Urteil des VG Gießen vom 16.03.2009

VG Gießen: juristische person, reisekosten, fahrtkosten, gesetzgebung, behörde, innenverhältnis, vertreter, hessen, verwaltungsprozess, zivilprozessordnung

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Gericht:
VG Gießen 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 O 188/09.GI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 2 S 1 Nr 1 JVEG, § 151
VwGO, § 91 Abs 1 S 1 ZPO
Kostenfestsetzung: Fahrt eines Vertreters der öffentlichen
Verwaltung zur mündlichen Verhandlung
Tenor
Auf die Erinnerung des Beklagten und Erinnerungsführers hin wird die
Kostenfestsetzung im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03. Februar
2009 wie folgt geändert:
Auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts in
Gießen vom 17.11.2008 sind von dem Kläger an Kosten 28,75 EUR (in
Worten: achtundzwanzig Euro fünfundsiebzig Cent) nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.12.2008 an
den Beklagten zu erstatten.
Im Übrigen wird die Erinnerung des Beklagten und Erinnerungsführers
zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens werden gegeneinander
aufgehoben. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
Der Antrag des Erinnerungsführers auf Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist
als Erinnerung gem. §§ 165, 151 VwGO gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss
des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 03.02.2009 zulässig und in dem
aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen dagegen
unbegründet. In dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss ist für die Fahrt
des Terminsvertreters des Erinnerungsführers zu der mündlichen Verhandlung vor
dem erkennenden Gericht zu Unrecht lediglich eine Wegstreckenentschädigung in
Höhe von 0,16 EUR je Kilometer als notwendige Aufwendung zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO
festgesetzt worden. Dem Beklagten und Erinnerungsführer steht für die Benutzung
des Pkw zur Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung am
17.11.2008 ein Betrag von 0,25 EUR je gefahrenem Kilometer, mithin von 35 km x
0,25 EUR = 8,75 EUR zu. Damit errechnet sich der vom Kläger und
Erinnerungsgegner zu erstattende Kostenansatz nach der Kostenberechnung des
Erinnerungsführers vom 23.12.2008 auf den tenorierten Gesamtbetrag von 28,75
EUR.
Hinsichtlich der mit der Erinnerung allein angefochtenen Entscheidung in Bezug
auf den Kostenansatz für die Benutzung eines Pkw zur Wahrnehmung des Termins
zur mündlichen Verhandlung führt das Bundesverwaltungsgericht in seinem
Beschluss vom 06.12.1983 (4 A 1/78) aus:
"Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören gem. § 162 Abs. 1 VwGO die
zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen
Aufwendungen. In der Verwaltungsgerichtsordnung fehlt eine nähere Festlegung,
welche Fahrtkosten eines Beteiligten im Einzelfall als notwendig und
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welche Fahrtkosten eines Beteiligten im Einzelfall als notwendig und
erstattungsfähig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO anzusehen sind, insbesondere
welches Beförderungsmittel und in welcher Höhe dessen Kosten als notwendig
anzuerkennen sind. In § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist jedoch bestimmt, dass die
erstattungsfähige Entschädigung für die durch notwendige Reisen oder durch die
notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis
entsprechend dem ZSEG (jetzt: JVEG) zu bemessen ist; diese Regelung ist im
Verwaltungsprozess gem. § 173 VwGO entsprechend anzuwenden. Entgegen der
Auffassung der Klägerin ist für die Erstattungsfähigkeit entstandener Fahrtkosten
eines Dienstkraftwagens § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 9 Abs. 3 Satz 1 ZSEG
anzuwenden. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO die
für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften nur auf die durch die
Terminswahrnehmung verursachte Zeitversäumnis für anwendbar erklären wollte,
nicht aber für die eigentlichen Reisekosten. Der Grundsatz der Bestimmtheit und
Voraussehbarkeit der zu erwartenden Prozesskosten und die Praktikabilität des
Kostenfestsetzungsverfahrens rechtfertigen es, auch die zur Erstattung
beantragten Fahrtkosten nach einer pauschalierten Regelung festzusetzen. Die
Regelung des § 9 Abs. 2 und 3 ZSEG ist hinreichend bestimmt und wird, wie § 9
Abs. 3 ZSEG zeigt, auch der Kostenerstattung für eine Kraftwagenbenutzung
angemessen gerecht".
