Urteil des VG Gießen vom 25.03.2011

VG Gießen: aufschiebende wirkung, lärm, stadt, gemeinde, vollziehung, windkraftanlage, privates interesse, finanzielles interesse, öffentliches interesse, überwiegendes interesse

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Gericht:
VG Gießen 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 L 50/11.GI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 1 BauGB, § 15
BImSchG, Art 28 Abs 2 GG, §
12 PlanG HE 2002, TA-LÄRM
Windkraftanlage
Leitsatz
1. Eine Gemeinde, die sich gegen die Genehmigung von Windkraftanlagen wendet, kann
sich hinsichtlich Lärmimmissionen nicht mit Erfolg auf ihre Planungshoheit berufen,
wenn der Lärm der Anlagen in keiner ihrer geplanten Baugebiete 40 dB(A) erreicht.
2. Eine erdrückende und bedrängende Wirkung einer Windkraftanlage ist in der Regel
nicht gegeben, wenn der Abstand der Anlage zur Wohnbebauung das Dreifache der
Gesamthöhe (Nabenhöhe plus 1/2 Rotordurchmesser) beträgt (im Anschluss an OVG
NW, U. v. 09.08.2006 - 8 A 3726/05 -, DVBL 2006, 1532 ff.).
3. Raumordnungsrechtliche Vorschriften begründen keine subjektiv-öffentlichen Rechte
der Gemeinde.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Vollzug einer durch den Antragsgegner
erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, die es der Beigeladenen
erlaubt, drei Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben.
Mit Bescheid vom 31.05.2010 erhielt die Beigeladene vom Antragsgegner die
Genehmigung, auf den Grundstücken in D-Stadt, Gemarkung E-Stadt, Flur 7,
Flurstücke 48/1 und 44 sowie Flur 8, Flurstück 17, drei Windkraftanlagen vom Typ
Nordex S 77 mit Stahlrohrturm und einer Spitzenhöhe von 138,5 m (Nabenhöhe
100 m und Rotordurchmesser 77 m) sowie einer Nennleistung von jeweils 1,5 MW
zu errichten und zu betreiben. Wegen des näheren Inhalts der Genehmigung wird
auf den Bescheid Bezug genommen (Bl. 40 bis 65 d. GA). Die Standorte der
Windkraftanlagen liegen in unmittelbarer Nachbarschaft zu der südwestlich hiervon
verlaufenden Gemarkungsgrenze der Antragstellerin.
Die Antragstellerin erhob am 05.07.2010 Klage gegen die
immissionsschutzrechtliche Anlagengenehmigung (VG Gießen, Az.: 8 K
1933/10.GI).
Mit Anzeige vom 05.08.2010 teilte die Beigeladene dem Antragsgegner mit,
anstelle des genehmigten Anlagentyps Nordex S 77 nunmehr Windkraftanlagen
vom Typ Vestas V-90 mit einer Nabenhöhe von 95 m und einer Gesamthöhe von
140 m aufstellen zu wollen. Durch Bescheid vom 28.09.2010 traf der
Antragsgegner hierauf die Entscheidung, dass die Durchführung eines
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens im Hinblick auf diese
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immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens im Hinblick auf diese
Änderung nicht erforderlich sei (Freistellungserklärung). Wegen der Einzelheiten
wird auf den Bescheid Bezug genommen (Bl. 66 f. d. GA). Hiergegen erhob die
Antragstellerin am 25.10.2010 Klage vor dem beschließenden Gericht (Az.: 8 K
5273/10.GI).
Auf den Antrag der Beigeladenen vom 05.08. und 15.11.2010 hin ordnete der
Antragsgegner unter dem Datum des 10.12.2010 die sofortige Vollziehung der mit
Bescheid vom 31.05.2010 erteilten Genehmigung sowie der mit Bescheid vom
28.09.2010 ergangenen Freistellungserklärung an. Wegen der Einzelheiten hierzu
wird auf den Inhalt der Anordnung verwiesen (Bl. 34 bis 39 d. GA).
Die Antragstellerin hat am 13.01.2011 um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz
nachgesucht. Sie ist der Auffassung, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei
formell und materiell rechtswidrig, weil ihr, der Antragstellerin, Suspensivinteresse
das öffentliche Vollzugsinteresse und das private Vollzugsinteresse der
Beigeladenen überwiege.
Die formelle Rechtswidrigkeit der Anordnung ergebe sich aus deren
unzureichenden Begründung. Diese sei bloß formelhaft und nicht auf den Einzelfall
bezogen und erfasse sowie würdige ihre, der Antragstellerin, Interessen nicht
zutreffend.
Der von ihr in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf biete umfassend Aussicht
auf Erfolg. Die der Beigeladenen erteilte Genehmigung wie auch die
Freistellungserklärung seien rechtswidrig und verletzten sie, die Antragstellerin, in
subjektiven Rechten. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners seien die
Genehmigungsvoraussetzungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, auch
unter Berücksichtigung der im Genehmigungsbescheid aufgeführten
Nebenbestimmungen, nicht erfüllt. Das genehmigte Vorhaben widerspreche
vielmehr den gesetzlichen Anforderungen zur Vermeidung schädlicher
Umwelteinwirkungen sowie erheblicher Nachteile und Belästigungen für die
Allgemeinheit und die Nachbarschaft. Zudem stünden dem Vorhaben öffentliche
Belange entgegen.
Hierzu verweist die Antragstellerin auf ihre Ausführungen zur Klagebegründung in
dem Verfahren mit dem Az. 8 K 1933/10.GI.
Dort trägt sie vor, die Genehmigung verletze sie in ihrer kommunalen
Planungshoheit, weil das Vorhaben aufgrund der mit ihm verbundenen schädlichen
Umwelteinwirkungen hinreichend bestimmte Planungen nachhaltig störe und
zugleich wesentliche Teile ihres Gemeindegebietes einer durchsetzbaren Planung
entziehe. Das Vorhaben führe zu einer nachhaltigen Störung ihrer Planungen zur
Ausweisung neuer Wohnbaugebiete. Dies folge aus den mit den genehmigten
Windkraftanlagen verbundenen schädlichen Umwelteinwirkungen, insbesondere in
Gestalt von Lärmimmissionen sowie der optisch bedrängenden Wirkung, die mit
den genehmigten Anlagen einhergehe. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens
wird auf die Ausführungen in der Klagebegründung Bezug genommen (Bl. 75 bis
108 d. GA im Verfahren mit dem Az. 8 K 1933/10.GI).
Hinsichtlich einer Verletzung des gemeindlichen Selbstgestaltungsrechts führt die
Antragstellerin aus, bei einer Realisierung des Vorhabens wäre ihre städtebauliche
Struktur von Grund auf verändert, indem das Vorhaben eine die übrigen Bebauung
dominierende Wirkung einnehme. Die bisherige Harmonie der Ortsbilder werde auf
Dauer zerstört werden (a.a.O., Bl. 109 f.).
Die Antragstellerin ist des Weiteren der Ansicht, das Genehmigungsverfahren
weise eine Reihe von Verfahrensfehlern auf, wodurch es zu einer Verletzung ihrer
subjektiven Rechte komme. Im Einzelnen rügt die Antragstellerin eine fehlende
Gesamtlärmbetrachtung (a.a.O., Bl. 111 bis 114), eine Fehlerhaftigkeit der
Schallimmissionsprognosen (a.a.O., Bl. 114 f.), eine fehlerhafte Festsetzung von
Regelungen zum Schutz vor unzulässigen Lärmimmissionen (a.a.O., Bl. 115 f.),
unzureichende Auflagen zur Typenprüfung (a.a.O., Bl. 116 f.), die Nichteinhaltung
von Mindestabständen (a.a.O., Bl. 117 bis 123) sowie eine fehlende
landesplanerische Beurteilung (a.a.O., Bl. 123 bis 127). Die Antragstellerin ist
insoweit der Auffassung, bei Einhaltung des Verfahrens hätte eine Genehmigung
nicht erteilt werden dürfen und eine Rechtsverletzung wäre nicht eingetreten.
Ergänzend führt die Antragstellerin aus, bereits ihr Interesse an der Bewahrung der
in der Bauleitplanung zum Ausdruck gekommenen städtebaulichen Ordnung vor
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in der Bauleitplanung zum Ausdruck gekommenen städtebaulichen Ordnung vor
nachhaltigen Störungen sei ein schutzwürdiger kommunaler Belang. Die Annahme
des Antragsgegners, im Hinblick auf die Anlagenänderung sei ein
Genehmigungsverfahren nicht durchzuführen, treffe nicht zu. Es sei offen, ob
durch den Wechsel vom Typ Nordex S 77 auf den Typ Vestas V 90 die
immissionsschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten würden. Die im Rahmen
des Anzeigeverfahrens vorgelegte Schattenwurfprognose vom 30.07.2010 komme
zu einem nicht nachvollziehbaren Ergebnis, indem sie unterstelle, dass trotz eines
nunmehr zum Einsatz kommenden größeren Rotordurchmessers von einer
Verringerung der Schattenwurfereignisse auszugehen sei. Auch die überarbeitete
Schallimmissionsprognose komme zu einem nicht nachvollziehbaren Ergebnis.
Trotz eines nunmehr jeweils höheren Schallleistungspegels der Anlage, sei nach
dieser Prognose von einer Verringerung der Schallimmissionen auszugehen.
Zweifel bestünden insoweit auch an dem den Berechnungen zugrunde gelegten
Schallleistungspegel (Bl. 20 f. d. GA). Schließlich sei in diesem Zusammenhang
auch die Ungeeignetheit der gewählten Immissionspunkte A und B zu rügen. Diese
seien bewusst in einer Entfernung ausgewählt worden, um die von den
Windkraftanlagen ausgehenden Lärmimmissionen als möglichst gering darstellen
zu können.
