Urteil des VG Gießen vom 03.03.2009
VG Gießen: behörde, reisekosten, meinung, verkehrsmittel, genehmigung, beteiligter, bad, entschädigung, dokumentation, dienstwagen
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Gericht:
VG Gießen 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 O 74/09.GI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 JVEG, § 162
Abs 1 VwGO, § 91 Abs 1 S 2
ZPO, § 6 RKG HE
(Notwendige Kosten; behördlicher Terminsvertreter;
Wegstreckenentschädigung)
Leitsatz
Hat eine Behörde ihrem Bediensteten als Terminsvertreter bei Gericht nach den
beamtenrechtlichen Vorschriften eine Wegstreckenentschädigung für die Benutzung
seines privaten PKWs zu gewähren, ist diese als notwendiger Aufwand im Sinne des §
162 Abs. 1 VwGO erstattungsfähig und nicht der sich aus § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG
ergebende Betrag.
Tenor
Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom
27.11.2008 (Az.: 6 K 53/08.GI) wird dahingehend abgeändert, dass von dem
Erinnerungsgegner an Kosten 130,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.10.2008 an den Erinnerungsführer
zu erstatten sind.
Die Kosten des Verfahrens hat der Erinnerungsgegner zu tragen. Gerichtskosten
werden nicht erhoben.
Gründe
Der am 10.12.2008 bei Gericht eingegangene Antrag des Erinnerungsführers auf
Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist als Erinnerung gemäß den §§ 165, 151
VwGO gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom
27.11.2008, mit dem gemäß § 164 VwGO die von dem Erinnerungsgegner an den
Erinnerungsführer in dem Verfahren 6 K 53/08.GI zu erstattenden Kosten auf 88,32
Euro statt auf 130,60 Euro festgesetzt worden sind, zulässig und begründet. In
dem angegriffenen Beschluss ist für die Fahrten des Terminsvertreters des
Erinnerungsführers zu dem erkennenden Gericht sowie zu dem Hessischen
Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu Unrecht lediglich eine
Wegstreckenentschädigung in Höhe von 0,16 Euro je Kilometer anstelle der
beantragten 0,30 Euro je Kilometer als notwendige Aufwendung zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO
festgesetzt worden.
Benutzt der Vertreter einer Behörde für die Fahrt zur mündlichen Verhandlung
einen Dienstwagen seiner Behörde, ist gemäß den §§ 162 Abs. 1, 173 VwGO i. V.
m. § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO und § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG ein Betrag von 0,25
Euro je gefahrenen Kilometer als Reisekosten erstattungsfähig (allgemeine
Meinung, siehe etwa BVerwG, Beschluss vom 06.12.1983, Az.: 4 A 1/78, Juris zur
Rechtslage nach dem ZSEG sowie VG Sigmaringen, Beschluss vom 17.07.2008,
Az.: 1 K 971/08, Juris; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 162 Rn. 19 und
Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2005, § 162 Rn. 51 zur aktuellen Rechtslage).
Demgegenüber sind, soweit eine Behörde ihrem Bediensteten als
Terminsvertreter nach den einschlägigen Beamtengesetzen Reisekosten zu
gewähren hat, diese Reisekosten notwendige Kosten im Sinne des § 162 Abs. 1
VwGO (herrschende Meinung, siehe Hess. VGH, Beschluss vom 25.01.1989, RdL
1989, 139; Bay. VGH, Beschluss vom 05.10.1982, BayVBl. 1983, 56; VG
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1989, 139; Bay. VGH, Beschluss vom 05.10.1982, BayVBl. 1983, 56; VG
Sigmaringen, Beschluss vom 11.03.2004, Az.: 4 K 2526/98, Juris; Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, a. a. O.; Sodan/Ziekow, a. a. O.; Posser/ Wolff, VwGO, 2008, §
162 Rn. 62.3; Fehling/Kaster/Wahrendorf, VwVfG/VwGO, 2006, § 162 VwGO Rn. 13;
anderer - generell das "ZSEG" anwendender - Ansicht VGH Bad.-Württ. Beschluss
vom 03.07.1990, Az.: 8 S 2212/87, Juris; Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 162
Rn. 6; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 162 Rn. 5 und wohl auch VG
Kassel, Beschluss vom 02.08.2001, Az.: 6 J 1763/01, Juris, sowie VG Chemnitz,
Beschluss vom 23.11.2000, Az.: 1 K 2445/96, Juris [L]). Für diesen Fall ist - ebenso
wie für die Entschädigung von Behörden für Zeitversäumnis durch die
Wahrnehmung von Gerichtsterminen (siehe dazu BVerwG, Beschlüsse vom
29.12.2004, NVwZ 2005, 466 und vom 12.12.1988, Rpfleger 1989, 255; Hess.
VGH, Beschluss vom 28.02.1986, Gemeindehaushalt 1987, 95) - die
entsprechende Anwendung des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes
einzuschränken. Denn aufgrund der beamtenrechtlichen Bestimmungen besteht
hier keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke. Zwar gilt das Reisekostenrecht
nur im Verhältnis zwischen dem Bediensteten und der Behörde, es entstehen
jedoch Reisekosten in der durch dieses Recht bestimmten Höhe. Sie sind damit
notwendige Reisekosten, da nicht der Bedienstete selbst, sondern die Behörde
Kostengläubiger ist (so ausdrücklich Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a. a. O.).
