Urteil des VG Gießen vom 12.05.2010

VG Gießen: satzung, erneuerbare energien, gebäude, begriff, wichtiger grund, öffentliche bekanntmachung, allgemeines verwaltungsrecht, verfassungskonforme auslegung, heizungsanlage, baupflicht

1
2
3
4
5
Gericht:
VG Gießen 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 K 4071/08.GI
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Abs 1 EEWärmeG, § 81 Abs
2 BauO HE 2002, Art 14 Abs 1
GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 72
Abs 1 GG
(Marburger Solarsatzung und Solarthermiepflicht)
Leitsatz
1. Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz vom 07.08.2008 (BGBl. I S. 1658) enthält
hinsichtlich der Errichtung von Neubauten eine abschließende Regelung für die
Verpflichtung, erneuerbare Energien einzusetzen.
2. Die (landesrechtliche) Regelung des § 81 Abs. 2 HBO ermächtigt Gemeinden,
satzungsrechtliche Vorgaben für die Verwendung bestimmter Heizungsarten
aufzustellen. Unter den Begriff "bestimmte Heizungsart" fällt auch die Solarthermie.
Soweit eine Satzung diesbezüglich für Neubauten Regelungen enthält, ist sie
kompetenzwidrig.
3. Die Einführung einer satzungsrechtlichen Solarthermiepflicht bedarf einer
schonenden Übergangsregelung für Bestandsbauten, um dem grundrechtlichen
Eigentumsschutz zu genügen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten vorläufig
vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht der
Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, die Stadt Marburg, wendet sich gegen die vom beklagten Land
erlassene Beanstandung ihrer sogenannten Solarsatzung.
Die Stadtverordnetenversammlung der Klägerin fasste in ihrer Sitzung vom
20.06.2008 folgenden Beschluss bezüglich einer Bausatzung zur solaren
Baupflicht: „Die in Anlage 1 dargestellte Bausatzung zur Solaren Baupflicht wird
auf der Grundlage der §§ 5 und 51 Nr. 6 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO)
und des § 81 Abs. 2 Hessische Bauordnung (HBO) beschlossen.“
Die Satzung hat den nachstehenden Wortlaut:
„SOLARSATZUNG
Satzung der Universitätsstadt Marburg zur verbindlichen Nutzung
der Solarenergie in Gebäuden (Solarsatzung)
Die Stadtverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 20.06.2008 auf
Grund der §§ 5 und 51 Nr. 6 Hessische Gemeindeordnung und des § 81 Absatz 2
Hessische Bauordnung in der Fassung vom 18.06.2002, zuletzt geändert am
28.09.2005, nachstehende Bausatzung zur Solaren Baupflicht beschlossen:
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
28.09.2005, nachstehende Bausatzung zur Solaren Baupflicht beschlossen:
§ 1 Zweck der Satzung
(1) Zweck dieser Satzung ist es, im Interesse des Wohls der Allgemeinheit die
natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere das Klima und die Ressourcen
(Artikel 26 a Hessische Verfassung), durch örtlich ansetzende und örtlich wirkende
Maßnahmen für die rationelle Verwendung von Energie, insbesondere im Wege der
Nutzung solarer Strahlungsenergie, zu schützen.
(2) Die Vorgaben dieser Satzung zur Nutzung lokal anfallender solarer
Strahlungsenergie und der in § 9 genannten Ersatzmaßnahmen sollen zu einer
gesamtwirtschaftlichen, preiswürdigen und nachhaltigen Verwendung von Energie
in Neubauten und im Gebäudebestand beitragen und sind aus folgenden Gründen
des Wohls der Allgemeinheit nach den örtlichen Verhältnissen geboten:
1. Steigerung der lokalen Wertschöpfung, der fachlichen Kompetenz und der
Beschäftigung in kleinen und mittelständischen sowie in Handwerksbetrieben in
und um Marburg.
2. Stärkung lokaler Energieversorgungssysteme und Aufbau von
Nahwärmenetzen.
