikanlage vor
Erteilung der Baugenehmigung.
Gegen den Kostenbescheid legte die Antragstellerin unter dem 13. Juli beim
Antragsgegner am 17. Juli 2012 Widerspruch ein und fügte diesem eine neue
Aufstellung der Kosten bei, die ihrer Auffassung nach als Rohbauwert einer
korrigierten Gebührenfestsetzung durch den Antragsgegner zugrunde zu legen
sei. Den Rohbauwert i.H.v. 609.000,00 € netto (im Laufe des Verfahrens auf
571.000,00 € bzw. 345.100,00 € netto beziffert) ermittelte sie, indem sie die
Positionen Projektrechte, Planung und Genehmigung, Projektierung und
Detailplanung, Wechselrichter, Photovoltaikmodule und Verkabelung aus den
von ihr zunächst ermittelten Herstellungskosten herausrechnete. Daraufhin bat
der Antragsgegner um Vorlage von Kostennachweisen (Rechnungen,
Lieferscheine etc.) für die Baumaßnahme, die Anlass für weiteren Schriftwechsel
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zwischen den Beteiligten boten. Unter anderem wandte sich die Antragstellerin
mit Schreiben ihres Entwurfsverfassers vom 28. September 2012 erstmals auch
gegen die Verdreifachung der Gebühr. Über den Widerspruch hat der
Antragsgegner bislang nicht entschieden. Den Antrag der Antragstellerin auf
Aussetzung der Vollziehung vom 9. November 2012 lehnte der Antragsgegner
mit Schreiben vom 12. November 2012 ab.
Daraufhin hat die Antragstellerin beim erkennenden Gericht am 20. Dezember
2012 den vorliegend streitgegenständlichen Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 13. Juli 2012 gegen den
Kostenbescheid des Antragsgegners vom 28. Juni 2012 gestellt. Zu dessen
Begründung verweist sie auf die Rechtswidrigkeit des angefochtenen
Kostenbescheides. Bei der Gebührenbemessung sei von den Rohbaukosten
auszugehen, die ihr Entwurfsverfasser zuletzt mit Schreiben vom 17. September
2012 auf 345.100,00 € beziffert habe. Nachweise für diese Kosten lägen dem
Antragsgegner vor. Anders als bei Windenergieanlagen sei bei
Freiflächenphotovoltaikanlagen der Rohbauwert bestimmbar und eine
Rohbauabnahme jederzeit möglich. Die PV-Module, Wechselrichter und die
Verkabelung gehörten nicht zu den konstruktiv wichtigen Teilen; die hierfür
angefallenen Kosten zählten deshalb nicht zum Rohbauwert. Diesen Befund
bestätige die bisherige Gebührenbemessungspraxis der Bauaufsichtsbehörden
in anderen Bundesländern, die ihrer Gebührenbemessung analog § 48 HOAI 55
% der Rohbaukosten zugrunde legten. Selbst wenn die Herstellungskosten als
Anknüpfungspunkt für die Gebührenbemessung heranzuziehen seien, ergebe
sich die Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Kostenbescheides daraus, dass
diese u.a. wegen des Preisverfalls auf dem Solarmarkt und wegen einer zu hoch
kalkulierten Anlagenleistung (1,8 MWp) tatsächlich geringer ausgefallen seien,
als in der Kostenaufstellung vom 9. Mai 2012 von ihrem Entwurfsverfasser
zunächst angegeben. Die darin ebenfalls aufgeführten Positionen
„Projektrechte“, „Planung und Genehmigung“ sowie „Projektierung und
Detailplanung“ gehörten nicht zum Herstellungswert i.S.d. § 3 Abs. 2 NBauGO.
Der tatsächliche Herstellungswert der Anlage betrage ausweislich der
Kostenaufstellung vom 14. Februar 2013 und den ihr beigefügten Rechnungen
1.668.000,00 € netto. Schließlich sei die Verdreifachung der Gebühr für die
Genehmigung der Baumaßnahme unrechtmäßig. Der Antragsgegner verhalte
sich widersprüchlich, indem er die vorzeitige Durchführung der Baumaßnahme
zum Anlass für eine Gebührenerhöhung nehme, obwohl er hierfür gegenüber
dem Eigentümer am 13. Juni 2012 einen mündlichen Dispens erteilt habe. Der
Antragsgegner habe in diesem Gespräch jedenfalls ein Vertrauen darin erweckt,
aus dem vorzeitigen Baubeginn folgten für sie - die Antragstellerin - keinerlei
Konsequenzen. Hinzu komme, dass der Antragsgegner das Verfahren zur
Erteilung der Baugenehmigung u.a. durch zahlreiche Nachforderungen von
Unterlagen vorwerfbar verzögert habe und deshalb die Verdreifachung der
Gebühr unbillig sei. Er habe zudem seine untere Naturschutzbehörde zu spät
beteiligt. Spätestens jedoch mit Eingang der Stellungnahme der Fa. EON
Avacon AG per Email am 7. Juni 2013 habe Genehmigungsreife vorgelegen.
