Urteil des VG Gießen vom 30.11.1998

VG Gießen: aufschiebende wirkung, republik tschad, burkina faso, öffentliche sicherheit, genehmigung, cites, hautfarbe, herkunft, handel, zaun

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Gericht:
VG Gießen 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 1745/96
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 29 Abs 2 S 1 NatSchG HE
(Genehmigung für ein Tiergehege; zur "wildlebenden Art" -
Straußengehege)
Tatbestand
Die Kläger halten auf dem Grundstück Flur ..., Flurstück ... in der Gemarkung H.
acht Strauße (Schwarzhalsstrauße).
Unter dem 05.08.1994 teilte das Regierungspräsidium Gießen dem Kläger zu 2.
mit, daß ein Bußgeldverfahrens nach den §§ 43, 29 HENatG wegen der Haltung
dieser Tiere ohne die für erforderlich gehaltene Tiergehegegenehmigung
eingeleitet werde.
Daraufhin beantragten die Kläger beim Regierungspräsidium Gießen unter dem
27.10.1994 die Erteilung einer Tiergehegegenehmigung.
Mit am 24.07.1996 zugestelltem Bescheid vom 15.07.1996 lehnte das
Regierungspräsidium Gießen die Erteilung der Tiergehegegenehmigung ab (Punkt
1), untersagte die Nutzung des vorgenannten Grundstücks als Straußengehege
und untersagte die Haltung der acht Straußenvögel bis spätestens sechs Wochen
nach Bestandskraft der Vollziehbarkeit dieses Bescheides (Punkt 2.), ordnete
hinsichtlich des unter Punkt 2. verfügten Nutzungsverbots die sofortige Vollziehung
an (Punkt 3.), gab auf, die im Rahmen des Gehegebetriebes errichteten
Baulichkeiten (Zaun aus lockerem Knotengeflecht, ein Sommerstall in
Holzbauweise, ein Winterstall aus HD-Strohballen) spätestens bis zwei Monate
nach Bestandskraft dieses Bescheides abzubauen, sofern keine baurechtliche
Genehmigung vorliege, und das Material von der Fläche zu entfernen (Punkt 4),
und drohte für den Fall, daß dem unter Punkt 2. ausgesprochenen Nutzungsverbot
nicht fristgerecht nachgekommen werde, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- DM
an (Punkt 5.); wegen der Einzelheiten wird auf diesen Bescheid Bezug genommen.
Dagegen legten die Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.08.1996, auf den
Bezug genommen wird, Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.11.1996, auf den Bezug genommen wird, wies
das Regierungspräsidium Gießen den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde
u.a. ausgeführt, daß die Tiergehegegenehmigung nach § 29 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 3
HENatG zu versagen gewesen sei, da die Gestaltung des Geheges den
Bedürfnissen der gehaltenen Art - die Straußenvögel der Kläger seien eine
wildlebende Art - nicht entspreche.
Mit Bescheid vom 08.05.1998 setzte das Regierungspräsidium Gießen das mit
Bescheid vom 15.07.1996 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- DM fest.
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Kläger vom 20.05.1998 wies das
Regierungspräsidium Gießen mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.1998 zurück.
Die dagegen erhobene Klage ist bei dem erkennenden Gericht unter der
Geschäftsnummer 1 E 1433/98 anhängig. Weiter sind bei dem erkennenden
Gericht unter der Geschäftsnummer 1 G 1431/98 der Antrag der Kläger, die
aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 21.08.1996 und ihrer Klage vom
28.11.1996 gegen Punkt 2. des Bescheides vom 15.07.1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 01.11.1996 wiederherzustellen, und unter der
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Widerspruchsbescheides vom 01.11.1996 wiederherzustellen, und unter der
Geschäftsnummer 1 G 1432/98 der Antrag der Kläger vom 07.08.1998, die
aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 20.05.1998 gegen den Bescheid
vom 08.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.1998
anzuordnen, anhängig.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28.11.1996 haben die Kläger Klage (betreffend
den Bescheid vom 15.07.1996 und den Widerspruchsbescheid vom 01.11.1996)
erhoben.
