Urteil des VG Gießen vom 13.03.2001

VG Gießen: politische verfolgung, bundesamt, kosovo, rücknahme, widerruf, anerkennung, anfechtungsklage, verwaltungsakt, rechtsgrundlage, provinz

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Gericht:
VG Gießen 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 E 33226/96
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 48 VwVfG
(Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes ohne
Rechtsgrundlage)
Tatbestand
Der Kläger zu 1) wurde am .... 1957 in dem Ort L. in der Gemeinde Podujevo in der
jugoslawischen Provinz Kosovo geboren; sein jugoslawischer Personalausweis
wurde im Dezember 1993 in der Stadt Urosevac in der Provinz Kosovo ausgestellt.
Die Klägerin zu 2), seine Ehefrau, wurde am .... 1959 in der Gemeinde Podujevo
geboren; ihr jugoslawischer Personalausweis wurde dort im Mai 1994 ausgestellt.
Die Kläger zu 3) bis 5) sind die Kinder der beiden Eheleute. Der Kläger zu 3) wurde
am 03.05.1986, der Kläger zu 4) am 14.05.1987 und die Klägerin zu 5) am ....
1984 in dem Ort L. in der Gemeinde Podujevo geboren.
Am 09.09.1996 meldeten sich die Kläger als Asylsuchende und am 16.09.1996
stellten sie förmlich Anträge auf Asyl. Als Staatsangehörigkeit gaben sie
Jugoslawien an, als Volkszugehörigkeit Albaner und als Religion Moslems. Als
Sprache gaben sie albanisch an. Am 17.09.1996 wurden die Eheleute angehört.
Sie sagten, dass sie in einem Kleinbus gekommen seien. Sie seien am 04.09.1996
abgefahren und am 06.09.1996 in Deutschland angekommen. Über welche Länder
sie gefahren seien, dass wüssten sie nicht. Der Kläger zu 1) sagte, er sei bis 1987
Polizist gewesen und habe dann nach seiner Entlassung aus dem Polizeidienst zu
Hause einen Lebensmittelladen geführt. Er sei in der Unabhängigen Gewerkschaft
der Polizei gewesen. Die Polizei habe ihn deshalb im Jahre 1994 zweimal für
mehrere Stunden festgenommen und geschlagen. Im Jahre 1995 habe die Polizei
sein Haus nach Waffen durchsucht. Er selbst sei nicht da gewesen. Die Polizisten
hätten seine Kinder malträtiert und einem seiner Söhne einen Arm gebrochen. Im
August 1996 sei in seinem Dorf ein albanischer Inspekteur erschossen worden. Die
Polizei habe ein paar Leute vernommen und ihnen gesagt, dass er sich bei der
Polizei melden müsse. Am 31.08.1996 sei die Polizei gekommen und habe sein
Haus durchsucht; seine Mutter, die krank war, sei damals allein zu Hause
gewesen.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge traf in dem
Asylverfahren der fünf Kläger mit Bescheid vom 18.09.1996 die Entscheidung,
dass
1. die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt werden und
2. die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Jugoslawien (Rest)
vorliegen.
Der Bescheid wurde dem Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten am
30.09.1996 zugestellt und den Klägern in der Erstaufnahmeeinrichtung ebenfalls
am 30.09.1996 zugestellt.
Mit Bescheid vom 01.10.1996 traf das Bundesamt in dem Asylverfahren der fünf
Kläger folgende Entscheidung:
1. Der Bescheid vom 18.09.1996 wird aufgehoben.
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2. Die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte werden abgelehnt.
3. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes liegen hinsichtlich
Jugoslawien (Rest) vor.
In der Begründung des Bescheides vom 01.10.1996 heißt es, der Bescheid vom
18.09.1996 sei aus Gründen der Rechtsklarheit aufzuheben gewesen, da er in der
Begründung Schreibfehler enthalten habe, die nicht auf andere Weise als durch
Aufhebung des Bescheides beseitigt werden konnten.
