Urteil des VG Gießen vom 28.04.2010

VG Gießen: mitgliedschaft, satzung, wasser, stadt, eigentümer, negative feststellungsklage, aufsichtsbehörde, verwaltungsakt, unterhaltung, kreis

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Gericht:
VG Gießen 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 K 1712/09.GI
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 43 VwGO, § 4 WVG, § 23
WVG
Mitgliedschaft in einem Wasser- und Bodenverband
Leitsatz
Ein Mitgliedschaftsverhältnis zu einem Wasser- und Bodenverband wird durch
Verwaltungsakt begründet. Für die Aufnahmeentscheidung ist der Verbandsvorstand
zuständig, der einen förmlichen Beschluss über die Aufnahme treffen muss. Eine
konkludente Entscheidung ist nicht ausreichend.
Tenor
Es wird festgestellt, dass ein Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers zum Beklagten
nicht wirksam begründet worden ist.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann die Vollstreckung
gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht der
Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Mitglied des Beklagten, eines
Wasser- und Bodenverbandes, ist.
Der Beklagte wurde im Jahre 1996 errichtet. Nach § 2 seiner Satzung vom
28.05.1996 (StAnz. S. 1866 ff.) hatte der Beklagte folgende Aufgaben:
„1. Ausbau einschließlich naturnahem Rückbau und Unterhaltung von Gewässern,
2. Bau und Unterhaltung von Anlagen in und an Gewässern,
3. Herstellung und Unterhaltung von ländlichen Wegen und Straßen,
4. Herstellung, Betrieb und Unterhaltung von Gemeinschaftsanlagen im Rahmen
von Flurbereinigungsmaßnahmen und der Dorferneuerung,
5. Beschaffung, Betrieb und Unterhaltung von Maschinen zur überbetrieblichen
Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen der Verbandsmitglieder,
6. Verbesserung landwirtschaftlicher sowie sonstiger Flächen einschließlich der
Regelung des Bodenwasser- und Bodenluftverbandes,
7. Herstellung und Betrieb von Anlagen zur Be- und Entwässerung,
8. Förderung der Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft
und Beratung zur Fortentwicklung von Gewässer-, Boden- und Naturschutz,
9. Vermittlung des überbetrieblichen Arbeitskräfte- und Maschineneinsatzes von
und an Mitglieder zur Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen und zur
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und an Mitglieder zur Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen und zur
Landschaftspflege,
10. Herrichtung und Erhaltung von Flächen, Anlagen und Gewässern zum Schutz
des Naturhaushaltes und des Bodens in Form von Landschaftspflege- und
Kommunalarbeiten durch den Verband oder seine Mitglieder,
11. Betrieb von Kompostierungsanlagen und Verwertung von Bioabfällen und
kommunalen Klärschlämmen sowie die Wiederverwertung von organischen
Reststoffen im Zusammenhang mit der Durchführung von Verbandsaufgaben,
12. Ausbringung von Bioabfall-Komposten und Klärschlämmen aus kommunalen
Abwasserbehandlungsanlagen auf landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte
Flächen,
13. Organisation/Durchführung gemeinschaftlicher Transporte von
landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Betriebsmitteln, Komposten und
Klärschlämmen,
14. Organisation der Vermittlung landwirtschaftlicher Betriebsmittel an Mitglieder,
15. Förderung und Überwachung der vorstehenden Aufgaben.“
Nach § 3 dieser Satzung waren Mitglieder des Verbandes „die jeweiligen
Berechtigten der im Mitgliederverzeichnis aufgeführten Grundstücke und Anlagen
(dingliche Verbandsmitglieder), Personen, denen der Verband im Rahmen seiner
Aufgaben Pflichten abnimmt oder erleichtert, Körperschaften des öffentlichen
Rechts, andere Personen, wenn die nach Landesrecht zuständige Behörde sie
zulässt.“
Unter dem Datum des 03.11.1996 unterzeichnete der Kläger eine sogenannte
Nutzungsverpflichtung für ein Güllefass. Durch diese Erklärung verpflichtete er
sich, ein Güllefass des Beklagten in einem jährlichen Umfang von 90 cbm für die
Dauer von 10 Jahren zu nutzen. Des Weiteren erklärte er, mit seiner Unterschrift
die Satzung der jeweiligen Maschinengemeinschaft anzuerkennen. Wegen der
Einzelheiten der Erklärung wird auf Bl. 7 der Behördenakte des Beigeladenen - A. 1
- Bezug genommen.