Zur Begründung wird unter näherer Darlegung mit anwaltlichen Schriftsätzen vom
28.11.1996 und vom 23.04.1997 dargelegt, daß es sich bei den Straußenvögeln
der Kläger für die Landwirtschaft gezüchtete Tiere (Farmstrauße) und nicht um
eine wildlebende Art handele, weshalb § 29 HENatG nicht zur Anwendung kommen
könne. Die Anlage sei ausreichend groß. Da die Haltung dieser Farmstrauße eine
landwirtschaftliche Tätigkeit sei, könne nicht von einem Eingriff im
naturschutzrechtlichen Sinne ausgegangen werden.
Die Kläger beantragen,
1. festzustellen, daß entgegen den Ausführungen in den Bescheiden des
Regierungspräsidiums Gießen vom 15.07.1996 und vom 01.11.1996 die Kläger für
die Haltung von acht Schwarzhalsstraußen auf dem Grundstück Flur ... Flurstück ...
in der Gemarkung H. keine Tiergehegegenehmigung bedürfen,
hilfsweise
den Beklagten zu verpflichten, den Klägern unter Aufhebung der vorgenannten
Bescheide die Tiergehegegenehmigung gemäß den geänderten
Antragsunterlagen zu erteilen,
2. den Bescheid vom 15.07.1996 und den Widerspruchsbescheid vom 01.11.1996
des Regierungspräsidiums Gießen aufzuheben, soweit darin ein Nutzungsverbot,
eine Beseitigungsanordnung und eine Zwangsgeldandrohung verfügt wurden.
Der Beklagte beantragt im wesentlichen unter Wiederholung seiner Ausführungen
in den angegriffenen Bescheiden,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat zu der Frage, ob die von den Klägern gehaltenen Straußenvögel
einer wildlebenden Art zuzurechnen sind, ein Sachverständigengutachten des Dr.
med. vet. G. R. von der Justus-Liebig-Universität Gießen eingeholt; wegen der
Einzelheit wird auf das Sachverständigengutachten vom 11.10.1998 - es ist in den
Entscheidungsgründen auszugsweise wiedergegeben - Bezug genommen.
Das Gericht hat mit Beschluß vom 21.10.1998 den Rechtsstreit dem Einzelrichter
zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Akte der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Gießen - 4 Js
4979.9/98 - und der vom Beklagten vorgelegten Behördenvorgängen sowie den
Inhalt der Gerichtsakten 1 G 1432/98, 1 G 1431/98 und 1 E 1433/98 samt Beiakten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Feststellung, daß die Kläger keiner Tiergehegegenehmigung
bedürfen, ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 1. Alt, Abs. 2
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig (vgl. Kopp, VwGO, 10. Aufl., § 43 Rn.
12 m.w.N.) und begründet, da der Beklagte nach wie vor von dem Erfordernis einer
solchen Genehmigung ausgeht und dieses Genehmigungserfordernis nicht
besteht.
Nach § 29 Abs. 2 S. 1 Hessisches Naturschutzgesetz - HENatG - bedürfen die
Errichtung, Erweiterung und der Betrieb von Tiergehegen der Genehmigung.
Zuständig war nach dem zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen
Verfügungen dafür noch das Regierungspräsidium als obere Naturschutzbehörde
(Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Hessischen Naturschutzgesetzes
vom 19.12.1994 (GVBl. I S. 775)). Nach § 29 Abs. 1 HENatG sind Tiergehege
ortsfeste Anlagen im Außenbereich, die, unabhängig von ihrer Zweckbestimmung
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ortsfeste Anlagen im Außenbereich, die, unabhängig von ihrer Zweckbestimmung
im übrigen, zur Haltung von Tieren sonst wildlebender Arten in Gefangenschaft
bestimmt sind.
Zu dem Begriff "wildlebende Arten'' hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof
(hess. VGH) in seinem Beschluß vom 29.11.1995 - 3 TG 3273/95 -, NVwZ-RR 1996,
432 = NuR 1996, 411 = RdL 1996, 53 = AgrarR 1996, 255) folgendes ausgeführt:
"Wildlebende Arten sind solche, die - bei uns oder anderswo, vielleicht auf,
begrenztem Raum - in Freiheit vorkommen (Lorz, TierschutzG, Kommentar, 4.
