Urteil des VG Gießen vom 06.10.1999
VG Gießen: bundesamt für flüchtlinge, irak, anerkennung, gefährdung, ausländer, asylbewerber, widerruf, existenzminimum, anhörung, wahrscheinlichkeit
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Gericht:
VG Gießen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 E 30444/99
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 73 Abs 1 AsylVfG, § 73 Abs 2
AsylVfG
Tatbestand
Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste
am 27.06.1996 auf dem Landweg nach Deutschland ein und beantragte am
04.07.1996 die Anerkennung als Asylberechtigter.
Nach Anhörung lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 15.07.1996 ab. Es stellte
jedoch fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak
vorlägen. Diese Entscheidung ist bestandskräftig geworden, nachdem die
beschränkt auf Gewährung von Asyl erhobene Klage am 28.05.1998 vom
Verwaltungsgericht Dresden abgewiesen wurde (1 A 31913/96.A).
Im Oktober 1998 leitete das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge ein Widerrufsverfahren ein. Nach Anhörung widerrief es dann mit
Bescheid vom 08.03.1999 die mit Bescheid vom 15.07.1996 getroffene
Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG und stellte
fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen.
Gegen diesen dem Bevollmächtigten des Klägers am 08.03.1999 übersandten
Bescheid hat der Kläger am 23.03.1999 Klage erhoben.
Er vertritt die Ansicht, dass die Voraussetzungen für den Widerruf nicht vorlägen.
Er beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
vom 08.03.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten (2 Hefter) des Bundesamtes
sowie die den Beteiligten vorab mitgeteilten Unterlagen (Quellenliste Irak) Bezug
genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom
08.03.1999 ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO).
Gemäß § 73 Abs. 1 Satz sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die
Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des AuslG vorliegen,
unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr
vorliegen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift ist die Anerkennung als Asylberechtigter
und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
zurückzunehmen, wenn der jeweilige Status aufgrund unrichtiger Angaben oder
infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erlangt wurde und der Ausländer
auch nicht aus anderen Gründen anerkannt werden könnte. Da vorliegend auch
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auch nicht aus anderen Gründen anerkannt werden könnte. Da vorliegend auch
das Bundesamt dem Kläger nicht vorhält, er habe aus den in Abs. 2 Satz 1
genannten Gründen Abschiebeschutz nach § 51 AuslG erhalten, kann vorliegend
allenfalls § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG Rechtsgrundlage für den angefochtenen
Bescheid sein.
Dessen Voraussetzungen liegen aber unter keinem Gesichtspunkt vor.
§ 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfordert, dass die Voraussetzungen für die Gewährung
von Asyl oder Abschiebeschutz nicht mehr vorliegen, d. h. nachträglich
weggefallen sind. Die Ursachen dafür können in der Person des Ausländers oder in
den Verhältnissen im (ehemaligen) Verfolgerstaat liegen (vgl. Renner, 7. Aufl.
1999, § 73 Rdnr. 4).
Dass der Kläger einen Antrag auf Familienzusammenführung in der
Bundesrepublik Deutschland gestellt hat, lässt den nachträglichen Wegfall nicht
erkennen, und wird auch vom Bundesamt lediglich zum Anlass genommen, das
Widerrufsverfahren durchzuführen. Auch im übrigen sind persönliche
Widerrufsgründe nicht erkennbar.
Insofern kann es vorliegend nur maßgeblich darauf ankommen, ob die für den
Erlass des ursprünglichen Bescheides maßgebende Verfolgungsgefahr aufgrund
einer grundlegenden Veränderung der allgemeinen Verhältnisse im Herkunftsland
nachträglich entfallen ist (vgl. BVerwG, 24.11.1992 - 9 C 3.92 -, EZAR 214 Nr. 3).
Es genügt also nicht, dass das Bundesamt die Ereignisse zu einem späteren
Zeitpunkt anders bewertet. So verhält es sich aber hier. Gegenüber der Situation
zum Zeitpunkt der Erstentscheidung Mitte 1996 hat sich die Verfolgungssituation
im Irak nämlich nicht geändert. Schon damals hat das Auswärtige Amt in seinen
Lageberichten mitgeteilt, die irakische Zentralregierung habe seit 1991 ihre
effektive Gebietsgewalt im Nordirak (" kurdische Autonomiegebiete") eingebüßt (so
der Lagebericht vom 26.08.1996 des AA zur Situation in der Republik Irak). In dem
Lagebericht vom 30.09.1994 des Auswärtigen Amtes wird sogar ausgeführt, es
bestünden innerstaatliche Fluchtalternativen. Die kurdisch besiedelten Gebiete
ständen nicht unter der Kontrolle der Behörden in Bagdad. Die Kurden übten eine
defacto-Autonomie aus.