Eine mit Schreiben des Beklagten vom 15.05.1997 an den Landrat des Lahn-Dill-
Kreises übersandte Mitgliederliste enthält auch den Namen eines Herrn „A.“ aus
A-Stadt (Bl. 167 d. BA. d. Beigel.).
Unter dem 05.02.1998 unterzeichnete der Kläger eine sogenannte
Nutzungsverpflichtung für eine Scheibenegge, mit der er sich verpflichtete, diese
Maschine des Beklagten in einem jährlichen Umfang von 10 ha zu nutzen. Die
Erklärung hat folgenden weiteren Wortlaut (Bl. 8 der BA des Beigel. - A. 1 -):
„Mit meiner Unterschrift erkenne ich die Satzung des Wasser- und
Bodenverbandes Lahn-Dill und Umgebung und die Maschinensatzung an.
Grundlage der Nutzungsverpflichtung ist die Mitgliedschaft im Wasser- und
Bodenverband Lahn-Dill und Umgebung und im Maschinenring G. e.V. Mit meiner
Unterschrift trete ich den WBV als auch dem MR bei.“
Eine handschriftlich mit Stand: 01/98 versehene Mitgliederliste des Beklagten
enthält unter der Nr. 40040 auch den Namen eines Herrn „A.“ aus A-Stadt (Bl.
177 d. BA. d. Beigel.).
Mit Schreiben vom 06.10.2004 teilte der Kläger dem Beklagten mit, seinen
landwirtschaftlichen Betrieb zum 01.10.2004 verpachtet zu haben und aus diesem
Grund die Mitgliedschaft im Wasser- und Bodenverband zum nächstmöglichen
Termin zu kündigen.
Am 23.07.2007 genehmigte der Beigeladene, vertreten durch das
Regierungspräsidium Gießen, die Satzung des Beklagten vom 02.07.2007, die
dessen Satzung vom 28.05.1996 ersetzte und rückwirkend zum 01.01.2005 in
Kraft trat.
Unter dem 13.09.2007 zog der Beklagte den Kläger zu einem Mitgliedsbeitrag
2007 in Höhe von 372,98 EUR heran (Bl. 11 d. GA im Verfahren 8 K 4434/08.GI).
Am 08.10.2007 teilte der Beklagte dem Kläger ferner mit, der Vorstand des
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Am 08.10.2007 teilte der Beklagte dem Kläger ferner mit, der Vorstand des
Beklagten habe in seiner Sitzung vom 25.09.2007 beschlossen, dem Antrag des
Klägers auf Aufhebung der Mitgliedschaft grundsätzlich stattzugeben.
Voraussetzung hierfür sei aber die Zahlung eines Austrittsentgeltes, das sich im
Falle des Klägers auf 3.478,77 EUR belaufe (Bl. 13 d. BA d. Beigel. - A. 1 -).
Mit Schreiben vom 07.03.2008 legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten
Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 13.09.2007 ein (Bl. 4 d. BA d.
Beigel. - A. 1 -). Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2008 wies der Beigeladene
den Widerspruch des Klägers gegen den Beitragsbescheid vom 13.09.2007 zurück.
Zur Begründung führte er aus, der Widerspruch sei unzulässig, da er nicht
fristgerecht eingereicht worden sei (Bl. 46 ff. d. BA d. Beigel. - A. 1 -). Der
Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 17.10.2008
zugestellt.
Der Kläger hat am 17.11.2008 beim erkennenden Gericht Klage auf Aufhebung
des Beitrags- und des Widerspruchsbescheides erhoben und zudem beantragt
festzustellen, dass er aufgrund seiner Kündigung nicht mehr Mitglied des
Beklagten und dieser deshalb nicht berechtigt sei, von ihm weitere Beiträge zu
fordern (Az.: 8 K 4434/08.GI).
Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor dem Berichterstatter am
26.08.2009 hat das Gericht die Frage erörtert, ob der Kläger rechtswirksam
Mitglied des Beklagten geworden sei. Der Kläger hat in diesem Termin seinen
Feststellungsantrag um das Begehren auf Feststellung erweitert, dass ein
Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers zum Beklagten nicht wirksam begründet
worden sei.
Mit Beschluss vom 26.08.2009 hat die Kammer in dem Verfahren mit dem Az.: 8 K
4434/08.GI das Feststellungsbegehren des Klägers abgetrennt und diese Klage
unter dem vorliegenden Aktenzeichen fortgeführt. Mit weiterem Beschluss von
diesem Tage hat die Kammer das Land Hessen als Träger der Aufsichtsbehörde
des Beklagten zum Verfahren beigeladen.