Dem folgend richtet sich vorliegend die Höhe der dem Erinnerungsführer von dem
Erinnerungsgegner zu erstattenden Fahrtkosten für die Terminswahrnehmung bei
Gericht nach der Höhe der dem Terminsvertreter von dem Erinnerungsführer für
die Benutzung des privaten Kraftfahrzeugs gemäß den §§ 6, 1 Abs. 1 HRKG i. V. m.
§ 1 Abs. 1 HBG zu gewährenden Wegstreckenentschädigung (vgl. dazu auch die
bisherige Rechtsprechung der mit der Frage befassten Kammern des erkennenden
Gerichts, etwa Beschlüsse vom 12.09.2008, Az.:6 O 1874/08.GI und Az.: 9 O
1998/08.GI und vom 16.02.2009, Az.: 7 O 4324/08.GI).
Gemäß § 6 Abs. 1 HRKG in der hier maßgeblichen Fassung erhalten Beamte bei
Dienstreisen eine Wegstreckenentschädigung von 0,30 Euro je Kilometer, wenn
beim Vorliegen triftiger Gründe die Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges
genehmigt worden ist. Liegen keine triftigen Gründe für die Benutzung eines
privaten Kraftfahrzeuges vor, wird gemäß § 6 Abs. 2 HRKG lediglich eine
Wegstreckenentschädigung von 0,16 Euro je Kilometer gewährt. Ferner wird
gemäß § 6 Abs. 7 HRKG keine Wegstreckenentschädigung gewährt, wenn ein
"landeseigenes" Beförderungsmittel benutzt wurde oder hätte benutzt werden
können und dienstliche oder in besonderen Ausnahmefällen zwingende
persönliche Gründe nicht entgegengestanden haben. Triftige Gründe, die Anlass
für die Genehmigung der Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs des Beamten und
für die Gewährung der Wegstreckenentschädigung nach § 6 Abs. 1 HRKG sein
können, liegen gemäß der zum Zeitpunkt der hier streitigen Fahrten gültigen
Verwaltungsvorschriften zum Hessischen Reisekostengesetz vom 28.09.1998
(StAnz 1998, 3131) i. V. m. den Hinweisen des Hessischen Ministeriums des Innern
und für Sport vom 06.04.2006 zur Neuregelung der Wegstreckenentschädigung
nach § 6 HRKG (StAnz 2006, 942) unter anderem vor, wenn durch die Benutzung
des Kraftfahrzeuges eine erhebliche Zeitersparnis im Vergleich zur Benutzung
öffentlicher Verkehrsmittel eintritt. Diese Verwaltungsvorschrift gilt
uneingeschränkt auch für den Erinnerungsführer als Gemeindeverband (siehe
dazu Nitze, Hessisches Reise- und Umzugskostenrecht, 5. Aufl. 2006, § 1 HRKG
Rn. 14).
Die vorgenannten Voraussetzungen für die Gewährung der
Wegstreckenentschädigung von 0,30 Euro je Kilometer sind hier entgegen dem
Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 27.11.2008 gegeben.
Zwar stellt der Umstand, dass unstreitig kein Dienstfahrzeug für die Fahrten nach
Gießen und nach Kassel zur Verfügung stand, allein keinen triftigen Grund für die
Genehmigung der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges dar. Es ist aber
gerichtsbekannt, dass durch die Benutzung eines Kraftfahrzeuges für die Fahrten
von der Dienststelle des Terminsvertreters des Erinnerungsführers in Wetzlar zu
dem erkennenden Gericht bzw. zu dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel
gegenüber der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel eine erhebliche
Zeitersparnis zu erzielen ist. Dies beruht sowohl auf einer kürzeren reinen Fahrzeit
als auch auf der Möglichkeit, den Zeitpunkt des Fahrtantritts dem jeweiligen
Gerichtstermin anzupassen.
Schließlich ist hervorzuheben, dass die Anforderungen an die Darlegung der
triftigen Gründe für die Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs nicht überspannt
werden dürfen. Denn bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten
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werden dürfen. Denn bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten
Rechtsverteidigungs- oder Rechtsverfolgungsmaßnahme ist eine typisierende
Betrachtungsweise geboten, da der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig
differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, in keinem Verhältnis zu
den sich einstellenden Nachteilen steht, die entstehen, wenn in nahezu jedem
Einzelfall darüber gestritten werden könnte, ob die Kosten einer bestimmten
Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder
nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13.09.2005, NJW-RR 2005, 1662 und 12.02.2002,
NJW 2003, 901). Dies gilt vorliegend umso mehr, als dem Erinnerungsführer bei
Benutzung eines Dienstkraftwagens durch den Terminsvertreter - wie oben
dargelegt - nicht lediglich 0,16 Euro je Kilometer, sondern 0,25 Euro je Kilometer zu
erstatten wären.
Die Kosten des Verfahrens hat der Erinnerungsgegner gemäß § 154 Abs. 1 VwGO
als unterliegender Beteiligter zu tragen.
Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus dem Fehlen eines Gebührentatbestands für ein
Verfahren der vorliegenden Art im Kostenverzeichnis der Anlage 1 zum
Gerichtskostengesetz.
Der Beschluss ist gemäß § 146 Abs. 3 VwGO unanfechtbar, da der Wert des
Beschwerdegegenstandes mit 44,72 Euro die Grenze von 200 Euro nicht
übersteigt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.