Wäre die beantragte Baugenehmigung binnen weiterer 5 Arbeitstage erteilt
worden, wäre ein vorzeitiger Baubeginn nicht erfolgt, weil dann die Fertigstellung
der Anlage noch vor dem Stichtag 1. Juli 2012 möglich gewesen wäre. Sein
Ermessen habe der Antragsgegner im Hinblick auf einen Billigkeitserlass nicht
ausgeübt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 13. Juli 2012
gegen den Kostenbescheid des Antragsgegners vom 28. Juni 2012 in
der Gestalt des Ersetzungsbescheides vom 12. März 2013 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Die Bemessung der Gebühren sei nach den Vorgaben der NBauGO erfolgt. Der
Rohbauwert einer Freiflächenphotovoltaikanlage sei schwer bestimmbar,
deshalb sei gem. Ziffer 1.1.2 des Gebührenverzeichnisses an den
Herstellungswert anzuknüpfen. Zudem sei die bauliche Anlage der
Antragstellerin nicht in der Anlage 2 zur NBauGO gelistet. Eine der
Schlussabnahme vorangehende Rohbauabnahme i.S.d. § 80 Abs. 1 Nr. 2
NBauO könne bei dieser Art von baulichen Anlagen nicht erfolgen. Eine
Unterscheidung zwischen der Errichtung konstruktiv wichtiger Teile und
nachfolgendem Innenausbau sei hier nicht möglich. Zu den konstruktiv
wichtigen Teilen der Freiflächenphotovoltaikanlage zählten auch die PV-Module,
da deren Gewicht und die Art ihrer Befestigung auf den Traggestellen die
Anforderungen an die Standfestigkeit (z.B. Windlasten) bestimmten. Es mangele
deshalb an einem Rohbauwert, an dem die Gebührenbemessung anknüpfen
könne. Insoweit sei diese Art von baulichen Anlagen mit Windenergieanlagen
vergleichbar, für die die niedersächsische Verwaltungsgerichtsbarkeit bereits
entschieden habe, dass bei der Gebührenbemessung nach der NBauGO an
den Herstellungswert anzuknüpfen sei. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 NBauGO
zählten zu den Herstellungskosten alle bis zu einer Schlussabnahme fertig zu
stellenden Arbeiten und Lieferungen, somit auch „weiche“ Kosten für
Projektrechte, Planung und Genehmigung. Aus dem Gespräch mit dem
Grundstückseigentümer vom 13. Juni 2012 könne die Antragstellerin
gebührenrechtlich nichts herleiten; die mündliche Erteilung einer
Baugenehmigung sei gem. § 75 Abs. 3 NBauO 2003 nicht vorgesehen. Die
Anwendung der Ziffer 1.1.3 des Gebührenverzeichnisses stehe nicht in seinem
Ermessen. Eine von ihm zu vertretene Verzögerung des
Genehmigungsverfahrens sei nicht eingetreten. Frühestens mit Eingang der
Stellungnahme der Fa. Harz Energie GmbH zu den geplanten
Ausgleichsmaßnahmen am 25. Juni 2012 habe er die Genehmigungsfähigkeit
der Baumaßnahme abschließend prüfen können. Eine Gebührenreduzierung
aus Billigkeitsgründen komme weder im Hinblick auf die wirtschaftlichen
Verhältnisse der Antragstellerin noch wegen der Termingebundenheit der
Baumaßnahme im Hinblick auf die Reduzierung der Vergütungssätze nach dem
EEG in Betracht. Es fehle der Antragstellerin an der Erlassbedürftigkeit und
Erlasswürdigkeit, sodass es auf die fehlerfreie Ermessensausübung schon nicht
ankomme.
Der Antragsteller hat mit Kostenbescheid vom 12. März 2013 seinen bisherigen
Kostenbescheid vom 28. Juni 2012 „ersetzt“ und für die Bearbeitung des
Bauantrags der Antragstellerin nunmehr Kosten i.H.v. 49.398,00 € festgesetzt.
Dabei legte er der Bemessung der Genehmigungsgebühr gem. Ziffer 1.1.2 des
Gebührenverzeichnisses zur NBauGO den von der Antragstellerin unter dem
14. Februar 2013 genannten Herstellungswert von 1.668.000,00 € netto
zugrunde und addierte dazu weitere 140.000,00 € netto für die Positionen
„Projektrechte“ sowie „Planung und Genehmigung, Projektierung und
Detailplanung“. Für die bis dato noch nicht durchgeführten
Ausgleichsmaßnahmen zog er die hierfür in Ansatz gebrachten Kosten i.H.v.
22.000,00 € netto ab. Aus dem so ermittelten Herstellungswert von 2.125.340,00
€ errechnete er eine Gebühr für die Genehmigung der Baumaßnahme i.H.v.
16.153,00 €, die er wiederum gem. Ziffer 1.1.3 des Gebührenverzeichnisses
verdreifachte und mit den hier unstreitigen weiteren Kostenpositionen addierte.
Mit weiterem Bescheid vom 30. April 2013 hat der Antragsgegner seinen
Kostenbescheid vom 12. März 2013 um Ausführungen zu Billigkeitsmaßnahmen
gem. § 11 NVwKostG ergänzt, die er gegenüber der Antragstellerin ablehnt.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid vom 30. April
2013 (Bl. 189 ff. GA) verwiesen.
Der Berichterstatter hat am 18. April 2013 die Sach- und Rechtslage mit den
Beteiligten erörtert. Eine vergleichsweise Einigung der Beteiligten ist dabei nicht
zustande gekommen. Die Beteiligten sind jedoch darin einig gewesen, den
Kostenbescheid vom 12. März 2013 in das vorliegende Verfahren
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einzubeziehen. Die Antragstellerin hat daneben zu erkennen gegeben, diesen
Kostenbescheid zum neuen Gegenstand des beim Antragsgegner anhängigen
Widerspruchsverfahrens zu machen. Wegen der Einzelheiten des
Erörterungstermins wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift (Bl. 146 ff. GA)
verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten
des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der
Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des in der Hauptsache
am 17. Juli 2012 eingelegten Widerspruchs ist - nachdem die Antragstellerin den
gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erforderlichen Aussetzungsantrag mit
Schriftsatz vom 9. November 2012 bei dem Antragsgegner gestellt und dieser
den Antrag mit Schreiben vom 12. November 2012 abschlägig beschieden hat -
zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet.
