Urteil des VG Gießen vom 18.04.1997

VG Gießen: geschäftsführung ohne auftrag, aufschiebende wirkung, goa, sachliche zuständigkeit, unterhaltung, rechtsgrundlage, verwaltungsrecht, zustand, grundstück, auflage

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Gericht:
VG Gießen 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 E 1685/95
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 12 KAG HE
(Keine Anwendung der Regeln über die GoA im Bereich der
Erstattung von Hausanschlußkosten nach dem hessischen
Kommunalabgabenrecht)
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks ... in ... . Sie wenden sich gegen die
Heranziehung zur Kostenerstattung aufgrund von Untersuchungen an der
Kanalanschlußleitung ihres Grundstücks im öffentlichen Verkehrsraum.
Im Jahre 1990 erneuerte die Beklagte die Kanalleitungen in der ... in .... Nach
Durchführung dieser Arbeiten kam es aufgrund heftiger Regenfälle zu einer
Überflutung des Kellers der Kläger. In der Folge vertraten die Kläger die
Auffassung, daß Ursache der Überflutungen eine nicht sachgemäße Ausführung
der Anschlußarbeiten des Hausanschlusses der Kläger an die Kanalsammelleitung
sein müsse. Mit Bescheid vom 02.10.1990 wurden die Kläger zur Zahlung eines
Abwasserbeitrages herangezogen. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein.
Im Zuge des Anhörungsverfahrens vor dem Anhörungsausschuß des Landrates
des ... erzielten die Verfahrensbeteiligten Einigung darüber, daß durch eine
Überprüfung des Abwasseranschlusses im Bereich des öffentlichen
Verkehrsraumes vor dem Grundstück der Kläger den Ursachen der Überflutung
des Kellers der Kläger nachgegangen werden soll. Diese Vereinbarung wurde durch
die damalige Bevollmächtigte der Kläger mit Schreiben vom 22.04.1991 bestätigt.
Die Beklagte beauftragte daraufhin das Ingenieurbüro ... GmbH, die Ursachen für
den eingetretenen Wasserschaden im Keller der Kläger festzustellen. Am
22.09.1991 informierte sich das Ingenieurbüro ... GmbH auf dem Grundstück der
Kläger über die dortigen Verhältnisse. In der Folge teilte es mit Schreiben vom
26.09.1991 mit, daß die Ursache für die Überflutungen voraussichtlich an der
Grundstücksleitung der Kläger zu suchen sei. Um Unsicherheiten auszuschließen,
empfehle es, den öffentlichen Teil der Hausanschlußleitung zwischen Hauptkanal
und Grundstücksgrenze freizulegen und auf etwaige Mängel zu untersuchen.
Zugleich teilte es den Klägern mit, daß ihnen freigestellt sei, einen eigenen
Sachverständigen auf ihre Kosten heranzuziehen.
Am 13.11.1991 wurde der Hausanschluß der Kläger im Bereich des öffentlichen
Verkehrsraums freigelegt. Es wurde ein Loch in die Hausleitung geschlagen, durch
welches eine Kamerasonde eingeführt wurde. Die mittels dieser Sonde
durchgeführten Untersuchungen ergaben, daß keine Beschädigung bzw. ein den
Abfluß hemmendes Hindernis in diesem Bereich der Anschlußleitung festzustellen
war.
Mit Schreiben vom 08.01.1993 forderte die Beklagte die Kläger zur
Kostenerstattung wegen der Überprüfung des Hausanschlusses in Höhe von
1.513,17 DM auf. Mit Schreiben vom 20.01.1993 forderte die damalige
Bevollmächtigte der Kläger die Beklagte auf, die Rechtsgrundlage für die oben
genannte Kostenanforderung zu nennen. Unter dem 23.02.1993 erließ die
Beklagte den angefochtenen Bescheid. Sie stützte dabei ihre Kostenanforderung
auf die §§ 11 Abs.2 S.1 und 2; 12 Abs.1 ihrer Abwassersatzung sowie auf § 15 Abs.
1 und 4 ihrer Abwasserbeitrags und Gebührensatzung. Zugleich wies sie die Kläger
darauf hin, daß ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfalte.