In seinem Beschluss vom 12.12.1988 (1 A 23/85) führt das
Bundesverwaltungsgericht weiter aus, dass auch die durch notwendige
Wahrnehmung von Terminen entstandenen Zeitversäumnisse grundsätzlich von
den Regelungen des ZSEG erfasst sind, einer Behörde aber durch einen
Rechtsstreit keine zusätzlichen Kosten entstanden sind und damit auch keine
Aufwendungen im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO erstattungsfähig festgesetzt
werden können. In die gleiche Richtung argumentiert das
Bundesverwaltungsgericht weiter in dem Beschluss vom 29.12.2004 (9 KST 6/04),
in dem es ausdrücklich klarstellt, dass das nunmehr am 01.07.2004 in Kraft
getretene JVEG im Rahmen der Kostenerstattung für Aufwendungen in Bezug auf
Terminswahrnehmungen Anwendung findet. Soweit vorliegend von Belang, führt
das Bundesverwaltungsgericht in diesem Beschluss aus:
"Die öffentliche Verwaltung ist das Instrument, durch das der Staat
gegenüber dem Bürger handelt. Sie wird grundsätzlich aus allgemeinen
Steuermitteln finanziert und nur in einem beschränkten Umfang und unter
gesetzlich geregelten Voraussetzungen durch die Erhebung von Gebühren oder
Beiträgen, die an eine konkrete Verwaltungsleistung anknüpfen. Die öffentliche
Verwaltung wird vom Staat nicht um ihrer selbst willen unterhalten und
vorgehalten, sondern zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gegenüber dem Bürger.
Zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gehört es auch, dass sie ihr Handeln
vor Gericht zu verantworten und zu vertreten hat, wenn der davon betroffene
Bürger, gestützt auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, es
einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen lässt. Dies ist eine Errungenschaft des
Rechtsstaates und gehört kraft Verfassungsrechts zu den originären Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung. Hierzu zählen auch die Wahrnehmung eines
Gerichtstermins in einem gegen sie geführten Verwaltungsstreit und der
Zeitaufwand dafür. Vor diesem Hintergrund ist es verfehlt, einen
entschädigungspflichtigen "Nachteil" der juristischen Person des öffentlichen
Rechts oder der Behörde darin zu sehen, dass der den Gerichtstermin
wahrnehmende Bedienstete in dieser Zeit nicht "seinen anderen Aufgaben" an
"seinem eigentlichen Arbeitsplatz" nachgehen könne und dass diese entweder von
ihm selber durch Überstunden oder von anderen Bediensteten erledigt werden
müssten, wobei letztere dann wiederum nicht für andere Aufgaben zur Verfügung
stünden. Dabei wird verkannt, dass die rechtswahrende Vertretung ihres Handelns
vor Gericht mit zu dem Aufgabenkreis der öffentlichen Verwaltung gehört; dieses
zu vertreten liegt nicht außerhalb ihrer "eigentlichen" Aufgaben, von deren
Erledigung sie bzw. der den Gerichtstermin wahrnehmende Bedienstete
abgehalten würde."
Das Verwaltungsgericht Kassel legt in seinem Beschluss vom 02.08.2001 (6 J
1763/01) dar:
"Das erkennende Gericht schließt sich diesen Ausführungen (des
Bundesverwaltungsgerichts vom 06.12.1983) an. Verwaltungsinterne Regelungen
wie etwa die Allgemeine Verwaltungskostenordnung oder die Verordnung über die
Gewährung von Wegstreckenentschädigung für die Benutzung anerkannt
privateigener Kraftfahrzeuge bei Dienstreisen können im Verhältnis zu außerhalb
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privateigener Kraftfahrzeuge bei Dienstreisen können im Verhältnis zu außerhalb
der Verwaltung stehenden Dritten hier nicht angewendet werden. Mit der
Erstattung sollen vielmehr lediglich die Unterhaltungs- und Betriebskosten des
Kraftfahrzeugs anteilig abgegolten werden (§ 9 Abs. 3 ZSEG)."