Ferner sei das Vorhaben im bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Sinn auch
nicht ordnungsgemäß erschlossen. Hierauf könne sie, die Antragstellerin, sich
auch zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes berufen. Die vorhandenen Feld- und
Wiesenwege besäßen nicht die erforderliche Breite und Befestigung, damit
schwere Baufahrzeuge wie auch Wartungs- und Rettungsfahrzeuge die
Aufstellstandorte erreichen könnten. Die Beigeladene benötige für die Realisierung
und den Betrieb ihres Vorhabens Wege mit einer Breite von mindestens 3,50 m
bzw. 4 m. Um Wege dieser Breite herstellen zu können, benötige die Beigeladene
die Zustimmung betroffener privater Grundstückseigentümer. Da es
Grundstückseigentümer gebe, die sich weigerten, die zur Verbreiterung und zur
Befestigung erforderlichen Grundstücksflächen zur Verfügung zu stellen, sei eine
dauerhafte wegemäßige Erschließung nicht gesichert.
Die vom Antragsgegner bei Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit getroffene
Interessenabwägung sei zu beanstanden. Der Antragsgegner habe den
vermeintlich für den Sofortvollzug sprechenden privaten und öffentlichen
Interessen ein Gewicht beigemessen, das diesen nicht zukomme. Zwar möge ein
öffentliches Interesse für die Förderung alternativer Energie bestehen. Ein
Interesse an der sofortigen Vollziehung lasse sich hieraus aber nicht ableiten. Auch
seien wirtschaftliche Interessen der Beigeladenen an einer alsbaldigen Realisierung
des Vorhabens nicht geeignet, vorliegend ein überwiegendes privates Interesse an
der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu begründen. Ein bloßes finanzielles
Interesse rechtfertige kein Abweichen vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall, dass
ein Rechtsmittel aufschiebende Wirkung entfalte. Im Hinblick auf das von ihr, der
Antragstellerin, geltend gemachte Aufschubinteresse sei hingegen zu
berücksichtigen, dass die Chancen auf eine Beseitigung der Anlagen im Falle eines
späteren Obsiegens im Hauptsacheverfahren nur sehr gering seien. Diese
nachteiligen Vollzugsfolgen seien vom Antragsgegner nicht hinreichend
berücksichtigt worden.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 05.07.2010 (Az.: 8 K 1933/10.GI)
gegen den Genehmigungsbescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom
31.05.2010 und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 25.10.2010 (Az.: 8 K
5273/10.GI) gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom
28.09.2010 wiederherzustellen sowie bis zur Entscheidung über den Eilantrag
einen Baustopp zu verfügen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung und der
Freistellungsentscheidung liege sowohl im öffentlichen wie auch im überwiegenden
Interesse der Beigeladenen. Die Interessen der Antragstellerin seien diesen
nachgeordnet.
Der Genehmigungsbescheid sei rechtmäßig und verletze die Antragstellerin nicht
in ihren Rechten. Diese werde durch das Vorhaben weder in ihrer Planungshoheit
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in ihren Rechten. Diese werde durch das Vorhaben weder in ihrer Planungshoheit
noch in ihrem Selbstgestaltungsrecht verletzt. So sei bereits nicht ersichtlich, wie
Regelungen oder unterbliebene Regelungen zur Typenprüfung eine Verletzung der
Antragstellerin in eigenen Rechten verursachen könnten. Abwehrrechte der
Antragstellerin seien des Weiteren nicht gegeben, soweit diese sich auf den Schutz
vor Schallimmissionen der Windkraftanlagen berufe. Entsprechendes gelte für
behauptete Beeinträchtigungen durch Schattenwurf. Hinsichtlich der von der
Antragstellerin vorgetragenen optisch bedrängenden Wirkung der
Windkraftanlagen sei eine subjektive Rechtsverletzung ebenso wenig erkennbar wie
aus dem Vortrag der Antragstellerin zum Fehlen einer landesplanerischen
Beurteilung und zum Vorliegen von Verfahrensfehlern.
Die Genehmigung verstoße nicht gegen der Antragstellerin drittschutzgewährende
Vorschriften des öffentlichen Rechts. Das genehmigte Vorhaben störe weder eine
hinreichend bestimmte Planung der Antragstellerin noch entziehe es wesentliche
Teile ihres Gemeindegebietes einer durchsetzbaren Planung. Die von der
Gemeindevertretung der Antragstellerin gefassten Beschlüsse zur Aufstellung von
Bebauungsplänen für reine Wohngebiete (OW/9, OW/8 und NW/20) belegten noch
keine hinreichend bestimmte, konkrete und verfestigte Planung. Über die
gefassten Aufstellungsbeschlüsse hinaus habe die Antragstellerin keine weiteren
konkretisierenden Planungsschritte durchgeführt. Selbst wenn die benannten
Baugebiete bereits als reine Wohngebiete ausgewiesen wären, könnte dies nicht
zu einer Versagung der Genehmigung führen, sondern allenfalls zu einer
Verpflichtung, dort nachts einen Wert von 35 dB(A) einzuhalten.
Die Darstellung der Antragstellerin, wesentliche Teile ihres Gemeindegebietes
würden wegen der Großräumigkeit der genehmigten Windkraftanlagen einer
durchsetzbaren Planung entzogen, sei nicht zutreffend. Der überwiegende Teil des
Gemeindegebietes der Antragstellerin bleibe von den genehmigten Anlagen
„unbelastet“ und das Gemeindegebiet sei auch nach Errichtung der Anlagen einer
weiteren städtebaulichen Entwicklung zugänglich. Der Abstand der Anlagen zur
bestehenden Bebauung betrage im Ortsteil Ober-C-Stadt zwischen 900 und 1000
m und zur dort geplanten Bebauung zwischen 766 und 900 m. Vom Ortsteil
Nieder-C-Stadt seien die Anlagen hinsichtlich der bestehenden Wohnbebauung
1.400 m und hinsichtlich der geplanten Wohnbebauung 1.200 m entfernt.
Das Vorhaben rufe auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervor. Die von
der TA-Lärm vorgesehenen Werte würden im Gemeindegebiet der Antragstellerin
eingehalten. Dies sei durch die im Genehmigungsbescheid festgelegten
Immissionsrichtwertanteile sichergestellt. Soweit unterschiedliche
Immissionsrichtwertanteile für Gebiete mit grundsätzlich gleichem Schutzstatus
festgesetzt worden seien, ergebe sich dies aus dem in den Antragsunterlagen
dargestellten Unterschreitungen der Richtwerte. Insoweit solle dem Grundsatz der
Vorsorge und Wahrung des Standes der Technik Rechnung getragen werden. Im
gesamten Bereich des Bebauungsplans OW/6 („I-Weg“) sei der Schutzanspruch
eines allgemeinen Wohngebiets anzusetzen. Auch für die erste Reihe der
Grundstücke zum Außenbereich könne die Einhaltung eines Wertes von 35 dB(A)
des Nachts nicht gefordert werden. Eigentümer von Wohngrundstücken am Rande
des Außenbereichs könnten nicht damit rechnen, dass in ihrer Nachbarschaft
keine emittierenden Nutzungen entstünden. Für die dahinter liegenden Baureihen
im Bereich des Bebauungsplans „I-Weg“ sei hingegen ein
Immissionsrichtwertanteil von 37 dB(A) für die Nachtzeit festgesetzt worden.
Die von der Antragstellerin geforderte Gesamtlärmbetrachtung sei rechtlich nicht
geboten. Insbesondere seien die durch die zukünftige Umgehungsstraße
verursachten Geräusche nicht in die Betrachtung der Lärmimmissionen durch
gewerbliche Anlagen einzubeziehen. Die von ihm, dem Antragsgegner, getroffenen
Regelungen sicherten gerade für Zeiten, in denen erfahrungsgemäß kaum
Verkehrslärm auftrete (z. B. in der Nachtzeit zwischen 02.00 Uhr und 03.00 Uhr),
die Nachtruhe.
Eine grundlegende Veränderung der städtebaulichen Struktur der Antragstellerin
infolge einer Errichtung der drei Windkraftanlagen sei nicht zu befürchten. Eine
Verunstaltung des Ortsbildes trete nicht ein, sodass die Antragstellerin sich auch
nicht auf eine Verletzung ihres Selbstgestaltungsrechts berufen könne. Die bloße
Sichtbarkeit der Anlagen führe noch zu keiner erheblichen Beeinträchtigung.
Gewisse ästhetische Einbußen für das Ortsbild als Folge eines ansonsten
zulässigen Vorhabens seien grundsätzlich hinzunehmen.
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Eine landesplanerische Überprüfung des Standortes der Windkraftanlagen sei nicht
erforderlich gewesen. Ein Abweichungsverfahren sei nur dann geboten, wenn
raumbedeutsame Vorhaben mit den Zielaussagen des Regionalplans nicht in
Einklang stünden. Vorliegend sei dies auf der Grundlage der Festlegungen des
Regionalplans Südhessen 2000 zu beurteilen. Hiernach liege der Standort in einem
„Bereich für die Landwirtschaft“ bzw. einem „regionalen Grünzug“. Diese
Festlegungen stünden der Errichtung von Windkraftanlagen nicht entgegen.
Der Antragsgegner führt weiter aus, die Genehmigung verstoße auch nicht gegen
nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts, insbesondere nicht
gegen das Rücksichtnahmegebot. Eine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten
der Wohnnutzung gehe von den Anlagen nicht aus. Deren Standorte lägen über
900 m von der derzeitigen Wohnbebauung im Gebiet der Antragstellerin entfernt.
Selbst wenn man geplante Wohngebiete mit in die Betrachtung einbeziehe, sei
immer noch eine Entfernung zwischen Bebauung und nächstgelegener
Windkraftanlage von mehr als dem Fünffachen der Gesamthöhe der Anlage
gegeben.
