Urteil des VG Gießen vom 04.12.2001

VG Gießen: berufssportler, aufschiebende wirkung, erlass, qualifikation, aufenthaltserlaubnis, sportart, gehalt, begriff, ausländer, rechtswidrigkeit

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
VG Gießen 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 G 3457/01
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 10 AuslG 1990, § 5 Nr 10
AAV
(Aufenthaltserlaubnis für Berufssportler)
Gründe
Es kann dahingestellt bleiben, ob der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
unter Abänderung des Beschlusses des erkennenden Gerichts vom 11.
September 2001 in dem Verfahren 7 G 2285/01 die aufschiebende Wirkung seines
Widerspruchs gegen den Bescheid des Landrates des W...kreises vom 10.07.2001
sowohl hinsichtlich der Ablehnung des Antrages auf Verlängerung der
Aufenthaltsgenehmigung als auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung
anzuordnen,
zulässig ist, insbesondere dem Antragsteller das hierfür notwendige
Rechtsschutzinteresse zur Seite steht. Zweifel hieran ergeben sich insoweit, als es
der Antragsteller nach Aktenlage verabsäumt hat, nach Änderung der dem
angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Sachlage (Abschluss eines
Vertragsamateurvertrages mit der S...gemeinschaft D... H. e.V. am 26.09.2001)
bei der Ausländerbehörde des Antragsgegners zunächst um erneute Entscheidung
über den Aufenthaltserlaubnisantrag bzw. um Widerspruchsabhilfe gem. § 72
VwGO nachzusuchen.
Jedenfalls aber ist der Antrag unbegründet, denn der Antragsteller hat keinen
Anspruch auf Abänderung des oben genannten Beschlusses vom 11.09.2001.
Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte eines Verfahrens die
Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen
veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend
gemachter Umstände beantragen.
Zwar ist vorliegend durch den Abschluss des vorgenannten
Vertragsamateurvertrages am 26.09.2001 ein veränderter Umstand im Sinne des
§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO eingetreten, da sich damit die Voraussetzungen, von
denen das Gericht bei seiner Entscheidung vom 11.09.2001 ausgegangen war,
nachträglich geändert haben; dennoch sieht das Gericht keine Veranlassung zur
Abänderung seines Beschlusses vom 11.09.2001, da sich die
streitgegenständliche Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sowie
die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Antragsgegners vom
10.07.2001 nach summarischer Prüfung auch unter Berücksichtigung des
nunmehr abgeschlossenen Spielervertrages als offensichtlich rechtmäßig erweisen
und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des ablehnenden Bescheides als
dringlich erscheint.
Zu Recht hat der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 01.11.2001
darauf hingewiesen, dass als Berufssportler im Sinne des § 5 Nr. 10 der
Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen zur Ausübung einer unselbständigen
Erwerbstätigkeit (AAV) entsprechend einem Erlass des Hessischen Ministeriums
des Innern und für Sport (im Folgenden: HMI) vom 16.03.2000 nur diejenigen
Sportler gelten sollen, die entweder in der Bundesliga (z.B. 1. und 2. Fußball-
Bundesliga), der Regionalliga oder der obersten Amateurliga im jeweiligen
Landesverband eingesetzt werden, der Antragsteller hingegen nach dem
8
9
10
11
12
13
Landesverband eingesetzt werden, der Antragsteller hingegen nach dem
vorgelegten Vertrag ausschließlich in der Bezirksliga tätig sein wird.