In die gleiche Richtung erläutert auch das Verwaltungsgericht München in seinem
Beschluss vom 18.10.2002 (31 K 00.3337):
"Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO werden die zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten berücksichtigt. Die
Beteiligten sind jedoch gehalten, die Aufwendungen so gering wie möglich zu
halten. Erstattungsfähig sind dabei auch die Reisekosten, die zur
Terminswahrnehmung angefallen sind. Diese sind nach § 173 VwGO i.V.m. § 91
Abs. 1 S. 2 ZPO entsprechend dem ZSEG zu berechnen. Höhere Auslagen sind
nicht anzuerkennen. Die Vorschriften über die Absetzbarkeit von Werbungskosten
nach § 9 EStG sind nicht anwendbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass in § 91
ZPO ausdrücklich auf das ZSEG (jetzt JVEG) und nicht auf das EStG verwiesen
wird."
Hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Behördenvertreters für
Verpflegungsmehraufwendungen anlässlich eines Verhandlungstermins entschied
das VG Chemnitz in seinem Beschluss vom 23.11.2000 (1 K 2445/96), dass diese
sich allein nach § 10 ZSEG richtet, obwohl auch insoweit die einschlägigen
Reisekostengesetze des Bundes und der Länder insoweit Spezialvorschriften im
Innenverhältnis enthalten. Wenn auch in etwas anderem Zusammenhang, so doch
gleichwohl von Interesse, entschied das Landgericht Mühlhausen, 1. Große
Strafkammer, in seinem Beschluss vom 14.02.2008 (402 Js 50110/03 1 KLS), dass
das JVEG die Entschädigung von Zeugen vor Gericht regelt und auch für
Polizeibeamte, die als Zeugen vor Gericht über Wahrnehmungen aussagen, die sie
im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit gemacht haben, neben dem Thüringer
Reisekostengesetz anwendbar ist, diesem sogar gleichsam vorgeht. Dass das
JVEG für den Polizeibeamten Anwendung findet, ergibt sich aus der Systematik des
Gesetzes unabhängig davon, dass die Zeugenaussage über Wahrnehmungen im
Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit für den Polizeibeamten
Dienstzeit ist. Dies führt jedoch ausschließlich dazu, dass grundsätzlich ein
Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber dem Dienstherrn nach dem Thüringer
Reisekostengesetz bestehe, aber nicht den Anspruch des Beamten auf Erstattung
seiner Reisekosten nach JVEG tangiere. Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-
Württemberg bemisst in seinem Beschluss vom 03.07.1990 (8 S 2212/87) die
erstattungsfähigen Aufwendungen für Beteiligten-Vertreter allein nach den
Regelungen des ZSEG, sowohl in Bezug auf die Benutzung von
Beförderungsmitteln als auch in Bezug auf die Zeitversäumnis nach § 10 Abs. 2
ZSEG. Das OLG Stuttgart legt in seinem Beschluss vom 03.04.2001 (8 W 494/00)
schließlich dar, dass der gesetzliche Vertreter (oder sonstige Beauftragte) einer
Partei, die juristische Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts ist, bei
einer Reise zur Terminswahrnehmung für die Zeitversäumnis ohne Nachweis nach
ZSEG zu entschädigen ist, nicht dagegen nach sonstigen besoldungstechnischen
Regelungen. Es führt insoweit aus:
"Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats sind Parteireisekosten von
gesetzlichen oder beauftragten Vertretern von juristischen Personen zur
Wahrnehmung von Gerichtsterminen (§ 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO) erstattungsfähig.
Dabei ist ein Unterschied zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des
öffentlichen Rechts nicht gerechtfertigt. Da diese Entschädigung nach den
Bemessungsgrundsätzen der Zeugenentschädigung ohnehin nicht geeignet ist,
den tatsächlich durch Zeitverlust entstandenen Nachteil auszugleichen, sondern
nur einen pauschalierten Aufwandsersatz darstellt, hält es der Senat für rechtlich
geboten, auch hinsichtlich des Stundensatzes und seines Nachweises keine
Unterschiede zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des öffentlichen
Rechts zu machen. Dies gilt umso mehr, als die in § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO
genannten Terminsreisekosten eine ausdrückliche Ausnahme von dem Grundsatz
bilden, dass der allgemeine Prozessaufwand einer Partei nicht erstattungsfähig
ist."