Dies gilt auch in Ansehung der „Ersetzung“ des ursprünglich angefochtenen
Kostenbescheides vom 28. Juni 2012 durch den neuen Kostenbescheid vom
12. März 2013 in der Fassung der Ergänzung durch den weiteren Bescheid vom
30. April 2013. Denn die Beteiligten haben in entsprechender Anwendung des §
91 Abs. 1 VwGO (vgl. dazu Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 17. Aufl., §
91 Rn. 1 m.w.N.) den neuen Kostenbescheid vom 12. März 2013 in dem
Erörterungstermin vom 18. April 2013 einvernehmlich zum neuen Gegenstand
des Anordnungsbegehrens der Antragstellerin erklärt (vgl. Kopp/Schenke,
a.a.O., § 91 Rn. 12). Die Antragstellerin hat insoweit zu Beginn des Termins
auch hinreichend deutlich erkennen lassen, dass sie diesen zweiten
Kostenbescheid im Wege der Widerspruchsänderung analog § 91 Abs. 1 VwGO
in das beim Antragsgegner seit dem 17. Juli 2012 anhängige
Widerspruchsverfahren einbezogen wissen will und dieses nicht für erledigt
erklärt (dazu Bay. VGH, Urteil vom 12. Februar 1982 - 23 B 80 A.2332 -, NVwZ
1982, 615 (616)). Es kann deshalb dahinstehen, ob der Kostenbescheid vom
12. März 2013 nur als unselbständiger Zweitbescheid bzw. als schlichte
Teilabhilfe mit der prozessualen Folge zu qualifizieren ist, dass dieser Bescheid
schon automatisch Gegenstand des beim Antragsgegner anhängigen
Widerspruchsverfahrens wird, ohne dass es einer dahingehenden Erklärung der
Antragstellerin bedurfte (dazu Sächs. OVG, Beschluss vom 28. Mai 1998 - 1 S
149/08 -, NVwZ-RR 1999, 101 f.).
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen des Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 bis 3 die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs ganz oder
teilweise anordnen, wenn nach der für die behördliche
Aussetzungsentscheidung maßgebenden Regelung des § 80 Abs. 4 Satz 3
VwGO, deren Maßstäbe auch im gerichtlichen Verfahren nach § 80 Abs. 5
VwGO Anwendung finden (Nds. OVG, Beschluss vom 13. Januar 1989 - 9 M
1/89 -, NVwZ-RR 1989, 328; Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 146;
Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im
Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage, Rn. 980 m.w.N.), bei der Anforderung
von öffentlichen Abgaben und Kosten ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den
Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende
öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit eines Abgaben- oder Kostenbescheides bestehen, wenn die
Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes so gewichtig sind, dass
ein Obsiegen des Betroffenen im Widerspruchsverfahren wahrscheinlicher ist
als ein Unterliegen (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn. 829 m.w.N.).
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei
der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Wird der angefochtene
Verwaltungsakt bis zur gerichtlichen Entscheidung geändert, so hat das Gericht
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diese Änderung im Verfahren gem. § 80 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen
(Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn. 953 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die aufschiebende Wirkung
des Widerspruchs der Antragstellerin vom 13. Juli 2012 teilweise anzuordnen,
denn bei der im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen
summarischen Prüfung bestehen - auch unter Berücksichtigung der in das
vorliegende Verfahren eingeführten Bescheidergänzung vom 30. April 2013 -
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Kostenbescheids
des Antragsgegners vom 28. Juni 2012 in der Gestalt des
Ersetzungsbescheides vom 12. März 2013, sodass der in der Hauptsache
eingelegte Widerspruch der Antragstellerin aller Voraussicht nach teilweise
Erfolg haben wird.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes
(NVwKostG) in der Fassung vom 25. April 2007 (Nds. GVBl S. 172), zuletzt
geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S.
471), werden für Amtshandlungen im übertragenen Wirkungskreis der
Gebietskörperschaften und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts
nach diesem Gesetz Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wenn die
Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Die Höhe der
Gebühren für die einzelnen Amtshandlungen der kommunalen
Bauaufsichtsbehörden Niedersachsens regelt die nach § 3 Abs. 1 NVwKostG
und § 66 Abs. 3 NBauO in der Fassung vom 10. Februar 2003 (NBauO 2003)
von der obersten Bauaufsichtsbehörde erlassene Niedersächsische
Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen der
Bauaufsicht (Baugebührenordnung - NBauGO) in der hier anzuwendenden
Fassung vom 13. Januar 1998 (Nds. GVBl S. 3), zuletzt geändert durch
Verordnung vom 23. November 2010 (Nds. GVBl. S. 537). Der von der
Antragstellerin bemühte Vergleich zwischen der Gebührenbemessung für die
Genehmigung von Freiflächenphotovoltaikanlagen durch Bauaufsichtsbehörden
anderer Bundesländer einerseits und durch den Antragsgegner andererseits ist
daher von vorn herein nicht zielführend. Insbesondere lässt sich aus den von
der Antragstellerin vorgelegten Gebührenbescheiden der Stadt Köthen und des
Salzlandkreises nichts herleiten, weil beide auf dem Kostenrecht des Landes
Sachsen-Anhalt fußen, hier indes niedersächsisches Landesrecht anzuwenden
ist.
