Urteil des VG Gießen vom 07.03.2002

VG Gießen: öffentliche sicherheit, abend, polizei, öffentliche ordnung, veranstaltung, ortschaft, kontrolle, wahrscheinlichkeit, drohung, verhinderung

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Gericht:
VG Gießen 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 E 3108/99
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 11 SOG HE, § 31 S 1 SOG HE
Leitsatz
Die Mitteilung einer an der Planung einer Veranstaltung beteiligten Person an die
Polizeibehörde, bei einem Verbot dieser Veranstaltung müssten seitens der Polizei
erhebliche Kräfte eingesetzt werden, kann als Drohung mit dem Inhalt interpretiert
werden, es werde in einem solche Falle zu Störungen der
öffentlichen Sicherheit kommen.Auch aufgrund eines Streites eines Bürgers mit einem
ihn im Rahmen einer allgemeinen Kontrolle befragenden Polizeibeamten über dessen
Fähigkeiten und den vorhandenen Willen zur Verfolgung von Straftaten kann unter
Berücksichtigung einer vorangegangenen Drohung eines Dritten im zuvor genannten
Sinne die Annahme begründet sein, von der kontrollierten Person könne im Anschluss
an die Kontrolle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen, so dass auch bei
nachträglicher Betrachtung zumindest das Vorliegen der Voraussetzungen für die
Annahme einer Anscheinsgefahr und eines zur Verhinderung dieser Gefahr
ausgesprochenen Platzverweises zu bejahen ist.
Erstreckt sich die konkrete Gefahr einer Störung der öffentlichen Sicherheit durch
Personen auf das gesamte Gebiet einer Ortschaft, so kann ein polizeiliches Verbot an
einen mutmaßlichen Störer, sich in den Ort zu begeben, im Einzelfall als
verhältnismäßig angesehen werden.
Gründe
Der Kläger begehrt die nachträgliche Feststellung, dass ein gegen ihn
ausgesprochener Platzverweis rechtswidrig war. Am Abend des 30. April 1999
beabsichtigte der Kläger, sich in der Ortschaft K. im Landkreis Vogelsbergkreis mit
Freunden zu einer privaten Veranstaltung zu treffen. Zu dieser Zeit war der Kläger
Kreisvorsitzender der Partei "Die Republikaner" und besaß ein Kreistagsmandat.
Demzufolge war er eine bekannte Person. Als der Kläger mit seinem Fahrzeug an
der Ortsgrenze eintraf, wurde er durch mehrere Polizeibeamte angehalten und
aufgefordert, sich auszuweisen. Die Polizei hatte an diesem Tag die
Straßenkontrollstelle eingerichtet, da sie annahm, an diesem Abend komme es in
K. zu einem Treffen rechtsextremer Kräfte. Mit den Kontrollstellen wollte die Polizei
Ausschreitungen verhindern, die durch das Treffen im Zusammenhang mit einer
gleichfalls an diesem Tag im Ort stattfindenden Veranstaltung der örtlichen
Burschenschaft "Tanz in den Mai" entstehen könnten. Bei der Kontrolle des
klägerischen Fahrzeugs eingesetzt war der Polizeibeamte H., der bereits früher mit
dem Kläger in Kontakt gekommen war. Von diesem Polizeibeamten nahm der
Kläger an, er bearbeite eine Anzeige von ihm nicht in der gebotenen Weise. Bei der
Begegnung am Abend des 30. April 1999 in K. zeigte sich, dass zwischen beiden
Männern eine gewisse Spannung bestand. Diese gipfelte in einem Streitgespräch,
aufgrund dessen der Polizeibeamte später eine Anzeige gegen den Kläger wegen
Beleidigung erhob.