Die Genehmigung verstoße auch nicht gegen die Vorgaben der
Handlungsempfehlungen des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und
Landesentwicklung und des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26.03.2010 bzw. 17.05.2010
(Staatsanzeiger, S. 1506). Diese Handlungsempfehlung richte sich an
Planungsträger (Regionalplanung, Bauleitplanung) und nicht an die
Immissionsschutzbehörde.
Die Genehmigung sei auch verfahrensfehlerfrei erteilt worden. Die maßgeblichen
Vorschriften des Immissionsschutzgesetzes und der einschlägigen
Immissionsschutzverordnungen seien beachtet worden.
Die Rüge einer fehlenden Typengenehmigung gehe ins Leere. Aufgrund der
Anzeige der Beigeladenen werde anstelle des zunächst genehmigten Anlagentyps
Nordex nunmehr eine Windkraftanlage des Typs Vestas errichtet.
Auf eine nicht ausreichende Erschließung des Anlagengrundstücks könne sich die
Antragstellerin nicht berufen. Eine fehlende Erschließung des Vorhabens verletze
die Antragstellerin weder in ihrer Planungshoheit noch in ihrem
Selbstgestaltungsrecht. Überdies sei das Vorhaben ausreichend erschlossen.
Insoweit komme es nicht auf etwaige Anforderungen an die Erreichbarkeit des
Standortes während der Bauphase an. Diese sei im Genehmigungsverfahren nicht
zu prüfen.
Eine Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin durch die Entscheidung, dass
die von der Beigeladenen angezeigte Anlagenänderung keiner Genehmigung
bedürfe, scheide ebenfalls aus. Der von den geänderten Anlagen ausgehende
Schattenwurf wie auch die Schallimmissionen beeinträchtigten keine Rechte der
Antragstellerin. Die von der Beigeladenen vorgelegten Prognosen vom 30.07.2010
seien nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Die Verringerung der
Gesamtschattendauer nach der aktualisierten Schattenwurfprognose beruhe auf
dem Wegfall der ehedem geplanten Windkraftanlagen 4 und 5. Entsprechendes
gelte hinsichtlich der Belastungen durch Schallimmissionen. Die zulässigen
Schallimmissionsrichtwerte würden auch durch die Vestas-Anlagen eingehalten
werden. Im Übrigen sei deren Einhaltung durch entsprechende Festsetzungen im
Genehmigungsbescheid sichergestellt.
Der Antragsgegner ist ferner der Ansicht, die gewählten Immissionspunkte A und B
seien zur Bewertung der Immissionen geeignet. Der im Ortsteil in Ober-C-Stadt
gelegene Immissionsort B, G-Straße 34, befinde sich ca. 970 m von den
Windkraftanlagen entfernt. Die nächstgelegene Wohnbebauung sei in ca. 900 m
Entfernung von dem Standort angesiedelt. Aufgrund der berechneten
Immissionsbelastungen und der vorgelegten Karte lasse sich die dort zu
erwartende Immissionsbelastung ablesen. Diese liege deutlich unterhalb des
zulässigen Nachtimmissionsrichtwertes von 40 dB(A).
Die Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, vom Vollzug der
angefochtenen Genehmigung einstweilen verschont zu bleiben, und dem Interesse
der Beigeladenen, mit der Errichtung und dem Betrieb der geplanten Anlagen
bereits vor Bestandskraft des Genehmigungsbescheides beginnen zu dürfen, falle
unter gleichzeitiger Berücksichtigung öffentlicher Interessen zu Gunsten der
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unter gleichzeitiger Berücksichtigung öffentlicher Interessen zu Gunsten der
Beigeladenen und zu Lasten der Antragstellerin aus. Die Sicherheit und
Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung, die Förderung der Stromerzeugung durch
regenerative Energiequellen und die konkrete Bedeutung der Errichtung von
Windkraftanlagen für den Klimaschutz seien Argumente, die das öffentliche
Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Genehmigung rechtfertigten.
Zudem habe die Beigeladene plausibel dargelegt, dass mit einer durch die
Erhebung der Anfechtungsklage verzögerten Errichtung der genehmigten Anlagen
wirtschaftliche Nachteile verbunden wären. Für die Bejahung eines berechtigten
privaten Interesses reiche es aus, wenn sich die Beigeladene darauf berufe, dass
ihr Lieferschwierigkeiten und Verzögerungen drohten, wenn der mit dem
Lieferanten vereinbarte und dem Kaufvertrag zugrundeliegende Bauzeitenplan
nicht eingehalten werde. Die Berücksichtigung dieser privaten Interessen sei in der
Rechtsprechung anerkannt.
Schließlich schaffe eine Errichtung der genehmigten Anlagen auch keine
unabänderlichen Tatsachen. Sollte die Antragstellerin mit ihren Klagen letztlich
Erfolg haben, müssten die bereits errichteten Anlagen wieder rückstandslos
zurückgebaut werden. Negative Vollzugsfolgen habe die Antragstellerin demnach
nicht zu fürchten.
Die Beigeladene hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten in dem vorliegenden Verfahren sowie in den Klageverfahren 8 K
1933/10.GI und 8 K 5273/10.GI und den in diesen Verfahren beigezogenen
Behördenakten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der Beratung
gewesen sind.
II.
1. Der Antrag ist zulässig.
Die Antragstellerin ist in analoger Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO
antragsbefugt. Nach dieser Bestimmung ist eine Klage nur zulässig, wenn der
Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder
Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. An der Klagebefugnis fehlt es,
wenn unter Zugrundelegung des Klägervorbringens offensichtlich und eindeutig
nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein bzw.
die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können
(BVerwG, U. v. 10.10.2002 - 6 C 8.01 -, BVerwGE 117, 93, 95).
Vorliegend kann sich die Antragstellerin darauf berufen, durch die dem
Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung in eigenen
Rechten verletzt zu sein. Es ist nämlich möglich und nicht von vornherein und nach
jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass die Antragstellerin hierdurch in
ihrem von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützten kommunalen
Selbstverwaltungsrecht betroffen ist.
2. Der Antrag ist in der Sache aber unbegründet.
Bei einem begünstigenden Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung, wie hier,
kann das Gericht die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen einen von
der Behörde für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag des
Drittbetroffenen ganz oder teilweise nach Maßgabe des § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80
Abs. 5 VwGO wiederherstellen. Einem solchen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz
ist stattzugeben, wenn der angefochtene Verwaltungsakt - hier die der
Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung und die
Freistellungsentscheidung - Rechte des Dritten verletzt, also wenn das genehmigte
Vorhaben gegen Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt und die verletzten
Vorschriften auch zum Schutze des Dritten zu dienen bestimmt sind. Denn in
diesem Fall kann ein überwiegendes Interesse des Genehmigungsinhabers oder
der Öffentlichkeit an einer sofortigen Ausnutzung der Genehmigung nicht
bestehen. Umgekehrt ist der Antrag des Dritten abzulehnen, wenn die
Genehmigung ihn nicht in eigenen Rechten verletzt und eine ordnungsgemäße
Begründung für die angeordnete sofortige Vollziehung gegeben ist.
Dies ist vorliegend der Fall. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen
Vollziehung zureichend begründet (a), und die Antragstellerin ist durch die von ihr
angegriffenen Verwaltungsakte offensichtlich nicht in eigenen Rechten verletzt (b).
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angegriffenen Verwaltungsakte offensichtlich nicht in eigenen Rechten verletzt (b).
Die gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen sowie dem privaten Interesse
des Beigeladenen einerseits und dem Interesse der Antragstellerin andererseits
ergibt mithin ein Überwiegen des Interesses am Vollzug der Verwaltungsakte
gegenüber dem Aussetzungsinteresse.
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell-rechtlich ordnungsgemäß
ergangen. Entsprechend Sinn und Zweck des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO, die Behörde
zu einer sorgfältigen Prüfung des Interesses an der sofortigen Vollziehung
anzuhalten, den Betroffen über die Gründe hierfür in Kenntnis zu setzen sowie
dem Verwaltungsgericht die Rechtskontrolle zu ermöglichen (vgl. dazu Gersdorf,
in: Posser/Wolff, VwGO, 2008, Rdnr. 86 zu § 80; Schoch, in: Schoch/W.-
Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 2011, Rdnr. 176 zu § 80) ist eine gesonderte
schriftliche Begründung zu verlangen, in der die tatsächlichen und rechtlichen
Gründe dargelegt sind, die im konkreten Einzelfall ein Vollziehungsinteresse
ergeben und die zur Anordnung der sofortigen Vollziehung geführt haben. Die
Gründe müssen über das Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes hinausgehen
(vgl. z. B. Thür. OVG, B. v. 22.02.2006 - 1 EO 707/05 -, ThürVBl. 2006, 152, 153
r.Sp.; Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 2008, Rdnrn. 87, 99 zu § 80).
Geht es - wie hier - um ein mehrpoliges Verhältnis, muss sich die Behörde auch
mit den gegenläufigen, von der sofortigen Vollziehbarkeit betroffenen Interessen
auseinandersetzen (OVG Saarl., B. v. 10.11.2006 - 3 W 5/06 -, juris, Rdnr. 33), d. h.
eine Interessenabwägung treffen (vgl. Hess. VGH, B. v. 31.05.1990 - 8 R 3118/89 -,
ESVGH 40, 295, 297).
Die vom Antragsgegner unter dem 10.12.2010 in einer selbständigen Verfügung
getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den zuvor genannten
Maßstäben. Der Antragsgegner hat nämlich ausgeführt, die Windkraftanlagen
seien aus Gründen der nachhaltigen Entwicklung der Energieversorgung und des
Klimaschutzes notwendig. Außerdem würde die Beigeladene als Adressatin des
Genehmigungsbescheides einen wirtschaftlichen Schaden erleiden, wenn
potentielle Rechtsbehelfe Dritter letztlich ohne Erfolg blieben.
