Urteil des VG Gießen vom 07.02.2011

VG Gießen: hessen, versorgung, wiederherstellung, gewerbe, erhaltung, zugang, gefahr, ausnahme, versetzung, aktiven

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Gericht:
VG Gießen 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 L 5858/10.GI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
Art 33 Abs 2 GG
(Kein) Anspruch einer (noch) nicht reaktivierten Beamtin
auf Einbeziehung in Auswahlverfahren
Leitsatz
Eine Ruhestandsbeamtin, die ihre Reaktvierung beantragt hat, ist nicht in ein
Auswahlverfahren zur Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens einzubeziehen,
wenn zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung noch nicht feststeht, ob ihre
Dienstfähigkeit wiederhergestellt ist.
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, der Beigeladenen nicht vor Eintritt der
Rechtskraft dieses Beschlusses den Dienstposten der Dezernatsleiterin/des
Dezernatsleiters 34 - Gewerbe, Einheitlicher Ansprechpartner Hessen – beim
Regierungspräsidium Gießen (kommissarisch) zu übertragen.
3. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.860,76 € festgesetzt.
.
Gründe
Der mit am 28.12.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz von der
Antragstellerin gestellte Antrag,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu
einer neu zu treffenden Auswahlentscheidung zu untersagen, den Dienstposten
der Dezernatsleiterin/des Dezernatsleiters für das Dezernat 34 – Gewerbe,
Einheitlicher Ansprechpartner Hessen – beim Regierungspräsidium Gießen mit der
Beigeladenen zu besetzen,
ist zulässig, jedoch unbegründet.
Gemäß § 123 Abs.1 Satz 1 VwGO darf eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn
die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die
Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert
werden könnte. Der Grund für die vorläufige Eilmaßnahme (Anordnungsgrund) und
der Anspruch, dessen Erhaltung durch die einstweilige Anordnung gesichert
werden soll (Anordnungsanspruch), sind von der Antragstellerin glaubhaft zu
machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO).
Es kann offen bleiben, ob die Antragstellerin einen Anordnungsgrund glaubhaft
gemacht hat. Jedenfalls mangelt es an einem Tatsachenvortrag, aus dem sich der
geltend gemachte Anordnungsanspruch ergibt. Die Auswahlentscheidung zu
Gunsten der Beigeladenen verletzt die Antragstellerin nicht in dem durch Art. 33
Abs. 2 GG, Art. 134 HV eröffneten grundrechtsgleichen Recht auf (chancen-
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Abs. 2 GG, Art. 134 HV eröffneten grundrechtsgleichen Recht auf (chancen-
)gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung,
Befähigung und fachlicher Leistung (vgl. hierzu Hess. VGH, Beschluss vom
26.10.1993 – 1 TG 1585/93 -, DVBl. 1994, 593).
Der Dienstherr ist an den Leistungsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 2 GG gebunden,
wenn er ein Amt im statusrechtlichen Sinne nicht durch Umsetzung oder eine den
Status nicht berührende Versetzung, sondern durch ein Verfahren der
Bestenauslese vergeben will. Er muss Bewerbungen von Beamten und
Beamtinnen um den höherwertigen Dienstposten zulassen und darf das Amt nur
demjenigen/derjenigen Bewerber/Bewerberin übertragen, den/die er aufgrund
eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs als
am Besten geeignet ausgewählt hat. Jeder Bewerber/jede Bewerberin um ein
höherwertiges Amt hat einen Anspruch auf eine nur am Leistungsgrundsatz
orientierte Behandlung der Bewerbung (so genannter
Bewerbungsverfahrensanspruch; vgl. BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 – 2 C 16.09 -,
juris).