Der Bescheid vom 01.10.1996 wurde den Klägern am 01.10.1996 und dem
Bundesbeauftragten nach dessen Angaben am 04.10.1996 zugestellt.
Am 09.10.1996 erhob der Bundesbeauftragte Anfechtungsklage mit dem Antrag,
den Bescheid des Bundesamtes vom 18.09.1996 aufzuheben, soweit den
Antragstellern zu 2) bis 5) Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG gewährt
worden ist (VG Gießen 9 E 33225/96.A).
Der Bundesbeauftragte brachte vor, anders als der Kläger zu 1), der ehemaliger
albanische Polizist sei, seien dessen Frau und Kinder nicht von asylrechtlich
erheblichen Verfolgungsmaßnahmen bedroht.
Am 10.10.1996 haben die anwaltlich vertretenen Kläger die vorliegende Klage
erhoben und geltend gemacht, dass sie als Kosovo-Albaner politisch verfolgt sind.
Am 14.10.1996 erhob der Bundesbeauftragte Anfechtungsklage mit dem Antrag,
den Bescheid des Bundesamtes vom 01.10.1996 aufzuheben, soweit den Klägern
zu 2) bis 5) Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG gewährt worden ist.
Diese Klage ist bei dem Verwaltungsgericht Gießen unter dem Aktenzeichen 9 E
33302/96.A anhängig.
Im vorliegenden Klageverfahren ist mit Klägerschriftsatz vom 09.03.2001
vorgebracht worden, dass die Kläger als Asylrückkehrer im Kosovo mit massiven
Angriffen radikaler albanischer Zivilbevölkerung rechnen müssen. Ihr Haus sei im
Krieg zerstört worden und nicht wiederaufgebaut. Sie hätten keine Verwandten im
Kosovo, bei denen sie unterkommen könnten. In jedem Fall würden
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger vorgebracht, in ihrer
Heimatgemeinde gebe es weiterhin sehr große Probleme und auch bewaffnete
Auseinandersetzungen zwischen Serben und Albanern.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 01.10.1996 aufzuheben, soweit der Bescheid die
Kläger beschwert, und die Beklagte zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte
im Sinne des Artikel 16a Grundgesetz anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 14.02.2001 den Rechtsstreit nach § 76
AsylVfG dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Im Übrigen wird auf die
Verhandlungsniederschrift vom 13.03.2001 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Gegenstand der Klage ist nicht ein Begehren auf
Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Zwar hat der zweite
Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 09.03.2001 erstmals
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG geltend gemacht. Dieses Vorbringen ist
aber aus gutem Grund nicht mit einem Antrag zum Gegenstand des
Klagebegehrens gemacht worden; denn das Bundesamt hat mit dem Bescheid
vom 01.10.1996 gemäß § 31 Abs. 3 AuslG keine Feststellung zu
Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG getroffen, da mit dem Bescheid das
Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt wird. Anders als
der aufgehobene Bescheid vom 18.09.1996, der in seinen Gründen allgemeine
Textbausteine zu § 53 AuslG enthält, sagt der ersetzende Bescheid vom
01.10.1996 auch in seiner Begründung nichts zu Abschiebungshindernissen.
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Die Kläger werden durch den Bescheid vom 01.10.1996 rechtlich nicht nur dadurch
beschwert, dass dieser Bescheid erneut die Anträge auf Anerkennung als
Asylberechtigte ablehnt, sondern auch dadurch, dass der Bescheid mit der
Aufhebung des Bescheides vom 18.09.1996 die von jenem Bescheid zu § 51 Abs.
1 AuslG getroffene begünstigende Regelung aufhebt. Diese Beschwer der Kläger
ist nicht im Hinblick darauf zu verneinen, dass der Bescheid vom 01.10.1996 den
Bescheid vom 18.09.1996 mit gleichen Regelungsanordnungen ersetzt; denn die
mit dem Bescheid vom 01.10.1996 getroffenen Regelungen können von dem
Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gemäß § 6 Abs. 2 AsylVfG befugt
angefochten werden und der Bundesbeauftragte hat gegen die mit dem Bescheid
vom 01.10.1996 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.