Die Ausführungen der vorstehenden zitierten Gerichte werden zudem gestützt
durch den Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz vom 23.11.2005 (8 C 1145/04) und
des VGH Baden-Württemberg vom 05.06.1996 (8 S 487/96), wonach eine
verständige Partei bemüht sein muss, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten.
Auch diese Betrachtungsweise verbietet die Festsetzung höherer
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Auch diese Betrachtungsweise verbietet die Festsetzung höherer
Kilometerpauschalen als sie im JVEG niedergelegt sind. Ob Aufwendungen nämlich
nötig waren, beurteilt sich nicht nach den subjektiven Auffassungen des
Beteiligten, sondern danach, wie sich eine verständige Partei verhält, die bemüht
ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Dabei ist ein strenger, den
Gesichtspunkt sparsamer Prozessführung beachtender Maßstab insbesondere
auch deshalb geboten, weil anderenfalls ein Verfahrensbeteiligter das Kostenrisiko
zu Lasten anderer Beteiligter unkalkulierbar erhöhen könnte (so auch OVG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.08.1977, XI B 610/75).
Unter Würdigung der oben zitierten und wiedergegebenen Rechtsprechung ist das
Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Kilometerpauschale des JVEG für
Reisen zur Terminswahrnehmung in gerichtlichen Verfahren für jegliche Arten von
Kraftfahrzeugen anzuwenden ist. Grundsätzlich ist ein Personenkraftwagen ein
Personenkraftwagen, unabhängig davon, ob es ein behördeneigenes Fahrzeug ist,
ein anerkannt privatnütziges, ein Privatfahrzeug auf Dienstreise oder schlicht der
Pkw einer Privatperson. Von daher erscheint es im Lichte von Art. 3 GG (ohne
besonders rechtfertigende gesetzliche Grundlage wie z.B. nach § 162 VwGO i.V.m.
BRAGO/RVG) nicht möglich, für die Benutzung eines gleichartigen
Beförderungsmittels verschiedene Wegstreckenentschädigung im gerichtlichen
Verfahren festzusetzen. Es ist weder ein sachlicher Grund für eine
Ungleichbehandlung vorhanden noch liegt ein ungleicher Sachverhalt vor.
Kraftfahrzeug ist Kraftfahrzeug, unabhängig davon, in wessen Eigentum und
wessen Benutzung es steht. Darüber hinaus legt insbesondere die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nahe, allein auf die
Kostenpauschale des JVEG abzustellen, denn im Zeitpunkt seiner Entscheidungen
lag auch hinsichtlich der entschiedenen Dienstfahrzeuge eine anders lautende
verwaltungsinterne Kostenregelung vor, nämlich in den
Verwaltungskostengesetzen des Bundes und der Länder und den hiernach
erlassenen Verwaltungskostenordnungen, wonach in Hessen bei Kraftfahrzeugen
je gefahrenem Kilometer 0,40 EUR anzusetzen sind. Wenn aber das
Bundesverwaltungsgericht in Ansehung der Verwaltungskostengesetze von einer
Regelungslücke in der Verwaltungsgerichtsordnung ausgeht, so muss diese auch
in Bezug auf die Reisekostengesetze gelten. Die Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts und der oben zitierten weiteren Gerichte sind nämlich
dahingehend zu verstehen, dass die im Rahmen eines Prozessrechtsverhältnisses
erstattungsfähigen Kosten auch durch Prozessrechtsnormen festgelegt sein
müssen und nicht durch Normen außerhalb der jeweiligen Prozessordnung.
Jegliche andere Betrachtung wäre zudem lebensfremd, insbesondere eine
Betrachtung dahingehend, Erstattungsansprüche oder Erstattungspflichten im
Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem im
Prozessrechtsaußenverhältnis einem Dritten entgegenzuhalten. Für die Erstattung
von Kosten der Terminswahrnehmung vor Gericht kann daher allein die
Wegstreckenentschädigung nach Maßgabe des JVEG festgesetzt werden. Diese
Auffassung der Kammer wird zudem durch die Wertung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG
erhärtet, wonach das Prozessrecht zur konkurrierenden Gesetzgebung des
Bundes gehört, was eine landesrechtliche Gesetzgebung ausschließt, soweit der
Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, was er im
Bereich des anzuwendenden Prozessrechts in dem hier zu entscheidenden
Umfang abschließend getan hat. "Gerichtliches Verfahren" im Sinne des § 74 Abs.
