Urteil des VG Gießen vom 09.07.2008

VG Gießen: mitgliedschaft, arglistige täuschung, negative feststellungsklage, wasser, irreführende angabe, satzung, anfechtung, geschäftsführer, aufsichtsbehörde, willenserklärung

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Gericht:
VG Gießen 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 E 4072/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 123 BGB
Mitgliedschaft in einem Wasser- und Bodenverband
Leitsatz
1. Die Vorschrift des § 123 BGB über die Anfechtung einer Willenserklärung wegen
arglistiger Täuschung findet auch im öffentlichen Recht entsprechende Anwendung.
2. Die Verpflichtung, sich über die Rechtsfolgen des Eintritts in einen Wasser- und
Bodenverband zu informieren, kommt grundsätzlich der eintretenden Gemeinde zu.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, falls der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie nicht Mitglied des Beklagten ist.
Der Beklagte ist ein Wasser- und Bodenverband und übernimmt verschiedene
Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge. Zudem unterhält er verschiedene
Arbeitsgeräte und Maschinen, welche den Mitgliedern entsprechend den
Nutzungsbedingungen aus der Satzung des Beklagten und dessen Geschäfts- und
Benutzungsordnung zur Verfügung stehen. In der Sitzung vom 10.12.2005
beauftragte die Gemeindevertretung der Klägerin den Gemeindevorstand, den
Erwerb einer Mitgliedschaft beim Beklagten zu prüfen. Unter dem 23.02.2005 fand
ein Informationsgespräch zwischen dem Bürgermeister der Klägerin und dem
Beklagten statt, in dem sich der Bürgermeister die Leistungen des Beklagten
darstellen ließ. Hierauf folgte unter dem 28.02.2005 ein Schreiben von dem
Geschäftsführer der E. GmbH, durch welche diese ein Angebot über
Maschinentarife an die Klägerin übermittelte. Zusätzlich teilte der Geschäftsführer
der E. GmbH, der gleichzeitig Geschäftsführer des Beklagten war, die Möglichkeit
eines Beitritts zu dem Beklagten mit und bezifferte die Höhe des Mitgliedbeitrags
für Gemeinden auf 160,00 EUR pro Jahr.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 07.03.2005 die Mitgliedschaft bei dem
Beklagten und forderte die Übersendung des Leistungskatalogs sowie der Satzung
des Beklagten an. Dieses Schreiben wurde ausschließlich von dem Bürgermeister
unterzeichnet. Unter demselben Datum stellte die Klägerin auf einem Formblatt
des Beklagten einen Antrag auf Beitritt zu dem Beklagten. Diese Eintrittserklärung
trug ausschließlich die Unterschrift eines Mitarbeiters der Gemeindeverwaltung.
Ausweislich des Protokolls der Mitgliederversammlung des Beklagten vom
12.12.2005 ergab sich für das Jahr 2002 ein Jahresfehlbetrag in Höhe von
62.439,18 EUR, für das Jahr 2003 von 96.267,00 EUR und für das Jahr 2004 von
225.255,82 EUR. Mit Beitragsbescheid vom 31.12.2005 zog der Beklagte die
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225.255,82 EUR. Mit Beitragsbescheid vom 31.12.2005 zog der Beklagte die
Klägerin infolge Nachbelastung laut Beschluss der Mitgliederversammlung vom
12.12.2005 zu einem Mitgliedsbeitrag für das Jahr 2005 in Höhe von 1.566,00 EUR
heran. In der Anlage zu diesem Beitragsbescheid übermittelte der Beklagte ein
Schreiben an seine Mitglieder, in dem er die Beitragsanpassung unter Hinweis auf
Fehlbeträge aus den Jahren 2002 bis 2004 erläuterte. Mit E-Mail vom 09.01.2006
sprach die Klägerin infolge des für sie unerwarteten Beitragsanstieges wegen der
vorangegangenen Jahresfehlbeträge die rückwirkende Kündigung der
Mitgliedschaft aus und berief sich darauf, in Kenntnis von Fehlbeträgen aus den
Vorjahren und der Heranziehung hierzu hätte sie nie die Mitgliedschaft bei dem
Beklagten beantragt. Die Klägerin legte unter dem 24.01.2006 Widerspruch gegen
den Beitragsbescheid des Beklagten vom 31.12.2005 ein. Zur Begründung führte
sie aus, im Rahmen der Beitrittsgespräche, die am 07.03.2005 mit der
Beantragung der Mitgliedschaft der Klägerin in dem Beklagten abgeschlossen
gewesen seien, sei nie die Rede von negativen Rechnungsergebnissen und
Fehlbeträgen aus den Jahren 2002 bis 2004 gewesen, die sie, die Klägerin, jetzt
mitfinanzieren solle. In Kenntnis der präkeren Finanzsituation des Beklagten hätte
sie, die Klägerin, die Mitgliedschaft bei dem Beklagten nicht beantragt.