1 AuslG vorliegen, Anfechtungsklage erhoben (VG Gießen 9 E 33302/96.A).
Die Beschwer der Kläger, dass mit dem Bescheid vom 01.10.1996 die mit dem
Bescheid vom 18.09.1996 getroffene Feststellung zum Vorliegen der
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG aufgehoben wird, ist nicht dadurch
entfallen, dass das Gericht in dem Verfahren 9 E 33225/96.A mit Urteil vom
13.03.2001 den Bescheid vom 18.09.1996 insoweit aufgehoben hat, als dieser
Bescheid für die Kläger zu 2 bis 5 das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG bezüglich Jugoslawien feststellt. Das Urteil in dem Verfahren 9 E
33225/96.A und dieses Urteil hier im vorliegenden Verfahren 9 E 33226/96.A sind
aufgrund gemeinsamer mündlicher Verhandlung vom 13.03.2001 ergangen und
nach § 77 AsylVfG hat das Gericht bei seiner Entscheidung auf die Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt dieser letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Das
auf die Anfechtungsklage des Bundesbeauftragten hin ergangene Urteil in dem
Verfahren 9 E 33225/96 ist dann zwar vor dem Urteil im vorliegenden Verfahren
verkündet worden, doch hat das Urteil keine Rechtskraft gehabt und somit noch
keine Gestaltungswirkung entfaltet, als unmittelbar nach seiner Verkündung dieses
Urteil hier im Verfahren 9 E 33226/96.A verkündet worden ist.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Bescheid vom 01.10.1996 ist
rechtswidrig und die Kläger sind dadurch in ihren Rechten verletzt, soweit der
Bescheid die mit dem Bescheid vom 18.09.1996 zu Nr. 2 getroffene Regelung
aufhebt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Jugoslawien
vorliegen (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Die Aufhebung des die Kläger begünstigenden Bescheides vom 18.09.1996 ist
ohne erforderliche gesetzliche Grundlage verfügt. In der Begründung des
Bescheides vom 01.10.1996 heißt es zu der Aufhebung lediglich, der Bescheid
vom 18.09.1996 sei aus Gründen der Rechtsklarheit aufzuheben gewesen, da er in
der Begründung Schreibfehler enthalten habe, die nicht auf andere Weise als
durch Aufhebung des Bescheides hätten beseitigt werden können. Die Aufhebung
eines begünstigenden Bescheides kann indessen nur als Rücknahme oder Widerruf
unter den für diese Verwaltungsakte bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen
rechtmäßig sein. Nach dem erklärten Inhalt des Bescheides vom 01.10.1996 hat
das Bundesamt den mit einer fehlerhaften Begründung versehenen Bescheid vom
18.09.1996 als Geltungsgrund der getroffenen asylrechtlichen
Regelungsanordnungen ganz aufgehoben und an dessen Stelle den Bescheid vom
01.10.1996 als neuen Geltungsgrund mit neuen gleichen Regelungsanordnungen
gesetzt.