Darüber hinaus wird in dem Bescheid ebenfalls zu Recht ausgeführt, dass nach
dem vorgenannten Erlass des HMI ein für den Lebensunterhalt ausreichendes
Gehalt im Sinne des § 5 Nr. 10 AAV nur dann vorliegen soll, wenn bei
Alleinstehenden eine monatliche Bruttovergütung, die der Verein (nicht der
Sponsor) zu bezahlen hat, mindestens 3.000,- DM beträgt, der Antragsteller
hingegen nach eigenen Angaben lediglich einen monatlichen Betrag in Höhe von
2.300,- DM brutto (einschließlich Sponsorengelder) erhält, so dass er auch aus
diesem Grunde die Erlassvoraussetzungen nicht erfüllt, unabhängig von der Frage,
ob infolge der Bürgschaft des derzeitigen Vereins für die Sponsorengelder in Höhe
von 1.000.- DM ein Betrag in Höhe von 2.300.- DM oder lediglich 1.300.- DM
anzusetzen ist.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers vermag das Gericht auch nicht zu
erkennen, dass der hinsichtlich der Anwendung des § 5 Nr. 10 AAV
ermessensbindende Erlass des HMI vom 16.03.2000 rechtswidrig und damit
unanwendbar wäre.
Soweit der Antragsteller diesbezüglich zunächst vorträgt, dass die Einschränkung
hinsichtlich der Tätigkeit des Spielers in den obersten Spielklassen im
Gesetzestext keine Grundlage finde, ist diese Auffassung so nicht zutreffend.
Insbesondere geht bereits aus dem Begriff des "Berufssportlers" hervor, dass
dieser eine besondere Qualifikation in seiner jeweiligen Sportart vorweisen können
muss, was es nach Auffassung des Gerichts durchaus rechtfertigt, nur diejenigen
Spieler als Berufssportler im Sinne des § 5 Nr. 10 AAV zu definieren, die in den vier
obersten Ligen eingesetzt werden.
Soweit der Antragsteller weiter vorträgt, dass auch nicht zu erkennen sei, welchen
Sinn die Einschränkung auf Spielklassen haben sollte, da es dem Gesetzgeber
ersichtlich lediglich darum gegangen sei, qualifizierten Sportlern die Möglichkeit
des Aufenthalts in Deutschland zu geben, soweit diese für ihren Unterhalt selbst
sorgen können, geht auch dieser Hinweis fehl. So lässt sich u.a. einem - den
Beteiligten übersandten - Protokoll der 24. Sportministerkonferenz der Länder vom
19./20.10.2000 entnehmen, dass nach Auffassung der dortigen Teilnehmer im
deutschen Spitzensport verstärkt ein Nachwuchsproblem erkennbar werde und
eine Ursache dafür sei, dass viele Vereine insbesondere in Sportarten mit
Ligasystemen eine systematische Ausbildung und Betreuung junger Talente
vernachlässigten und die Anwerbung von ausländischen Berufssportlerinnen und
Berufssportlern bevorzugten, da dies weniger zeitaufwendig und kapitalintensiv sei
als eine eigene Talentschulung. Weiter wird in diesem Protokoll ausgeführt, dass es
die Sportministerkonferenz sportpolitisch für geboten halte, insbesondere im
Interesse der Förderung des Talentnachwuchses nur solchen ausländischen
Berufssportlerinnen/Berufssportlern und Trainerinnen/Trainern aus Nicht-EU-
Staaten Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen zu erteilen, die mit ihrer
sportlichen Qualifikation und Eignung durch einen Einsatz in Deutschland
deutschen Vereinen und Athleten den Anschluss an internationale
Leistungsstandards mit sichern könnten. Dies könne generell nur bei
Berufssportlerinnen und Berufssportlern bejaht werden, deren Einsatz in Vereinen
der ersten Bundesligen der jeweiligen Sportart vorgesehen sei.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen erscheint die Regelung in dem Erlass
des HMI vom 16.03.2000 durchaus sachgerecht und verhältnismäßig.