Unter dem 09.02.2006 erfolgte schließlich die Anfechtung der Eintrittserklärung
durch die Klägerin wegen arglistiger Täuschung. Zur Begründung verwies sie
darauf, auf Grund der Mitteilung durch Schreiben vom 28.02.2005, wonach für die
Klägerin ein Mitgliedsbeitrag von 160,00 EUR pro Jahr zu entrichten sei, habe sie,
die Klägerin, davon ausgehen können und müssen, dass weitere Beiträge nicht
anfielen.
Der Beklagte legte den Widerspruch und die Anfechtung der Klägerin als Antrag
auf Aufhebung der Mitgliedschaft aus und lehnte dieses Begehren mit Schreiben
vom 14.09.2006 ab. Gleichzeitig setzte der Beklagte die Beitragserhebung
gegenüber der Klägerin bis zu einem schriftlichen Widerruf aus.
Gegen die Entscheidung des Beklagten, den Antrag auf Aufhebung der
Mitgliedschaft abschlägig zu bescheiden, legte die Klägerin unter dem 21.11.2006
Widerspruch ein. Hierzu trug sie vor, die Begründung ihres Antrags auf Aufhebung
der Mitgliedschaft sei im Ablehnungsschreiben des Beklagten nicht gewürdigt
worden.
Mit Schriftsatz vom 20.08.2007 teilte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten
den Bevollmächtigten der Klägerin mit, der Verband sei sich keiner arglistigen
Täuschung im Hinblick auf den Beitritt der Klägerin zum Beklagten bewusst. Die
Satzung des Beklagten sei öffentlich bekanntgemacht worden. Die
Jahresabschlüsse seien in jedem Jahr einer Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer
unterzogen und die Ergebnisse seien der Aufsichtsbehörde zugeleitet worden.
Sofern dies gewünscht worden wäre, hätte der Beklagte der Klägerin anlässlich
ihres Eintritts auch Akteneinsicht gewährt. Täuschungshandlungen seien nicht
vorgenommen worden. Mit Schreiben vom 08.10.2007 teilte der Beklagte mit, er
sei bereit, der Aufhebung der Mitgliedschaft vorbehaltlich der Zustimmung der
Aufsichtsbehörde unter Zahlung eines Austrittsgeldes in Höhe von voraussichtlich
12.344,68 EUR grundsätzlich stattzugeben.
Am 23.11.2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, sie sei arglistig
getäuscht worden, da zum Zeitpunkt des Informationsgesprächs mit dem
Beklagten im Februar 2005 diesem bekannt gewesen sei, dass bei ihm zum
damaligen Zeitpunkt bereits eine Überschuldung vorgelegen habe. So hätten zum
damaligen Zeitpunkt gegenüber verschiedenen Banken Verbindlichkeiten des
Beklagten in Höhe von 750.000,00 EUR bestanden, die nicht in den Maschinenpark
geflossen seien. Im Laufe des Jahres 2005 hätten sich die Verbindlichkeiten
gegenüber Banken auf über 960.000,00 EUR erhöht, da der Beklagte seinen Zins-
und Tilgungsleistungen nicht nachgekommen sei. Die Angabe des
Mitgliedsbeitrags von 160,00 EUR pro Jahr auf dem Angebot der E. GmbH vom
28.02.2005 sei daher irreführend gewesen. Es hätte seitens des Beklagten eine
Aufklärungspflicht gegenüber der Klägerin bestanden, dass negative
Rechnungsergebnisse und Jahresfehlbeträge aus den Jahren 2002 bis 2004
vorgelegen hätten und diese gegenüber den Mitgliedern umlagefähig seien. Am
07.03.2005 habe sie, die Klägerin, die Mitgliedschaft bei dem Beklagten beantragt.