3. Verringerung der Emissionen flüssiger und fester fossiler Baustoffe,
insbesondere vor dem Hintergrund der Tallage der Marburger Innenstadt und der
damit verbundenen Gefahren erhöhter Luftbelastungen bei besonderen
Wetterlagen.
4. Langfristige Sicherung kostensparender Warmwasser- und
Heizungssysteme in Wohnungs- und Bürogebäuden, insbesondere als Anreiz zur
Sicherung kostenarmer Warmwasser- und Heizungssysteme im Mietwohnungsbau.
5. Verringerung der Abhängigkeit von endlichen, nicht erneuerbaren
Energieträgern durch deren Ersetzung mit heimischen erneuerbaren
Energieträgern.
6. Verringerung von Treibhausgasemissionen, die durch die kommunale
Einräumung von Bodennutzungsmöglichkeiten in der Bauleitplanung mit
verursacht werden.
(3) Zweck dieser Satzung ist ferner, dazu beitragen, den Anteil erneuerbarer
Energien und die Ersetzung nichterneuerbarer Primärenergieträgern in Marburg
unter Berücksichtigung der Interessen des Denkmalschutzes zu steigern,
insbesondere indem architektonisch anspruchsvolle Möglichkeiten der Integration
von Solarenergieanlagen in den denkmalgeschützten Gebäudestand verwirklicht
werden.
§ 2 Geltungsbereich
(1) Der Geltungsbereich dieser Satzung ist das gesamte Stadtgebiet der
Universitätsstadt Marburg.
(2) Die Verpflichtungen dieser Satzung gelten für alle beheizten Gebäude mit
Ausnahme von:
1. Unterirdischen Bauten.
2. Traglufthallen, Zelten und sonstigen Gebäuden, die dazu bestimmt sind,
wiederholt zerlegt und aufgestellt zu werden.
3. Provisorischen Gebäude mit einer geplanten Nutzungsdauer bis zu zwei
Jahren.
4. Betriebsgebäuden, die nach ihrer Zweckbestimmung auf eine
Innentemperatur von weniger als 12 °C oder jährlich weniger als vier Monate
beheizt sowie jährlich weniger als zwei Monate gekühlt werden.
§ 3 Allgemeine Anforderungen
Nach den Bestimmungen dieser Satzung sind bei der Errichtung, Erweiterung
(§ 4 dieser Satzung) und bei der Änderung von beheizten Gebäuden (§ 5 dieser
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
(§ 4 dieser Satzung) und bei der Änderung von beheizten Gebäuden (§ 5 dieser
Satzung) die Bauherren verpflichtet, solarthermische Anlagen zu errichten und zu
betreiben.
§ 4 Errichtung und Erweiterung von beheizten Gebäuden
(1) Bei der Errichtung von beheizten Gebäuden oder deren Erweiterung um
mehr als 30 m
2
zusätzlicher Bruttogeschossfläche ist eine Kollektorfläche von 1 m
2
je angefangene 20 m
2
der zusätzlichen Bruttogeschossfläche, mindestens
jedoch eine Fläche von 4 m
2
pro Anlage, zu installieren.
(2) Die Verpflichtung nach § 4 (1) entfällt, wenn im Falle einer
Gebäudeerweiterung am bestehenden Gebäude bereits eine solarthermische
Anlage in vergleichbarer Größenordnung oder eine entsprechende
Ersatzmaßnahme gemäß § 9 dieser Satzung ausgeführt worden ist.
§ 5 Änderung von bestehenden beheizten Gebäuden
(1) Bei der Änderung von Dächern von bestehenden beheizten Gebäuden, bei
denen entsprechend der Anlage 3 Ziffer 4.1 und 4.2 der Verordnung über
energiesparenden Wärmeschutz (EnEV)
1. Teile des Daches ersetzt oder erstmalig eingebaut werden, oder
2. die Dachhaut bzw. außenseitige Bekleidungen oder Verschalungen ersetzt
oder neu aufgebaut werden,
ist ebenfalls eine Kollektorfläche von 1 m
2
je angefangene 20 m
2
Bruttogeschossfläche, mindestens jedoch eine Fläche von 4 m
2
pro Anlage, zu
installieren.