Der Kläger trägt vor, der Beklagte verschicke in rechtswidriger Weise
Beitragsbescheide für längst bezahlte Artikel und lege in diesen Bescheiden
Flächen zugrunde, die er, der Kläger, seit Ewigkeiten nicht mehr besitze. Wegen
der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze des
Klägerbevollmächtigten vom 17.11.2008, 24.07.2009 und 25.01.2010 Bezug
genommen.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass ein Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers zum Beklagten
nicht wirksam begründet worden ist,
hilfsweise festzustellen,
dass der Kläger aufgrund seiner Kündigung des Mitgliedschaftsverhältnisses nicht
mehr Mitglied der Beklagten ist und der Beklagte auch nicht berechtigt ist, von
dem Kläger weitere Beiträge zu fordern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der Kläger nach wie vor Mitglied sei. Er, der Beklagte, habe
seine Mitglieder nicht im Wege einer „Pflichtmitgliedschaft“ rekrutiert. Zu seinen
Aufgaben gehöre „die Beschaffung und der Betrieb von Maschinen zur
überbetrieblichen Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen der
Verbandsmitglieder“ und „die Vermittlung von Maschinen von und an
Verbandsmitglieder“ zu den vorgenannten Zwecken. Mit diesen Aufgaben sei der
Zugangskreis für potentielle Mitglieder erweitert worden. Gerade die
Aufsichtsbehörde habe bei der Gründung des Verbandes darauf hingewirkt, dass
er, der Beklagte, einen großen Kreis von Landwirten aufnehmen könne. Der
potentielle Mitgliederkreis sei ausdrücklich auf jeden Landwirt erstreckt worden, der
ihm, dem Beklagten, habe beitreten wollen. Der Kläger sei von sich aus mit der
Bitte um Mitgliedschaft an ihn herangetreten. Mit der unterzeichneten
Nutzungsverpflichtung habe dieser die Mitgliedschaft beantragt und anerkannt.
Die Aufnahme des Klägers sei durch Verwaltungsakt erfolgt. Eine möglicherweise
fehlende Zustimmung der Aufsichtsbehörde mache diesen Verwaltungsakt nicht
unwirksam. Lediglich ein nichtiger Verwaltungsakt sei unwirksam. Der Kläger sei
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unwirksam. Lediglich ein nichtiger Verwaltungsakt sei unwirksam. Der Kläger sei
Eigentümer einer landwirtschaftlichen Fläche (Flur 1, Flurstück 2/3) in der Stadt A-
Stadt. Diese Fläche liege in seinem, des Beklagten, Verbandsgebiet, woraus sich
eine dingliche Mitgliedschaft des Klägers ergebe.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Auch er ist der Auffassung, der Kläger sei dingliches Mitglied des Beklagten. Der
Kläger sei Eigentümer einer dem Beklagten gemeldeten landwirtschaftlichen
Nutzfläche. Als solcher sei er freiwillig in den Verband eingetreten und durch
entsprechende schriftliche Erklärung vom 05.02.1998 Mitglied geworden. Seine
Mitgliedschaft habe keiner Zulassung durch die Aufsichtsbehörde bedurft.
Hinsichtlich näherer Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz des
Beigeladenen vom 22.09.2009 Bezug genommen.
Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten in diesem und in den Verfahren mit den Az.: 8 K 4434/08.GI und
8 K 48/09.GI Bezug genommen. Diese Akten sind ebenso wie die beigezogenen
Behördenakten des Beigeladenen (2 Ordner und 1 Hefter) Gegenstand der
Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage auf Feststellung der Nichtmitgliedschaft ist als negative
Feststellungsklage statthaft (vgl. § 43 Abs. 1 VwGO). Der mit gegenseitigen
Rechten und Pflichten ausgestattete Status der Mitgliedschaft in einer öffentlich-
rechtlichen Körperschaft begründet, wie das Bundesverwaltungsgericht
insbesondere für die Zugehörigkeit zu einem Wasserverband entschieden hat
(BVerwG, U. v. 19.10.1966 - IV C 222.65 - BVerwGE 25, 151, 156), ein
Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann. Der
Zulässigkeit dieser Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger auch unmittelbar
gegen die Beitragsbescheide des Beklagten klagen kann. Denn diese
Klagemöglichkeit, die der Kläger zudem ergriffen hat, führt zu keinem
gleichwertigen Rechtsschutz. Die Mitgliedschaft ist hinsichtlich des Beitrages nur
eine Vorfrage, während das Statusverhältnis zum Beklagten vorliegend umfassend
in Abrede gestellt wird und unmittelbar Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung
ist.