Gemäß § 1 Abs. 1 NBauGO sind für Amtshandlungen der
Bauaufsichtsbehörden Gebühren und Auslagen zu erheben. Die Höhe der
Gebühren ergibt sich aus dem Gebührenverzeichnis (Anlage 1) und den
Anlagen 2 bis 5. Die Gebühren sind auf volle Euro abzurunden. Nach § 3 Abs. 1
NBauGO ist der Rohbauwert für die in Anlage 2 genannten Gebäude nach
deren Brutto-Rauminhalt, vervielfacht mit dem jeweils angegebenen Rohbauwert
je Kubikmeter Brutto-Rauminhalts zu errechnen. Der Brutto-Rauminhalt für die in
Anlage 2 genannten Gebäude bestimmt sich nach Anlage 5.
Die von der Antragstellerin errichtete Freiflächenphotovoltaikanlage ist kein
Gebäude und deshalb in der Anlage 2 nicht gelistet. Neben dem Wortlaut der
Anlage 2 spricht auch die Systematik der Berechnungen des Brutto-Rauminhalts
nach Anlage 5 dagegen, dass für die bauliche Anlage der Antragstellerin ein
Rohbauwert nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 NBauGO ermittelt werden kann. Für
die Gebührenbemessung ist somit von vorn herein auf § 3 Abs. 2 NBauGO
abzustellen, was die Beteiligten auch nicht in Zweifel ziehen.
Gemäß § 3 Abs. 2 NBauGO ist für die nicht in Anlage 2 genannten Gebäude
und für sonstige bauliche Anlagen der Rohbauwert nach den Kosten zu
ermitteln, die im Zeitpunkt der Genehmigung für alle bis zu einer
Rohbauabnahme fertigzustellenden Arbeiten und Lieferungen entstehen
werden. Hierzu gehören insbesondere die Kosten für Erdarbeiten,
Abdichtungen, Dachdeckungsarbeiten, Klempnerarbeiten, Gerüste,
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Baugrubensicherungen, die Baustelleneinrichtung sowie die Kosten für Bauteile,
die nicht bis zu einer Rohbauabnahme fertigzustellen sind, für die jedoch ein
Standsicherheitsnachweis erforderlich ist. Bei Umbauten sind auch die Kosten
von Abbrucharbeiten zu berücksichtigen. Soweit die Gebühr nach dem
Herstellungswert zu berechnen ist, sind die Kosten zugrunde zu legen, die im
Zeitpunkt der Genehmigung für alle bis zu einer Schlussabnahme
fertigzustellenden Arbeiten und Lieferungen entstehen werden. Zu dem Rohbau-
und Herstellungswert gehört die auf die Kosten nach den Sätzen 1 bis 4
entfallende Umsatzsteuer. Gemäß § 3 Abs. 4 NBauGO sind der Rohbauwert
und der Herstellungswert jeweils auf volle 500 Euro aufzurunden.
Die Freiflächenphotovoltaikanlage ist eine sonstige bauliche Anlage i.S.d. § 3
Abs. 2 NBauGO. Ein Rohbauwert lässt sich bei ihr allerdings auch nach
Maßgabe des § 3 Abs. 2 Sätze 1 und 2 NBauGO nicht bestimmen, weil es an
einem Zeitpunkt fehlt, zu dem sinnvollerweise eine Rohbauabnahme i.S.d. § 80
Abs. 1 Nr. 2 NBauO 2003 (entspricht § 77 Abs. 1 Nr. 2 NBauO 2012) angeordnet
werden könnte. Dem Antragsgegner ist darin beizupflichten, dass sich die
Rechtslage in diesem Punkt nicht von der Bemessung der
Baugenehmigungsgebühr bei der Errichtung einer Windenergieanlage
unterscheidet. Für Windenergieanlagen ist durch das Nds. OVG (Urteil vom 28.
März 1994 - 6 L 4747/92 -, v.n.b.; ebenso VG Braunschweig, Urteil vom 9.
Oktober 2002 - 2 A 462/01 -, zit. nach juris Rn. 18) bereits geklärt, dass eine der
Schlussabnahme vorangehende Rohbauabnahme, bei der die konstruktiv
wichtigen Bauteile zu prüfen sind, bevor diese durch den Innenausbau und die
Putzarbeiten verdeckt werden, nicht möglich ist und es damit an einem
Rohbauwert mangelt, an dem die Gebührenbemessung anknüpfen könnte.
Ebenso verhält es sich bei der Errichtung einer Freiflächenphotovoltaikanlage.
Auch bei dieser baulichen Anlage kann nicht zwischen der Errichtung der
konstruktiv wichtigen Teile und dem nachfolgenden Innenausbau unterschieden
werden. Die Kammer folgt dem Antragsgegner in seiner Einschätzung, dass
insbesondere die PV-Module zu den konstruktiv wichtigen Teilen dieser
baulichen Anlage zählen, da deren Gewicht und die Art ihrer Befestigung auf
den Traggestellen die Anforderungen an die Standfestigkeit bestimmen.