Diese Darlegungen sind weder allgemein noch formelhaft, sondern auf den
Einzelfall bezogen. Dass die Argumentation dabei auch für andere
Windkraftanlagen Platz greift und sich insoweit die Darlegungen gleichen (vgl. dazu
VG Gießen, B. v. 03.02.2011 - 8 L 5455/10.GI -, juris), führt nicht zu einem
formellen Mangel der Anordnung des Sofortvollzugs (vgl. auch Funke-Kaiser, in:
Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Aufl. 2007, Rdnr. 47 zu § 80 bei
Fn. 170; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Rdnr. 85 zu § 80).
b) Auch in materieller Hinsicht überwiegen bei der nach § 80 a Abs. 3 VwGO i.V.m.
§ 80 Abs. 5 VwGO vom Gericht originär vorzunehmenden Interessenabwägung
(vgl. z. B. BVerwG, B. v. 22.03.2010, 7 VR 1.10 -, juris, Rdnr. 13; Bayer. VGH, B. v.
12.07.2010 - 14 CS 10.327 -, juris, Rdnr. 21; Thür. OVG, B. v. 22.02.2006 - 1 EO
707/05 -, ThürVBl. 2006, 152, 154 l.Sp.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann,
Vorläufiger Rechtschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rdnr. 963;
Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., Rdnr. 146 zu § 80) das öffentliche Interesse am
Sofortvollzug der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und das
wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen an einer möglichst baldigen
Realisierung ihres Projektes das entgegenwirkende Interesse der Antragstellerin.
Maßstab für die Interessenabwägung ist bei dreiseitigen Rechtsverhältnissen die
Erfolgsaussicht des vom Dritten eingelegten Rechtsbehelfs (vgl. Nds. OVG, B. v.
05.03.2008 - 7 MS 115/07 -, NVwZ-RR 2008, 686 r.Sp.; OVG Schl.-Holst., B. v.
28.04.2010 - 1 MR 6/10 -, juris, Rdnr. 3 = NordÖR 2010, 266 (nur L); OVG Saarl., B.
v. 09.09.2009 - 2 B 398/09 -, juris, Rdnr. 11; OVG Berl.-Brandenb., B. v. 15.01.2009
- OVG 9570.08 -, juris, Rdnr. 4; Thür. OVG, B. v. 22.2.2006 - 1 EO 707/05 -, ThürVBl.
2006, 152, 154 l.Sp.; Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 159 zu § 80 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Anfechtungsklagen der
Antragstellerin ohne Erfolg bleiben werden. Denn der Antragstellerin stehen in
Bezug auf die genehmigten Windkraftanlagen keine Abwehrrechte zur Seite.
Bei der Frage der Erfolgsaussichten der Klage hat das Verwaltungsgericht die
immissionsschutzrechtliche Genehmigung nur darauf zu kontrollieren, ob Rechte
des anfechtenden Dritten, hier der Antragstellerin, verletzt werden (vgl. z. B.
BVerwG, U. v. 5.10.1990 - 7 C 55 u. 56.89 -, DÖV 1991, 249 ff.; Hess. VGH, B. v.
31.05.1990 - 8 R 3118/89 -, ESVGH 40, 295, 299; OVG Saarl., B. v. 22.08.2001 - 2
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31.05.1990 - 8 R 3118/89 -, ESVGH 40, 295, 299; OVG Saarl., B. v. 22.08.2001 - 2
W 1/01 -, juris, Rdnr. 8; Thür. OVG, B. v. 22.02.2006 - 1 EO 707/05 -, Thür. VBl.
2006, 152, 154; Hess. VGH, B. v. 27.09.2004 - 2 TG 1630/04 -, ESVGH 55, 82, 85;
Nds. OVG, B. v. 31.03.2010 - 12 LA 157/08 -, juris, Rdnr. 6; Schoch, in: Schoch/W.-
Aßmann/Pietzner, a.a.O., Rdnr. 65 zu § 80a). Für eine Gemeinde gilt dies
gleichfalls. Sie ist – wovon die Antragstellerin ebenfalls ausgeht – nicht befugt,
insoweit eine umfassende objektiv-rechtliche Prüfung zu verlangen, sondern sie
kann nur mit Erfolg Verstöße gegen Vorschriften geltend machen, die auch dem
Schutz gemeindlicher Interessen zu dienen bestimmt sind (vgl. z. B. BVerwG, B. v.
05.11.2002 - 9 VR 14.02 -, DVBl. 2003, 211, 213 r.Sp.; U. v. 24.06.2004 - 4 C 11.03
-, juris, Rdnr. 46, insoweit in BVerwGE 121, 152, 169 nicht abgedr.; Hess. VGH, B. v.
07.05.2009 - 3 A 1523/08.Z -, LKRZ 2009, 305, 306/307; Stüer, Handbuch des
Bau- und Fachplanungsrechts, 3. Aufl. 2005, Rdnr. 4286).
Bei der im Rahmen des Eilverfahrens allein möglichen summarischen Prüfung der
Sach- und Rechtslage verletzt die Genehmigung der Windenergieanlagen keine
Rechte der Antragstellerin, wobei die beschließende Kammer die Genehmigung
und die Freistellungserklärung gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ihrer
Rechtmäßigkeitskontrolle zu Grunde legt.
Die von der Antragstellerin gerügte Verletzung ihrer Planungshoheit liegt nicht vor.
Die kommunale Planungshoheit ist als ein Aspekt der kommunalen
Selbstverwaltungsgarantie von Artikel 28 Abs. 2 GG geschützt (vgl. z. B.
Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Rdnr. 13 und 19 zu Art. 28).
Sie vermittelt gegenüber einem genehmigten Vorhaben aber nur dann eine
wehrfähige Rechtsposition, wenn durch dieses Vorhaben eine eigene hinreichend
bestimmte Planung der Gemeinde nachhaltig gestört wird oder dieses wegen
seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer
durchsetzbaren Planung der Gemeinde entzieht oder wenn kommunale
Einrichtungen durch das Vorhaben erheblich gestört werden (vgl. z. B. OVG NW, U.
v. 03.12.2008 - 8 D 15/07.AK -, juris, Rdnr. 207; für Planungen ebenf.: BVerwG, U.
v. 28.10.2008 - 7 BN 4.08 -, UPR 2009, 236; B. v. 05.11.2002 - 9 VR 14.02 -, DVBl.
2003, 211, 212 l Sp.; U. v. 21.03.1996 - 4 C 26.94 -, BVerwGE 100, 388, 394; U. v.
27.03.1992 - 7 C 18.91 -, BVerwGE 90, 96, 100; OVG Schl.-Holst., B. v. 26.09.2006
- 7 ME 93/06 -, NuR 2007, 40).
Dafür, dass kommunale Einrichtungen der Antragstellerin durch die
Windkraftanlagen erheblich gestört werden, ist weder von der Antragstellerin etwas
vorgetragen worden noch sonst wie ersichtlich.
Die Antragstellerin sieht sich vielmehr in ihren Planungen zur Ausweisung neuer
Wohnbaugebiete nachhaltig gestört. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang auf
ihre Aufstellungsbeschlüsse vom 29.10.2009 zur Ausweisung drei neuer
Baugebiete (OW/9 „Am B-Stock“; OW/8 „I-Weg II“; NW/20 „W-Gärten II“) und ihre
über Jahre hinweg dokumentierten Überlegungen für neue Wohnbaugebiete im
Rahmen der Ortsentwicklung. Diese Aktivitäten belegen indes noch keine
hinreichend bestimmte Planung im zuvor genannten Sinn. Zwar erfordert eine
solche noch keinen verbindlichen Bauleitplan, sondern sie kann sich auch
unterhalb der Schwelle des Bauleitplans in anderer Weise ergeben (vgl. Hess. VGH,
U. v. 25.03.2010 - 4 A 1687/09 -, LKRZ 2010, 260, 263 r.Sp.; VerfGH NW, U. v.
25.06.2002 - VerfGH 42/00 -, NVwZ 2003, 202, 203 r.Sp.; U. v. 28.01.1992 -
VerfGH 2/91 -, DVBl. 1992, 710, 711 r.Sp.; U. v. 11.02.1992 - VerfGH 6/91 -, UPR
1992, 313,314 l.Sp.).
Ein bloßer Aufstellungsbeschluss - hier für Bebauungspläne zur Ausweisung reiner
Wohngebiete - steht aber erst am Beginn einer konkreten Planung, die im weiteren
Verlauf regelmäßig Änderungen unterworfen wird, und vermag deshalb noch keine
verfestigte Planung zu belegen. Die sichere Verwirklichung der Planung ist erst
dann zu erwarten, wenn ein Anhörungsverfahren stattgefunden hat (vgl. BVerwG,
U. v. 27.08.1997 - 11 A 18.96 -, NVwZ-RR 1998, 290, 292 l.Sp.). Zwar hat das
Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung offengelassen, ob ein
Aufstellungsbeschluss eine ausreichende Konkretisierung bedeutet. Gründe der
Rechtssicherheit verlangen aber für eine hinreichend konkretisierte und verfestigte
Bauleitplanung mehr als nur den Aufstellungsbeschluss nach § 2 Abs. 1 S. 2
BauGB; denn eine Änderung des Planungsziels ist noch jederzeit ohne weiteres
möglich. Auch ein Vergleich mit dem Fachplanungsrecht – hier ist die Auslegung
der Planunterlagen für eine verfestigte Planung erforderlich (BVerwG, B. v.
14.05.2004 - 4 BN 11.04 -, BRS 67 (2004), Nr. 27, S. 128; Hess. VGH, U. v.