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 73 AsylVfG liegen offensichtlich
nicht vor. Die Aufhebung des begünstigenden Bescheides ist auch nicht als eine
im Ermessen des Bundesamtes stehende Rücknahme nach § 48 VwVfG
berechtigt, sondern rechtswidrig. Eine Rücknahme setzt voraus, dass der
zurückgenommene Bescheid rechtswidrig ist. Der Bescheid vom 18.09.1996 ist
mit seiner zu § 51 Abs. 1 AuslG getroffenen Regelung jedenfalls dann im Sinne des
§ 48 VwVfG rechtswidrig, wenn für die Kläger die Voraussetzungen eines
Abschiebungsverbotes nach Jugoslawien gemäß § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen
und bereits bei Erlass der Bescheide vom 18.09.1996 und vom 01.10.1996 nicht
vorlagen. Ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorlagen und vorliegen,
kann aber hier dahingestellt bleiben. Die Rücknahme nach § 48 VwVfG ist kein
gebundener Verwaltungsakt, sondern steht im Ermessen der Behörde. Das
Bundesamt hat die Aufhebung des Bescheides vom 18.09.1996 offensichtlich nicht
deshalb erklärt, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht gegeben
seien; denn das Bundesamt hat gleichzeitig mit der Aufhebung erneut
entschieden, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich
Jugoslawien vorliegen. Die Aufhebung des Bescheides ist als Ermessensakt gemäß
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Jugoslawien vorliegen. Die Aufhebung des Bescheides ist als Ermessensakt gemäß
§ 48 Abs. 1 VwVfG nur dann rechtmäßig, wenn die in den Gründen des
aufhebenden Bescheides vom 1. 10. 1996 angesprochenen Fehler in der
Begründung des Bescheides vom 18.9.1996 diesen mit der zu § 51 Abs. 1
getroffenen Feststellung rechtswidrig machten. Das ist nach Auffassung des
Gerichts zu verneinen. Bei der Entscheidung des Bundesamtes gemäß § 31 Abs.2
AsylVfG über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG handelt es
sich nicht um einen Verwaltungsakt, der im Ermessen des Bundesamtes steht.
Fehler in der Begründung dieser rechtlich gebundenen Entscheidung sind daher an
sich unerheblich und können im vorliegenden Fall nur dann eine erhebliche
Rechtswidrigkeit ergeben, wenn sie dazu führen, dass der Bescheid nicht gemäß §
37 Abs. 1 VwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt ist. Inhaltlich nicht hinreichend
bestimmt ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG dann, wenn seine
Regelungsanordnungen nicht klar genug sind. Die mit dem Bescheid vom
18.9.1996 verfügten Regelungen sind inhaltlich klar bestimmt.
Im Übrigen entsprechen in der Begründung alle Sätze, die in ihren Formulierungen
einen ausdrücklichen Bezug auf den von den Antragstellern vorgebrachten
Lebenssachverhalt haben oder sich ausdrücklich auf die Antragsteller zu 1) bis 5)
oder auf Jugoslawien beziehen, völlig dem Tenor des Bescheides. Die Begründung
des neuen Bescheides vom 01.10.1996 gibt demgemäß alle diese Sätze
unverändert wieder, ergänzt um einige passende allgemeine Textbausteine.
In der Begründung des Bescheides vom 18.09.1996 machen die unrichtigen oder
unpassenden allgemeinen Textbausteine ihrem Umfang nach ungefähr die Hälfte
der Begründung aus, und zu der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs.
1 AuslG enthält die Begründung vor und nach einer eingehenden und die
getroffene Entscheidung schlüssig begründenden Würdigung des konkreten
Verfolgungsschicksals der Kläger ein Gemenge sich widersprechender allgemeiner
Formulierungen, zum Beispiel dass diese Voraussetzungen in den vorliegenden
Fällen nicht erfüllt sind, dass dem Antrag auf Feststellung der Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 AuslG entsprochen wird und dass nach alledem die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen. Bei der Menge und dem
Durcheinander offenbar falsch eingesetzter allgemeiner Textbausteine wäre es
wohl untunlich gewesen, die Fehler in der Begründung des Bescheides durch
Einzelkorrekturen gemäß § 42 VwVfG beheben zu wollen. Als sachgerechte
Lösung, um eine klare und in sich stimmige Begründung der getroffenen
Entscheidungen zu bieten, kam vielmehr eine Neufassung der Begründung in
Betracht, welche die unrichtigen allgemeinen Textbausteine nicht mehr enthält. Mit
dem neuen Bescheid vom 01.10.1996 hat das Bundesamt eine solche
Begründung gegeben. Das Bundesamt hat jedoch das Kind mit dem Bade
ausgeschüttet, als es mit dem neuen Bescheid den alten Bescheid vom
18.09.1996 insgesamt aufhob und damit rechtswidrig auch dessen zu § 51 Abs. 1
AuslG getroffene Entscheidung. Die fehlerhafte Begründung des Bescheides vom
18.09.1996 hätte ohne Aufhebung der Geltung dieses Regelungsbescheides
ersetzt werden können durch eine Neufassung der Begründung mit einem lediglich
die Begründung betreffenden Verwaltungsakt oder aufgrund § 42 VwVfG mit einer
bloßen Bekanntgabe der Neufassung.
