Urteil des VG Gießen vom 01.06.1995

VG Gießen: waffen und munition, gefährdung der gesundheit, körperliche unversehrtheit, waffengesetz, aufzählung, widerruf, behörde, landrat, pistole, besitz

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Gericht:
VG Gießen 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 E 106/94 (1)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 47 Abs 2 S 1 WaffG, § 30 Abs
1 S 1 Nr 1 WaffG, § 5 Abs 2
WaffG
(Zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit - keine
abschließende Aufzählung von Unzuverlässigkeitsgründen
in WaffG § 5 Abs 2, hier: Verurteilung wegen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln)
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten.
Der Kläger ist im Besitz von insgesamt 5 Waffenbesitzkarten, die ihm 1987 und
1990 erteilt wurden. Er ist seit Januar 1987 Mitglied im Schützenverein K.
Nachdem ein gegen den Kläger 1988 eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen
des Verdachts des Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz im Juli 1989
wieder eingestellt worden war, wurde der Kläger mit Urteil des Landgerichts Gießen
vom 01.11.1991 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Der
Kläger, der zum damaligen Zeitpunkt in Chemie studierte, hatte in der Zeit von
etwa Januar 1987 bis zu seiner Verhaftung im Dezember 1990 in einem selbst
eingerichteten Labor im Keller seines Elternhauses aus den notwendigen
Rohstoffen mehrere Kilo Amphetamine hergestellt. Diese Droge wurde ihm von
seinem Freund und Mitangeklagten gegen Entgelt abgenommen und von diesem
gewinnbringend weiterveräußert. Nach den Feststellungen des Strafgerichts hatten
die Angeklagten mehr als das 250fache der nicht geringen Menge vertrieben. Das
Urteil wurde am 19.03.1992 rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 08.02.1993 wurde der Kläger durch den Landrat des
Landkreises zum beabsichtigten Widerruf der Waffenbesitzkarten sowie zur
beabsichtigten Ablehnung des noch bestehenden Antrags auf Erteilung einer
Waffenbesitzkarte und Munitionserwerbsberechtigung für eine Pistole vom
17.12.1990 angehört. Mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom
22.02.1993 trug der Kläger daraufhin vor, es sei nicht nachvollziehbar, auf welche
Rechtsgrundlage die angekündigten Verwaltungsakte gestützt werden sollten.
Insbesondere sei darauf hinzuweisen, daß der Kläger selbst nicht rauschgiftsüchtig
sei. Mit Schreiben vom 18.02.1993 trug der Kläger außerdem vor, eine
Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sei nicht im
Straftatenkatalog des § 5 Abs. 2 Waffengesetz enthalten. Für den beabsichtigten
Widerruf sei daher keine Rechtsgrundlage ersichtlich.
Mit Bescheid vom 31.03.1993 lehnte der Landrat des Landkreises Gießen den
Antrag des Klägers vom 17.12.1990 auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte zum
Erwerb und Besitznachweis für eine Pistole sowie der entsprechenden
Munitionserwerbsberechtigung ab. Außerdem widerrief er die dem Kläger erteilten
Waffenbesitzkarten Nr. Als Folge des Widerrufs wurde angeordnet, daß der Kläger
die in seinem Besitz befindlichen Waffen bis zum 30.06.1993 nachweislich
unbrauchbar zu machen oder machen zu lassen habe oder bis zu diesem
Zeitpunkt an einen anderen Berechtigten zu überlassen habe.
