Urteil des VG Gießen vom 13.12.1999

VG Gießen: privates interesse, öffentliches interesse, nutzungsänderung, gaststätte, grundstück, ausfahrt, unterlassen, untätigkeitsklage, lokal, vollstreckbarkeit

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Gericht:
VG Gießen 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 1551/98
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 81 BauO HE
(Baulast)
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer des mit Wohn- und Geschäftsgebäuden bebauten
Grundstücks Flur ..., Flurstück ... (L...straße 31, 31A und 31B) in G.. Ein Antrag auf
Genehmigung zur Einrichtung eines Lokals in dem Gebäude L...straße 31 wurde
von der Beklagten abgelehnt, die hiergegen gerichtete Klage wies das erkennende
Gericht mit Urteil vom 28.11.1989 (VG Gießen I/1 E 2145/87) ab, die Berufung des
Kläger blieb ebenfalls ohne Erfolg (HessVGH Urteil vom 03.12.1998 - 4 UE 844/90).
Bereits am 06.03.1998 hatte der Kläger beantragt, zugunsten des vorgenannten
Grundstücks eine Baulasterklärung für das ebenfalls ihm gehörende
Nachbargrundstück Parzelle ... einzutragen. Inhalt dieser Baulast sollte die
Errichtung einer Zu- und Ausfahrt sowie von bis zu 14 Stellplätzen sein. In der
notariellen Urkunde hierzu vom 26.02.1998 wurde vorausgesetzt, daß die zu
errichtenden Stellplätze für den Betrieb der (seinerzeit noch) geplanten Gaststätte
notwendig seien.
Mit Bescheid vom 20.10.1998 lehnte die Beklagte den Antrag auf Eintragung der
Baulast ab. Es fehle das Sachbescheidungsinteresse, da das Vorhaben, dem die
Baulast dienen solle, nicht verwirklicht werden könne.
Zuvor hatte der Kläger bereits mit Schriftsatz vom 26.08.1998 Untätigkeitsklage
erhoben und zur Begründung auf die Notwendigkeit des Stellplatznachweises für
das geplante Lokal verwiesen. Diesen Zweck bekräftigt er mit Schriftsatz vom
02.12.1999.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.10.1998 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, auf den Antrag des Klägers vom 26.02.1998 im Baulastenverzeichnis
der Stadt G. zugunsten des Grundstückes Gemarkung G. Flur ..., Flurstück ... zu
Lasten des Grundstückes Gemarkung G., Flur ..., Flurstück ..., folgende Baulast
einzutragen:
"Der oder diejenigen dinglichen Berechtigten des Grundstückes Gemarkung G.,
Flur ..., Flurstück ..., wird verpflichtet, auf diesem Grundstück die Errichtung einer
Zu- und Ausfahrt zur L...straße und bis zu 14 Stellplätzen zu dulden gemäß der im
Antrag vom 16.02.1998 beigefügten Skizze auf dem Auszug aus dem
Liegenschaftskataster, wobei diese Verpflichtung zugunsten des Grundstückes
Gemarkung G., Flur ..., Flurstück ..., gilt."
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und bezieht sich zur Begründung auf ihren Bescheid vom 20.10.1998. Es seien
auch keine anderen Vorhaben als das endgültig gescheiterte ersichtlich oder
zulässig, denen die begehrte Baulast dienen könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der beigezogenen
Behördenakten (1 Hefter).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, ihr fehlt insbesondere nicht das allgemeine
Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 02.12.1999 klargestellt,
daß mit der Eintragung der streitbefangenen Baulast Stellplätze nachgewiesen
werden sollen, die er für die Nutzungsänderung des Gebäudes L...straße 31
verwenden will.
Die Klage ist aber in der Sache nicht begründet, denn der Kläger hat keinen
Anspruch auf Eintragung der von ihm begehrten Baulast (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Nach § 81 Abs. 1 HBO können die Eigentumsberechtigten durch Erklärung
gegenüber der Bauaufsichtsbehörde öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu einem
ihre Grundstücke betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen, übernehmen, die
sich nicht schon aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben (Baulast).
Baulasten werden unbeschadet der Rechte Dritter mit der Eintragung in das
Baulastenverzeichnis wirksam, Voraussetzung für die Eintragung einer Baulast ist
zum einen die Baulastfähigkeit und zum anderen die Baulastbedürftigkeit (vgl.
Krawietz, DVBl. 1973, 605, 610).