Deshalb konnte sich der von der Antragstellerin beauftragte Prüfingenieur für
Baustatik auch nicht mit den generellen statischen Berechnungen der Fa. IBH
Tragwerksplanung GmBH im Auftrag der Herstellerfirma CWF PV-
Trägersysteme zufrieden geben. Aufgrund der besonders hohen Windlasten am
Standort der baulichen Anlage der Antragstellerin in Harzrandlage musste sie
ihrem Prüfingenieur darüber hinaus Zusatznachweise der Herstellerfirma über
durchgeführte Zugversuche und die Berechnung von Zuglasten vorlegen und
zur Gewährleistung der Standsicherheit in den Eckbereichen der letzten Reihen
des PV-Feldes weitere Zwischenpfosten im Boden verankern, um den Nachweis
der Standsicherheit zu führen. Die Module, aber auch die Wechselrichter und die
Verkabelung bestimmen insgesamt das äußere Erscheinungsbild der
Freiflächenphotovoltaikanlage und damit die bauplanungsrechtlichen und
bauordnungsrechtlichen Anforderungen an diese bauliche Anlage. Die Anlage
ist in ihrer Gesamtheit zu würdigen und deshalb nur einer Schlussabnahme
i.S.d. § 80 Abs. 1 Nr. 3 NBauO 2003 (entspricht § 77 Abs. 1 Nr. 3 NBauO 2012)
zugänglich. Die mangelnde Bestimmbarkeit des Rohbauwertes einer
Freiflächenphotovoltaikanlage hat zur Folge, dass zur Gebührenbemessung
deren Herstellungswert i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 4 NBauGO herangezogen werden
muss. Insoweit unterscheidet sich die niedersächsische Rechtslage, anders als
die Antragstellerin meint, auch nicht von der des Landes Sachsen-Anhalt. Für
Photovoltaikanlagen zur Flachdachmontage hat das VG Halle unter Hinweis auf
§ 6 Abs. 2 Satz 5 BauGVO ebenfalls entschieden, dass bei der Ermittlung der
anrechenbaren Bauwerte von den Kosten für die Herstellung der Anlage
auszugehen ist (Urteil vom 8. Mai 2012 - 2 A 72/11 -, REE 2012, S. 111 ff., zit.
nach juris Rn. 33).
Die Höhe der Gebühr für die der Antragstellerin erteilte Baugenehmigung hat der
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Antragsgegner - im Ausgangspunkt ebenfalls zutreffend - nach Ziffer 1.1.2 des
Gebührenverzeichnisses (Anlage 1) zur NBauGO bestimmt. Danach ist für die
Genehmigung von Baumaßnahmen oder baulichen Anlagen, ausgenommen
nach den Nrn. 1.3 bis 1.5, soweit der Rohbauwert schwer bzw. wie hier nicht
bestimmbar ist, für je angefangene 500 Euro des Herstellungswertes eine
Gebühr i.H.v. 3,80 Euro festzusetzen.
Nicht zu folgen vermag die Kammer dem Antragsgegner indes bei der
Bestimmung der Höhe des Herstellungswertes. Die dem Kostenbescheid vom
12. März 2013 zugrunde gelegten Herstellungskosten i.H.v. 2.125.340,00 Euro
sind um 166.600,00 Euro zu hoch angesetzt. Dabei handelt es sich um die
Kosten der Antragstellerin für den Erwerb der Projektrechte, die Planung und
Genehmigung des Bauvorhabens und die Projektierung und Detailplanung der
baulichen Anlage einschließlich Umsatzsteuer. Zu den Herstellungskosten
zählen nach § 3 Abs. 2 Satz 4 NBauGO jedoch nur die bis zu einer
Schlussabnahme fertigzustellenden Arbeiten und Lieferungen. Hiervon sind
schon begrifflich Dienstleistungen wie die Planung und Projektierung, aber auch
der Erwerb von Rechten für die bauliche Anlage zu unterscheiden, die
regelmäßig im Vorfeld der Genehmigung der Baumaßnahme erbracht werden
bzw. erfolgen, deren Kosten somit bis zum Zeitpunkt der
Genehmigungserteilung schon entstanden sind. Demgegenüber knüpfen
sowohl § 3 Abs. 2 Satz 1 NBauGO als auch § 3 Abs. 2 Satz 4 NBauGO für die
Wertbestimmung nur an die „im Zeitpunkt der Genehmigung“ bis zur
Rohbauabnahme bzw. Schlussabnahme (noch) fertigzustellenden Arbeiten und
Lieferungen an, wie die in beiden Sätzen übereinstimmend gewählte
Formulierung „entstehen werden“ verdeutlicht. Hätte der Verordnungsgeber
dagegen auch die Kosten für Dienstleistungen im Vorfeld der Genehmigung der
Baumaßnahme gebührenrechtlich in die Wertermittlung einbeziehen wollen,
hätte zudem deren beispielhafte Aufzählung in § 3 Abs. 2 Satz 2 NBauGO nahe
gelegen. Im Übrigen spricht auch die systematische Zusammenschau mit § 3
Abs. 1 NBauGO gegen die Auffassung des Antragsgegners. Bei der
Bemessung des Rohbauwertes nach dieser Vorschrift bleiben die Kosten für
Dienstleistungen im Vorfeld der Erteilung der Baugenehmigung ebenfalls außen
vor.
Beträgt danach der Herstellungswert lediglich 1.958.740,00 € (aufgerundet gem.
§ 3 Abs. 4 NBauGO: 1.959.000,00 €), errechnet sich hieraus die Gebühr gem.