Zur Begründung heißt es in diesem Bescheid, der Widerruf sei gemäß §§ 47 Abs. 2
S. 1, 5 Abs. 2 Ziff. 1 Waffengesetz auszusprechen, da bereits die geforderte
Zuverlässigkeit i.S.d. Waffengesetzes nicht gegeben sei. Zwar sei der mit dem
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Zuverlässigkeit i.S.d. Waffengesetzes nicht gegeben sei. Zwar sei der mit dem
Urteil des Landgerichts Gießen festgestellte Straftatbestand nicht ausdrücklich in §
5 Abs. 2 Ziff. 1 Buchst. a bis e WaffG aufgeführt, er komme jedoch in seiner
Schwere vielen der dort genannten Straftatbestände gleich. Besondere Umstände,
die eine von der Regelvermutung abweichende Beurteilung zugunsten des Klägers
rechtfertigen könnten, seien nicht vorgetragen worden. Auf den genauen Wortlaut
des Bescheides (Bl. 84 bis 86 der Behördenakte) wird Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 06.04.1993 Widerspruch ein. Zur
Begründung führte er aus, die Antriebsfeder seines damaligen Handelns sei reine
naturwissenschaftliche Neugier gewesen und er habe seinen Forschungstrieb
befriedigen wollen. Er habe niemanden verletzen oder gar töten wollen. Dies sei
auch in den schriftlichen Urteilsgründen festgehalten. Außerdem habe die Behörde
zu Unrecht das in § 5 Abs. 2 WaffG geregelte Regel/ Ausnahmeverhältnis auf einen
nicht von dieser Bestimmung umfaßten Tatbestand ausgedehnt. Hierfür finde sich
weder im Waffengesetz noch in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum
Waffengesetz eine rechtliche Grundlage. Mit Schriftsatz seines
Prozeßbevollmächtigten vom 19.04.1993 führte der Kläger ergänzend aus, gegen
die von der Behörde in dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Auslegung
spreche generell die differenzierte Ausgestaltung des Deliktkatalogs von § 5 Abs. 2
Nr. 1 WaffG und konkret, daß Betäubungsmitteldelikte vom Gesetzgeber nicht in
den Katalog aufgenommen worden seien. Vor diesem Hintergrund sei eine
erweiternde Auslegung, wie sie die Behörde vorgenommen habe, rechtsfehlerhaft.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.1993 wies das Regierungspräsidium Gießen
den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid,
zwar sei die Tat des Klägers nicht expressis verbis in dem Katalog des § 5 Abs. 2
Nr. 1 WaffG aufgeführt. Abweichend von der Meinung des Klägers und seines
Bevollmächtigten sei es jedoch durchaus möglich, auch Verhaltensmuster und
Straftatbestände, die nicht in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG genannt seien, als
Unzuverlässigkeitstatbestände im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Die
Aufzählung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG enthalte keine abschließende gesetzliche
Bestimmung der Unzuverlässigkeitsgründe. Die Vorschrift dürfe nicht dahingehend
verstanden werden, daß andere als in ihr aufgeführte Tatsachen für die Beurteilung
der Zuverlässigkeit außer Betracht bleiben müßten. Ein Verstoß gegen das
Betäubungsmittelgesetz in der Form, wie sie der Kläger wiederholt begangen
habe, stelle nach Auffassung der Behörde einen Sachverhalt dar, auf den § 5 Abs.
2 Nr. 1b WaffG (vorsätzlicher Angriff auf Leben und Gesundheit und rechtskräftige
Verurteilung deswegen) unmittelbar oder zumindest analog anzuwenden sei. Auf
den genauen Wortlaut des Widerspruchsbescheids wird Bezug genommen (Bl. 99
bis 108 der Behördenakte).
Am 24. Januar 1994 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und
vertieft er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend
aus, eine erweiternde Auslegung des Teilkatalogs des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG sei
allenfalls mit konkretem Bezug zu spezifisch waffenrechtlichen Belangen denkbar.
Anlaß zu Beanstandungen, die sich aus dem Besitz und Umgang mit Waffen
ergeben könnten, habe der Kläger nicht gegeben. Zu beachten sei, daß der Kläger
bereits 1987 die erste waffenrechtliche Erlaubnis erworben habe. Auf eine
waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers könne allein aufgrund der gegen
ihn ergangenen strafrechtlichen Verurteilung nicht geschlossen werden. Es sei zu
berücksichtigen, daß der Kläger lediglich Sportschütze sei und ausschließlich zur
Ausübung dieses Hobbys Waffen benötige und mit diesen umgehe, so daß ein
Mißbrauch der Waffen oder nicht verantwortungsvoller Umgang mit Waffen und
Munition nicht zu erwarten sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Landrates des Landkreises vom 31.03.1993 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums vom 20.12.1993 aufzuheben
und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Waffenbesitzkarte zum Erwerb
und Besitznachweis für eine Pistole im Kaliber 45 ACP sowie eine entsprechende
Munitionserwerbsberechtigung zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt er im wesentlichen die bereits in den angefochtenen
Bescheiden gemachten Ausführungen. Er weist außerdem darauf hin, daß § 5 Abs.