Die vom Kläger begehrte Eintragung in das Baulastenverzeichnis kann nicht
erfolgen, denn die einzutragende Verpflichtung ist rechtlich nicht zulässig und
damit nicht baulastfähig. Gemäß § 12 Abs. 2 BauNVO sind Stellplätze und
Garagen in Kleinsiedlungsgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen
Wohngebieten sowie Sondergebieten, die der Erholung dienen, nur für den durch
die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Daß diese
Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind, hat der Hessische
Verwaltungsgerichtshof mit rechtskräftigem Urteil vom 03.12.1998 (Az.: 4 UE
844/90, S. 12f. d. UA) zwischen den Beteiligten festgestellt. Insoweit teilt das
Gericht die Wertung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und sieht zur
Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung der
Entscheidungsgründe ab. Ist hiernach aber die Errichtung der Stellplätze
unzulässig, so ist auch eine entsprechende Verpflichtung nicht baulastfähig.
Für einen Anspruch des Klägers fehlt es außerdem an der Baulastbedürftigkeit.
Aus § 81 Abs. 3 S. 2 HBO wird deutlich, daß die Eintragung einer Baulast nicht
allein privaten Interessen dient, sondern auch ein öffentliches Interesse an der
Baulast bestehen muß. Als ein Rechtsinstitut des Bauordnungsrechts setzt die
Baulast nämlich einen Zusammenhang mit einem baurechtlich relevanten Tun,
Dulden oder Unterlassen voraus; sie greift unmittelbar in das Regelungsgefüge
ein, das für die Zulassung der baulichen Nutzung und damit für die Entscheidung
über die Baugenehmigung bestimmend ist. Damit eröffnet sie nicht generell die
Möglichkeit, in öffentlich-rechtlicher Form Verpflichtungen auch dann zu
übernehmen, wenn hierfür unter baurechtlichen Aspekten kein auch nur entferntes
Bedürfnis erkennbar ist. Es besteht weder ein öffentliches noch ein schutzwürdiges
privates Interesse daran, Erklärungen eines Eigentümers über sein Grundstück
betreffende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen durch Eintragung in ein
behördliches Register wirksam werden zu lassen, wenn überhaupt nicht absehbar
ist, daß solche Erklärungen jemals (öffentlich) rechtliche Bedeutung erlangen
werden (BVerwG, Beschl. v. 04.10.1994 - 4 B 175.94 -, BRS 56 Nr. 114). So liegt es
aber im vorliegenden Fall.
Der Bauantrag des Klägers für die Nutzungsänderung des Gebäudes L..straße 31,
der die Baulast erklärtermaßen dienen soll, wurde von der Beklagten abgelehnt,
die hiergegen gerichtete Klage rechtskräftig (HessVGH, Urt. v. 03.12.1980 - 4 UE
844/90) abgewiesen (VG Gießen, Urt. v. 28.11.1989 - I/1 E 2145/87). Ein neuer
Bauantrag, auf den sich die Baulasten beziehen könnten, ist bisher nicht gestellt,
und es ist auch kein konkretes Vorhaben benannt worden, das etwa in Planung
wäre und auf das sich die Baulast beziehen könnte. Da aber kein rechtlich
schützenswertes Interesse besteht, ohne Sinn und Zweck Eintragungen in das
Baulastenverzeichnis vornehmen zu lassen, fehlt es im vorliegenden Fall an der
Baulastbedürftigkeit.
Anders als der Kläger vorträgt, handelt es sich im vorliegenden Fall auch nicht um
einen Zirkelschluß der Gestalt, daß die Baugenehmigung für die
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einen Zirkelschluß der Gestalt, daß die Baugenehmigung für die
Nutzungsänderung am Fehlen der Baulast scheitert, dies aber nicht eingetragen
wird, weil die Einrichtung der Gaststätte (mangels Stellplätzen) unzulässig ist. Der
Kläger übersieht insoweit nämlich, daß die von ihm ursprünglich verfolgte
Nutzungsänderung nicht nur am Fehlen der notwendigen Stellplätze scheitert. Der
Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in der vorgenannten Entscheidung
ausführlich dargelegt, daß nicht nur Stellplätze fehlen, sondern deren Errichtung
auch unzulässig ist. Daß es sich somit um zwei selbständige Versagungsgründe
handelt, wird sowohl daraus deutlich, daß beide Argumentationen getrennt
voneinander in zwei Absätzen dargelegt werden, als auch dadurch, daß
ausdrücklich ausgeführt wird, die Einrichtung der Gaststätte sei neben den
bauplanungsrechtlichen auch aus bauordnungsrechtlichen Gründen nicht zulässig,
weil die erforderliche Zahl der Stellplätze nicht nachgewiesen sei.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO
abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.