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Am 04.03.1993 erhoben die Kläger Widerspruch und beantragten zugleich, die
Vollziehung des Bescheides bis zum rechtskräftigen Abschluß des
Widerspruchsverfahrens und eines eventuell nachfolgenden Klageverfahrens
auszusetzen. In der Folge fand ein gerichtliches Eilverfahren unter dem
Aktenzeichen 2 G 335/93 statt. Im Rahmen dieses Eilverfahrens stellte die
Beklagte mit Schreiben vom 25.03.1993 und 26.05.1993 nach einem
vorangegangenen gerichtlichen Hinweis fest, daß der Widerspruch der Kläger
entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 23.02.1993
aufschiebende Wirkung entfalte. Durch Beschluß vom 29.05.1993 stellte das
Verwaltungsgericht Gießen die Erledigung der Hauptsache fest.
Am 03.05.1995 wurden die Kläger durch den Anhörungsausschuß I beim Landrat
des ... angehört. Der Anhörungsausschuß äußerte hierbei Zweifel, ob die geltend
gemachten Kosten unter den Begriff "Unterhaltung" im Sinne des § 12 HessKAG
und der entsprechenden gemeindlichen Satzungen zu fassen seien. Mit Bescheid
vom 16.10.1995, zugestellt am 20.10.1995, wies die Beklagte den Widerspruch der
Kläger zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, daß der Rückstauschaden
im Keller des Hauses der Kläger nachweislich auf die grundstückseigene
Entwässerungsleitung zurückzuführen sei. Auch seien die Kläger zuvor
ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß für den Fall, daß die
Schadensursache auf ihrem Grundstück zu suchen sei, alle anfallenden Kosten
durch sie zu tragen seien.
Mit bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 10.11.1995 haben die Kläger
Klage erhoben.
Die Kläger tragen vor, daß die Behauptungen der Beklagten, die Kläger seien zuvor
auf eine etwaige Kostentragungspflicht hingewiesen worden, nicht zutreffe. Ein
Indiz hierfür sei auch, daß die Kläger mit dem Schreiben des Ingenieurbüros ...
GmbH vom 26.09.1991 darauf hingewiesen wurden, daß ihnen die Heranziehung
eines eigenen Sachverständigen auf ihre Kosten freistehe. Dies deute darauf hin,
daß die Beklagte zumindest zu diesem Zeitpunkt noch nicht beabsichtigt habe, die
Kläger mit den Kosten der Untersuchung zu belasten. Eine Kostentragungspflicht
ergebe sich auch nicht aus § 12 HessKAG in Verbindung mit den Bestimmungen
der Abwassersatzung bzw. Abwasserbeitrags und Gebührensatzung der Beklagten.
Aufgrund dessen, daß die durchgeführten Arbeiten lediglich Untersuchungen
darstellten, lasse sich die Kostenanforderung auch nicht auf § 15 Abs.1 der
Abwasserbeitrags und Gebührensatzung stützen.
Die Kläger beantragen,
1. den Bescheid der Beklagten vom 23.02.1993 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 16.10.1995 aufzuheben,
2. die Hinzuziehung der Prozeßbevollmächtigten der Kläger im Vorverfahren für
notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf die Begründung der angefochtenen Bescheide. Im
übrigen trägt sie vor, die Erstattungspflicht der Kläger ergebe sich aus der im
Anschluß an die Sitzung des Anhörungsausschusses beim Landrat des ... am
18.04.1991 zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarung, im Bereich des
öffentlichen Verkehrsraums vor dem Grundstück der Kläger die
streitgegenständlichen Untersuchungen durchzuführen. Sofern in dieser
Vereinbarung entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten keine
Rechtsgrundlage für eine Kostenerstattungspflicht der Kläger zu sehen sei, lasse
sich diese aus öffentlichrechtlicher Geschäftsführung (GOA) ohne Auftrag
herleiten.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte, die Akte in dem Verfahren 2 G 335/95 sowie die beigezogenen
Behördenvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet (§§ 42 Abs. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
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Die Voraussetzungen für den von der Beklagten geltend gemachten
Erstattungsanspruch gegen die Kläger liegen nicht vor.