Gemessen an diesen Anforderungen ist die durch den vom
Regierungsvizepräsidenten unterzeichneten Auswahlvermerk vom 19.11.2010
getroffene Entscheidung, die Bewerbung der Antragstellerin um die Leitung des
Dezernates 34 nicht zu berücksichtigen, nicht zu beanstanden. Zum Zeitpunkt
dieser Auswahlentscheidung konnte sich die Antragstellerin auf den
Bewerbungsverfahrensanspruch (noch) nicht berufen.
In den Wettbewerb um eine am Leistungsgrundsatz orientierte
Auswahlentscheidung um einen höherwertigen Dienstposten sind nur Bewerber
und Bewerberinnen einzubeziehen, die über die gesundheitliche Eignung zur
Wahrnehmung der auf dem Dienstposten zu erbringenden Aufgaben verfügen.
Dies schließt es aus, eine wie die Antragstellerin wegen Dienstunfähigkeit in den
Ruhestand versetzte Beamtin in ein Personalauswahlverfahren einzubeziehen. In
diesem Fall bedarf es zunächst einer Rückkehr in den aktiven Dienst, um die
Grundvoraussetzungen für einen Anspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG zu erfüllen
(ebenso OVG NRW, Beschluss vom 05.08.2009 – 6 B 1091/09 -, juris).
Zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung war über den Antrag der Antragstellerin
vom 30.07.2010 auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis noch nicht
entschieden. Dem Regierungspräsidium Gießen lag zu diesem Zeitpunkt auch
noch nicht die für die Prüfung der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit
erforderliche Stellungnahme des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales
Gießen vor. Es kann dahinstehen, ob die zur Auswahl befugte Stelle im Einzelfall,
bevor sie eine Auswahlentscheidung trifft, zur Nachfrage beim mit der Prüfung der
Wiederherstellung der Dienstfähigkeit beauftragten Hessischen Amt für
Versorgung und Soziales nach dem Stand des Untersuchungsverfahrens gehalten
ist. Anlass für eine solche Nachfrage bestand hier jedenfalls nicht. Die
Antragstellerin hat in ihrer Bewerbung vom 27.10.2010 ausdrücklich auf die vom
Hessischen Amt für Versorgung und Soziales Gießen im Anschluss an die am
22.10.2010 durchgeführte Untersuchung beabsichtigte Einholung von
fachärztlichen Gutachten hingewiesen. Aufgrund dieses dargestellten
Aufklärungsbedarfs war ein weiteres Zuwarten mit der Auswahlentscheidung auch
im Hinblick auf die lange Vakanz der Besetzung der Dezernatsleitung nicht
geboten.
Der Ausspruch in Nr. 2 des Tenors dient der Klarstellung. Seine Notwendigkeit
ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot (Art. 19 Abs. 4 GG) der
Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom
31.03.1994 – 1 TG 479/94 -, ZBR 1995, 310).
Als unterliegender Teil hat die Antragstellerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die
Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
sind gemäß §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig. Die
Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch nicht einem
Kostenrisiko ausgesetzt.
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus §§ 52 Abs. 1, Abs. 5
Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Auszugehen ist danach von dem 13-
fachen Betrag des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 15 BBesO, die die
Antragstellerin im Falle einer Beförderung erreichen könnte. Dieser Betrag ist zu
halbieren, da das Verfahren die Verleihung eines anderen Amtes betrifft. Der
daraus resultierende Betrag von 34.295,37 € (5.276,21 € x 6,5) ist nach der
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daraus resultierende Betrag von 34.295,37 € (5.276,21 € x 6,5) ist nach der
ständigen Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl.
Beschluss vom 06.04.1995 – 1 TG 431/95 -, HessVGRspr. 1995, 85) in
Konkurrenteneilverfahren zu 3/8 (12.860,76 €) anzusetzen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß §§ 166 VwGO, 114 ff
ZPO mangels hinreichender Erfolgsaussicht des von der Antragstellerin verfolgten
Rechtsschutzbegehrens abzulehnen. Im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit des
Verfahrens nach § 123 VwGO bedurfte es keiner zeitlich vorgelagerten
Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.