Aufl. 1992, § 13 Rdnr. 19; vgl. auch Lorz in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche
Nebengesetze, Stand: 01.07.1992, N 16 BNatSchG § 20 a Anm. 2 sowie Lorz NuR
1982, 167, 171; auch Meßerschmidt, Bundesnaturschutzrecht, Kommentar, Stand:
19/1995, § 20 a Rdnr. 2: Wildlebende Arten, die nicht ausschließlich von Menschen
gezüchtet werden). Es geht in § 29 Abs. 1 HeNatG nicht um wilde oder wildlebende
Tiere oder gar Wild, etwa im Sinne des § 960 Abs. 1 BGB bzw. der §§ 1 BJagdG, 13
Abs. 2 TierSchG, auch nicht um Tierbestände im Sinne des § 51 BewG, sondern
um Tiere einer sonst wildlebenden Art (Lorz NuR 1985, 253, 255). Auch gezüchtete
Tiere wildlebender Arten unterfallen dem Artenschutz des § 29 HeNatG (vgl. Louis,
BNatSchG, Kommentar, 1994, § 20 a Rdnr. 10; Kolodzieck/Recken - K/R -,
Naturschutz, Landschaftspflege, Kommentar, Stand: 10/95, § 24 Rdnr. 3). Der
Tierartenbegriff ist nicht nach der Abstammung der Tiere eingeschränkt, so daß es
auf eine Herkunft der Tiere aus einer Naturentnahme oder Züchtung nicht
ankommt (Künkele/Heiderich, Naturschutzgesetz Baden - Württemberg,
Kommentar, Stand: 9/93, § 32 Rdnr. 2). Es kommt nach alledem auch nicht auf
den Grad der Zahmheit oder Domestikation einzelner Tierbestände unter
besonderen Haltungsbedingungen an, etwa von Farmstraußen, sofern die Art
überhaupt noch bei uns oder in einem anderen Teil der Erde wildlebend vorkommt
oder freilebend, was in der Sache dasselbe ist (Lorz NuR 1982, 167, 168 und NuR
1985, 253, 254). Die artenschutzrechtliche Gehegegenehmigung nach § 29 Abs. 1
HeNatG dient nicht in erster Linie dem Schutz der gefangenen oder gezüchteten
Tiere, sondern dem Schutz der Art, und zwar der wildlebenden Artgenossen (Lorz
NuR 1985, 253, 255). Der artenschutzrechtliche Sinn und Zweck der Vorschrift
geht dahin, insbesondere bei den international stark gefährdeten Tierarten durch
eine vertretbare Privilegierung der "Nachzüchtungen" in menschlicher Obhut die
Notwendigkeit fortwährender Naturentnahmen einschränken zu können. Insofern
stellt die Gehegegenehmigung im Rahmen des nationalen und internationalen
Artenschutzes eine notwendige Ergänzung dar, um mit einem vertretbaren
Verwaltungs- und Kostenaufwand die Einschränkungen bei den zugelassenen
Verwendungszwecken und Verfügungsmöglichkeiten, aber auch die Herkunft der
einzelnen Tiere häufig vom Aussterben bedrohter Tierarten auf ihre
Rechtmäßigkeit, insbesondere die Beachtung bestehender vollziehen und
überprüfen zu können (Künkele/Heiderich, a.a.O., § 32 Rdnr. 1).''
Das Gericht folgt diesen Ausführungen.