Die zulässige Klage ist auch begründet. Ein Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers
zum Beklagten ist nicht wirksam begründet worden. Der Kläger ist weder infolge
der von ihm im Jahr 1996 eingegangenen Nutzungsverpflichtung für ein Güllefass
noch infolge der von ihm im Jahr 1998 unterzeichneten Nutzungsverpflichtung für
eine Scheibenegge, mit der er zugleich erklärte, dem Beklagten beizutreten,
Mitglied des Beklagten geworden. Ein solches Mitgliedschaftsverhältnis ist auch
nicht durch das Führen des Klägers in einer Mitgliederliste des Beklagten oder
durch das Zahlen von Beiträgen durch den Kläger an den Beklagten entstanden.
Schließlich begründet auch die Tatsache, dass der Kläger Eigentümer einer
landwirtschaftlichen Fläche in der Stadt A-Stadt ist, kein Mitgliedschaftsverhältnis
zum Beklagten.
An der Gründung des Beklagten im Jahr 1996 war der Kläger nicht beteiligt. Dies ist
zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Kläger ist aber auch nicht nach Gründung
des Beklagten dessen Mitglied geworden.
Eine Aufnahme des Klägers bei dem Beklagten ist nur nach Maßgabe des § 23
Abs. 1 WVG möglich. Hiernach hat Anspruch auf Aufnahme als Verbandsmitglied in
einen bestehenden Verband, wer einen Vorteil aus der Durchführung der
Verbandsaufgaben zu erwarten oder wer Maßnahmen des Verbandes zu dulden
hat. Dem Anspruch auf Aufnahme entspricht eine verbandsseitige Verpflichtung
zur Aufnahme (Rapsch, Wasserverbandsrecht, 1993, Rdnr. 152).
Die Aufnahme ergeht im Einzelfall durch Verwaltungsakt und begründet
unmittelbar die Mitgliedschaft (vgl. Löwer, in Achterberg/Püttner/Würtenberger,
Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2000, § 12, Wasserbandsrecht,
Rdnr.86). Zuständig für die Entscheidung über die Aufnahme ist der
Verbandsvorstand (§ 23 Abs. 1 S. 2 WVG); die Verbandsversammlung ist zuvor
anzuhören <§ 25 Abs. 1 lit. a) WVG>.
Ein Aufnahmeersuchen des Klägers im Sinne des § 23 Abs. 1 WVG, das zur
Begründung eines Mitgliedschaftsverhältnisses geführt haben könnte, kann nur in
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Begründung eines Mitgliedschaftsverhältnisses geführt haben könnte, kann nur in
der vom Kläger unter dem 05.02.1998 gezeichneten Erklärung, er trete dem
Beklagten bei, gesehen werden, auf die auch der Beigeladene maßgeblich abstellt
(Bl. 5 der GA). Die vom Kläger im Jahr zuvor unterzeichnete Nutzungsverpflichtung
für ein Güllefass enthält keinen Hinweis auf die Beantragung einer Mitgliedschaft
bei dem Beklagten, sondern hiermit wurde nur erklärt, die Satzung einer
Maschinengemeinschaft anzuerkennen.
Ein förmlicher Bescheid des Beklagten über eine Aufnahme des Klägers existiert
nicht; ebenso wenig sind Unterlagen über ein (förmliches) Aufnahmeverfahren
vorhanden. Der Beklagte wie auch der Beigeladene sind allerdings der Auffassung,
ein Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers sei durch (konkludent ergangenen)
Verwaltungsakt begründet worden (Bl. 35 der GA im Verfahren 8 K 4434/08) und
der Kläger sei dingliches Mitglied beim Beklagten (Bl. 59 der GA im Verfahren 8 K
4434/08, Bl. 5 der GA). Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Das gesetzlich ausgestaltete Aufnahmeverfahren verlangt für die Begründung
eines Mitgliedschaftsverhältnisses zwingend einen dahingehenden
Vorstandsbeschluss. Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass der Vorstand
des Beklagten jemals einen Beschluss über eine Aufnahme des Klägers getroffen
hat. Im Jahr 1998 galt die Satzung des Beklagten vom 28.05.1996 (StAnz. 1996, S.