Sodann sprach der Polizeibeamte H. gegen den Kläger einen Platzverweis für den
Bereich der Stadt K. für die Nacht zum 1. Mai 1999 aus. Der Kläger kam dem
Gebot nach, legte über seine Bevollmächtigten indes am 4. Mai 1999 Widerspruch
gegen den Platzverweis ein. Hierbei gab er zur Begründung an, er beabsichtige
auch in Zukunft seine Bekannten in K. zu besuchen und befürchte, dabei erneut
des Ortes verwiesen zu werden. Mit Widerspruchsbescheid 20. August 1999 wies
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des Ortes verwiesen zu werden. Mit Widerspruchsbescheid 20. August 1999 wies
das Regierungspräsidium Gießen den Widerspruch des Klägers zurück. Zur
Begründung führte es aus, der Widerspruch sei unzulässig. Es handele sich um
einen sogenannten Fortsetzungsfeststellungswiderspruch, der jedoch unstatthaft
sei. Dem Widerspruchsführer stehe es nämlich frei, sogleich eine
Fortsetzungsfeststellungsklage zu erheben. Die Zustellung des
Widerspruchsbescheids ist nicht dokumentiert. Am 24. September 1999 hat der
Kläger Klage erhoben. Er vertritt die Ansicht, das ausgesprochene Verbot, die
Stadt K. am Abend des 30. April 1999 zu betreten, sei rechtswidrig gewesen. Die
Annahme der Polizei, es komme womöglich an diesem Abend zu Straftaten, habe
auf unsubstantiierten und unkonkreten Angaben beruht. In jedem Fall sei die
ausgesprochene Maßnahme aber kein geeignetes Mittel gewesen, den
angestrebten Zweck der Verhinderung von Straftaten zu erreichen. Zudem sei es
Aufgabe des Regierungspräsidiums gewesen, den Widerspruch nicht nur formell zu
prüfen, sondern auch in der Sache zu bescheiden. Der Kläger behauptet, über den
Platzverweis, der Gegenstand dieses Verfahrens ist, hinaus noch mehrfach mit
entsprechenden Verboten überzogen worden zu sein. Der Kläger beantragt, den
Beklagten unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 20. August 1999 zu
verurteilen, den Widerspruch, den der Kläger am 3. Mai 1999 gegen den am 30.
April 1999 von dem Beklagten gegen ihn verhängten Platzverweis eingelegt hat,
mit einer Entscheidung zu bescheiden, die Feststellungen über die Rechtmäßigkeit
des Platzverweises enthält, hilfsweise, festzustellen, dass der am 30. April 1999
gegen den Kläger ausgesprochene Platzverweis rechtswidrig war. Der Beklagte
beantragt, die Klage abzuweisen. Er vertritt die Ansicht, dem Kläger stehe (nur)
eine Klagebefugnis für eine Fortsetzungsfeststellungsklage zu. Das notwendige
Feststellungsinteresse folge aus der Wiederholungsgefahr. Hingegen sei der
Klageantrag auf Verurteilung zur Bescheidung in der Sache unzulässig. Die Klage
sei im Übrigen unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 31 HSOG vorgelegen
hätten. Der Beklagte räumt ein, dass gegen den Kläger ein weiterer Platzverweis
am 27. November 1999 ausgesprochen worden sei. Die weiteren von dem Kläger
behaupteten Platzverweise bestreitet der Beklagte. Das Gericht hat in der der
Entscheidung vorangegangener mündlichen Verhandlung den Kläger
informatorisch gehört. Insoweit wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 13.
September 2001 Bezug genommen. Gegenstand der Entscheidungsfindung sind
zwei Hefter Behördenakten gewesen. Entscheidungsgründe: Das Gericht konnte
ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten
entsprechend erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO). Die Klage ist hinsichtlich des
Hauptantrags unzulässig. Dem Kläger fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis,
den Beklagten verurteilen zu lassen, den eingelegten Widerspruch auch inhaltlich
zu prüfen. Hier bietet sich - wie von dem Beklagten zu Recht angenommen -
vielmehr sogleich die verwaltungsgerichtliche Klage an. Hingegen ist der
Hilfsantrag als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (§ 44 VwGO, § 113 Abs. 1
S. 4 VwGO analog). Eine Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage kann der
Kläger hier nicht erheben, da sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat (§
43 Abs. 2 VwGO). Der Kläger kann auf Grund des eigenen und des Vortrags des
Beklagten aufgrund der bestehenden Wiederholungsgefahr ein Interesse an der
Feststellung geltend machen, durch den am Abend des 30. April 1999 verhängten
Platzverweis in seinen Grundrechten verletzt zu sein (§ 43 Abs. 1 VwGO analog).
Demnach ist die Erörterung, ob auch ansonsten der behauptete
Grundrechtseingriff eine nachträgliche gerichtlich Prüfung erfordere (vgl. Beschluss
des BVerfG vom 03.02.1999 - 2 BvR 804/97 ), hier nicht vonnöten. Die Klage ist
indes unbegründet. Der gegen den Kläger am 30. April 1999 ausgesprochene
Platzverweis ist (noch) als rechtmäßig anzusehen, so dass der Kläger hierdurch
nicht in seinen Rechten verletzt war (§ 113 Abs. 1 VwGO). Nach § 31 S. 1
Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) können die
Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden zur Abwehr einer Gefahr einer Person
vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Das gegenüber dem Kläger
ausgesprochene Verbot, in die Ortschaft K. einfahren zu dürfen, stellt sich auch
formell als Platzverweis im Sinne des § 31 S.1 HSOG dar.