Das Gericht folgt nicht der sich anschließenden allgemeinen Aussage in dem
vorgenannten Beschluß des Hess. VGH, daß Strauße Tiere einer wildlebenden Art
sind. Diese Schlußfolgerung kann jedenfalls für die von den Klägern gehaltenen
Schwarzhalsstrauße aufgrund der überzeugenden Ausführungen in dem
Sachverständigengutachten Dr. R. vom 11.10.1998 in dem hier zur Entscheidung
stehenden Fall nicht gezogen werden. Darin heißt es:
"Strauße gehören zur Klasse der Vögel und bilden dort zusammen mit vier
weiteren Ordnungen die Überordnung der Laufvögel (Ratitae). Der Name leitet sich
von der Floßform des Brustbeines ab, die im Zusammenhang mit der
Flugunfähigkeit gesehen werden muß. Die Ordnung Struthio formes
(Straußenvögel) beinhaltet nur noch eine heute existierende Art: Struthio camelus,
den Strauß, die jedoch in 5 Unterarten unterschieden wird (Tab. 1). Die 5
aufgeführten Unterarten sind alle fruchtbar miteinander kreuzbar, unterscheiden
sich jedoch aufgrund, evolutiv gesehen, langer geographischer Trennung,
anatomisch, physiologisch und genetisch deutlich voneinander.
Tab. 1: Übersicht über die heute noch existenten Unterarten des Straußes
Unterart
Name und Herkunft
Typ
Struthio camelus camelus
Mail-, Berber-,
Rothalsstrauß
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Nordafrikanischer Strauß
Struthio camelus massaicus
Massai-Strauß
Rothalsstrauß
Struthio camelus molybdophanes Somali-Strauß
Blauhalsstrauß
Struthio camelus australis
Südafrikanischer- oder Zulustrauß
Blauhalsstrauß
Struthio camelus domesticus
Südafrikanischer Farmstrauß
Schwarzhalsstrauß
Struthio camelus camelus
(Nordafrikanischer Strauß)
Diese Unterart unterliegt als einzige dem Washingtoner Artenschutz Abkommen
(CITES) und darf aufgrund der Bedrohung im Freiland, nicht auf Farmen gehalten
werden. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Algerien im Norden, über den
Senegal im Westen und Kamerun im Süden, bis zum Sudan im Osten. Der
Nordafrikanische Strauß stellt die mit Abstand größte Unterart dar. Adulte Tiere
erreichen Körperhöhen um 3rn und Körpergewichte zwischen 130 und 150 kg. Die
Hähne zeigen nach Erreichen der Geschlechtsreife eine rosafarbene bis rote
Hautfarbe, wobei der fast unbefiederte Hals und die Beine am intensivsten gefärbt
sind. Die Hautfarbe der Henne ist cremig gelb.
Struthio camelus massaicus (Massai-Strauß)
Der zweite Rothalsstrauß ist im südlichen Kenia und in Tansania verbreitet. Die
Rottöne der Haut sind hier nicht so intensiv wie bei S.c.camelus. Außerdem weist
der Hahn im Gegensatz zu voriger Unterart braune Federn im sonst schwarzen
Rückengefieder auf Die Körpergröße liegt bei etwa 2,70 m bei einem Gewicht von
bis zu 120 kg.
Struthio camelus molybdophanes (Somali - Strauß)
S.c.molybdophanes gehört zusammen mit S.c.australis zur Gruppe der
Blauhalsstrauße. Beiden gemeinsam ist eine blei-blaue Hautfarbe, die vor allem im
Bereich der Beine und des nackten Halses deutlich zum Vorschein tritt. Der Hahn
trägt während der Brutzeit lediglich am Schnabelrand und im vorderen Bereich des
Mittelfußes und der Zehen eine rote Balzfärbung. Die Körpergröße beträgt ca. 1,70
m, das Körpergewicht ca. 120 kg.
Struthio camelus australis (Südafrikanischer Strauß)
Ursprünglich im ganzen Süden Afrikas beheimatet, finden sich heute größere
freilebende Bestände nur noch in Namibia. Die wilden Strauße Südafrikas haben
sich mit verwilderten Farmstraußen (Schwarzhalsstrauße) vermischt und bilden
heute ein Kreuzungsprodukt. Die Körpergrundfarbe ist hier aschgrau. Bei
geschlechtsaktiven Hähnen tritt eine Rotfärbung, wie bei voriger Art beschrieben,
auf Die Körperhöhe beträgt etwa 2,45 m bei einem Körpergewicht von 110 kg.