Angeführte Rechtsgrundlage für die Erstattung von Hausanschlußkosten sind die in
Übereinstimmung mit § 12 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes
erlassenen satzungsrechtlichen Regelungen der Beklagten in ihrer
Abwassersatzung vom 10.06.1981 sowie ihrer Abwasserbeitrags- und
Gebührensatzung vom 15.12.1981 in der Fassung vom 16.12.1984. § 11 Abs. 2
der Abwassersatzung regelt die grundsätzliche Erstattungspflicht der
Grundstückseigentümer für die Herstellung, Erneuerung, Änderung, Unterhaltung,
Reinigung und Beseitigung (Stillegung) von Kanalanschlußleitungen. Als
erstattungspflichtig werden alle mit den vorgenannten Erstattungstatbeständen
verbundenen Aufwendungen nach näherer Bestimmung durch die
Abwasserbeitrags- und Gebührensatzung bezeichnet. § 11 Abs. 2 inkorporiert
damit die in § 12 KAG normierten Erstattungstatbestände. § 15 der
Abwasserbeitrags- und Gebührensatzung enthält ebenfalls die genannten
Erstattungstatbestände, führt jedoch als zusätzlichen Erstattungstatbestand
denjenigen der "Reparatur" auf. Soweit zwischen Reparatur und Unterhaltung in
der Abwasserbeitrags- und Gebührensatzung der Beklagten differenziert wird, ist
dies jedoch unschädlich, da der gesetzliche Erstattungstatbestand der
"Unterhaltung" weit zu fassen ist und auch den Reparaturbegriff mit umfaßt (vgl.
hierzu Driehaus/Dietzel, Kommunalabgabenrecht, Stand: 10. Ergänzungslieferung
September 1996, § 10 Rdnr. 23).
Im vorliegenden Fall kommt als Erstattungstatbestand lediglich der
Erstattungstatbestand der "Unterhaltung" in Betracht. Der im Satzungsrecht der
Beklagten in § 15 Abs. 1 der Abwasserbeitrags- und Gebührensatzung gesondert
geregelte Tatbestand "Reparatur" scheidet deshalb aus, weil die entstandenen
Aufwendungen nicht dazu dienten, einen konkreten Schaden an der
Hausanschlußleitung der Kläger zu beheben (vgl. hierzu Hess.VGH, Urteil vom
16.09.1987, Az. 5 UE 1176/87, NVwZ 1988, 754 (755); Hess.VGH, Beschluß vom
24.10.1996, Az. 5 UZ 3507/96). Auch im übrigen ist der Erstattungstatbestand der
Unterhaltung nicht erfüllt. Unterhaltungsmaßnahmen sind nur solche Maßnahmen,
die erforderlich sind, einen Grundstücksanschluß ohne dessen Erneuerung,
Veränderung oder Beseitigung in einem gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten
(vgl. hierzu OVG Münster, Urteil vom 18.05.1993, Az. 22 A 2169/91, NwVBl. 1993,
419 ff., GemHH 1995, 44, KStZ 1995, 118). Daran fehlt es hier. Die durchgeführten
Untersuchungen an der Hausanschlußleitung der Kläger dienten lediglich der
Erforschung, ob überhaupt ein Schaden vorliegt. Die zu beurteilende Sachlage ist
somit bedingt mit derjenigen vergleichbar, welche im Polizeirecht als
"Gefahrerforschungseingriff" bezeichnet wird. Aufwendungen für solche
Maßnahmen sind nicht erstattungsfähig im Sinne des § 12 HessKAG.
Im übrigen scheitert die Geltendmachung der entstandenen Aufwendungen auch
an § 15 Abs. 1 der Abwasserbeitrags- und Gebührensatzung der Beklagten. Von
der Erstattungsfähigkeit ausgenommen sind ausdrücklich die Aufwendungen für
entsprechende Arbeiten im öffentlichen Verkehrsraum. Unstreitig haben aber die
durchgeführten Untersuchungen an der Hausanschlußleitung der Kläger im
öffentlichen Verkehrsraum stattgefunden. Bereits von daher ist somit ein
Erstattungsanspruch der Beklagten auszuschließen.
Auch soweit die Beklagte einen Erstattungsanspruch aus einem Auftragsverhältnis
geltend macht, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Den
Behördenvorgängen ist nicht zu entnehmen, daß eine öffentlichrechtliche
Vereinbarung zwischen den Verfahrensbeteiligten über die Kostenübernahme
zustandegekommen ist. Eine solche
Verpflichtung aufgrund eines öffentlichrechtlichen Vertrages scheitert bereits an
der Formvorschrift des § 57 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes
(HVwVfG). Soweit sich die Beklagte auf ein zivilrechtliches Auftragsverhältnis
beruft, würde dies bereits kraft der Rechtsnatur der geltend gemachten Forderung
eine Heranziehung mittels Leistungsbescheid ausschließen, da ein zivilrechtliches
Auftragsverhältnis keine Rechtsgrundlage für die hoheitliche Geltendmachung des
streitgegenständlichen Erstattungsbetrages mittels eines Verwaltungsaktes sein
kann. Im übrigen wäre hierfür bereits die sachliche Zuständigkeit des erkennenden
Gerichts zu verneinen, da Zivilrechtsstreitigkeiten der Zuständigkeit der
ordentlichen Gerichtsbarkeit unterliegen.