(2) Die Verpflichtung des Absatzes 1 besteht entsprechend dem § 9 Absatz 4
Ziffer 2 der Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz (EnEV) nicht, wenn
weniger als 20 % der Dachfläche erneuert oder geändert werden.
(3) Beim Austausch eines Heizkessels oder der Umstellung der
Heizungsanlage auf einen anderen fossilen Energieträger sind solarthermische
Anlagen mit einer Kollektorfläche von 1 m
2
je angefangene 20 m
2
Bruttogeschossfläche, mindestens jedoch eine Fläche von 4 m
2
pro Anlage, zu
installieren. Muss die Heizungsanlage kurzfristig wegen eines Defektes
ausgetauscht werden, ist die Verpflichtung innerhalb von 24 Monaten nach
Austausch zu erfüllen.
(4) Die Verpflichtung nach § 5 (1) und (3) entfällt, wenn bereits eine
solarthermische Anlage in vergleichbarer Größenordnung oder eine entsprechende
Ersatzmaßnahme gem. § 9 dieser Satzung ausgeführt worden ist.
§ 6 Versorgung mehrere Gebäude
Die Pflicht nach den §§ 4 und 5 dieser Satzung kann auch dadurch erfüllt
werden, dass Eigentümer, deren Gebäude in räumlichen Zusammenhang stehen,
ihren Wärmeenergiebedarf insgesamt in einem Umfang decken, der der Summe
der einzelnen Verpflichtungen nach den §§ 4 und 5 entspricht.
§ 7 Anforderungen bei Kulturdenkmälern, Ensembles und bei
Umgebungsschutz nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz
(1) Bei baulichen Anlagen, die denkmalgeschützte Gebäude, Gebäude in einer
Gesamtanlage oder in der Umgebung eines Kulturdenkmals betreffen, sollen
Solaranlagen unauffällig in die Dachhaut oder Fassade integriert werden.
Anzustreben ist eine Angleichung an authentisches Dacheindeckungsmaterial
oder eine Montage als Indach-Anlage.
(2) Laut „Bausatzung der Universitätsstadt Marburg über die Gestaltung
baulicher Anlagen in der Marburger Altstadt“ ist ableitend von §§ 2 und 5 eine
Störung der Ansicht eines Kulturdenkmals aus öffentlich zugänglichen Bereichen
und der Schlossperspektive durch Solarmodule nicht zulässig (vgl.
Dachflächenfenster, Sat-Anlagen etc.). Bei der Solarintegration durch Angleichung
an authentisches Dacheindeckungsmaterial ist anzustreben, dass keine Störung
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
an authentisches Dacheindeckungsmaterial ist anzustreben, dass keine Störung
dieser Sichtbeziehung vorliegt.
(3) Auch wenn eine solarenergetische Anlage (Photovoltaik und Solarthermie)
laut HBO 2002 zu den nicht genehmigungspflichtigen baulichen Anlagen zählt,
bleibt diese auf einem denkmalgeschützten Gebäude, einem Gebäude in einer
Gesamtanlage oder in der Umgebung eines Kulturdenkmals gemäß Hessischem
Denkmalschutzgesetz (HDSchG) genehmigungspflichtig.
(4) Die Stadt Marburg gewährt vorbehaltlich der Bereitstellung von
Haushaltsmitteln auf Antrag für erhöhte Aufwendungen, die durch die solare
Baupflicht an den denkmalgeschützten Gebäuden entstehen, einen Zuschuss.
Näheres regelt die Richtlinie der Universitätsstadt Marburg zur Gewährung von
Zuschüssen für historische Objekte vom 10. Juni 1991.
§ 8 Genehmigungs- und Nachweisverfahren
(1) Bei der Errichtung und Erweiterung von beheizten Gebäuden wird die
Bauherrschaft verpflichtet, mit einer Bestätigung des Bauleiters oder eines
Nachweisberechtigten für Wärmeschutz der Stadt Marburg nachzuweisen, dass die
Anforderungen dieser Satzung eingehalten worden sind.