Sie habe nicht schlecht gestaunt, als der Beitragsbescheid des Beklagten vom
31.12.2005 nicht die erwarteten 160,00 EUR, sondern 1.566,00 EUR ausgewiesen
habe. Sie ist der Ansicht, dieser Sachverhalt erfülle seitens des Beklagten den
Tatbestand der arglistigen Täuschung und führe in der entsprechenden
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Tatbestand der arglistigen Täuschung und führe in der entsprechenden
Anwendung des § 123 BGB im öffentlichen Rechtskreis rückwirkend zur Nichtigkeit
ihrer Beitrittserklärung. Sie wolle auch nicht lediglich beitragsfreies Mitglied sein,
sondern festgestellt wissen, dass auf Grund ihrer Anfechtung überhaupt kein
Mitgliedschaftsverhältnis entstanden sei.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass sie nicht Mitglied des Beklagten ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, die seinerzeitige „Anwerbung“ der Klägerin sei durch den
Geschäftsführer der Beklagten, Herrn F., Anfang Februar 2005 erfolgt. Herr F. sei
seit 01.02.2005 Geschäftsführer gewesen und habe sich im Zuge der Aufnahme
der Geschäfte sowohl bei Mitgliedern als auch bei potentiellen Mitgliedern
vorgestellt. Bei dem Gespräch mit der Klägerin habe Herr F. auf die vertraglichen
Leistungen sowohl des Beklagten als auch der Fa. E. GmbH hingewiesen. Diese
GmbH sei selbst Mitglied des Beklagten und führe Leistungen gegenüber Nicht-
Mitgliedern aus. Aus diesem Grund habe die GmbH - und keinesfalls der Beklagte -
ein Angebot erstellt, welches am selben Tag bei der Klägerin eingegangen sei. In
diesem Angebot sei auf die Alternative hingewiesen worden, doch dem Beklagten
als Mitglied beizutreten, welches den Vorteil habe, Maschinen zu einem
niedrigeren Preis zu nutzen. Zum Zeitpunkt des Angebots habe der
Mitgliedsbeitrag für Kommunen 160,00 EUR im Jahr betragen. Dies sei in keiner
Weise eine irreführende Angabe gewesen. Ein Hinweis auf die Bonität des
Beklagten sei nicht erfolgt. Dies sei auch nie Gegenstand einer Diskussion
gewesen. Erst im Laufe des Jahres 2005 habe sich die aktuelle wirtschaftliche Lage
des Beklagten herausgestellt. Zum Zeitpunkt des Beitritts der Klägerin sei die
Jahresabschlussrechnung für das Jahr 2004 noch nicht erstellt gewesen. Völlig aus
der Luft gegriffen sei die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe Darlehen
über 750.000,00 EUR aufgenommen. Bereits im Jahre 2004 seien keinerlei
Darlehen mehr aufgenommen worden. Ein Hinweis auf zusätzliche Darlehen
ergebe sich auch nicht aus dem Abschlussbericht des Wirtschaftsprüfers. Erst in
der Versammlung am 12.12.2005 sei der Beitrag für Kommunen auf 1.510,00 EUR
angehoben worden. Im Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin habe diese Entwicklung
niemand ahnen können. Ferner habe er, der Beklagte, sämtliche Ergebnisse der
geprüften Abschlüsse entsprechend seiner Satzung der Aufsichtsbehörde
angezeigt. Die Klägerin hätte sich daher schon vor ihrem Beitritt über die
wirtschaftlichen Verhältnisse informieren können. Im Übrigen sei seine, des
Beklagten, Satzung im Staatsanzeiger veröffentlicht gewesen. Auch hier hätte sich
die Klägerin ohne Weiteres informieren können. Schließlich sei der Geschäftsführer
des Beklagten auf Grund seiner individuellen Kenntnisse im Februar 2005 noch gar
nicht in der Lage gewesen, die tatsächliche wirtschaftliche Situation zu erfassen.
Schon von daher habe überhaupt keine Täuschungsabsicht bzw. -handlung
vorliegen können. Letztlich hätte sich bei ausgiebiger Inanspruchnahme der
Maschinen auch bei einem Jahresbeitrag von 1.510,00 EUR durchaus ein Vorteil für
die Klägerin ergeben können. Andere Kommunen seien ebenfalls Mitglied des
Beklagten. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass der Klägerin als derzeit
beitragsfreiem Mitglied ohnehin keine finanziellen Belastungen durch die
Mitgliedschaft entstünden. Eine arglistige Täuschung sei daher ausgeschlossen.