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Rechtsgrundlage für den Bescheid der Beklagten kann auch nicht eine öffentlich-
rechtliche Geschäftsführung GoA) ohne Auftrag sein. Zwar ist allgemein
anerkannt, daß auch im Bereich des öffentlichen Rechts zivilrechtliche Institute wie
die GoA Anwendung finden können. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung,
daß das öffentliche Recht selbst nicht über ausreichende Regelungen verfügt und
die analoge Anwendung zivilrechtlicher Institute deshalb geboten erscheint, weil sie
Ausdruck allgemeiner, für alle Rechtsgebiete geltender Rechtsgrundsätze sind (vgl.
hierzu Maurer, Verwaltungsrecht, Allgemeiner Teil, 10. Auflage, § 3 Rdnr. 29 ff.).
Eine Geschäftsführung ohne Auftrag eines Trägers der öffentlichen Verwaltung
steht stets in der Gefahr, in Konflikt mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der
Verwaltung zu geraten. Daher ist eine GoA stets dann auszuschließen, wenn eine
Befugnisnorm besteht, aufgrund derer die Verwaltung im Rahmen ihrer
Kompetenzen tätig wird (Grundsatz des Gesetzesvorranges). Umgekehrt darf die
Rechtsfigur der GoA nicht als Ersatz für eine fehlende Eingriffsermächtigung
(Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes) herangezogen werden. Dem steht
entgegen, daß die GoA in der für das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) typischen
Ausprägung der Prinzipien Freiheit und Freiwilligkeit wurzelt. Ist die GoA im
Zivilrecht aufs engste mit dem Gedanken der Privatautonomie verbunden, so
unterscheidet sie sich diesbezüglich von der begrenzten Handlungsermächtigung
der Verwaltung im öffentlichen Recht.
Auch das in § 679 BGB aufgestellte Erfordernis einer im öffentlichen Interesse
liegenden Pflicht des Geschäftsherrn vermag daran nichts zu ändern, da die
Verwaltung ohnehin stets im öffentlichen Interesse tätig wird. Eine Anerkennung
der Regeln der GoA als Legitimationsquelle würde in solchen Fällen dazu führen,
daß der Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes unterlaufen und die Kosten der
Verwaltung auf Zivilpersonen abgewälzt werden könnten. Eine
verwaltungsrechtliche GoA ist daher nur in den Fällen geboten und zulässig, in
denen der Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes dem nicht entgegensteht (vgl.
hierzu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Auflage, § 55 Rdnr. 11 ff.;
Maurer, Verwaltungsrecht, allgemeiner Teil, 10. Auflage, § 28 Rdnr. 11 ff.).
Der Heranziehung der Kläger zur Kostenerstattung im Wege der Geschäftsführung
ohne Auftrag steht der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im
vorliegenden Fall deshalb entgegen, weil das Hessische Kommunalabgabengesetz
in § 12 abschließend geregelt hat, für welche Erstattungstatbestände und in
welchem Umfang eine Erstattungspflicht der Grundstückseigentümer für
Hausanschlußkosten in Frage kommt. Neben diesen Bestimmungen besteht
aufgrund der zuvor ausgeführten Voraussetzungen für die Anwendbarkeit einer
öffentlichrechtlichen GoA kein Raum. Ihrer Heranziehung stehen beide
Ausprägungen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, wie sie
vorstehend dargelegt wurden, entgegen. Eine Erweiterung der Erstattungspflicht
der Hauptgrundstückseigentümer über die gesetzlich normierten
Erstattungstatbestände hinaus würde die Grenzen der Eingriffsbefugnisse der
Verwaltung, insbesondere die Grenzen der Möglichkeit, Kosten der Verwaltung auf
Dritte abzuwälzen, in unzulässiger Weise verwischen. In diesem Zusammenhang
ist auch auf § 9 Abs. 9 der Abwassersatzung der Beklagten zu verweisen, nach der
jeder Grundstückseigentümer gehalten ist, ihm bekannt werdende Schäden und
Störungen an den Kanalanschlußleitungen der Beklagten unverzüglich zu melden.