Struthio camelus domesticus (Schwarzhalsstrauß)
Die bis heute mit Abstand am häufigsten auf Farmen gehaltene Straußenunterart
ist aus verschiedenen Kreuzungen zwischen dem Nordafrikanischen (S.c.camelus)
und dem Südafrikanischen Strauß (S.c.australis) hervorgegangen. Es handelt sich
damit um eine Varietätenkreuzung. Seit dem Ende der 60er Jahre des vorigen
Jahrhunderts wurde diese Varietät durch intensive Zuchtwahl und Linienkreuzung
in eine in allen Leistungen eigenständige Unterart überführt. Sie ähnelt in ihrem
Äußeren am ehesten noch S.c.australis, zeichnet sich jedoch durch folgende
Besonderheiten aus (eigene Untersuchungen; Madeiros, 1993):
1. Eigener Typ durch Körperbau und Farbe
2. Überragende Federqualität durch dichtere Befiederung und dichtere
Einzelfedern
3. günstigere Umgänglichkeit
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4. frühere Geschlechtsreife
ad 1: Der Schwarzhalsstrauß (S.c.domesticus) unterscheidet sich von allen
anderen Straußenunterarten durch seinen besonderen Körperbau. Dieser ist durch
eine geringere Körperhöhe und kürzere Beine bei massigem Rumpf
gekennzeichnet und läßt sich auf die Züchtung eines umgänglicheren Typs mit
bester Feder- und Lederleistung zurückführen. Die Farbe der Haut ist grau,
männliche Tiere tragen zur Brutzeit rote Bereiche in der Schnabel und vorderen
Mittelfußregion. Trotz erreichter Körpergewichte bis zu 110 kg erreicht der
Schwarzhalsstrauß lediglich eine Körperhöhe von 1,83 bis 2,44 m und bleibt damit
ca. 20 bis 30 cm hinter den Werten der übrigen Typen zurück (Jarvis, 1994; Reiner,
1995).
ad 2: Die Federn der Schwarzhalsstrauße unterscheiden sich deutlich von denen
der unselektierten Typen. Die Federäste sind breiter und dichter, wodurch die
Federn insgesamt flauschiger erscheinen. Sie laufen eher rund als spitz aus.
Daneben haben diese Tiere höhere Anteile weißer Schmuckfedern als die
Wildtypen.
ad 3: Die ca. 130-jährige Selektion zeigte auch massive Auswirkungen auf die
soziale Bindung des Tieres, auf Fluchtverhalten und Aggressivität gegenüber dem
Menschen und kann ebenfalls nicht mehr mit dem natürlichen Verhalten der
anderen Unterarten gleichgesetzt werden.
ad 4: Die Geschlechtsreife tritt bei den hochselektierten Farmstraußen ca. 1,5 bis
2 Jahre ein als bei den wildlebenden Unterarten.
Die Bezeichnung Schwarzhalsstrauß hat sich dabei erst in den letzten Jahren
eingebürgert. Synonym werden, je nach direkter Herkunft der Vögel, auch die
Begriffe American Black, Israel Black oder Oudtshorn Typ verwendet.
Konvention über den Internationalen Handel mit bedrohten Tierarten (CITES)
In Anhang 1 zur CITES - Konvention werden alle Spezies, die vom Aussterben
bedroht sind und die durch Handel betroffen sind oder sein könnten, benannt. Der
Handel mit solchen Tieren soll einer strikten Regelung unterworfen werden, um
deren weiteres Überleben nicht weiter zu bedrohen und soll nur in Ausnahmefällen
erlaubt sein. Auch der Strauß (Struthio camelus) wird in der CITES geführt und
zwar in Form der Populationen folgender Länder: Algerien, Burkina Faso, Kamerun,
Zentral - Afrikanische Republik, Tschad, Mali, Mauretanien, Marokko, Niger, Nigeria,
Senegal und Sudan. Durch diese Einschränkung ergibt sich eindeutig ein Bezug
auf den Nordafrikanischen Strauß (Struthio camelus camelus), der alleine in den
aufgeführten Ländern vorkommt.