Das Gericht hat Beweis erhoben über den Inhalt des Beitrittsgesprächs von
Klägerin und Beklagtem durch Vernehmung des Zeugen G. Wegen des Inhalts der
Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
09.07.2008 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und den der beigezogenen Behördenakte der Klägerin verwiesen,
die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist eine negative Feststellungsklage statthaft mit dem Begehren
festzustellen, dass die Klägerin nicht Mitglied des Beklagten ist (vgl. Rapsch,
Wasserverbandsrecht, 1993, S. 116). Bei der Mitgliedschaft in einem Wasser- und
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Wasserverbandsrecht, 1993, S. 116). Bei der Mitgliedschaft in einem Wasser- und
Bodenverband handelt es sich um ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1
VwGO (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 27.03.2003 - 9 A 533/02-, juris, Rdnr. 17).
Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der
Nichtmitgliedschaft in dem Beklagten. Eine entsprechende Mitgliedschaft kann ihr
nämlich im Zusammenhang mit Verbandsbeiträgen von dem Beklagten
entgegengehalten werden. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der
Beklagte die Beitragserhebung gegenüber der Klägerin aussetzte. Denn diese
Aussetzung der Beitragserhebung erfolgte nur bis zu einem schriftlichen Widerruf.
Einem berechtigten Interesse der Klägerin in diesem Sinne steht ferner nicht
entgegen, dass der Beklagte grundsätzlich bereit ist, der Aufhebung der
Mitgliedschaft der Klägerin vorbehaltlich der Zustimmung der Aufsichtsbehörde
unter Zahlung eines Austrittsgeldes in Höhe von voraussichtlich 12.344,68 EUR
grundsätzlich zuzustimmen. Denn der Austritt steht unter dem Vorbehalt der
aufsichtsbehördlichen Genehmigung sowie der Zahlung des entsprechenden
Austrittsgeldes.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die Klägerin ist Mitglied des Beklagten. Ihr steht auch nicht der Einwand der
Anfechtung ihrer Willenserklärung auf Beitritt zu dem Beklagten wegen arglistiger
Täuschung zur Seite. Nach § 123 Abs. 1 BGB kann derjenige die Erklärung
anfechten, der zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung
bestimmt worden ist. Der Rechtsgedanke dieser Vorschrift findet auch im
öffentlichen Recht entsprechende Anwendung. Denn nach dem Prinzip der
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sind Körperschaften des öffentlichen Rechts – wie
hier der Beklagte – an die Einhaltung solcher elementarer Rechtssätze wie die
Anfechtung einer Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung gebunden. Die
Arglistanfechtung markiert nämlich allgemein die zulässigen Grenzen von
Rechtsverhältnissen (vgl. Moritz, in: juris, Praxiskommentar zum BGB, Bd. 1, 2005,
§ 123 Rdnr. 1) und gilt für alle Arten von Willenserklärungen (vgl. Heinrichs, in:
Palandt, BGB, Komm., 66. Aufl., 2007, § 123 Rdnr. 1).
Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB analog liegen jedoch nicht vor. Es fehlt
am Tatbestandsmerkmal einer Täuschung. Eine aktive Täuschung durch
Vorspiegeln oder Entstellen von Tatsachen kommt nicht in Betracht. Denn der
Beklagte hat über seine Bonität keine Aussage getroffen und unstreitig betrug der
Mitgliedsbeitrag für Kommunen zum Eintrittszeitpunkt der Klägerin 160,00 EUR pro
Jahr. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts nach Durchführung der
Beweisaufnahme fest. So benannte der Zeuge G. im Rahmen der Schilderung des
Beitrittsgesprächs zwischen der Klägerin und dem Beklagten keine Umstände, die
den Rückschluss auf aktive Täuschungshandlungen durch die Beklagtenseite
zuließen.
Auch eine Täuschung durch Schweigen im Sinne einer Verletzung von
Aufklärungspflichten des Beklagten liegt nicht vor. Ein solches Unterlassen einer
Handlung ist dann bedeutsam, wenn eine Rechtspflicht zur Aufklärung über
Tatsachen besteht (vgl. Moritz, a.a.O., § 123 Rdnr. 11; Wendtland, in:
Bamberger/Roth [Hrsg.], BGB, Komm., Bd. 1, 2003, § 123 Rdnr. 11). Hierbei muss
die Tatsache so wichtig für den anderen Teil sein, dass der Vertragszweck davon
abhängt und ein Hinweis zu erwarten ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. So liegt
insbesondere keine Täuschung über die Möglichkeit von Beitragserhöhungen im
laufenden Wirtschaftsjahr und über die Umlagefähigkeit von Fehlbeträgen vor. Die
Verpflichtung, sich über die Rechtsfolgen des Eintritts in einen Wasser- und
Bodenverband zu informieren, kommt grundsätzlich der eintretenden Gemeinde
zu. Zu diesen Rechtsfolgen zählen auch die Umlage- und Haftungsrisiken in
solchen Verbänden. Ein sogenanntes Wissens- oder Informationsgefälle, welches
im Zivilrecht insbesondere bei Konsumentengeschäften zu umfangreichen
Aufklärungspflichten eines Beteiligten führen kann (vgl. Moritz, a.a.O., § 123 Rdnr.