Hintergrund dieser Regelung ist es, die Funktionsfähigkeit der
Abwasserbeseitigungsanlage der Beklagten jederzeit sicher zu stellen. Indem die
Kläger, kurz nachdem an den Kanalleitungen in der ... Arbeiten durchgeführt
wurden, einen bei ihnen erstmalig entstandenen Wasserschaden der Beklagten
meldeten, haben sie dieser satzungsrechtlichen Verpflichtung entsprochen. Auch
wenn im Ergebnis festgestellt wurde, daß die Hausanschlußleitung der Kläger sich
in einem ordnungsgemäßen Zustand befindet, lag es aufgrund der zeitlichen Nähe
des eingetretenen Wasserschadens zu den durchgeführten Arbeiten nahe, hierin
einen Zusammenhang zu sehen. Daß die Kläger auf einer eindeutigen Feststellung
bezüglich des ordnungsgemäßen Zustandes der Hausanschlußleitung insistierten,
kann ihnen vor dem Hintergrund dieser satzungsrechtlichen Bestimmung nicht
zum Vorwurf gemacht werden. Die Frage, ob Hausanschlußleitungen in einem
ordnungsgemäßen Zustand hergestellt, erneuert, verändert oder unterhalten
werden, berührt die allgemeine Abwasserentsorgungspflicht, welche die Beklagte
gemäß § 1 ihrer Abwassersatzung trifft, da sie die Beseitigung des anfallenden
Abwassers und auch gegebenenfalls des Grundwassers als eine öffentliche
Einrichtung betreibt. Zur Abdeckung der aus der ordnungsgemäßen Erfüllung
dieser Pflicht entstehenden Verwaltungskosten, mit Ausnahme der
streitgegenständlichen Hausanschlußkosten, nimmt die Beklagte sämtliche
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streitgegenständlichen Hausanschlußkosten, nimmt die Beklagte sämtliche
Grundstückseigentümer zur Zahlung von Abwasserbeiträgen und
Benutzungsgebühren in Anspruch. Als Grundstückseigentümer sind die Kläger
daher auch insofern anteilig an den Kosten beteiligt, die der Beklagten im
Zusammenhang mit der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen
Abwasserentsorgung entstehen. Zwar berührt die Frage, ob sich die
Hausanschlußleitung der Kläger in einem ordnungsgemäßen Zustand befindet,
auch deren Interessen, überwiegend liegt es jedoch im Interesse der Beklagten,
ihre mögliche Verantwortlichkeit für bei den Klägern aufgetretene Schäden
aufgrund mangelhafter Arbeiten an der Hausanschlußleitung auszuräumen, weil
nur durch eine ordnungsgemäße Ausführung dieser Arbeiten die Beklagte ihrer
Abwasserentsorgungspflicht in nicht zu beanstandender Weise nachkommen kann.
Sowohl der Gesichtspunkt der Partizipation der Kläger an den allgemeinen
Verwaltungskosten, welche der Beklagten im Zusammenhang mit der
Abwasserentsorgung entstehen, als auch der Gesichtspunkt der
ordnungsgemäßen Erfüllung der Abwasserentsorgungspflicht der Beklagten muß
daher im Ergebnis dazu führen, daß neben den gesetzlichen
Erstattungstatbeständen des § 12 HessKAG für eine Kostenerstattungspflicht der
Kläger für Aufwendungen zur Erforschung möglicher Schäden an der
Hausanschlußleitung kein Raum besteht.
Im übrigen ist in dem Heranziehungsbescheid nicht auf öffentlichrechtliche GoA
abgestellt und verbieten die dargestellten Unterschiede zwischen dem auf das
Abgabenrecht gestützten Kostenerstattungsanspruch und dem Anspruch aus
öffentlich-rechtlicher GoA eine Umdeutung (vgl. dazu VG Frankfurt/M., Urteil vom
08.07.1992, Az.: V/2 E 805/92, NVwZ-RR 1994, 90).
Da der Heranziehungsbescheid der Beklagten nach alledem rechtswidrig ist, ist er
nebst dem ergangenen Widerspruchsbescheid aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.