(2) Bei der Änderung von bestehenden beheizten Gebäuden, die den
Bestimmungen des § 5 entsprechen, werden die Bauherren verpflichtet, die
Bestimmungen dieser Satzung einzuhalten.
(3) Für Vorhaben, die den Bestimmungen des § 7 dieser Satzung entsprechen,
ist eine Genehmigung gemäß Hessischem Denkmalschutzgesetz zu beantragen.
§ 9 Ersatzweise Erfüllung
(1) Für den Fall, dass Gebäude durch die Exposition oder durch örtliche
Verschattung der Dachflächen, aus städtebaulichen oder denkmalschutzfachlichen
Gründen oder durch andere wichtige Gründe nicht zum Einsatz von
solarthermischen Anlagen geeignet sind, oder der Einsatz einer der in den
folgenden Punkten 2-4 genannten Arten der Wärmeerzeugung nachweisbar
mindestens im gleichen Umfang zu einer CO
2
-Entlastung führt, kann die
Verpflichtung der §§ 4 und 5 alternativ dadurch erfüllt werden, dass
1. eine Anlage zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie
genutzt wird. Die Anlage kann auf das Dach gebaut oder in entsprechender
Leistungsstärke in die Fassade integriert werden. Die gesamte Fläche der
Photovoltaikmodule ist so auszulegen, dass eine Mindestleistung von 1 kW (peak)
erreicht wird. Im Übrigen gelten die Modulflächen die Vorgaben der §§ 4 und 5
dieser Satzung.
2. der Wärmebedarf des Gebäudes überwiegend unmittelbar durch eine
Heizanlage gedeckt wird, die in Kraft-Wärme-Kopplung mit Erdgas oder
erneuerbaren Energieträgern betrieben wird.
3. der Wärmebedarf des Gebäudes überwiegend aus einem Netz der Nah- und
Fernwärmeversorgung, das mit erneuerbaren Energien oder mit Kraft-Wärme-
Kopplung auf der Basis von Erdgas oder erneuerbaren Energien betrieben wird,
gedeckt wird.
4. Wärmeerzeugungsanlagen betrieben werden, die nicht-fossile Brennstoffe
nutzen und damit den überwiegenden Wärmebedarf des Gebäudes decken. Die
Wärmeerzeugungsanlagen müssen dabei den aktuellen
immissionsschutzrechtlichen Anforderungen entsprechen.
5. bei neu zu errichtenden oder zu erweiternden Gebäuden nach § 4 dieser
Satzung die Anforderungen an den Jahres-Prämienenergiebedarf der
Energiesparverordnung (EnEV) vom 02.12.2004 um mindestens 30 %
unterschritten werden.
6. bei Änderungen von Gebäuden nach § 5 (1) dieser Satzung die
Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) an die
Wärmedurchgangskoeffizienten an den zu ändernden Bauteilen um mindestens 30
% unterschritten werden.
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
(2) Ein wichtiger Grund kann zum Beispiel darin bestehen, dass die
solarthermische Anlage Wärme erzeugen würde, die in der Liegenschaft nicht
wirtschaftlich nutzbar wäre.
§ 10 Befreiungen
Die Verpflichtung der §§ 4, 5 und 9 entfällt, wenn
- und soweit andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen
- die zuständige Behörde auf Antrag von der Solaren Baupflicht befreit, weil
diese im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unverhältnismäßigen
Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führt
- das betreffende Gebäude von einem Klimaschutzprogramm erfasst wird, das
zwischen der Stadt Marburg und dem Bauherrn oder Eigentümer vereinbart
worden ist. In der Vereinbarung wird festgelegt, welche Gebäude von der Befreiung
für den Zeitraum von höchstens drei Jahren betroffen sind und welche Maßnahmen
im Rahmen des Klimaschutzprogramms durchgeführt werden sollen, um den in § 1
der Satzung näher bezeichneten Zielen gerecht zu werden. Bauherren oder
Eigentümer, mit denen Klimaschutzprogramme im Sinne dieser Satzung
vereinbart werden können, müssen für Liegenschaften mit einer
Bruttogeschossfläche von insgesamt mind. 30.000 m
2
verantwortlich sein.