14; Wendtland, a.a.O., Rdnr. 11) liegt nicht vor. Eine besondere Schutzbedürftigkeit
kommt der Klägerin als Gemeinde nicht zu. Denn es handelt sich insoweit sowohl
auf Kläger- als auch Beklagtenseite um gleichwertige Rechtsträger. Beide
Beteiligten sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Aufklärungspflichten des Beklagten in dem von der Klägerin reklamierten Ausmaß
bestanden insbesondere deshalb nicht, da hinreichende
Informationsmöglichkeiten der Klägerin vorhanden waren. So ergeben sich die
Rechtsfolgen des Eintritts zu einem Wasser- und Bodenverband aus den
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Rechtsfolgen des Eintritts zu einem Wasser- und Bodenverband aus den
entsprechenden veröffentlichten normativen Vorgaben des
Wasserverbandsgesetzes sowie aus der Satzung des Beklagten. Diese Satzung ist
auch bekanntgemacht worden (vgl. StAnz. 1996, 1866 ff.). Diesen
Informationsmöglichkeiten ist die Klägerin nicht in dem gebotenen und
zumutbaren Umfang vor der Abgabe ihrer Eintrittserklärung nachgekommen. Dies
steht zur Überzeugung des Gerichts nach Durchführung der Beweisaufnahme fest.
So gab der Zeuge G. glaubhaft an, die Klägerin habe sich vor ihrem Beitritt zu dem
Beklagten weder bei der Aufsichtsbehörde noch bei einem kommunalen
Spitzenverband oder einem Anwalt über die Rechtsfolgen eines Beitritts zu einem
Wasser- und Bodenverband - wie dem Beklagten - informiert. Zudem führte der
Zeuge aus, grundsätzlich seien der Klägerin aber Risiken bekannt gewesen, die
sich aus einer Mitgliedschaft in einem kommunalen Zweckverband ergäben. Dies
sei im Hinblick auf ihre, der Klägerin, Mitgliedschaft in dem Kommunalen
Gebietsrechenzentrum (KGRZ) der Fall gewesen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit die Klägerin eine bei dem Beklagten
bestehende Verschuldungssituation anführt. Zwar kann insoweit durchaus ein
Wissensvorsprung des Erklärungsempfängers resultieren (vgl. BGH, U. v.
06.02.2002 - VIII ZR 185/00 -, juris, Rdnrn. 23 f.; BGH, U. v. 04.04.2001 - VIII ZR
33/00 -, juris, Rdnr. 19), wodurch grundsätzlich auch eine entsprechende
Aufklärungspflicht hervorgerufen werden kann. Eine genaue Kenntnis des
Ausmaßes der Überschuldung, die zur Annahme einer Arglist führen könnte, lässt
sich auf Seiten des Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt der Begründung der
Mitgliedschaft der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht feststellen.
Denn jedenfalls während der Gespräche über einen Beitritt der Klägerin war seitens
des Beklagten offensichtlich nicht bekannt, dass eine entsprechend akute
Verschuldung vorlag. So war zum Zeitpunkt des Beitritts der Klägerin die
Jahresabschlussrechnung des Beklagten für das Jahr 2004 noch nicht erstellt.
Soweit in diesem Zeitpunkt entsprechende Fehlbeträge aus den Jahren 2002 und
2003 bekannt waren, kann auch hieraus noch keine akute Überschuldung des
Verbandes abgeleitet werden. Aus dem Protokoll der Mitgliederversammlung des
Beklagten vom 12.12.2005 folgt ferner, dass offensichtlich erst zu diesem
Zeitpunkt, d. h. ca. neun Monate nach Abgabe der Beitrittserklärung durch die
Klägerin, eine Beratung über die finanzielle Lage und Auswege hieraus
stattgefunden hat sowie, dass anschließend eine Entscheidung für eine Umlage
getroffen wurde. Weitergehende Aufklärungspflichten des Beklagten als
Körperschaft des öffentlichen Rechts bestanden hinsichtlich seiner finanziellen
Situation gegenüber der Klägerin nicht.
Die Klägerin hat als unterliegende Beteiligte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten
des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.