1866 ff.). Nach § 16 Nr. 5 dieser Satzung waren Beschlüsse des Vorstandes in der
Niederschrift festzuhalten; eine Niederschrift, die einen solchen Beschluss
dokumentierte, ist nicht vorhanden. Es gibt auch keine sonstigen Hinweise, dass
ein derartiger Beschluss gefasst worden ist.
Der Beschluss über eine Aufnahme kann auch nicht durch ein anderes Handeln
des Beklagten – vorliegend z.B. das Erheben von Beiträgen bei dem Kläger –
ersetzt werden. Die Aufnahme in einen Wasser- und Bodenverband ist mit
weitreichenden Konsequenzen für das künftige Mitglied verbunden, insbesondere
hinsichtlich dessen Haftung. Bei einer Entscheidung über die Aufnahme in einen
bestehenden Wasser- und Bodenverband ist vom dafür zuständigen
Verbandsvorstand deshalb sorgfältig zu prüfen, ob die gesetzlichen
Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllt sind, zumal die staatliche
Aufsichtsbehörde in einem solchen Aufnahmeverfahren regelmäßig nicht zu
beteiligen ist. Diese notwendige Prüfung ist mit dem Beschluss über die Aufnahme
vorzunehmen und ihm vorbehalten, weshalb es ausgeschlossen ist, einen
förmlichen Aufnahmebeschluss für entbehrlich zu erachten. Das ergibt sich aus
dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 2 WVG, wonach dem Vorstand die
Entscheidungsbefugnis über die Aufnahme neuer Mitglieder zugewiesen ist.
Der Kläger konnte zudem aus materiellen Gründen nicht Mitglied des Beklagten
werden. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft lagen bei
ihm nicht vor.
Die Vorschrift des § 4 WVG nennt die generellen Voraussetzungen der
Verbandsmitgliedschaft. Mögliche Verbandsmitglieder sind hiernach
1. die dinglichen Verbandsmitglieder (jeweiligen Eigentümer von Grundstücken
oder Anlagen),
2. Personen, denen der Verband im Rahmen seiner Aufgaben Pflichten abnimmt
oder erleichtert,
3. Körperschaften des öffentlichen Rechts,
4. andere Personen, wenn die nach Landesrecht zuständige Aufsichtsbehörde sie
zulässt, und schließlich
5. der Träger der Baulast einer Verkehrsanlage, der nicht unter 1. fällt (vgl. § 4
Abs. 1 WVG).
Der Kläger ist kein dingliches Verbandsmitglied. Denn er ist nicht Eigentümer eines
am Beklagten „beteiligten Grundstücks“ (vgl. Rapsch, a.a.O., Rdnr. 138). Für eine
dingliche Mitgliedschaft ist es unerlässlich, dass das Grundstück, das die
Mitgliedschaft vermittelt, exakt erfasst und nachweisbar ist. Diese Trennung von
Mitgliedschaft und Rechtssubjekt trägt dem Umstand Rechnung, dass Wasser- und
Bodenverbände ihre Aufgaben faktisch gegenüber bestimmten Grundstücken
erfüllen und nicht gegenüber einem bestimmten Eigentümer persönlich (vgl.
Rapsch, a.a.O.,). Der "jeweilige Eigentümer" ist so gesehen zweitrangig.
Nach § 3 Nr. 1 der Satzung des Beklagten vom 28.05.1996 sind dessen dingliche
Mitglieder die jeweiligen Berechtigten der im Mitgliederverzeichnis aufgeführten
Grundstücke und Anlagen (§ 3 Nr. 1 der Satzung). Ein solches Verzeichnis von
Grundstücken, an denen eine Realmitgliedschaft anknüpft, hat der Beklagte aber
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Grundstücken, an denen eine Realmitgliedschaft anknüpft, hat der Beklagte aber
nicht geführt. Weder bei der Gründung des Beklagten noch später, als weitere
Personen um Aufnahme nachsuchten, ist ein Verzeichnis von den am Beklagten
beteiligten Grundstücken erstellt bzw. erweitert worden. Bezeichnenderweise hat
der Kläger auch nicht wegen eines oder mit einem (oder mehreren) Grundstücken,
dessen oder deren Eigentümer er ist, um eine Mitgliedschaft bei dem Beklagten
nachgesucht, sondern ausschließlich mit einer Meldung und Verpflichtung zu einer
persönlichen landwirtschaftlichen Maschinen(mitbe)nutzung. Allein die Tatsache,
dass der Kläger Eigentümer eines in der Gemarkung der Stadt A-Stadt gelegenen
landwirtschaftlichen Grundstücks ist, vermag ebenfalls nicht eine dingliche
Mitgliedschaft zu begründen. Denn dieses 1890 qm große Grundstück (vgl. Bl. 61-
64 der GA im Verfahren 8 K 4434/08) kann vom Beklagten nicht zur Beteiligung an
ihm beansprucht werden. Die Gemarkung der Stadt A-Stadt ist weder im Lahn-Dill-
Kreis gelegen, noch grenzt diese an den Lahn-Dill-Kreis an. Außerhalb seines
Verbandsgebietes Lahn-Dill-Kreis sowie Umgebung (vgl. § 1 Nr. 4 der Satzung vom
28.05.1996, a.a.O., und § 1 Abs. 4 der Satzung vom 02.07.2007, StAnz. 2007, S.