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Bescheiden gemachten Ausführungen. Er weist außerdem darauf hin, daß § 5 Abs.
2 WaffG keinen Ausschließlichkeitscharakter besitze, sondern nur eine
beispielhafte Negativaufzählung von Fällen persönlicher Unzuverlässigkeit
enthalte. So sei immer die Gesamtpersönlichkeit des Betroffenen zu würdigen.
Dieser müsse die Gewähr dafür bieten, daß er verantwortungsvoll mit Waffen und
Munition umgehen werde. An einer solchen Zuverlässigkeit bestünden jedoch hier
aufgrund der vom Strafgericht verurteilten Tat erhebliche Bedenken. Bei der
Herstellung und dem Verkauf von Amphetaminen habe der Kläger nach eigenen
Angaben aus wissenschaftlicher Neugier gehandelt. Dabei habe er offensichtlich
den Gefahren und dem Unrecht solcher Experimente gleichgültig
gegenübergestanden. Für seinen "Erfolg" habe er die Gefährdung der Gesundheit
von Konsumenten außer Acht gelassen. Der Umgang mit Chemikalien bzw.
Drogen lasse sich durchaus mit dem Umgang mit Waffen vergleichen. Auch dieser
erfordere Umsicht und verantwortungsvolles Handeln, um eine Kontrolle der
Gefahren, die den Waffen innewohnten, zu gewährleisten. Das Urteil des
Landgerichts Gießen habe ergeben, daß der Kläger ein solches
Verantwortungsbewußtsein nicht besitze. Das rücksichtslose Vorgehen des Klägers
lasse befürchten, daß der Kläger auch Waffen und Munition mißbräuchlich oder
leichtfertig i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG verwenden werde.
Hinzu komme, daß der Kläger die Waffen offenbar unzulässigerweise seinem Vater
überlassen habe, welcher sie einem Waffenhändler übergeben habe. Die Schlüssel
zu dem Wandschrank, in dem der Kläger zuvor seine Waffen aufbewahrt gehabt
habe, sei zudem den Eltern des Klägers zugänglich gewesen, weshalb insoweit von
einem unsachgemäßen Aufbewahren der Waffen ausgegangen werden müsse.
Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Behördenakte (1 Hefter) Bezug
genommen. Diese waren auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landrates des Landkreises vom 31.03.1993 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums vom 20.10.1993 ist sowohl
hinsichtlich des Widerrufs der Waffenbesitzkarten (1.) als auch hinsichtlich der
Ablehnung der Erteilung einer weiteren Waffenbesitzkarte sowie einer
Munitionserwerbsberechtigung (2.) rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht
in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Landrat des Landkreises Gießen hat den Widerruf der dem Kläger erteilten
Waffenbesitzkarten zu Recht auf § 47 Abs. 2 Satz 1 Waffengesetz (WaffG) gestützt;
nach dieser Bestimmung ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz, also auch
eine Waffenbesitzkarte (§ 28 Abs. 1 Satz 2 WaffG), zu widerrufen, wenn
nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Zu
versagen sind Waffenbesitzkarten gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG, wenn
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die erforderliche
Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) nicht besitzt.