Anwendung der wissenschaftlichen Fakten auf die Straußenvögel des Klägers
Bei einer Inaugenscheinnahme der Straußenvögel des Klägers am 9.10.1998
wurden die 3 fraglichen, adulten Hähne und 5 Hennen, neben einer Reihe von
Nachzuchttieren angetroffen. Die Zugehörigkeit der Tiere zur Unterart Struthio
camelus camelus, dem Nordafrikanischen Strauß, konnte zweifelsfrei und
ausnahmslos ausgeschlossen werden. Die Tiere sind als Schwarzhalsstrauße
anzusprechen. Dies ergab sich aus folgenden Befunden:
1. Eine durchschnittliche, gemessene Rückenhöhe von 1,35 m
2. der typische Körperbautyp der Schwarzhalsstrauße
3. die hervorragende Federqualität und -dichte
4. Die Hautfarbe
Schlußfolgerung
Die artenschutzrechtliche Gehegegenehmigung nach § 29 Abs. 1 HeNatG dient
nicht in erster Linie dem Schutz der gefangenen oder gezüchteten Tiere, sondern
dem Schutz der Art, und zwar der wildlebenden Artgenossen (Lorz NuR 1985, 253,
255). Bei der als schutzbedürftig eingestuften Straußenunterart nach CITES
handelt es sich aber alleine um die Nordafrikanischen Rothalsstrauß -
Populationen. Die vom Kläger gehaltene Straußenvarietät kommt so in der Natur
überhaupt nicht vor. Es handelt sich um ein Kreuzungsprodukt mit ca. 130 Jahren
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überhaupt nicht vor. Es handelt sich um ein Kreuzungsprodukt mit ca. 130 Jahren
intensiver Zuchtgeschichte. Bereits am Ausgangspunkt der Kreuzungsgeschichte
wurden dabei die Gene der heute bedrohten Unterart S.c.camelus (Rothalsstrauß)
mit denen der phänotypisch und genotypisch völlig verschiedenen
Südafrikanischen Unterart S.c.australis (Blauhalsstrauß) kombiniert, was eine
Gleichsetzung mit S.c.camelus ausschließt. Eine Anpaarung der Kreuzungsform
mit S.c.camelus hätte dramatische Folgen für die bedrohte Unterart des
Nordafrikanischen Straußes, da deren typisches Erscheinungsbild in Form der
roten Körperhaut, der außergewöhnlichen Größe und sicherlich 6 weiterer, bisher
noch nicht näher bekannter, genetischer Eigenarten, verloren ginge. Die
Bedeutung dieses Zusammenhanges wird durch die Zuchtgeschichte noch
deutlich verschärft. Die schlichtere Befiederung und der eindeutig wildere
Charakter von S.c.camelus würden ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden,
es müßte mit einer höheren Frequenz von Albinismus und mit Einbußen in der
Fitneß der Tiere gerechnet.
Zum Schutz der wildlebenden und bedrohten Unterart des Straußes, Struthio
camelus camelus ist daher eine strikte Unterscheidung der aufgrund natürlicher
evolutiver, sowie künstlich - züchterischer Prozesse divergierten Unterarten bzw.
Varietäten dringend notwendig. Die Haltung der Straußenvögel des Klägers hat
damit keinerlei Einfluß auf das Überleben der bedrohten Unterart, da sie
- der Wildbahn nicht entzogen werden können
- bei Freisetzung in die Wildbahn zum Erlöschen der bedrohten, CITES geschützten
Unterart führen würden.''
Da die von den Klägern gehaltenen Tiere danach unter dem hier maßgeblichen
artenschutzrechtlichen Aspekt (s.o.) ohne Relevanz sind, sind sie nicht als Tiere
einer sonst wildlebenden Art i. S. v. § 29 Abs. 1 u. 2 S. 1 HENatG zu qualifizieren.
Damit entfällt die Genehmigungsbedürftigkeit nach dieser Vorschrift.