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14.05.2004 - 4 BN 11.04 -, BRS 67 (2004), Nr. 27, S. 128; Hess. VGH, U. v.
15.12.2003 - 9 N 3413/03 -, juris, Rdnr. 24; vgl. auch Thür. OVG, B. v. 22.02.2006 -
1 EO 707/05 -, ThürVBl. 2006, 152, 156 r.Sp.) - zeigt, dass die im
Aufstellungsbeschluss zu sehende bloße Dokumentation einer Planungsabsicht
noch nicht ausreichend sein kann.
Entsprechendes gilt für die von der Antragstellerin in Auftrag gegebenen Studien
„C-Stadt 2000 plus“ und „C-Stadt 2020“. Auch diese belegen keine verfestigte
Planung.
Aber selbst wenn man mit der Antragstellerin eine hinreichend bestimmte Planung
annähme, wäre eine nachhaltige Störung dieser Planung nicht zu besorgen.
Die Antragstellerin rügt in diesem Zusammenhang, dass sich die Windkraftanlagen
negativ auf ihre begonnenen Planungen auswirkten und sich diese nicht mehr in
dem beabsichtigten Umfang realisieren ließen. Dies folge aus den mit den
genehmigten Windkraftanlagen verbundenen schädlichen Umwelteinwirkungen,
insbesondere in Gestalt von Lärmimmissionen sowie der optisch bedrängenden
Wirkung. Dem vermag die beschließende Kammer nicht zu folgen.
Die Antragstellerin kann nämlich im Hinblick auf die von ihr geplanten reinen
Wohngebiete nicht beanspruchen, dass im Außenbereich ansonsten zulässige
Vorhaben zu unterlassen sind, wenn deren Realisierung dazu führt, dass die für ein
reines Wohngebiet geltenden Immissionsrichtwerte für Lärm nicht eingehalten
werden.
Die Antragstellerin macht insoweit geltend, die Ausweisung ihrer geplanten
Baugebiete als reine Wohngebiete erforderte unter Berücksichtigung der TA-Lärm
die Einhaltung der Lärmwerte vom 50 dB(A) und 35 dB(A) nachts. Auch die
beschließende Kammer geht in Übereinstimmung mit Literatur und übriger
Rechtsprechung davon aus, dass die Lärmimmissionen von Windkraftanlagen nach
der TA-Lärm zu beurteilen sind (B. v. 16.04.2002 - 8 G 493/02 -, GewArch 2002,
348, 349 r.Sp; B. v. 03.02.2011 - 8 L 5455/10.GI -, juris, Rdnr. 24 jew. m.w.N.).
Danach erfordert ein reines Wohngebiet gemäß Nr. 6.1 lit. e) der TA-Lärm
grundsätzlich die Einhaltung der Werte von 50 dB(A)und 35 dB(A)nachts.
Treffen allerdings mehrere Gebietskategorien aufeinander, ist ein sogenannter
Zwischenwert zu ermitteln. Dies folgt im Anwendungsbereich der TA-Lärm aus
deren Nr. 6.7, die für Gemengelagen hinsichtlich der für die zum Wohnen
dienenden Gebiete die Bildung eines geeigneten Zwischenwertes forderte - auch
wenn die TA-Lärm Nr. 6 den Außenbereich nicht explizit regelt (dazu ausführl.
Hess. VGH, U. v. 30.10.2009 - 6 B 2668/09 -, ESVGH 60, 129, 131). Dass innerhalb
des Wohngebietes abgestufte Werte festzulegen sind, verlangt Nr. 6.7 der TA-Lärm
nicht ausdrücklich, sodass auch ein Zwischenwert für das gesamte Baugebiet
gebildet werden kann.
Die TA-Lärm sieht für den Außenbereich keine Immissionsrichtwerte vor. Im
Außenbereich gelten aber regelmäßig die Werte für Dorf- und Mischgebiete, d. h.
60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts (vgl. OVG NW, B. v. 03.09.1999 - 10 B 1283/99
- NVwZ 1999, 1360 r.Sp.; U. v. 18.11.2002 - 7 A 2127/00 -, NVwZ 2003, 756, 757
r.Sp.; U. v. 19.06.2007 - 8 A 2677/06 -, NuR 2008, 55, 60 l.Sp.; Nds. OVG, U. v.
01.06.2010 - 12 LB 31/07 -, ZNER 2010, 506, 509 f.; VG Arnsberg, U. v. 17.06.2010
- 7 K 1932/08 -, juris, Rdnr. 112; VG Gießen, B. v. 20.03.2001 - 1 G 262/01 -,
HessVGRspr. 2001, 93, 95 r.Sp.; VG Düsseldorf, U. v. 28.10.2010 - 11 K 2863/09 -,
juris, Rdnr. 44; Hornmann, NVwZ 2006, 969, 973 l.Sp.; Hansmann, in
Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 2010, Rdnr. 15 zu Nr. 6 TA-Lärm).
Für die Frage, ob eine nachhaltige Störung der Planung durch das Vorhaben
eintritt, wären deshalb für die von der Antragstellerin geplanten, an den
Außenbereich angrenzenden reinen Baugebiete zunächst Zwischenwerte zu
bilden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zwischenwerte im Einzelfall die Werte
der nächsthöheren Gebietskategorie ausschöpfen (OVG NW, U. v. 21.12.2010 - 2
D 64/08.NE -, juris, Rdnr. 109) und unter Umständen sogar mit Erhöhung um mehr
als 5 dB(A) überspringen dürfen (vgl. OVG Nds., U. v. 14.02.2007 - 12 LC 37/07 -,
juris, Rdnr. 48). Zutreffend weist der Antragsgegner jedenfalls darauf hin, dass bei
Grundstücken, die an der Grenze zum Außenbereich liegen, infolge eines insoweit
gegebenen verminderten Schutzbedürfnisses nur die Einhaltung von
Immissionsrichtwerten, die für ein allgemeines Wohngebiet gelten, nämlich von 55
dB(A) tags und 40 dB(A) nachts zu verlangen ist (vgl. Hess. VGH, U. v. 30.10.2009
- 6 B 2668/09 -, ESVGH 60, 129, 130; OVG NW, U. v. 04.11.1999 - 7 B 1339/99 -,
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- 6 B 2668/09 -, ESVGH 60, 129, 130; OVG NW, U. v. 04.11.1999 - 7 B 1339/99 -,
juris, Rdnr. 23; B. v. 03.09.1999 - 10 B 1283/99 -, juris, Rdnr. 20; VG Düsseldorf, U.
v. 28.10.2010 - 11 K 2863/09 -, juris, Rdnr. 47; Thür. OVG, B. v. 22.02.2006 - 1 EO
708/05 -, juris, Rdnr. 66, insoweit nicht abgedr. in ZUR 2006, 479 ff.; ebenso für
den Tagwert von 55 dB(A): VGH Bad.-Württ., U. v. 23.04.2002 - 10 S 1502/01 -,
UPR 2002, 356 f.).
Vorliegend ist nichts dafür ersichtlich, dass in den von der Antragstellerin
geplanten Wohngebieten diese Werte von den vorgesehenen Windkraftanlagen
nicht einzuhalten wären. Dies ergibt sich aus der von der Beigeladenen
vorgelegten Schallimmissionsprognose vom 30.07.2010. Hiernach würde in
keinem der von der Antragstellerin geplanten Baugebiete Werte von 40 dB(A) auch
nur annähernd erreicht werden, sondern der von den Anlagen ausgehende Lärm
bliebe deutlich darunter.
Ohne dass es für die Entscheidung noch darauf ankommt, zeigt dies auch die
folgende kursorische Berechnung:
Betrachtet man die jeweils kürzeste Distanz zwischen den Windkraftanlagen (WKA
1 bis 3) und den geplanten Wohngebieten bzw. der tatsächlich vorhandenen
Bebauung, ergeben sich auf der Grundlage der von der Antragstellerin im
vorliegenden Verfahren gemachten Angaben (Anlage Ast 6 bzw. K 10) als kürzeste
Entfernungen 766,90 m (WKA 1 zu OW/9 = hier als Punkt 1 bezeichnet), 895,90 m
(WKA 2 zu OW/6 = hier als Punkt 2 bezeichnet) und 901,53 m (WKA 3 zu OW/ 8 =
hier als Punkt 3 bezeichnet). Hieraus lassen sich im Wege der
Maßstabsumrechnung in etwa die Entfernungen der übrigen Windkraftanlagen zu
diesen Punkten bestimmen, sodass insgesamt folgende Abstände der
Windkraftanlagen zur geplanten bzw. tatsächlich vorhandenen Bebauung
bestehen:
Bei einem jeweiligen Schallleistungspegel von 103,1 dB(A) für die einzelne
inkohärente Anlage errechnen sich nach der einschlägigen Formel L: (s)= L w - 11
- 20 logs (vgl. die zahlr. Nachw. bei VG Gießen, B. v. 16.04.2002 - 8 G 493/02 -,
GewArch 2002, 348, 350 l.Sp) jeweils an den Punkten 1 bis 3 Lärmwerte von 34,41
dB(A), 33,54 dB(A), 31,95 dB(A); Punkt 2: 32,60 dB(A), 33,06 dB(A), 32,60 dB(A);
Punkt 3: 32,60 dB(A), 33,06 dB(A), 33 dB(A). Hieraus folgt nach der Formel (die
hier bezogen ist auf die Werte von Punkt 1; zum Nachweis der Formel vgl. VG
Gießen, a.a.O.): 10 log (10
0,1x34,41
+ 10
0,1x33,54
+ 10
0,1x31,95
) = 38,19 dB(A);
für Punkt 2 errechnet sich danach ein Wert von 37,53 dB(A) und für Punkt 3 ein
Wert von 37,66 dB(A).