Nach Auffassung der Kammer rechtfertigt die rechtskräftige Verurteilung des
Klägers wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln die Annahme, daß er nicht
die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitzt. Bei dem Begriff der
waffenrechtlichen Zuverlässigkeit handelt es sich um einen unbestimmten
Rechtsbegriff, dessen richtige Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt vom
Gericht voll zu überprüfen ist (vgl. BVerwG vom 30.04.1985, 1 C 12/83; NVwZ
1986, 558 (560)). Dabei gibt die in § 5 WaffG getroffene Bestimmung den insoweit
anzulegenden Rahmen vor. Während § 5 Abs. 1 WaffG schon nach dem Wortlaut
die Fälle der zwingend anzunehmenden, speziell waffenrechtlichen
Unzuverlässigkeit regelt (vgl. Steindorf, Waffenrecht, 6. Aufl., 1995, § 5 Rdnr. 3),
zählt § 5 Abs. 2 WaffG Fälle auf, bei deren Vorliegen in der Regel von der
persönlichen Unzuverlässigkeit auszugehen ist. Entgegen der vom Kläger
vertretenen Auffassung ist dies jedoch nicht so zu verstehen, daß die in § 5 Abs. 2
WaffG aufgezählten Fälle als abschließende Aufzählung angesehen werden
müßten. Richtig ist zwar, daß die Formulierung "in der Regel" dazu führt, daß auch
bei Vorliegen eines in der Norm aufgeführten Sachverhaltes geprüft werden muß,
ob besondere Umstände die Annahme eines Ausnahmefalles und damit ein
Abweichen von der Regelvermutung gebieten. Nach Auffassung der Kammer
bedeutet jedoch die Aufzählung von Regelvermutungsfällen, wie sie der
Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 WaffG gewählt hat, darüber hinaus, daß auch in
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Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 WaffG gewählt hat, darüber hinaus, daß auch in
anderen, nicht ausdrücklich aufgeführten Fällen eine persönliche Unzuverlässigkeit
angenommen werden kann. Die Auflistung von Regelvermutungsfällen bringt
nämlich gerade zum Ausdruck, daß die Norm keinen Ausschließlichkeitscharakter
für sich in Anspruch nimmt. Sollen nämlich Ausnahmen von der Regelvermutung
einerseits möglich sein, so müssen andererseits auch Fälle denkbar sein, die
ebenfalls die Annahme der persönlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen, auch
wenn sie nicht in den Regelvermutungsfällen ausdrücklich erscheinen. Der
unbestimmte Rechtsbegriff der (persönlichen) Unzuverlässigkeit wird durch § 5
Abs. 2 WaffG also nicht abschließend ausgefüllt, vielmehr werden Straftaten und
Fälle vorgegeben, die nach der Wertung des Gesetzgebers wegen ihrer Schwere
und ihres Charakters regelmäßig zur Annahme der Unzuverlässigkeit führen
müssen; zugleich werden damit Anhaltspunkte für die Ausfüllung des
unbestimmten Rechtsbegriffes in vergleichbar schwerwiegenden oder ähnlich
gelagerten Fällen gegeben. Insofern liegt es hier genauso, wie in den sogenannten
Regelbeispielsfällen des Strafgesetzbuches (StGB). Auch dort gibt etwa § 243
StGB Regelfälle für die Annahme eines besonders schweren Falles des Diebstahls
vor, ohne damit eine abschließende Regelung treffen zu wollen. Nach einhelliger
Ansicht bedeutet dort die Verwendung der sogenannten "Regelbeispielstechnik"
zweierlei: Zum einen ist das Vorliegen eines Regelbeispielsfalles ein Indiz für die
Annahme eines besonders schweren Falle, zum anderen entfalten die Beispiele
eine Analogiewirkung in der Weise, daß in einem Fall, der keinem der aufgelisteten
Regelbeispiele ähnlich ist, aber im Gewicht von Unrecht und Schuld dem eines
Regelbeispieles entspricht, ein besonders schwerer Fall anzunehmen ist, (vgl.
Dreher/Tröndle, StGB, 47. Aufl., 1995, § 243 Rdnr. 5, § 46 Rdnr. 45 a;
Schönke/Schröder-Eser, StGB, 24. Aufl., 1991, § 243 Rdnr. 1).