1 Nr. 1 GG meint nämlich die verfahrensmäßige Behandlung von Streitfällen vor
Gericht, also das Prozessrecht einschließlich der Kosten der Rechtsverfolgung. Es
bezieht sich dies gleichermaßen auf alle Gerichtszweige (Kunig in von
Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 74 Rdnr. 17 ff.). Soweit von
Bedeutung, führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom
01.03.1978 (BVerfGE 47, 285) aus, dass das Kostenrecht im Bereich der
(freiwilligen) Gerichtsbarkeit gemäß Art. 74 Nr. 1 GG Gegenstand der
konkurrierenden Gesetzgebung ist. In diesem Bereich haben die Länder gem. Art.
72 Abs. 1 GG die Befugnis zur Gesetzgebung nur, solange und soweit der Bund
von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Diese
Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung tritt vor allem dann ein, wenn der Bund
den Sachbereich bereits erschöpfend geregelt hat, sofern nicht das Bundesrecht
einen Vorbehalt zu Gunsten der Landesgesetzgebung enthält. An einem
derartigen Vorbehalt zu Gunsten des Landesrechts fehlt es sowohl in § 162 VwGO
als auch in § 91 ZPO, so dass für die Entschädigung von Terminsreisekosten allein
das durch den Bund erlassene JVEG anwendbar bleibt. An keiner Stelle der
maßgeblichen Prozessordnungen ist eine Öffnungsklausel dahingehend enthalten,
dass es den Landesgesetzgebern freisteht, die Erstattungsfähigkeit von
gerichtlichen Aufwendungen durch Landesrecht zu regeln.
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In Ansehung der vorstehenden Ausführungen kann der Erinnerung nur insoweit
abgeholfen werden, dass je gefahrenem Kilometer eine
Wegstreckenentschädigung von 0,25 EUR nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG
erstattet und festgesetzt werden kann. Entgegen der Auffassung des Beklagten
und Erinnerungsführers sind die Regelungen und Erstattungsbeträge im
Hessischen Reisekostengesetz auf die erstattungsfähigen Kosten im
Prozessrechtsverhältnis nicht anwendbar. Dies allein entspricht der prozessualen
Rechtslage in § 162 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO, welcher nach § 173
VwGO auch im Verwaltungsgerichtsverfahren anwendbar ist und ausschließlich auf
das JVEG verweist, nicht dagegen auf anders lautende Kostenrechtsregelungen
oder Kostenvereinbarungen außerhalb des Prozessrechtsverhältnisses. Diese
Auffassung der Kammer wird gestützt durch die eingeholte Stellungnahme der
Bezirksrevisorin beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 02.03.2009, die
ausführt, dass hinsichtlich der Reisekosten für Terminswahrnehmungen stets die
gleiche Rechtsgrundlage zu Grunde zu legen ist, unabhängig davon, ob es sich um
eine Behörde des Bundes, eines Landes oder einer Stadt, um eine natürliche oder
juristische Person des öffentlichen oder des privaten Rechts handelt. Für das
prozessuale Erstattungsverhältnis unter den Parteien wäre danach stets das JVEG,
und zwar die Vorschriften über Zeuginnen und Zeugen, maßgebend. Bezogen auf
die aus einem Verwaltungsstreitverfahren resultierenden Erstattungsansprüche
des Landes Hessen könne das Reisekostenrecht außerdem keinen
weitergehenden Einfluss haben als beispielsweise die vertraglichen
Vereinbarungen einer GmbH mit ihrem Geschäftsführer oder Prokuristen, der zur
Vertretung der Gesellschaft im verwaltungsgerichtlichen Verfahren berufen ist. Das
Reisekostenrecht gehöre wie die vertraglichen Vereinbarungen zum
Innenverhältnis der Partei mit ihren Beschäftigen. Der Erstattungsanspruch der
Parteien untereinander könne sich aus Gründen der Gleichbehandlung, was die
Möglichkeit der eigenen Einflussnahme anbelangt, und aus Gründen der
Vorhersehbarkeit von Kosten nur nach einheitlichen Bestimmungen richten. Diese
seien bundeseinheitlich für alle Prozessparteien unabhängig von ihrer Rechtsform
die gleichen, nämlich diejenigen des JVEG, sowie es die Zivilprozessordnung in § 91
Abs. 1 Satz 2, welche gemäß § 173 VwGO auch auf den Verwaltungsprozess
anwendbar sei, vorsehe.