1575 ff.) ist es dem Beklagten jedoch nicht möglich, dingliche
Verbandsmitgliedschaften zu begründen.
Rechtlich unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die ab 01.01.2005
geltende Satzung des Beklagten vom 02.07.2007 (a.a.O.) die dinglichen Mitglieder
nunmehr als die jeweiligen Eigentümer und Erbbauberechtigten der dem
Beklagten gemeldeten oder in einem Verzeichnis geführten landwirtschaftlichen
Nutzflächen und Anlagen versteht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1a der Satzung). Denn zum
einen ist hiermit eine wesentliche inhaltliche Änderung im Vergleich zur
Vorgängerregelung nicht verbunden und zum anderen lag zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens dieser Satzungsbestimmung ein Aufnahmeersuchen des Klägers
nicht mehr vor; dieser hatte vielmehr "die Kündigung" seiner Mitgliedschaft mit
Schreiben vom 06.10.2004 erklärt.
Aufgaben oder Pflichten des Klägers hat der Beklagte diesem nicht abgenommen,
sodass der Kläger auch unter diesem Aspekt nicht Mitglied des Beklagten
geworden ist (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WVG).
Der Kläger konnte ferner auch nicht als "andere Person" gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4
WVG Mitglied des Beklagten werden. Denn der Kläger ist nicht als solche "andere
Person" von dem Beigeladenen zur Mitgliedschaft bei dem Beklagten zugelassen
worden. Die Zulassung einer anderen Person als Mitglied in einem Wasser- und
Bodenverband ist nicht - wie der Beklagte meint (Bl. 36 der GA im Verfahren 8 K
4434/08) - lediglich eine interne Mitwirkungshandlung der staatlichen
Aufsichtsbehörde im Aufnahmeverfahren, die vorliegend konkludent erfolgt sein
könnte, sondern ein selbständiger Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde, der einer
Aufnahme vorgelagert sein muss (vgl. Hess.VGH, U. v. 30.01.2009 - 7 A 1864/08 -,
LKRZ 2009, 217, 220). Ohne vorherige Zulassung durch den Beigeladenen konnte
der Kläger insoweit deshalb nicht Mitglied werden. Eine erst jetzt erfolgende,
nachträgliche Zulassung zur Mitgliedschaft ist - entgegen der Auffassung des
Beklagten und des Beigeladenen - nicht mehr möglich. Sie scheitert bereits daran,
dass der Kläger nicht mehr um Aufnahme nachsucht und ein
Mitgliedschaftsverhältnis mit Rückwirkung nicht begründet zu werden vermag.
Schließlich vermag auch die Tatsache, dass der Kläger, wenn auch mit fehlerhaft
geschriebenem Namen und bereits bevor dieser einen Aufnahmeantrag stellte,
seit 1997 in einem Mitgliederverzeichnis des Beklagten geführt wird, keine
Mitgliedschaft des Klägers beim Beklagten zu belegen. Denn das bloße Aufführen
in einem Mitgliederverzeichnis ist für ein Mitgliedschaftsverhältnis nicht konstitutiv
(Rapsch, a.a.O., Rdnr. 150).
Nach alledem bleibt festzuhalten, dass eine Mitgliedschaft des Klägers beim
Beklagten rechtswirksam nicht begründet worden ist, obwohl die Beteiligten selbst
jahrelang vom Bestehen einer solchen Mitgliedschaft ausgegangen sind.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen,
da er unterlegen ist. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht
erstattungsfähig (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen
(§ 124 a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 10.000,-- festgesetzt.
Gründe
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.