Die wirtschaftlichen Existenzbedingungen seien in den kurdisch besiedelten
Gebieten zur Zeit besser als in Bagdad. Leistungen von Hilfsorganisationen vor
allem im Norden milderten dort die Wirkungen des Embargos gegen den Irak.
Nunmehr wird u. a. maßgeblich der Lagebericht vom 27.01.1999 bemüht, um den
Schluss zu rechtfertigen, die Situation habe sich im Nordirak grundlegend
geändert. Derartige Änderungen kann das Gericht indes nicht feststellen. Weder
sind in der jüngeren Entwicklung des Landes friedliche oder gewaltsame
Änderungen des Regierungssystems, Regierungswechsel, Amnestien,
Liberalisierung des Strafrechts oder der Strafpraxis, d. h. objektive Veränderungen
im Verfolgerstaat eingetreten noch könnte man feststellen, dass eine potentielle
Verfolgungsfreiheit im Nordirak erst nach 1996 eingesetzt ist. Auch 1996 hätte
man seitens des Bundesamtes die "Fluchtalternative Nordirak" mit den
vorhandenen Quellen rechtfertigen können (vgl. die vorgenannten Lageberichte
sowie DOI an VG Göttingen und an VG Gießen vom 24.01.1996). Hinzu kommt,
dass seit 1996 die Fluchtalternative im Nordirak eher wieder zumindest für
bestimmte Personen oder Personengruppen unsicherer geworden ist. Nachdem
nämlich Bagdad die Blockademaßnahmen gegen den Nordirak aufgehoben hat,
herrscht seit 1996 reger Verkehr zwischen Nordirak und den zentralen Teilen Iraks,
was nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes die Infiltrationsmöglichkeiten für
irakische Sicherheitsdienste vergrößert hat (AA, Lagebericht vom 27.01.1999 und
25.02.1997). Generell können daher Übergriffe seitens irakischer Agenten im
Nordirak nicht mehr ausgeschlossen werden (DOI an VG Stuttgart vom
30.06.1998; DOI an VG Neustadt vom 17.04.1997; UNHCR an VG Augsburg vom
02.12.1996).
Zu berücksichtigen ist auch, dass nach wie vor die Asylantragstellung in
Deutschland von den irakischen Behörden als politische Gegnerschaft bewertet
und entsprechend verfolgt wird. Nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen
kann die Stellung eines Asylantrages vom irakischen Staat als "Verbreiten von
Falschnachrichten über den Irak im Ausland" angesehen werden, ebenso als
Kritisierung oder Beleidigung des Präsidenten mit der Folge der Todesstrafe (DOI
an OVG Lüneburg vom 30.04.1999; DOI an VG Frankfurt/Main vom 30.04.1999; AA,
Lagebericht vom 27.01.1999; Bundesamt für Flüchtlinge Bern vom 01.02.1996).
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Nach Einschätzung des Deutschen Orient-Institutes können darüber hinaus nur
solche Personen in den Zentralirak zurückkehren, die über einen gültigen
Reisepass mit einer offiziellen Ausreisegenehmigung verfügen. Andernfalls werden
sie mit großer Wahrscheinlichkeit dem Verdacht ausgesetzt sein, das Land aus
kriminellen, in der Regel staatsfeindlichen Gründen verlassen zu haben (DOI an VG
Arnsberg vom 25.04.1997). Bei illegaler Ausreise droht einem Rückkehrer eine
lange Haftstrafe (AA an VG Ansbach vom 06.03.1998), welche von der irakischen
Justiz auch verhängt wird (AA an VG Aachen vom 25.05.1998).
Unter Zugrundelegung dessen kann das Gericht eine wie vom
Bundesverwaltungsgericht geforderte grundlegende Veränderung der allgemeinen
Verhältnisse im Herkunftsland (BVerwG, 24.11.1992 - 9 C 3.92 -, a. a. O.) nicht
erkennen. Das Bundesamt mag heute die Lage anders beurteilen als 1996. In
einem solchen Fall aber ein Widerrufsverfahren zu betreiben stellt sich dann
lediglich als Versuch dar, eine ehemals als richtig empfundene Entscheidung im
nachhinein zu korrigieren, was aber mit dem Widerrufsverfahren nicht erreicht
werden kann.
Selbst wenn man aber der Beklagten in der Ansicht folgen sollte, die Situation
habe sich im Nordirak seit 1996 grundlegend geändert, könnte die angefochtene
Entscheidung den Widerruf nicht rechtfertigen. Denn vorliegend stände dem Kläger
die Fluchtalternative im Nordirak gar nicht zur Verfügung.
Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist die Schutzlosigkeit des Asylsuchenden.
Schutzlos ist ein politisch Verfolgter nur, solange er anderweitig keinen wirksamen
Schutz genießt. Wer nicht von landesweiter, sondern von nur regionaler politischer
Verfolgung betroffen ist, ist erst dann politisch Verfolgter i. S. d. Art. 16a Abs. 1
GG, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der
Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht
nicht finden kann. Dabei ist eine inländische Fluchtalternative regelmäßig nur bei
einer Drittverfolgung in Betracht zu ziehen, während sie bei unmittelbarer
staatlicher Verfolgung eher die Ausnahme darstellt (BVerfG, 10.11.1989 - 2 BvR
403/84 -). Ist der Asylsuchende von unmittelbarer staatlicher Verfolgung in einem
Teil seines Heimatlandes betroffen, so kann eine inländische Fluchtalternative nur
vorliegen, wenn der Verfolgerstaat "mehrgesichtig" ist, er also Personen, die er in
einem Landesteil selbst aktiv verfolgt, in einem anderen Landesteil unbehelligt
lässt (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315).
Die Zumutbarkeit einer inländischen Fluchtalternative setzt voraus, dass der
Ausländer am Ort der möglichen Fluchtalternative politische
Verfolgungsmaßnahmen nicht begründet befürchten muss. Unabhängig von
politischer Verfolgung drohende Gefährdungen am Ort der inländischen
Fluchtalternative sind grundsätzlich asylirrelevant, es sei denn, der Ausländer
gerät am Ort der inländischen Fluchtalternative in eine wirtschaftliche Notlage, in
der ihm kaum mehr als das zum Leben unbedingt Notwendige gesichert ist
(BVerwG, 06.10.1987 - 9 C 13.87 -, EZAR 203 Nr. 4). Insoweit kommt es darauf an,
ob dem Asylbewerber am Ort einer möglichen Fluchtalternative bei
generalisierender Betrachtung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auf Dauer ein
Leben unter dem Existenzminimum droht, das zu Hunger, Elend und schließlich
zum Tode führt (BVerwG, 16.06.1988 - 9 C 1.88 -, InfAuslR 1989, 107). Nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt die inländische
Fluchtalternative voraus, dass der Asylbewerber in den in Betracht kommenden
Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls auch
dort keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und
Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen
gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht
bestünde (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -; 10.11.1989 - 2 BvR 403/84
u.a. -).
Zu diesen existentiellen Gefährdungen kann vor allem die Unmöglichkeit der
Wahrung eines religiösen oder wirtschaftlichen Existenzminimums gehören. Für die
Feststellung einer existentiellen Gefährdung des Asylbewerbers auch am Ort der
inländischen Fluchtalternative reicht nicht die Möglichkeit einer solchen
Gefährdung aus, sondern es muss mit dem nach dem allgemeinen
Prognosemaßstab für die Nachfluchtgründe notwendigen Überzeugungsgrad
festgestellt werden, dass dem Asylbewerber dort ein Leben unter dem
Existenzminimum droht, das jedenfalls zu einer verfolgungsunabhängigen
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Existenzminimum droht, das jedenfalls zu einer verfolgungsunabhängigen
wirtschaftlichen Verelendung führt (BVerwG, 06.10.1987 - 9 C 13.87 -). Liegt die
Voraussetzung einer existentiellen Gefährdung am Ort der inländischen
Fluchtalternative vor, kommt es nicht mehr darauf an, ob eine staatliche
Verantwortlichkeit für das Fehlen eines wirtschaftlichen oder religiösen
Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative zu bejahen ist
(BVerfG, 30.12.1991 - 2 BvR 406/91 u.a. -).
Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass in einem Teilgebiet des
Verfolgerstaates Bürgerkrieg herrscht und deshalb dort seine Fähigkeit zu
politischer Verfolgung vorläufig und für ungewisse Zeit prinzipiell aufgehoben ist
(BVerwG, 16.02.1993 - 9 C 31.92 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 160;
08.12.1998 - 9 C 17.98 -). Dabei ist zugrunde zu legen, dass die
Maßstabserleichterung für inländische Fluchtalternativen auch demjenigen zugute
kommen soll, der unter dem Druck erlittener oder unmittelbar bevorstehender
politischer Verfolgung nur in eine Bürgerkriegsregion seines Heimatlandes
ausweichen kann. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität des Asylrechts ist es
dem in seinem Heimatstaat Verfolgten allerdings grundsätzlich zuzumuten, in
faktisch verfolgungsfreie Gebiete seines Heimatstaates auszuweichen, bevor er
asylrechtlichen Schutz im Ausland sucht. Dies gilt auch für Regionen, in denen der
(Verfolger-)Staat seine effektive Gebiets- und Verfolgungsmacht, sei es infolge
eines Bürgerkrieges oder sei es etwa wegen des Eingreifens fremder Mächte,
vorübergehend verloren hat. In solchen Gebieten kann der Betroffene auf
absehbare Zeit verfolgungsfrei leben. Er bedarf deshalb des asylrechtlichen
Schutzes vor dem Verfolger im Ausland nicht, ohne dass es insoweit darauf
ankäme, ob am Ort der Fluchtalternative eine andere staatliche oder
staatsähnliche Friedensordnung besteht (BVerwG, 08.12.1998, a.a.O.).
Andererseits kann die Verfolgungssicherheit am Ort der inländischen
Fluchtalternative bei gegen einzelne Personen gerichteten Anschlägen selbst dann
ausgeschlossen sein, wenn der Staat dort vorübergehend seine territoriale
Herrschaftsgewalt eingebüßt hat. Dann kann auch ein entsprechender, gegen
einzelne Personen gerichteter Mordanschlag politische (Einzel-)Verfolgung
darstellen (BVerwG, 08.12.1998, a.a.O., m. w. Nw.).
Daran gemessen kann der Kläger auf eine Fluchtalternative im Nordirak nicht
verwiesen werden.
Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen ergibt sich nämlich eindeutig,
dass aus Zentralirak stammende Personen zuvor eine längere Zeit im Nordirak
gelebt haben müssten, bevor sie dort heute auch nur ansatzweise die Chance
haben könnten, sich ein Leben im Rahmen des Existenzminimums aufzubauen;
bei dieser Beurteilung ist es gleichgültig, ob es sich bei dem Betroffenen um einen
Kurden oder einen anderen Volkszugehörigen handelt, genauso wenig kommt es
darauf an, ob der Betroffene im Grenzgebiet zum kurdischen Autonomiegebiet
gelebt hat oder nicht (vgl. AA, Lagebericht vom 27.01.1999; DOI an VG Koblenz
vom 06.08.1998; UNHCR an VG Augsburg vom 02.12.1996; DOI an VG Gießen
vom 24.01.1996; AA an VG Gießen vom 15.01.1996). Jedenfalls ist es "nicht
realitätsgerecht" zu erwarten, dass ein nicht Stammes- oder Familienangehöriger
innerhalb des Autonomiegebietes versorgt werden könnte (DOI an VG Koblenz a.
a. O.). Die Arbeitslosenquote ist sehr hoch und die Möglichkeiten, Einkünfte zu
erzielen, denkbar schlecht; die Menschen leiden unter den instabilen
Sicherheitslage und der wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit (AA, a. a. O.).
Angesichts dieser Umstände kann der Kläger nicht auf die Fluchtalternative im
Nordirak verwiesen werden. Er hat nie dort gelebt und hat dort auch keine sozialen
Anbindungen, so dass, unabhängig von der schon nach Ansicht des Gerichts
katastrophalen Lage im Nordirak, er kaum die Möglichkeit hätte, dort auch nur das
Nötigste für seine Existenz sicher zu stellen.
Damit ist zugrunde zulegen, dass die Voraussetzungen für den Widerruf des im
übrigen bestandskräftigen Bescheides vom 15.07.1996 nach § 73 AsylVfG nicht
gegeben sind. Aber auch die allgemeinen Regeln des VwVfG können vorliegend
keine Anwendung finden. Unabhängig davon, dass schon zweifelhaft ist, ob § 49
VwVfG neben den speziellen Vorschriften im AsylVfG Anwendung finden kann (vgl.
hierzu Renner, a. a. O., § 73 Rdnr. 3 m. w. Nw., wonach § 73 AsylVfG eine
abschließende Regelung darstellt) lägen auch die Voraussetzungen des § 49 Abs.
1 VwVfG nicht vor, weil keiner der dort aufgezählten Gründe hier einschlägig ist.
Die Entscheidung zu Nr. 2 des Bescheides vom 08.03.1999 war ebenfalls
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Die Entscheidung zu Nr. 2 des Bescheides vom 08.03.1999 war ebenfalls
aufzuheben, weil das Bundesamt zu dieser Entscheidung nicht berufen war (vgl. §§
31 Abs. 3, 32 und 39 AsylVfG).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG, 167
VwGO i. V. m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.