Insoweit führt auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom
29.12.2004 a. a. O. aus:
"Es wäre dem Gesetzgeber im Übrigen – innerhalb der Grenzen des Art. 19
Abs. 4 GG – wohl unbenommen, für die Zeitversäumnis von Behördenvertretern
bei der Terminswahrnehmung vor Gericht eine angemessene
Entschädigungspflicht ausdrücklich festzusetzen. Diese für die Erhebung eines
Entgelts für staatliches Tätigwerden erforderliche gesetzliche Grundlage vermag
der Senat vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen in der allgemeinen
Verweisung des § 173 Abs. 1 VwGO auf die entsprechend anzuwendende
Zivilprozessordnung und von dort auf die wiederum lediglich entsprechend
anzuwendenden Vorschriften für die Entschädigung von Zeugen nicht zu
erkennen. Hiergegen spricht zudem, dass der Gesetzgeber in den vergangenen
Jahren das gerichtliche Kostenrecht mehrfach geändert und grundlegend
reformiert hat."
Mit diesen Ausführungen macht das Bundesverwaltungsgericht zur Überzeugung
der Kammer deutlich, dass sich die erstattungsfähigen Aufwendungen allein nach
Maßgabe des geltenden Prozessrechts bemessen, nicht aber nach anderen
Gesetzen oder rechtlichen Grundlagen. Mit anderen Worten: Für die Festsetzung
erstattungsfähiger Aufwendungen in Bezug auf die Reisekosten zur Teilnahme an
einer mündlichen Verhandlung bedarf es einer konkreten Rechtsgrundlage im
Prozessrecht und außerhalb des Prozessrechts liegende Materien können hierbei
keine Berücksichtigung finden.
Zuletzt ist schließlich darauf hinzuweisen, dass allein eine Kilometerpauschale
nach Maßgabe des JVEG dem bestehenden Prozessrechtsverhältnis im Lichte des
Art. 3 Abs. 1 GG gerecht werden dürfe, da hierdurch eine gleichmäßige Erstattung
aller Fahrten möglich ist. Bei Anwendung der Reisekostengesetze bestünde
nämlich bereits die Schwierigkeit, zwischen 0,16 Euro und 0,30 Euro zu
differenzieren (Landesbeamte) bzw. zwischen 0,20 Euro und 0,30 Euro
(Bundesbeamte). Darüber hinaus müsste im Rahmen der Kostenfestsetzung nach
Maßgabe der Kostengesetze und der jeweiligen Erlasslage geprüft werden, welche
Pauschale zur Anwendung gelangt, was das Kostenrecht deutlich überfrachtet und
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Pauschale zur Anwendung gelangt, was das Kostenrecht deutlich überfrachtet und
nicht Aufgabe der gerichtlichen Kostenfestsetzung in Bezug auf Aufwendungen für
Teilnahmen an einer mündlichen Verhandlung sein kann. Damit würde das
Kostenfestsetzungsverfahren eindeutig überfrachtet. Weiter wäre insoweit zu
berücksichtigen, dass die notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 162 Abs. 1
VwGO in Bezug auf die Fahrtkosten zur Terminswahrnehmung lediglich die
anteiligen Unterhalts- und Betriebskosten des Kraftfahrzeuges abgelten sollen
(vgl. VG Kassel a. a. O.), die Kostenpauschale von 0,30 Euro nach hessischem
Reisekostengesetz aber auch eine anteilige Fahrzeugvollversicherung umfasst.