Nicht anders verhält es sich letztlich mit den in § 5 Abs. 2 WaffG aufgezählten
Regelvermutungsfällen. Dies hat zur Folge, daß auch dort nicht ausdrücklich
aufgeführte Taten zur Annahme einer persönlichen Unzuverlässigkeit führen
können (ebenso: Steindorf, Waffenrecht, § 5 Rdnr. 3; Heinrich, Gewerbearchiv
1989, 313 (314); Sächsisches OVG vom 13.01.1994, 1 S 569/92; Gewerbearchiv
1994, 195 (196)).
Damit ist anhand des in § 5 Abs. 2 WaffG zum Ausdruck kommenden
Sicherheitszwecks (vgl. Gehrmann, Gewerbearchiv 1991, 201 ff.) zu überprüfen, ob
eine nicht in dieser Bestimmung aufgeführte, abgeurteilte Tat die Annahme der
Unzuverlässigkeit begründet. Durch die Aufzählung von verschiedenen Straftaten,
etwa solchen gegen die körperliche Unversehrtheit (wie vorsätzlichen Angriffs auf
das Leben oder die Gesundheit), gegen die sexuelle Selbstbestimmung (wie
Vergewaltigung), weiter von Straftaten gegen das Eigentum und das Vermögen
und noch einiger anderer Taten, bringt die Bestimmung zum Ausdruck, daß die mit
dem Besitzen, Benutzen und Führen von Waffen verbundenen Risiken nicht bei
Personen in Kauf genommen werden sollen, die in anderen Bereichen eine
erhebliche Mißachtung der Rechtsgüter anderer und ihre Bereitschaft, sich über
die Strafgesetze zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse hinwegzusetzen,
gezeigt haben. Umgekehrt heißt dies, daß nur solche Personen die
waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitzen können, bei denen
Verantwortungsbewußtsein und Pflichtgefühl die Gewähr für einen sorgfältigen,
bedachtsamen und vor allem gesetzestreuen Umgang mit den Waffen bieten.
Dabei wird aus bestimmten Rechtsverletzungen in zulässiger Weise der
grundsätzliche Schluß auf nicht ausreichendes Verantwortungsbewußtsein und
Pflichtgefühl gezogen, ohne daß die Rechtsverletzungen auch nur am Rande etwas
mit Waffen zu tun gehabt haben müßten.
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Verurteilung des Klägers wegen
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln eine den in § 5 Abs. 2 WaffG aufgezählten
Fällen gleichzusetzende Tat. Der Kläger hatte in großen Mengen Amphetamine
hergestellt, welche sein Freund auf dem Schwarzmarkt weiterveräußerte. Der
Kläger wußte nach den Feststellungen des Strafgerichts auch, daß es sich hierbei
um eine illegale Droge handelte und diese auf dem Schwarzmarkt verkauft wurde;
er erhielt auch selber eine beträchtliche Summe Geld für die von ihm hergestellten
Drogen (vgl. S. 6-12 des Strafurteils=Bl. 63-69 der Behördenakte). Der Kläger hat
sich damit bewußt über die erheblichen negativen Auswirkungen des
Drogenkonsums für die Gesundheit und möglicherweise das Leben anderer
Menschen und über die Gesetze aus Gewinnsucht hinweggesetzt. Darin liegt zwar -
entgegen der von dem Beklagten vertretenen Auffassung - nicht ein vorsätzlicher
Angriff auf das Leben oder die Gesundheit im Sinne von § 5 Abs. 2 Ziff. 1b WaffG,
da hierunter nur die in den §§ 211-221, 223-229 StGB normierten Tatbestände
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da hierunter nur die in den §§ 211-221, 223-229 StGB normierten Tatbestände
fallen (vgl. Steindorf, Waffengesetz, § 5 Rdnr. 18) und für die Beeinträchtigung der
Rechtsgüter Leben und Gesundheit hier der strafrechtlich relevante
Kausalzusammenhang fehlt. Indes zeigt die Tat ein vergleichbar schweres Gewicht
wie die in § 5 Abs. 2 Ziffer 1 WaffG aufgeführten Taten, da dort ebenso wie hier
eine nicht unerhebliche Mißachtung der Rechtsgüter anderer die Begehung erst
ermöglicht. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß im Falle des Klägers