Der Hinweis des Beklagten auf die Empfehlung für die Haltung von Straußenvögeln
des Europarates vom 22.04.1997 ändert nichts an dieser Beurteilung. Die darin
enthaltene allgemeine Ausführung, daß Strauße in erster Linie noch Wildtiere sind,
steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Dieses wird vielmehr durch die in
dieser Empfehlung gebrauchten Formulierungen "landwirtschaftliche
Straußenhaltung'' und "für landwirtschaftliche Zwecke gehaltene Straußenvögel''
gestützt.
Der Hinweis des Beklagten auf die Erforderlichkeit der Tiergehegegenehmigung für
Damwild geht fehl, da dieses eine Gefangenschaftsnachzucht des wildlebenden
Damwildes ist und jederzeit wieder ausgesetzt werden könnte. Dies ist - wie in dem
Sachverständigengutachten dargestellt - bei den Straußen der Kläger nicht der
Fall.
Dem Feststellungsbegehren der Kläger war somit stattzugeben. Auf die hilfsweise
erhobene Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) war deshalb nicht einzugehen.
Die das Nutzungsverbot, die Beseitigungsanordnung und die das Nutzungsverbot
betreffende Zwangsgeldandrohung in dem Bescheid vom 15.07.1996 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.11.1996 betreffende
Anfechtungsklage ist zulässig und begründet, da diese Maßnahmen rechtswidrig
sind und die Kläger in ihren Rechten verletzen (§§ 42 Abs. 1, 113 Abs. 1 S. 1
VwGO).
Die Nutzungsuntersagung wurde auf die §§ 8 Abs. 1, 30 a Abs. 2 HENatG gestützt.
Die erstgenannte Vorschrift berechtigt lediglich die untere Naturschutzbehörde (§
30 Abs. 3 HENatG) und nicht die hier handelnde obere Naturschutzbehörde (§ 30
Abs. 2 HENatG). Eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs mit der
Zuständigkeit für die Tiergehegegenehmigung ist zu verneinen, da nach dem
Vorstehenden keine Tiergehegegenehmigung erforderlich war. Mithin kann nur §
30 a Abs. 2 HENatG einschlägig sein. Danach haben die für Naturschutz
zuständigen Behörden für ihren Aufgabenbereich die nach pflichtgemäßem
Ermessen erforderlichen Maßnahmen treffen, um Natur und Landschaft zu
schützen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Die
Begründung, es sei ein Eingriff ohne die nach § 29 HENatG erforderliche
Tiergehegegenehmigung durchgeführt worden, trägt nach dem Vorstehenden
nicht und führt wegen des dadurch bedingten Ausgehens von falschen rechtlichen
Voraussetzungen zur Ermessensfehlerhaftigkeit (§ 114 VwGO) der
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Voraussetzungen zur Ermessensfehlerhaftigkeit (§ 114 VwGO) der
Nutzungsverbotsanordnung.
Die Beseitigungsverfügung betreffend den Zaun ist gestützt auf § 30 a Abs. 2
HENatG. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß, da bereits die Genehmigung für
das Tiergehege nicht in Betracht gekommen sei, es an der Genehmigungsfähigkeit
für den Zaun fehle. Angesichts der Nichterforderlichkeit der
Tiergehegegenehmigung wurde von falschen rechtlichen Voraussetzungen
ausgegangen, weshalb die Beseitigungsverfügung ermessensfehlerhaft ist (§ 114
VwGO). Der zudem angeführte § 8 Abs. 2 HENatG berechtigt nur die untere
Naturschutzbehörde und ist aus den zuvor zu § 8 Abs. 1 HENatG genannten
Gründen nicht einschlägig.
Die Zwangsgeldandrohung betreffend die Nutzungsuntersagung ist rechtswidrig
und verletzt die Kläger in ihren Rechten, weshalb sie aufzuheben war. Es fehlt nach
dem Vorstehenden bereits an der Vollstreckungsvoraussetzung einer
vollstreckbaren Grundverfügung (§ 69 Abs. 1 Hessisches
Verwaltungsvollstreckungsgesetz - HVwVG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.
den §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozeßordnung - ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.