Ziffer 1.1.2 des Gebührenverzeichnisses wie folgt: 1.959.000,00 € / 500 = 3.918
x 3,80 € = 14.888,40 €; dieser Betrag ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 4 NBauGO auf
14.888,00 € zu runden. Zusammen mit den im vorliegenden Verfahren
unstreitigen Positionen des Kostenbescheides vom 12.03.2013 (zusammen
939,00 €) ist im Ergebnis die Festsetzung von Kosten i.H.v. 15.827,00 €
rechtlich nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der darüber hinaus vom Antragsgegner auf insgesamt 49.398,00 €
festgesetzten Kosten bestehen ernstliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Kostenbescheids. Zwar ist dem Antragsgegner zuzugeben,
dass der Tatbestand der Ziffer 1.1.3 des Gebührenverzeichnisses zur NBauGO
vorliegend erfüllt ist. Die bauliche Anlage der Antragstellerin war zum Zeitpunkt
der Erteilung der Baugenehmigung am 28. Juni 2012 bereits fertiggestellt; sie ist
somit nachträglich genehmigt i.S.d. Ziffer 1.1.3. Etwas anderes lässt sich auch
nicht aus dem Umstand herleiten, dass der Antragsgegner in dem am 13. Juni
2012 geführten Gespräch des Grundstückseigentümers I. mit seinem Leiter der
Abteilung IV.2 der Kreisverwaltung (Bauaufsicht), Herrn J., nach der vorgelegten
Eidesstattlichen Versicherung Verständnis für die Situation der Antragstellerin
gezeigt und „die Erlaubnis“ erteilt habe, „sofort mit den Bauarbeiten zu
beginnen.“ Eine mündliche Erteilung der beantragten Baugenehmigung ist hierin
nicht zu erblicken; sie wäre jedenfalls ohne Rechtswirkungen. Gemäß § 75 Abs.
3 NBauO 2003 bedarf die Baugenehmigung der Schriftform, damit keine Zweifel
aufkommen können, was konkret genehmigt wurde. Mündliche Erklärungen von
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Bediensteten der Bauaufsicht können daher keine wirksame Baugenehmigung
darstellen (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, Niedersächsische
Bauordnung, Kommentar, 8. Aufl., § 75 Rn. 17). Aus der Erklärung des
Abteilungsleiters lässt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch
nicht die mündliche Zusage - für eine wirksame Zusicherung fehlt es ebenfalls
an der Schriftform gem. § 1 Abs. 1 NdsVwVfG i.V.m. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG -
herleiten, der vorzeitige Baubeginn habe keinerlei gebührenrechtliche
Konsequenzen. Es kann dahinstehen, ob der Abteilungsleiter des
Antragsgegners, wie von ihm im Erörterungstermin dargelegt, den
Grundstückseigentümer ausdrücklich auf die hierdurch eintretende
Gebührenerhöhung hingewiesen hat und ob dieser Umstand dem
Grundstückseigentümer aus einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren
bereits bekannt gewesen ist. Dem Entwurfsverfasser der Antragstellerin war die
drohende Verdreifachung der Genehmigungsgebühr bei einem vorzeitigen
Baubeginn offenbar von vorn herein bewusst. Er führt in seinem Schreiben an
den Antragsgegner vom 17. September 2012 zur Anwendung der Ziffer 1.1.3
des Gebührenverzeichnisses aus, die Bauarbeiten seien mit Einvernehmen des
Antragsgegners ohne Genehmigung ausgeführt worden. Die Bauvorlagen seien
nachträglich genehmigt worden, somit komme nach Tarifstelle 1.1.1 bzw. 1.1.2
BauGO die dreifache Gebühr zur Anrechnung. In dem Widerspruchsschreiben
der Antragstellerin vom 13. Juli 2012 wendet sich auch deren Geschäftsführer
nicht gegen die Verdreifachung der Gebühr; diese wird erstmals nach
Legitimation der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zum Verfahren im
November 2012 gerügt. Weder der Inhalt der Eidesstattlichen Versicherung des
Grundstückseigentümers noch die vorstehend beschriebenen Umstände lassen
daher erkennen, dass die vorgetragenen Tatsachen und Geschehensabläufe
bei der Antragstellerin vor Baubeginn ein schutzwürdiges Vertrauen darin
entstehen lassen konnten, der Antragsgegner werde die Genehmigungsgebühr
entgegen Ziffer 1.1.3 des Gebührenverzeichnisses nicht verdreifachen. Ein
widersprüchliches Verhalten des Antragsgegners ist insoweit nicht erkennbar,
denn aus der Erklärung seines Abteilungsleiters vom 13. Juni 2012 lässt sich bei
verständiger Würdigung aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers
lediglich schlussfolgern, der Antragsgegner werde bei einem vorzeitigen
Baubeginn dagegen nicht bauaufsichtlich einschreiten, etwa einen Baustopp
gem. § 89 NBauO 2003 verfügen. Schließlich begegnet die Verdreifachung der
Genehmigungsgebühr nach Ziffer 1.1.3 des Gebührenverzeichnisses zur
NBauGO auch keinen grundsätzlichen Zweifeln im Hinblick auf die Vereinbarkeit
mit höherrangigem Recht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2001 - 9
B 51/01 -, NVwZ 2002, 482; OVG NRW, Urteil vom 19. April 2001 - 9 A 411/99 -,
KStZ 2002, 155; OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 1997 - 9 A 292/97 -,
KStZ 1998, 217; allesamt zit. nach juris, zur Rechtslage in NRW).