trotz der Schwere der verurteilten Tat besondere Umstände dennoch zur
Annahme der Zuverlässigkeit führen müßten. Der Behauptung des Klägers,
Triebfeder seines Handelns sei rein wissenschaftliche Neugier gewesen, vermag
die Kammer angesichts der strafgerichtlichen Feststellungen keinen Glauben zu
schenken. Es ist zwar denkbar, daß der Kläger zu Beginn seiner "Amphetamin-
Produktion" noch von einem Forschergeist beseelt war, jedoch hatte er nach den
Feststellungen des Strafgerichts in relativer kurzer Zeit eine Methode zur
Herstellung von Amphetamin mit hohem Reinheitsgrad entwickelt (vgl. S. 6 des
Strafurteils=Bl. 69 der Behördenakte). Wäre wissenschaftliche Neugier hier die
alleinige und wesentliche Triebfeder gewesen, hätte der Kläger konsequenterweise
an diesem Punkt mit seinen chemischen Experimenten aufhören müssen. Aus
Sicht der Kammer gibt es nur einen Grund, warum der Kläger dennoch
weitermachte, nämlich den erheblichen finanziellen Gewinn, den das illegale
Drogengeschäft versprach. Dementsprechend setzte der Kläger seine Tätigkeit
sogar trotz eines bereits gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens (vgl. Bl. 36
der Behördenakten),noch mehrere Jahre ungerührt fort.
Die rechtskräftige Verurteilung des Klägers wegen des Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln, seit deren Rechtskraft auch noch keine fünf Jahre vergangen
sind, führt nach alledem zur Annahme fehlender Zuverlässigkeit im Sinne von § 5
Abs. 2 WaffG. Daher hat der Landrat des Landkreises dem Kläger die
Waffenbesitzkarten zu Recht gem. §§ 47 Abs. 2 Satz 1, 30 Abs. 1 Satz 1, Nr. 2
WaffG widerrufen, womit sich die angefochtenen Bescheide insoweit als rechtmäßig
erweisen.
Es kam daher auch nicht auf die Frage an, ob der Kläger die Waffen seinerzeit
ordnungsgemäß aufbewahrt oder sie später unter Verstoß gegen waffenrechtliche
Vorschriften seinem Vater überlassen hatte.
Die als Folgen des Widerrufs gem. § 48 Abs. 2 WaffG getroffenen Anordnungen in
dem Bescheid des Landrates des Landkreises vom 31.03.1993 sind ebenfalls
rechtmäßig ergangen, wobei unschädlich ist, daß zum Zeitpunkt der
Behördenentscheidung die Waffen (möglicherweise) schon an einen Waffenhändler
verkauft worden waren und der Kläger damit der behördlichen Anordnung zuvor
gekommen war. Die Frage, ob hier etwas tatsächlich Unmögliches vom Kläger
verlangt wurde, hätte rechtliche Konsequenzen allenfalls für die Rechtmäßigkeit
einer - hier nicht ergangenen - Vollstreckungsanordnung haben können, berührt
aber die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht, da für diese allein der
rechtmäßige Widerruf Voraussetzung war.
2. Die Versagung einer Waffenbesitzkarte für eine Pistole im Kaliber 45 ACP sowie
eine entsprechende Munitionserwerbsberechtigung ist ebenfalls rechtmäßig
ergangen, da der Kläger keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten
Erlaubnisse hat. Dies ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1, Nr. 2 WaffG, da dem
Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit gem. § 5 WaffG fehlt und somit ein
Versagungsgrund im Sinne von § 30 Abs. 1 WaffG vorliegt. Insoweit kann in vollem
Umfang auf die oben unter Ziffer 1. dargelegten Erwägungen verwiesen werden.
Die Behörde hat ihre Versagung daher zu Recht auf diese Vorschrift gestützt, so
daß sich der Bescheid des Landrates des Landkreises vom 31.03.1993 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums vom 20.12.1993
auch insoweit als rechtmäßig erweist.
3. Da er unterlegen ist, hat der Kläger gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des
Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.