Eine bestimmte Form für die Platzverweisung schreibt das Gesetz nicht vor. Sie
kann auch mündlich angeordnet werden. Eine förmliche Begründung war, da der
Verwaltungsakt mündlich erteilt wurde, nach § 39 Hessisches
Verwaltungsverfahrensgesetz (HessVwVfG) nicht erforderlich; zudem nach § 39
Abs. 2 Nr. 2 HessVwVfG auch entbehrlich, da dem Kläger der Grund für die
Maßnahme - jedenfalls ausreichend - auf Grund der Auseinandersetzung zwischen
ihm und dem Polizeibeamten bekannt war. Voraussetzung der Maßnahme nach §
31 S. 1 HSOG, die sich im vorliegenden Fall als Betretungsverbot darstellt, ist
zunächst, ob eine Gefahr im Sinne des § 11 HSOG gegeben ist, die durch die
zunächst, ob eine Gefahr im Sinne des § 11 HSOG gegeben ist, die durch die
Person allein oder zusammen mit anderen verursacht oder aufrechterhalten wird.
Damit ist die Platzverweisung ausschließlich zur Gefahrenabwehr zulässig. Das
Instrument des § 31 HSOG darf nicht anlässlich der Verfolgung von Straftaten oder
Ordnungswidrigkeiten eingesetzt werden. In Fällen, in den neben der präventiven
Absicht auch repressive Bereiche tangiert werden, ist der Schwerpunkt der
Tätigkeit maßgeblich. Der Begriff der Gefahr in § 31 S. 1 HSOG beinhaltet
ausschließlich die konkrete Gefahr. Eine konkrete Gefahr ist eine Sachlage, bei der
im einzelnen Falle die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer
Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder für die öffentliche Ordnung
eintreten wird (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 20.12.1983, NJW 1984, 1368).
Hierbei ist die Bekämpfung einzelner, individuell bestimmbarer Gefahrenfälle, d.h.
von einer in der Lebenswirklichkeit vorhandenen konkreter Sachlage ausgehenden
Gefahr, Ziel der Grundnorm des § 11 HSOG. Im vorliegenden Fall ist nicht
unproblematisch, ob von dem Kläger eine in diesem Sinne verstandene Gefahr
ausging, als er am 30. April 1999 die Ortschaft K. betreten bzw. in diese mit
seinem PKW einfahren wollte. Denn im Nachhinein lässt sich gerade nicht mehr
feststellen, wie konkret und tatsächlich drohend die Gefahr für eine Störung der
öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in K. am betreffenden Abend war und
inwieweit der Kläger überhaupt in diese Vorgänge involviert war bzw. gewesen
wäre. Verwirklicht hat sich diese Gefahr jedenfalls nicht. Der Beklagte trägt dazu
vor, im Vorfeld der Ereignisse habe ein bekannter im Bereich K. wohnender
Rechtsextremist für den Abend des 30. April 1999 ein Fest mit Maifeuer und rund
200 auswärtigen Teilnehmern angekündigt. Nach dem Hinweis seitens der Polizei,
sie werde keine Veranstaltung dulden, bei der es zu Straftaten komme, habe die
Person angekündigt, man werde dann eben zur ebenfalls am selben Abend
stattfindenden Maifeier der örtlichen Burschenschaft gehen. Die Polizei müsse in
diesem Fall eben mit einer größeren Zahl von Beamten erscheinen. Aufgrund
dieser Informationen sei die Polizeidirektion L. davon überzeugt gewesen, dass bei
einem Auftreten von 200 ortsfremden Personen in K. mit hoher Wahrscheinlichkeit
Straftaten zum Nachteil der Bevölkerung sowie sonstige Straftaten mit
rechtsextremer Motivation zu erwarten waren. Auch sei die Polizei der
Überzeugung gewesen, ein Zuwarten mit dem Einschreiten gegen Störer bis zum
Eintritt der angenommenen Störungen sei aufgrund der Dunkelheit und erwarteten
großen Zahl von Teilnehmern am Maifeuer der örtlichen Burschenschaft nicht
möglich gewesen. Ob diese Annahmen in der heutigen Betrachtung sich
bestätigen, muss jedoch offen bleiben. Tatsächlich sind in der Nacht zum 1. Mai
1999 durch starke Polizeikräfte, die sich an den Zufahrtsstraßen zur Ortschaft
positioniert hatten, zahlreiche Personen an dem Betreten bzw. Befahren des
Stadtteils gehindert worden, so dass die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen
ist, dass sich bereits aufgrund dieser Maßnahme die befürchtete Gefahr einer
Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung letztendlich nicht verwirklicht hat,
womit die Aktionen ihre Rechtfertigung finden würden. Eine Gefahr im Sinne des §
11 HSOG besteht aber nur bei hinreichender Wahrscheinlichkeit des
Schadenseintritts, wobei eine absolute Gewissheit, die erst nach Schadenseintritt