Auch diese vereinfachte Rechnung zeigt, dass die Antragstellerin nicht zu
besorgen hat, die Nachtwerte von 40 dB(A), die sie als einzuhaltender
Zwischenwert in Bezug auf die geplanten Baugebiete OW/9 und OW/8 nur fordern
kann, würden überschritten.
Für das im Ortsteil in Nieder-C-Stadt geplante Baugebiet NW/20 gilt dies aufgrund
einer Entfernung zur nächstgelegenen Windkraftanlage von über 1000 m erst
recht.
Die vom Antragsgegner im Genehmigungsbescheid für bereits vorhandene
Baugebiete jeweils festgesetzten Lärmwerte sind rechtlich ebenfalls nicht zu
beanstanden.
Soweit der Antragsgegner für das Gebiet OW/6 "I-Weg" die Werte 40 dB(A) nachts
für die äußere Reihe und 37 dB(A) nachts für die dahinterliegenden Reihen
festgelegt hat, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken. Hierzu wird auf die
zuvor gemachten Ausführungen zur Bildung eines Zwischenwertes Bezug
genommen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin mangelt es diesen Festlegungen
auch nicht an Bestimmtheit. Die unter Nr. V. 6.2. des Bescheides vom 31.05.2010
getroffenen Anordnungen sind eindeutig und bieten keinen Anlass zu
Fehlinterpretationen.
Anhaltspunkte dafür, dass diese Werte fehlerhaft bestimmt oder nicht einzuhalten
sind und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung deshalb rechtswidrig ist
(vgl. dazu VG Gießen, B. v. 16.04.2002 - 8 G 493/02 -, GewArch. 2002, 348, 350
l.Sp.), liegen nicht vor.
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Die Schallprognose der Beigeladenen vom 30.07.2010 bestätigt dies. Zwar weist
die Antragstellerin in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, die Messung
für den nunmehr vorgesehenen Windkraftanlagentyp „Vestas“ habe nur bei einer
Nabenhöhe von 105 m, nicht aber bei einer solchen von 95 m stattgefunden.
Dieser Umstand spricht aber nicht gegen die Richtigkeit der Berechnung des
Schallleistungspegels für die geplante Anlage. In dem einschlägigen Bericht der
Firma Windtest vom März 2007 wurde der Schallleistungspegel auf die
entsprechende Nabenhöhe - hier 95 m - umgerechnet, wie dem Bericht zu
entnehmen ist.
Bestätigt wird die Einhaltbarkeit der vom Antragsgegner festgesetzten Werte auch
durch das von der Antragstellerin in Auftrag gegebene Schallgutachten vom
09.06.2009. Zwar basiert dieses Gutachten noch auf den ehedem vorgesehenen
Nordex-Windkraftanlagen und nicht auf dem nunmehr vorgesehenen Typ
„Vestas“. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass bei annähernd gleichem
Schallleistungspegel der verschiedenen Anlagentypen das Gutachten der
Antragstellerin bei dort noch berücksichtigten fünf Windkraftanlagen lediglich zu
einem Wert von 35,7 dB(A) bzw. 36,3 dB(A) am Rand des Baugebietes OW/6
gelangt, sodass davon auszugehen ist, dass der für die hinteren Baureihen
festgesetzte Wert von 37 dB(A) sicher eingehalten werden kann.
Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang geltend macht, in der von
der Beigeladenen vorgelegten Schallimmissionsprognose vom 30.07.2010 seien
die Immissionspunkte falsch gewählt, kann dies im Eilverfahren dahinstehen. Denn
- und nur dies ist maßgebend - eine Überschreitung der festgelegten
Immissionswerte für die bebauten bzw. bereits beplanten Bereiche der
Antragstellerin ist auf der Grundlage sämtlicher von den Beteiligten in das
Verfahren eingeführten Immissionsprognosen nicht festzustellen.
Im Zuge einer Errichtung der Windkraftanlagen werden auch nicht wesentliche Teile
des Gemeindegebietes der Antragstellerin einer durchsetzbaren Planung
entzogen. Im Wirkungsbereich der Anlagen liegt nur ein kleiner Teil des
Gemeindegebietes, der - jedenfalls im Hinblick auf die hier zu beurteilenden
Windkraftanlagen - einer Planung durch die Antragstellerin zugänglich bleibt.
Insbesondere stehen die Windkraftanlagen - wie oben aufgezeigt - der von der
Antragstellerin verfolgten Ausweisung reiner Wohngebiete in den Ortsrandlagen
nicht entgegen.
Auch das von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG umfasste Selbstgestaltungsrecht der
Antragstellerin vermittelt ihr kein Abwehrrecht gegen die vorgesehenen
Windkraftanlagen. Nach diesem Recht darf die Gemeinde das Gepräge und die
Struktur ihres Ortes selbst bestimmen (vgl. Bayer. VGH, B. v. 29.11.2004 - 22 AS
04.40066 -, juris, Rdnr. 7; VGH Bad.-Württ., U. v. 01.10.2004 - 5 S 1012/03 -, juris,
Rdnr. 86; U. v. 06.07.2004 - 5 S 1706/03 -, NuR 2006, 298, 299 l.Sp.). Aus dem
Selbstgestaltungsrecht ergeben sich erst dann Abwehransprüche, wenn die
Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen
und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der
Gemeinde einwirken (BVerwG, U. v. 15.12.2006 - 7 C 1.06 -, BVerwGE 127, 258,
268, Rdnr. 39; B. v. 15.04.1999 - 4 VR 18.98 -, NVwZ-RR 1999, 554, 555 l.Sp.; B. v.
05.12.1996 - 11 VR 8.96 -, NVwZ-RR 1997, 339 f.; OVG Rh.-Pf., B. v. 11.06.2010 - 8
B 10618/10 -, LKRZ 2010, 346 r.Sp.; Bayer. VGH, B. v. 03.02.2009 - 22 CS 08.3194
-, BayVBl. 2010, 112, 113 l.Sp.; Thür. OVG, U. v. 16.03.2010 - 1 EO 655/07 -, juris,
Rdnr. 123, in BauR 2010, 2076 ff. insoweit nicht abgedr.; Hess. VGH, B. v.
27.09.2004 - 2 TG 1630/04 -, ESVGH, 55, 82, 87). Das in Rede stehende Vorhaben
muss danach das örtliche Gepräge oder die örtlichen Strukturen grundlegend
ändern (Sächs. OVG, B. v. 21.04.2010 - 1 B 299/09 -, juris, Rdnr. 21), das bauliche
Gefüge der Kommune also um ein Element anreichern, das dem Ort im Vergleich
mit dem vorherigen Zustand einen annähernd neuen Charakter gibt (OVG Berl.-
Brandb., U. v. 25.04.2006 - OVG 10 A 14.04 -, juris, Rdnr. 27). Die Veränderung der
landwirtschaftlichen Einbettung genügt dagegen nicht (VG Würzburg, B. v.
30.07.2008 - W 4 S 08.1359 -, juris, Rdnr. 44). Keinesfalls kann die Kommune
erwarten, dass nur ihre ästhetischen Vorstellungen gegenüber einem ansonsten
zulässigen Vorhaben durchschlagend sind (vgl. Bayer. VGH, B. v. 03.02.2009 - 22
CS 08.3194 -, BayVBl. 2010, 111, 113 l.Sp.; B. v. 21.12.2010 - 22 ZB 09.1681 -,
juris, Rdnr. 7).
Im Streitfall wird die Wirkung der vorgesehenen Windkraftanlagen auf das Ortsbild
der Antragstellerin unterhalb dieser Erheblichkeitsschwelle bleiben.
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Im Hinblick auf die ausreichende Entfernung der zu errichtenden Anlagen zu den
beabsichtigten Baugebieten der Antragstellerin bzw. zu ihrer vorhandenen
Bebauung ist eine negative Prägung des Ortsbildes nicht festzustellen. Die
bestehende städtebauliche Struktur der Antragstellerin wird nämlich durch die
Windkraftanlagen nicht von Grund auf verändert werden. Eine Veränderung des
Charakters des Ortsbildes kann hier nur in einem erdrückenden und optisch
bedrängenden Einfluss der Windkraftanlagen liegen. Die geplanten
Windkraftanlagen ermangeln jedoch eines erdrückenden und optisch
bedrängenden Einflusses auf das Ortsbild der Antragstellerin.
Die Kammer hat sich bereits in ihrem Beschluss vom 16.04.2002 - 8 G 493/02 -
(GewArch. 2002, 348 ff.) mit der Frage auseinandergesetzt, wann eine
erdrückende, bzw. eine bedrängende Wirkung einer Windkraftanlage gegeben ist,
und unter Hinweis auf das Nordrhein-Westfälische Oberverwaltungsgericht
ausgeführt, dass dies jedenfalls bei einer Entfernung mehrerer Anlagen von über
500 bis 700 m verneint werden müsse. In ihrem Beschluss vom 03.02.2011 - 8 L
5455/10.GI -, juris, hat die Kammer darauf hingewiesen, dass bei einem Abstand,
der das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + 0,5 Rotordurchmesser) der
geplanten Anlagen beträgt, nicht von einer erdrückenden Wirkung zu Lasten der
Wohnbebauung ausgegangen werden könne. Auch wenn solche an die
Gesamthöhe anknüpfenden Abstandsregeln nur Anhaltswerte darstellen, die eine
Würdigung des Einzelfalls nicht überflüssig machen (vgl. z.B. OVG NW, U. v.