Die mit dem Bescheid vom 01.10.1996 verfügte Aufhebung des Bescheides vom
18.09.1996 ist auch nicht als Widerruf rechtmäßig. Der Bescheid vom 01.10.1996
enthält keinen Widerruf im Sinne des § 73 AsylVfG. Nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ist die
Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen,
unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr
vorliegen. Nach der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte liegen für die
Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht mehr vor, da ihnen in
ihrer jugoslawischen Heimatprovinz Kosovo seit Juni 1999 keine politische
Verfolgung mehr droht. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts
(Einzelrichter) gehört die Provinz Kosovo nicht mehr zum staatlichen Hoheitsgebiet
der Bundesrepublik Jugoslawien (vgl. Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht 10.
Aufl. 2000, § 59 S. 205-208, S. 352 Rz. 1783q) und könnten somit die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Jugoslawien weiterhin bejaht
werden. Indessen braucht auf die Frage, ob die rechtlichen Voraussetzungen für
einen Widerruf im vorliegenden Fall erfüllt sind, mangels eines erklärten Widerrufs
nicht eingegangen zu werden. Nach den Regelungs- und Willenserklärungen des
angefochtenen Bescheides ist es offensichtlich, dass das Bundesamt mit dem
angefochtenen Bescheid die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.
1 AuslG vorliegen, nicht widerrufen wollte und nicht widerrufen hat, sondern im
Gegenteil mit dem neuen Bescheid dieser Feststellung erneut mit einer nunmehr
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Gegenteil mit dem neuen Bescheid dieser Feststellung erneut mit einer nunmehr
fehlerfreien Begründung Geltung verschaffen wollte.
Bereits aus diesem Grund ist die verfügte Aufhebung des Bescheides auch nicht
als Widerruf nach § 49 VwVfG näher in Betracht zu ziehen.
Dass noch eine andere Rechtsgrundlage für die angefochtene Aufhebung des
Bescheides vom 18.09.1996 in Betracht kommen könnte, ist nicht ersichtlich.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Bescheid vom 01.10.1996 lehnt zu
Recht die Anträge der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte ab (§ 113 Abs.
1,5 VwGO); denn die Kläger sind im September 1996 auf dem Landweg und damit
gemäß § 26a AsylVfG aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist.
Nach der für die gerichtliche Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage
der letzten mündlichen Verhandlung sind die Kläger zudem auch deshalb nicht als
Asylberechtigte im Sinne des Art. 16a Grundgesetz anzuerkennen, weil ihnen in
ihrer Heimatprovinz Kosovo, die seit Juni 1999 aus der Gebietshoheit des
jugoslawischen und serbischen Staates ausgegliedert und einer umfassenden
Gebietshoheit der Vereinten Nationen unterstellt ist, keine politische Verfolgung
droht.
Gemäß dem Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens haben die Kläger 3/5
und die Beklagte 2/5 der Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 155 Abs. 1, § 154
Abs. 1 VwGO). Die Kostenentscheidung geht davon aus, dass die Kläger bei dem
auf 15.000,-- DM festgesetzten Gegenstandswert (6.000,-- DM + 3.000,-- DM + 4
x 1.500,-- DM) in Höhe von 6.000,-- DM (3.000,-- DM + die Hälfte von 4 x 1.500,--
DM) obsiegt haben.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund § 167 VwGO
i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.