feststellbar ist, jedoch nicht gefordert werden kann. Andererseits reichen die bloße
Vermutung oder Möglichkeit für die Verwirklichung eines Schadens nicht aus. In
der gerichtlichen Kontrolle ist daher auf der Grundlage der im Zeitpunkt der
behördlichen Entscheidung zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ein auf
Tatsachen, Sachverhalte und sonstige Einzelheiten gestützte Erkenntnisakt mit
einer auf wertender Abwägung bestehender Prognose zu fordern. Ergibt diese eine
hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, ist die Bejahung der Gefahr
trotz eines anders verlaufenden Geschehensablaufs rechtmäßig (vgl. BVerwG,
Urteil vom 01.07.1975, NJW 1975, 2158). Insoweit kann die Entscheidung der
zuständigen Polizeibehörde, an dem Abend des 30. April 1999 vor K.
Straßensperren einzurichten mit dem Ziel, gegebenenfalls auffällige und der
Teilnahme an der als gefährlich erkannten Parallelveranstaltung oder der
Beteiligung an einer Störung des Maifeuers der örtlichen Burschenschaft
verdächtige Personen an der Weiterfahrt zu hindern, auf Grund der Aussage des
Mannes, der die Veranstaltung angekündigt hatte, grundsätzlich nicht
beanstandet werden. Objektiv musste die Polizei in diesen Angaben eine Drohung
dahingehend verstehen, es werde auf Grund des Einschreitens der Ordnungskräfte
gegen die eigene Veranstaltung anderweitig zu Störungen kommen. Damit war
indes noch keine Entscheidung darüber getroffen, wer am Abend des 30. April
1999 in die Ortschaft einfahren durfte und wer nicht. Ob und inwieweit gegenüber
dem Einzelnen, der durch die Kontrolle betroffen wurde, nämlich tatsächlich ein
Betretungsverbot ausgesprochen wurde, musste dem Einzelfall vorbehalten
bleiben, d.h. der jeweiligen Entscheidung des vor Ort zuständigen Beamten. Denn
nur dieser war in konkreter und den Einzelfall berücksichtigender Weise in der
nur dieser war in konkreter und den Einzelfall berücksichtigender Weise in der
Lage, das Vorliegen der Voraussetzungen der Maßnahme zu prüfen und die
geeigneten, erforderlichen und verhältnismäßigen Mittel zur Erreichung des
angestrebten Zwecks auszuwählen. Im hier zur Entscheidung stehenden Fall der
Zurückweisung des Klägers kann jedoch die Frage nach dem Vorliegen einer
konkreten Gefahr in der Person des Klägers letztlich offen bleiben. Die
Voraussetzung des Vorliegens einer Gefahr ist nämlich auch dann erfüllt, wenn
lediglich eine Anscheinsgefahr angenommen werden kann (vgl. BVerwG, NJW 1975,
2158). Bei einer solchen liegt zwar objektiv keine Gefahr vor, doch stellten sich bei
nachträglicher Betrachtung die näheren Umstände des Falles so dar, dass jeder
idealtypische Durchschnittsbeamte, also nicht nur der tatsächlich handelnde
Beamte, die Lage als gefährlich ansehen musste. Auf Grund der
Auseinandersetzung mit dem Polizeibeamten H. und unter Berücksichtigung der
abendlichen Situation kann hier bei nachträglich erfolgender Prüfung eine solche
Anscheinsgefahr auch in Bezug auf den Kläger angenommen werden. Zwar mag
es dem Kläger tatsächlich nicht allein zuzurechnen gewesen sein, dass sich an der
abendlichen Kontrolle seines Fahrzeugs der erwähnte Disput ergab. Gleichwohl
musste es dem handelnden Beamten H. jedoch ebenso wie jedem anderen zur
sofortigen Entscheidung berufenen Beamten als auf der Hand liegend erscheinen,
dass zumindest nunmehr eine konkrete Gefahr für eine Störung der öffentlichen
Sicherheit oder Ordnung zu befürchten war. Damit ebenfalls zu bejahen war zum
Zeitpunkt des Verbots die Verantwortlichkeit des Klägers nach § 6 Abs. 1 HSOG für
sich. Ob und inwieweit dies auch für die Mitfahrer des Klägers galt, kann hier, da
nicht Klagegegenstand, nicht geprüft werden. Die angegriffene Maßnahme nach §
31 S. 1 HSOG ist im Übrigen auch verhältnismäßig (§§ 4 f. HSOG). Grundsätzlich
ist bei einem Betretungsverbot zwar zu bedenken, dass ein solches Verbot sich
nur auf eine eng begrenzte Örtlichkeit beziehen darf. Insoweit sind Verbote in der
Rechtsprechung anerkannt worden, die sich auf einen Straßenbereich oder einen
Platz beziehen. Verbote, die sich auf ganze Stadtteile oder Orte beziehen, sind
hingegen regelmäßig unzulässig (vgl. Hornmann, HSOG, München 1997, § 31 Rdzf.