09.08.2006 - 8 A 3726/05 -, DVBl. 2006, 1532, 1535 l.Sp.; Gatz, jurisPR-BVerwG
4/2007, Anm. 3, D; Scheidler, ZfBR 2010, 229, 232; Middecke, DVBl. 2008, 292,
298) kann bei einem Abstand zwischen Wohnbebauung und Windkraftanlage, der
mindestens das Dreifache der Gesamthöhe der geplanten Anlage beträgt, in der
Regel eine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung
ausgeschlossen werden. Ist der Abstand dagegen geringer als das Zweifache der
Gesamthöhe, liegt eine dominante und optisch bedrängende Wirkung der Anlage
nahe, weil die Wohnbebauung bei einem solchen Abstand regelmäßig von der
Anlage überlagert wird. Beträgt der Abstand das Zwei- bis Dreifache der
Gesamthöhe der Anlage ist in der Regel eine besonders intensive Prüfung des
Einzelfalls erforderlich. Dieser auf das Nordrhein-Westfälische
Oberverwaltungsgericht zurückgehenden Rechtsprechung (grundl.: U. v.
09.08.2006, a.a.O; ferner z. B.: U. v. 19.06.2007 - 8 A 2677/06 -, NuR 2008, 55, 60
r.Sp.; B. v. 24.06.2010 - 8 A 2764/09 -, NuR 2010, 888, 889; U. v. 28.08.2008 - 8 A
2138/06 -, juris, Rdnrn. 167 ff., in NWVBl. 2009, 110, 113, insoweit nicht abgedr.)
schließt sich die Kammer an. Sie wird inzwischen allgemein akzeptiert (vgl. Hess.
VGH, B. v. 01.03.2011 - 9 B 121/11 -, S. 6 d. amtl. Umdr.; Bayer. VGH, U. v.
29.05.2009 - 22 B 08.1785 -, BayVBl. 2010, 114 f.; VG Wiesbaden, U. v.
02.02.2011, 4 K 1315/10.WI -, juris, Rdnr. 36; VG Ansbach, B. v. 13.10.2010 - AN 11
S 10.02276 -, juris, Rdnrn. 66 ff.; VG Frankfurt/Oder, B. v. 24.08.2009 - 5 L 333/09 -,
juris, Rdnrn. 72 ff., VG Saarland, B. v. 22.02.2010 - 5 L 9/10 -, juris, Rdnrn. 72 ff.;
Scheidler, a.a.O., Middecke, a.a.O.).
Im Streitfall gibt der Inhalt der Akten keinen Anlass, von der Anknüpfung an das
Dreifache der Gesamthöhe wegen besonderer Gegebenheiten abzusehen. Gegen
eine das Ortsbild prägende dominierende Wirkung bzw. einen optischen Riegel der
geplanten Anlagen spricht hier nicht nur die erhebliche Distanz der Anlagen zur
vorgesehenen bzw. tatsächlichen Bebauung, sondern auch, dass bislang
einsehbare Landschaftsteile durch die Anlagen nicht abgeschnitten werden. Wie
gerade die von der Antragstellerin vorgelegte Visualisierung zeigt, werden
Sichtbeziehungen zu weiter entfernt liegenden Landschaftsteilen nicht
eingeschränkt. Die bloße Möglichkeit der Wahrnehmung der drei Windkraftanlagen
von weitem reicht dagegen nicht für die Annahme einer Verletzung des
Selbstgestaltungsrechts aus (vgl. auch Bayer. VGH, B. v. 03.02.2009 - 22 CS
08.3194 -, BayVBl. 2010, 112, 113 l Sp.; VG München, U. v. 19.05.2009 - M 1 K
08.1702 -, juris, Rdnr. 20; VG Würzburg, U. v. 31.03.2009 - W 4 K 08.1723 -, juris,
Rdnr. 20). Die von der Antragstellerin vorgelegte Visualisierung zeigt vielmehr,
dass es sich bei den drei geplanten Windkraftanlagen um hinzunehmende bloße
ästhetische Einbußen handelt.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, nach den Handlungsempfehlungen des
Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung und des Ministeriums
für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu den Abständen von
raumbedeutsamen Windenergieanlagen zu schutzwürdigen Räumen und
Einrichtungen vom 26.03.2010 (StAnz. vom 01.05.2010) seien Mindestabstände
von 1.000 m zwischen den Windkraftanlagen und dem Gemeindegebiet der
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von 1.000 m zwischen den Windkraftanlagen und dem Gemeindegebiet der
Antragstellerin einzuhalten, fehlt es an einer rechtlich verbindlichen Vorgabe. Die
„Handlungsempfehlung“ hat einen solchen Charakter nicht. Nach dem Willen ihrer
Verfasser soll sie nur „eine Hilfestellung“ bieten. Insbesondere für
immissionsschutzrechtliche Genehmigungen enthalten die
Handlungsempfehlungen keine rechtlich maßgebenden
Genehmigungsvoraussetzungen. Auch andere Bundesländer kennen solche
Empfehlungen, ihnen wird aber ebenfalls für die Bauleitplanung und die
Genehmigungsverfahren keine Verbindlichkeit beigemessen (vgl. Nds. OVG, U. v.
28.01.2010 - 12 LB 243/07 -, juris, Rdnr. 36, OVG Berl.-Brandenb., B. v. 27.11.2009
- OVG 11 F 49.09 -, juris, Rdnr. 39).
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich deshalb auch, dass die
Genehmigung nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme
verstößt.
Nicht durchzudringen vermag die Antragstellerin mit ihrem weiteren Einwand, das
Genehmigungsverfahren weise eine Reihe von zur Aufhebung der
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung führenden Verfahrensfehlern auf (S.
60 bis 78 d. Klageschrift). Soweit hierauf nicht bereits im Zusammenhang mit den
oben gemachten Ausführungen eingegangen wurde, gilt Folgendes:
Das Genehmigungsverfahren wurde frei von Verfahrensfehlern durchgeführt; die
verfahrensrechtlichen Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der
hierauf beruhenden einschlägigen Rechtsverordnungen wurden eingehalten.
Der Vorwurf einer fehlenden Typengenehmigung für die Nordex-Anlagen hat sich
erledigt, weil Gegenstand der Genehmigung nach der Änderungsanzeige nunmehr
Windkraftanlagen des Typs Vestas sind, für die eine Typengenehmigung vorliegt.
Auch die von der Antragstellerin gerügte fehlende landesplanerische Beurteilung
verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg. Die Regelung des § 12 HLPG, wonach bei
raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen, die von Zielen des Regionalplans
abweichen, die Regionalversammlung über die Zulassung der Abweichung
entscheidet, steht der erteilten Genehmigung nicht entgegen. Im Zeitpunkt der
Genehmigungserteilung galten die Regelungen des Regionalplans Südhessen 2000
(RPS 2000), der die Standorte der Windkraftanlagen als "Bereich für die
Landwirtschaft“ und "Regionaler Grünzug" ausweist.
Raumordnungsrechtliche Vorschriften begründen grundsätzlich keine subjektiven
Rechte von Kommunen. Die Raumordnungsplanung ist eine staatliche
Angelegenheit. Allerdings können Kommunen durch einzelne konkrete Ziele der
Raumplanung geschützt werden mit der Folge, dass derartige Zielfestlegungen
eines Raumordnungsplans im Einzelfall eine abwehrfähige subjektive
Rechtsposition zu begründen vermögen. Hierzu gehören die Festlegungen
"Regionaler Grünzug" und "Bereich für die Landwirtschaft" aber nicht (vgl.
Hess.VGH, U. v. 28.06.2005 - 12 A 3/05 - juris, Rdnrn. 80 f.).
Unabhängig hiervon war vorliegend die Durchführung eines
landesplanungsrechtlichen Abweichungsverfahrens im Hinblick auf diese
Festsetzungen auch sachlich nicht geboten, weil die erteilte Genehmigung hiermit
vereinbar ist. Regionale Grünzüge dienen insbesondere der Erhaltung und
Entwicklung von Naherholungsgebieten, dem Schutz des Wasserhaushalts und der
klimatischen Verhältnisse sowie der Gliederung der Siedlungsgebiete. Diesen
Funktionen steht die Errichtung von Windkraftanlagen nicht entgegen (VG
Frankfurt/M. - U. v. 18.03.2004 - 6 E 1707/03 -, juris, Rdnr. 25). Entsprechendes gilt
für die Festlegung "Bereich für die Landwirtschaft" (VG Frankfurt/M., a.a.O., Rdnr.
26).
Soweit die Antragstellerin bemängelt, eine Gesamtlärmbetrachtung bezüglich der
geplanten Umgehungsstraße zusammen mit den Windkraftanlagen sei nicht
erfolgt, steht einer Summation entgegen, dass Verkehrslärm und Lärm von
Windkraftanlagen jeweils unterschiedlich berechnet werden. Weder die 16.
BImSchV noch die TA-Lärm regeln die Bildung eines Gesamtsummenpegels (vgl.
BVerwG, U. v. 16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116, 254 f., Rdnr. 389;
BVerwG, U. v. 21.03.1996 - 4 C 9.95 -, UPR 1996, 344 ff.; Nds. OVG, B. v.
05.03.2008 - 7 MS 115/07 -, NVwZ-RR 2008, 686, 687 r.Sp.; VG Gießen, B. v.
16.04.2002 - 8 G 493/02 -, GewArch 2002, 348, 350 m.w.N.). Anhaltspunkte für die
Notwendigkeit einer Sonderfallprüfung nach Nr. 3.2.2. TA-Lärm liegen im Hinblick
auf die prognostizierten Lärmwerte von geplanter Straße und geplanten
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auf die prognostizierten Lärmwerte von geplanter Straße und geplanten
Windkraftanlagen nicht vor.
Der Antragstellerin steht ein Abwehranspruch gegen die
immissionsschutzrechtliche Genehmigung schließlich auch nicht wegen der ihrer
Meinung nach nicht ausreichenden Erschließung der Windkraftanlage zu.