Eine Kraftfahrzeugvollversicherung kann indes zur Überzeugung des Gerichts auch
nicht anteilig vom Prozessgegner erstattet verlangt werden. Insoweit wären von
dem Pauschsatz von 0,30 Euro die Aufwendungen für eine
Fahrzeugvollversicherung in Abzug zu bringen, was ebenfalls nur pauschal erfolgen
könnte. Bei Abzug einer derartigen Pauschale für eine anteilige
Fahrzeugvollversicherung wäre man indes wieder in einer Größenordnung von 0,25
Euro oder gar weniger angelangt, so dass eine Anwendung des hessischen
Reisekostenrechts auch insoweit für den Erinnerungsführer keinerlei Nutzen haben
würde.
Die Kammer vermag sich aufgrund vorstehender Ausführungen der Auffassung
der dem Erinnerungsführer bekannten Beschlüsse der 7., 9., und 6. Kammer des
erkennenden Gerichts sowie der Auffassung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen
in seinem Beschluss vom 11.03.2004 (4 K 2526/98) und dem Beschluss des
Flurbereinigungssenats des Hess. VGH vom 25.01.1989 (F 4471/88) nicht
anzuschließen. So bleibt bereits das Verwaltungsgericht Sigmaringen jede
nachvollziehbare Begründung dafür schuldig, warum § 161 Abs. 1 VwGO in Bezug
auf die Benutzung eines Privatwagens eines Behördenvertreters entgegen den
grundsätzlichen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in den zitierten
Beschlüssen keine Regelungslücke enthalten sollte, weil nämlich das maßgebliche
Reisekostenrecht diese Lücke auffülle. Das VG Sigmaringen verkennt hierbei, dass
die Festlegung erstattungsfähiger Kosten in einem Prozessrechtsverhältnis nicht
Aufgabe des Landesgesetzgebers sein kann (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) und dass die
Anwendung unterschiedlicher Kilometerpauschalen bei gleichartigen
Sachverhalten eklatant gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Auch die Ausführungen
des Beschlusses der 6. Kammer vom 3. März 2009 (6 O 74/09) überzeugen
insoweit nicht, ebenso wenig die dort dargestellte "herrschende Meinung". Da
weder § 162 Abs. 1 VwGO noch § 91 ZPO eine Öffnungsklausel für landesrechtliche
Gesetzgebungstätigkeit enthält, verstößt diese Auffassung gegen Art. 74 Abs. 1
Nr. 1 GG, weil der Bund in Bezug auf die hier streitbefangene Frage in § 162 Abs. 1,
§ 173 VwGO, § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO und dem Justizvergütungs- und
Entschädigungsgesetz eine abschließende Regelung getroffen hat, die die
Anwendung anderer Normen ausschließt. Bei der Entscheidung des Hess. VGH
vom 25.01.1989 (a.a.O.) handelt es sich im Übrigen um eine von den
Besonderheiten des flurbereinigungsrechtlichen Beweisaufnahmeverfahrens
geprägte Besonderheit, die keineswegs verallgemeinerungsfähig ist, zumal der
Beschluss einen Dienstwagen und Tagegeld betrifft und damit von der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht.
Nach alledem ist der Kostenansatz für die Wahrnehmung des Termins zur
mündlichen Verhandlung mittels eines Personenkraftwagens nach § 5 Abs. 2 Nr. 1
JVEG zu berechnen und beträgt 0,25 Euro für jeden gefahrenen Kilometer. Insoweit
ist der mit der Erinnerung angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss abzuändern
und der Kostenansatz neu festzusetzen; die darüber hinausgehende Erinnerung ist
indes unbegründet und zurückzuweisen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens sind gem. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO
gegeneinander aufzuheben, weil das jeweilige Obsiegen/Unterliegen der Beteiligten
eine Kostenverteilung nach Quoten nicht gebietet. Die Gerichtskostenfreiheit folgt
aus dem Fehlen eines Gebührentatbestandes für ein Verfahren der vorliegenden
Art im Kostenverzeichnis der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz.
Die Kammer lässt die Beschwerde in entsprechender Anwendung von § 4 Abs. 3
JVEG zu, weil die zur Entscheidung stehende Frage grundsätzliche Bedeutung hat
und es geboten erscheint, wegen der divergierenden Rechtsprechung eine
grundsätzliche Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zu
ermöglichen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.
ausgewählt und dokumentiert.