11). Hiervon ist jedoch dann wieder eine Ausnahme zu machen, wenn sich die
konkrete Gefahr, deren Abwehr beabsichtigt ist, auf einen weiteren Bereich, wie
etwa das ganze Gemeindegebiet erstreckt. Da die von der Polizei am 30. April
1999 angenommene Gefahr für die öffentliche Sicherheit jedoch aufgrund der
tatsächlich unbestimmten und unbestimmbaren Situation und der Möglichkeit der
Ausweitung eventueller Auseinandersetzung auf den gesamten innerörtlichen
Bereich nicht örtlich begrenzt war, kann auch das ausgesprochene Verbot, in den
Ort hineinzufahren, nicht als grundsätzlich unverhältnismäßig angesehen werden.
Die konkrete Maßnahme des Betretensverbots ist trotz der dadurch eingetretenen
Einschränkung der Grundrechte des Klägers auch im Übrigen noch
verhältnismäßig. Ortswahl und Ortsaufenthalt genießen im Regelfall
grundgesetzlichen Schutz nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und nach Art. 11 Abs. 1 GG.
Insoweit enthält § 10 HSOG die notwendige gesetzliche Feststellung der
Einschränkung der Grundrechte. Zunächst ist diesbezüglich festzustellen, dass
hier ein geeignetes Mittel zur Verhinderung der befürchteten Störung eingesetzt
worden ist. Das Betretungsverbot ist angesichts der von den damals handelnden
Polizeikräften erkannten Lage auch als ein geeignetes und den Betroffenen am
wenigsten beeinträchtigende Mittel angesehen worden, was ebenfalls im Ergebnis
nicht beanstandet werden kann. Ein - auch zeitlich befristetes - Festhalten des
Klägers bis zum Abschluss der angekündigten Veranstaltungen wäre mit
Sicherheit nur mit erheblichem Aufwand möglich gewesen und hätte den Kläger
zudem auch deutlich intensiver in seinen Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt.
Das Platzverbot ist des Weiteren als verhältnismäßig im engeren Sinne
anzusehen. Gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der
öffentlichen Sicherheit durfte das Grundrecht des Klägers in der gewählten Form
eingeschränkt werden. Insbesondere ist hierbei zu berücksichtigten, dass auch
kein zeitliches Übermaß erkennbar ist, da das gegenüber dem Kläger
ausgesprochene Verbot nur für die eine Nacht zum 1. Mai 1999 galt. Die
Maßnahme kann auch nicht als ausschließlich gegen den Kläger gerichtet erkannt
werden. Das wäre durchaus dann anzunehmen gewesen, wenn der Kläger
tatsächlich regelmäßig von der Polizei mit Platzverweisen an vielfältigen Orten
überzogen worden wäre. Für die Annahme einer solchen personenbezogenen
Restriktion reicht die eine weiter erfolgte Maßnahme am 27. November 1999
jedoch nicht aus. Nach der Aufstellung des Beklagten ist ein weiteres Verbot,
bestimmte Orte zu betreten, gegen den Kläger nicht ausgesprochen worden.
Dieser Darstellung des Beklagten ist der Kläger auch nicht entgegengetreten. Die
Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1
VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs.
1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.