Soweit letztlich darauf abgestellt wird, dass auch die im Erlass erwähnte
Bruttovergütung von 3.000,- DM einer Grundlage im Gesetz entbehre, vermag das
Gericht auch dem nicht zu folgen. Insbesondere geht nach Auffassung des
Gerichts bereits aus dem Begriff des "Berufssportlers" - wie bereits ausgeführt -
hervor, dass es sich hierbei um einen Sportler mit gehobener Qualifikation handeln
muss, der durch die Ausübung des Sports seinen Lebensunterhalt bestreiten
kann. In Anbetracht des Umstandes, dass Berufssportler altersbedingt regelmäßig
weniger Berufsjahre absolvieren können als ein durchschnittlicher Arbeitnehmer
und dadurch auch grundsätzlich geringere Rentenansprüche zu erwarten haben,
erscheint es gerechtfertigt, die Mindesteinkommensgrenze bei 3.000,- DM brutto
im Monat festzusetzen. In diesem Zusammenhang verweist das Gericht auch auf
die - den Beteiligten ebenfalls übersandte - Stellungnahme des Bundesministers
für Arbeit und Sozialordnung Walter Riester an den Vorsitzenden der Ständigen
Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 22.06.2000, wo
14
15
16
17
18
Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 22.06.2000, wo
ausgeführt wird, dass die vorgesehene Erarbeitung bundeseinheitlicher
Regelungen hinsichtlich der Bezahlung der ausländischen Sportler auch aus Sicht
des Arbeitsgenehmigungsrechts erforderlich und wünschenswert erscheine. Weiter
führt der Minister in diesem Zusammenhang aus, dass bei dieser Gelegenheit
auch die Grundfrage erörtert werden solle, wer überhaupt als Berufssportler im
Sinne der ausländer- und arbeitsgenehmigungsrechtlichen Vorschriften gelten
solle. Dabei erscheine es als Widerspruch in sich, wenn Amateurvereine
ausländische Berufssportler anwerben würden. Diese Praxis stehe auch nicht mit
den Zielen der Regelung des § 9 Nr. 12 der Arbeitsgenehmigungsverordnung
(ArGV) in Einklang, die ausländische Berufssportler von der
Arbeitsgenehmigungspflicht befreie. Mit dieser Regelung im
Arbeitsgenehmigungsrecht solle lediglich dem Umstand pragmatisch Rechnung
getragen werden, dass im Spitzensport ein internationaler Austausch üblich sei
und hinsichtlich der Stellenbesetzung im Profisport Spielregeln bestünden, die mit
den anderen Arbeitsmarktbereichen nicht zu vergleichen seien. Nicht beabsichtigt
sei mit der Regelung dagegen eine "Förderung des Breitensports" durch den
Einsatz von Ausländern bis in die untersten Spielklassen.
Dementsprechend geht aus dem den Beteiligten bekannten Beschluss der
Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom
10.05.2001 hervor, dass bei einer bundeseinheitlichen Regelung künftig ein
Bruttogehalt von mindestens 50 % der Beitragsbemessungsgrenze für die
gesetzliche Rentenversicherung gefordert werden solle, was (zum gegenwärtigen
Zeitpunkt) einem Gehalt von 4.350,- DM in den Westländern und 3.650,- DM in den
Ostländern entspräche.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen vermag das Gericht eine
Rechtswidrigkeit und damit Unanwendbarkeit des Erlasses des HMI vom
16.03.2000 auch unter dem Gesichtspunkt der dortigen Gehaltsregelung nicht zu
erkennen.
Da dem Antragsteller somit auch unter Berücksichtigung der aktuellen Sachlage
kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zusteht, scheidet eine
Abänderung des Beschlusses vom 11.09.2001 im vorausgegangenen Eilverfahren
7 G 2285/01 aus.
Da der Antragsteller unterlegen ist, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen
(§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § § 13 Abs. 1, 20
Abs. 3 GKG. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte für das Interesse des
Antragstellers am Verfahren hat das Gericht den Auffangstreitwert gem. § 13 Abs.
1 Satz 2 GKG zu Grunde gelegt und diesen im Hinblick auf den vorläufigen
Charakter der begehrten Entscheidung um die Hälfte ermäßigt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.