Nach § 35 Abs. 1, 2 BauGB gehört zur Zulässigkeit eines Vorhabens im
Außenbereich die Sicherung der ausreichenden Erschließung. Die normative
Forderung der gesicherten Erschließung eines Vorhabens beinhaltet aber nach
allgemeiner Ansicht keinen drittschützenden Charakter (vgl. BVerwG, B. v.
23.01.1992 - 4 NB 2.90 -, NVwZ 1992, 974, 975 l.Sp.; OVG Berl.-Brandenb., B. v.
14.05.2007 - OVG 11 S 93.06 -, juris, Rdnr. 80; Bayer. VGH, B. v. 19.02.2007 - 1 ZB
06.92 -, juris, Rdnr. 15; VG Ansbach, B. v. 11.12.2003 - An 9 S 03.01636 -, juris,
Rdnr. 37; VG Augsburg, U. v. 12.10.2006 - Au 5 K 05.505 -, juris, Rdnr. 30; VG
Oldenburg, B. v. 30.04.2003 - 1 B 4791/02 -, juris, Rdnr. 10; VG München, B. v.
08.05.2001 - M 11 SN 01.1660 -, juris, Rdnr. 25; U. v. 24.11.2009 - M 1 K 09.2075 -,
juris, Rdnr. 35; VG Ansbach, B. v. 25.06.2008 - An 9 K 08.00498 -, juris, Rdnr. 40;
Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, Rdnr. 79 zu § 31; Söfker, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Löhr, Stand 2010, Rdnr. 142 a. E. zu § 34, m.w.N.).
Davon geht der Hessische Verwaltungsgerichtshof ebenfalls aus: Nach dessen
Beschluss vom 27.09.2004 besitzt das Merkmal der Sicherung der ausreichenden
Erschließung eines Vorhabens im Außenbereich keine nachbarschützende
Funktion (Az.: 2 TG 1630/04, ESVGH 55, 82, 90). Die Antragstellerin bezieht sich
auch auf diesen Beschluss, ohne allerdings auf den fehlenden Drittschutz im
Rahmen des § 35 BauGB einzugehen.
Etwas anderes gilt nur, wenn die Anlage auf dem Gebiet der Gemeinde errichtet
werden soll; in diesem Fall dient § 35 BauGB auch dem Schutz der Gemeinde (vgl.
BVerwG, U. v. 01.07.2010 - 4 C 4.08 -, DVBl. 2010, 1377 ff., s. auch BVerwG, B. v.
24.06.2010 - 4 B 60.09 -, BauR 2010, 1737 f.; Thür. OVG, B. v. 29.01.2009 - 1 EO
346/08 -, BRS 74 (2009), Nr. 174, S. 801, 802). Dieser Fall ist hier nicht gegeben,
denn die Windenergieanlagen sollen auf dem Gebiet der Stadt D-Stadt aufgestellt
werden.
Abgesehen davon liegt hier eine ausreichende Erschließung der geplanten
Windkraftanlagen vor. Entsprechend dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 BauGB verlangt
diese Vorschrift nur eine „ausreichende“ Erschließung, während die §§ 30, 33, 34
BauGB bei dem Begriff Erschließung das Adjektivattribut „ausreichend“ nicht
nennen. Demgemäß sind die Anforderungen an die Erschließungen von
Außenbereichsvorhaben gegenüber Vorhaben in Gebieten in beplanten Bereichen
oder im nicht beplanten Innenbereich deutlich geringer: Lediglich ein Mindestmaß
an Zugänglichkeit, das sich nach den Auswirkungen und Bedürfnissen des
jeweiligen Vorhabens richtet, unter anderem nach der zu erwartenden
Verkehrsbelastung (BVerwG, U. v. 30.08.1995 - 4 C 48.81 -, NVwZ 1986, 38 f.;
OVG Sachs.-Anh., B. v. 29.01.2010 - 2 M 226/09 -, BauR 2010, 888, 889 l.Sp.),
muss bei privilegierten Vorhaben gewährleistet sein. Nach der Rechtsprechung,
der sich die beschließende Kammer anschließt, genügen für die gesicherte
Erschließung von Windkraftanlagen Wirtschafts- und Feldwege (OVG NW, U. v.
19.05.2004 - 7 A 3368/02 -, NuR 2004, 690, 693 l.Sp.; VG Würzburg, U. v.
21.08.2006 - W 4 K 06.324 -, juris, Rdnr. 37; VG Meiningen, B. v. 25.01.2006 - 5 E
386/05.ME -, ThürVBl. 2006, 163, 164 f.), weil Windkraftanlagen lediglich zu
Kontrollbesuchen oder Wartungsarbeiten erreichbar sein müssen (VG Stuttgart, U.
v. 29.04.2010 - 13 K 898/08 -, juris, Rdnr. 88 = ZNER 2010, 313 (nur L); VG
Meiningen, a.a.O.). Damit sind die hier vorhandenen Wege als ausreichend
anzusehen.
Der Einwand der Antragstellerin, die Grundstücke, auf denen die Anlagen errichtet
werden sollen, seien mit den übergroßen Baufahrzeugen nicht zu erreichen, weil
die Feldwege nicht breit genug seien, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.
Da die Erschließung erst nach Herstellung des Bauwerks funktionsfähig und auf
Dauer angelegt sein muss (vgl. BVerwG, U. v. 20.05.2010 - 4 C 7.09 -, LKRZ 2010,
421, 424 l.Sp.; U. v. 30.08.1985 - 4 C 48.81 -, NVwZ 1986, 38, 39 r.Sp.) spielt die
Erreichbarkeit während der Bauphase keine Rolle für eine gesicherte Erschließung
der Anlage (VG Würzburg a.a.O., VG Stuttgart a.a.O., Rdnr. 90; VG Meiningen,
a.a.O.).
Des Weiteren ist das Argument der Antragstellerin, die Stromeinspeisung sei
ungesichert, nicht durchschlagend. Wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof in
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ungesichert, nicht durchschlagend. Wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof in
seinem genannten Beschluss vom 27.09.2004 ausgeführt hat, gehört der
Anschluss einer Windkraftanlage an ein Verbundnetz zum Zweck der
Stromeinspeisung nicht zum bauplanungsrechtlichen Inhalt der Erschließung
(ESVGH 55, 82, 90; ebenso Stüer, a.a.O., Rdnr. 2480). Die rechtliche Beurteilung
der beabsichtigten Nutzung ist nämlich keine Frage der Erschließung (BVerwG, B.
v. 05.01.1996 - 4 B 306.95 -, GewArch 1996, 256 r.Sp.), weshalb sich die
Antragstellerin nicht mit Erfolg auf eine nicht vorhandene Möglichkeit der
Einspeisung zu berufen vermag (vgl. OVG Schl.-Holst., U. v. 20.07.1995 - 1 L 88/95
-, juris, Rdnr. 33).
Auch bezüglich der Freistellungserklärung vom 28.09.2010 bleibt der Antrag ohne
Erfolg. Denn diese ist ebenfalls offensichtlich rechtmäßig.
Nach § 15 Abs. 1 S. 1 BImSchG hat die zuständige Behörde aufgrund einer
Änderungsanzeige unverzüglich zu prüfen, ob die Änderung einer Genehmigung
bedarf. Das ist der Fall, wenn eine Änderung wesentlich im Sinne des § 16 Abs. 1
BImSchG ist. Ist die Änderung dagegen nicht als wesentlich anzusehen, kann eine
Freistellungserklärung ergehen. Diese können Dritte nur dann mit Erfolg angreifen,
wenn eine Änderungsgenehmigung erforderlich gewesen wäre (Jarass, BImSchG, 8.
Aufl. 2010, Rdnr. 30 zu § 15) und diese rechtmäßigerweise Auflagen zum Schutz
des Nachbarn hätte enthalten müssen (Fluck, VerwArch 88 [1997], 265, 293) bzw.
sich auf seine materiell-rechtliche Position hätte auswirken können (vgl. OVG
Saarl., B. v. 15.01.2009 - 2 B 376/08 -, juris, Rdnr. 13; Nds. OVG, B. v. 22.05.2008 -
12 MS 16/07 -, juris, Rdnr. 85; Rebentisch, in: Feldhaus, BImSchG, Stand 2010,
Rdnr. 89 zu § 15; Zöttl, NVwZ 1998, 234, 238 r.Sp.).
Gegenstand der Änderungsanzeige ist hier die Errichtung von drei
Windkraftanlagen des Typs Vestas anstelle des Typs Nordex. Insoweit kann nach
den bereits zuvor gemachten Ausführungen nicht festgestellt werden, dass von
der geänderten Anlage Einwirkungen ausgehen, die Rechte der Antragstellerin
verletzen.
Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang ausführt, die aktualisierte
Schattenprognose vom 30.07.2010 sei nicht nachvollziehbar, ist dem zu
widersprechen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist insbesondere
nachzuvollziehen, dass trotz größeren Rotordurchmessers der Vestas-Anlagen
keine wesentliche Erhöhung des Schattenwurfs festzustellen ist. Während sich die
frühere Prognose aus dem Jahre 2004 noch auf fünf Windkraftanlagen (Nordex)
bezog, hat die überarbeitete Fassung dagegen nur die drei genehmigten Anlagen
(Vestas) zum Gegenstand. Daher ist verständlich, dass die Schattenwurfereignisse
geringer sein müssen.
Hinsichtlich der neuen Schallprognose vom 30.07.2010 gilt, ungeachtet der hierzu
schon gemachten Ausführungen, im Übrigen das Gleiche.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen, da sie unterlegen ist
(§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil
diese keinen Antrag gestellt und sich einem Kostenrisiko deshalb nicht ausgesetzt
hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 2 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 52, 53 GKG. Für das
vorliegende Verfahren bewertet das Gericht das Interesse der Antragstellerin mit
50.000,-- EUR.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.