Die Antragstellerin hat allerdings gem. § 11 Abs. 1 NVwKostG einen Anspruch
auf Erlass der Gebühren, die in Anwendung der Ziffer 1.1.3 des
Gebührenverzeichnisses zur NBauGO durch die nachträgliche Genehmigung
der baulichen Anlage zusätzlich entstanden sind. Nach § 11 Abs. 1 NVwKostG
sind Kosten zu erlassen, die dadurch entstanden sind, dass die Behörde die
Sache unrichtig behandelt hat. Im Sinne dieser Bestimmung unrichtig ist jedes
Verwaltungshandeln, das von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist (Beschluss
der Kammer vom 21. Dezember 2007 - 2 B 87/07 -, zit. nach juris Rn. 8;
Loeser/Barthel, Niedersächsisches Verwaltungskostengesetz, Loseblatt-
Kommentar, Stand: 6. Nachlfg. August 2010, § 11, Erl. 3.1. m.w.N.). Eine
unrichtige Sachbehandlung liegt danach u.a. vor, wenn die Behörde gegen
eindeutige gesetzliche Normen verstößt und dieser Verstoß für die Entstehung
der Kosten ursächlich gewesen ist. Darunter fallen nach Auffassung der
Kammer auch die Vorschriften zur Gestaltung des Verwaltungsverfahrens, etwa
§ 1 Abs. 1 NdsVwVfG i.V.m. § 10 Satz 2 VwVfG, die bestimmen, dass das
Verwaltungsverfahren einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen ist (vgl.
Loeser/Barthel, a.a.O., Erl. 3.1, Seite 3, Beispiel Nr. 1). In Ergänzung dieses
allgemeinen Beschleunigungsgebotes regelt § 73 NBauO 2003 (entspricht § 69
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NBauO 2012) die Behandlung eines Bauantrages; unter anderem werden vom
Gesetzgeber konkrete Fristen für einzelne Verfahrensschritte gesetzt. Zwar
regelt die NBauO darüber hinaus keine weiteren Details zur Durchführung eines
Baugenehmigungsverfahrens. Anhaltspunkte für eine sachgerechte
Verfahrensweise ergeben sich jedoch aus dem inzwischen außer Kraft
getretenen Runderlass des Niedersächsischen Sozialministeriums vom 21.
November 1989 - 305-242/4-2 -, Nds. MBl. 1989, S. 1280, mit dem Titel:
„Bauaufsicht, schnellere und kalkulierbare Baugenehmigungsverfahren“ (Große-
Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 73 Rn. 3). Dieser Runderlass
sieht u.a. vor, dass die Bauaufsichtsbehörde die Vorprüfung der
Bauantragsunterlagen auf Vollständigkeit und Brauchbarkeit innerhalb von zwei
Wochen nach Antragseingang abschließt und innerhalb dieser Frist fehlende
Unterlagen nachfordert bzw. zur Mängelbeseitigung auffordert (Ziffer 2.2 des
RdErl). Das Verfahren zur Beteiligung von Behörden und sonstigen Trägern
öffentlicher Belange ist unverzüglich nach dem Abschluss der Vorprüfung bzw.
nach dem Eingang nachgeforderter Unterlagen einzuleiten und die Behörden
bzw. sonstigen Stellen gleichzeitig zu beteiligen (sog. Sternverfahren, vgl. Ziffer
2.4 des RdErl).
Gegen diese Verpflichtung zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens
hat der Antragsteller zur Überzeugung der Kammer verstoßen. Zum einen lässt
sich hinsichtlich des vom Antragsgegner praktizierten Verfahrensablaufs nicht
nachvollziehen, warum er erst mit Schreiben vom 10. April 2012 einen
Begrünungsplan nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes und wegen
der beabsichtigten Überschreitung der im Bebauungsplan festgesetzten
Baugrenzen und Durchbrechung der dort festgesetzten Grünflächen einen
entsprechenden Antrag auf Befreiung von diesen Festsetzungen von der
Antragstellerin nachgefordert hat, zu dem die Beteiligung der unteren
Naturschutzbehörde erforderlich wurde. Es ist weder ein Grund dafür
vorgetragen noch ersichtlich, warum bei sorgfältiger Prüfung der
Bauantragsunterlagen der Antragstellerin diese Nachforderung nicht schon
unter dem 14. März 2012 hätte verfügt werden können. Selbst wenn zugunsten
des Antragsgegners davon auszugehen wäre, dass erst mit Eingang der
überarbeiteten Bauantragsunterlagen am 27. April 2012 ein prüffähiger
Bauantrag der Antragstellerin vorlag, lässt sich jedenfalls sachlich nicht
rechtfertigen, dass seine Bauaufsicht seine untere Naturschutzbehörde und die
Energieversorger EON Avacon AG und Harz Energie GmbH erstmals mit
Schreiben vom 22. Mai 2012 im Verfahren beteiligt hat. Diese verspätete
Beteiligung ist ursächlich dafür, dass sich die Energieversorger abschließend
erst mit Schreiben vom 7. Juni - EON Avacon AG - bzw. 20. Juni 2012 (Eingang
25. Juni 2012) - Harz Energie GmbH - dem Bauvorhaben zustimmend geäußert
haben. Die Kammer kann dem Antragsgegner nicht in seiner Einschätzung
folgen, die Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde und der
Energieversorger sei erst geboten gewesen, nachdem die Gemeinde D. am
Harz am 18. Mai 2012 ihr gemeindliches Einvernehmen erteilt gehabt habe. Die
Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens ist keine zwingende
Voraussetzung für die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens, da
die Bauaufsicht des Antragsgegners dieselbe in eigener Zuständigkeit zu prüfen
und ein ggf. rechtswidrig versagtes gemeindliches Einvernehmen im
Baugenehmigungsverfahren zu ersetzen hat, vgl. §§ 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB, 2
Nr. 1 DVO-BauGB. Das vom Antragsgegner daneben ins Feld geführte
Argument, unnötige Kosten vermeiden zu wollen, die durch eine ggf.
überflüssige Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde ausgelöst worden
wären, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die Antragstellerin von
Beginn des Genehmigungsverfahrens an deutlich zu erkennen gegeben hat,
dass sie eine Parallelbeteiligung weiterer Fachämter des Antragsgegners
wünscht. Sie ist namentlich der Empfehlung des Antragsgegners in der
Eingangsbestätigung gefolgt und hat zu diesem Zweck 6 Ausfertigungen der
Bauantragsunterlagen mit Schreiben vom 20. März 2012 nachgereicht. Bei
dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, der Antragstellerin sei es
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vorrangig um eine schrittweise, kostenoptimierte Bearbeitung ihres Bauantrages
gegangen. Der Verstoß des Antragsgegners gegen das Beschleunigungsgebot,
vorrangig durch die verspätete Beteiligung seiner unteren Naturschutzbehörde
und der Energieversorger war allein ursächlich dafür, dass die
Genehmigungsreife erst am 25. Juni 2012 eingetreten ist. Wäre die Beteiligung
dagegen spätestens ab dem 27. April 2012 erfolgt, steht unter Berücksichtigung
des hier zu prüfenden Verfahrensablaufs außer Zweifel, dass die
Genehmigungsreife schon zum Zeitpunkt des Gesprächs mit dem
Grundstückseigentümer am 13. Juni 2012 vorgelegen hätte. Wäre die
Baugenehmigung noch in der ersten Hälfte des Monats Juni 2012 erteilt worden,
so steht nach den glaubhaften Angaben der Antragstellerin zur Dauer des Baus
ebenfalls außer Zweifel, dass die Antragstellerin von einem vorzeitigen
Baubeginn abgesehen und damit die Verdreifachung der Gebühr nach Ziffer
1.1.3 des Gebührenverzeichnisses zur NBauGO vermieden hätte.
Nach alledem spricht bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung Überwiegendes dafür, dass
der Widerspruch der Antragstellerin vom 13. Juli 2012 Erfolg haben wird, soweit
der Antragsgegner gegen sie Kosten festgesetzt hat, die über den Betrag von
15.827,00 € hinausgehen.
Es ist im Hinblick auf den Betrag von 15.827,00 € von der Antragstellerin indes
nicht dargetan noch ersichtlich, dass die Vollziehung dieser reduzierten
Gebührenforderung für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche
Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die von ihrem Geschäftsführer in der
Eidesstattlichen Versicherung vom 18. Dezember 2012 geltend gemachten,
durch die sofortige Begleichung der hohen Gebührenforderung des
Antragsgegners ggf. eintretenden finanziellen Engpässe reichen für die
Annahme einer unbilligen Härte nicht aus (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 3.
Juni 2004 - 2 S 18.04 -, NVwZ-RR 2005, 304, zit. nach juris Rn. 16), sodass der
weitergehende Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung ihres Widerspruchs abzulehnen war.
Die Anordnung der Sicherheitsleistung erfolgt nach pflichtgemäßer
Ermessensausübung durch die Kammer in entsprechender Anwendung des §
80 Abs. 5 Satz 4 VwGO (vgl. dazu Nds. OVG, Beschluss vom 20. Februar 1996
- 9 M 7867/95 -, NVwZ-RR 1997, S. 79 f., zit. nach juris Rn. 3;
Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn. 1008 m.w.N.) im Hinblick darauf,
dass sich eine abschließende Entscheidung in der Hauptsache unter
Umständen über einige Jahre hinziehen und es im Interesse der Allgemeinheit
an der Beschaffung der Mittel zur Finanzierung des Allgemeinwesens nicht
hingenommen werden kann, für diese Zeitdauer das Insolvenz- und Ausfallrisiko
der Antragstellerin dem Antragsgegner aufzubürden. Die Antragstellerin hat im
vorliegenden Verfahren u.a. an Eides statt versichert, schon durch die Zahlung
der zunächst i.H.v. 61.488,00 € festgesetzten Kosten einen erheblichen
finanziellen Engpass zu erleiden. Da derzeit nicht absehbar ist, ob die
Antragstellerin auch nach Eintritt der Bestandskraft des angefochtenen
Kostenbescheids über die finanziellen Mittel zur Erfüllung ihrer Zahlungspflicht
aus diesem Verwaltungsakt verfügt, erscheint die Beibringung einer
Bankbürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts
unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage sachgerecht und zumutbar, die
bei dem Antragsgegner zu hinterlegen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und
berücksichtigt, dass die Antragstellerin zu 55 % obsiegt hat (49.398,00 € -
15.827,00 € = 33.571,00 € => entspricht 55/100 von 61.488,00 €). Hinsichtlich
der Reduzierung der festgesetzten Verwaltungskosten von ursprünglich
61.488,00 € auf 49.398,00 € hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil
sie konkrete Nachweise über die Höhe der Herstellungskosten erst im
vorliegenden einstweiligen Rechtschutzverfahren beigebracht hat, sodass der
Antragsgegner gehalten war, seinen Kostenbescheid entsprechend
34
anzupassen, vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 NBauGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m.
Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der
Fassung vom 7./8. Juli 2004 (abgedruckt bei Kopp/Schenke, a.a.O., Anh § 164
Rn. 14). Danach ist 1/4 von 61.488,00 € als Streitwert in Ansatz zu bringen.