§ 11 Ordnungswidrigkeiten
(1) Nach § 76 Abs. 1 Ziffer 20 HBO handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich
oder fahrlässig,
1. beheizte Gebäude errichtet oder um mehr als 20 % zusätzlicher
Bruttogeschossfläche und um mehr als 30 m
2
Bruttogeschossfläche erweitert,
ohne die nach § 4 erforderliche Kollektorfläche zu errichten und zu betreiben sowie
ohne die Verpflichtung ersatzweise zu erfüllen.
2. an Dächern von beheizten Gebäuden Änderungen oder Erweiterungen nach
§ 5 Abs. 1, Ziffer 1 und 2 vornimmt und diese mehr als 20 % der Dachfläche
betreffen oder Heizungsanlagen austauscht oder umstellt, ohne die nach § 5 Abs.
1 u. 3 erforderliche Kollektorfläche zu errichten und zu betreiben sowie ohne die
Verpflichtung ersatzweise zu erfüllen.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 20 und Abs. 3 HBO mit
einer Geldbuße von bis zu eintausend Euro geahndet werden.
§ 12 Übergangsbestimmungen und Inkrafttreten
(1) Die Satzung tritt am 1. Oktober 2008 in Kraft.
(2) Baugenehmigungsverfahren und Änderungsmaßnahmen an bestehenden
Gebäuden, die vor dem 1. Oktober 2008 begonnen worden sind, bleiben von den
Bestimmungen dieser Satzung unberührt.“
Eine Ausfertigung und eine öffentliche Bekanntmachung der Solarsatzung
erfolgten nicht, weil abgewartet werden sollte, ob der Beklagte die Satzung
beanstanden werde.
Der Beklagte teilte der Klägerin unter dem 02.07.2008 mit, er halte die
Solarsatzung nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 81 Abs. 2 HBO gedeckt
und werde den entsprechenden Beschluss der Stadtverordnetenversammlung
gemäß § 138 HGO beanstanden.
Am 15.07.2008 wandte sich das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst
an das Hessische Ministerium des Innern und für Sport mit der Bitte um
kommunalaufsichtliches Einschreiten bezüglich der Solarsatzung.
Daraufhin teilte der Beklagte, vertreten durch das Regierungspräsidium Gießen,
der Klägerin mit, er teile die Bedenken des Ministeriums für Wissenschaft und
Kunst und gab insoweit der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme.
Nach weiterer Korrespondenz beanstandete der Beklagte mit Verfügung vom
02.10.2008 den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Klägerin vom
74
75
76
77
78
79
80
81
02.10.2008 den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Klägerin vom
20.06.2008.
Zur Begründung führte er aus, die Satzung sei rechtswidrig, da sie nicht von einer
Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei und gegen höherrangiges Recht verstoße.
Als Ermächtigungsgrundlage für die Satzung komme nur § 81 Abs. 2 HBO in
Betracht, der es den Gemeinden gestatte, durch Satzung im Gemeindegebiet
oder in Teilen davon, die Verwendung bestimmter Brennstoffe zu untersagen oder
bestimmte Heizungsarten vorzuschreiben, wenn dies nach den örtlichen
Verhältnissen zur Vermeidung von Gefahren, Umweltbelastungen oder
unzumutbaren Belästigungen oder aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit zur
rationellen Verwendung von Energie geboten sei.
Die Solarsatzung sei nicht nach den örtlichen Verhältnissen geboten. Der örtliche
Zusammenhang bestehe lediglich für die Tallage der Innenstadt der Klägerin, da
dieser Bereich aufgrund seiner topographischen Lage klimatisch benachteiligt sei.
Hingegen sei nicht nachgewiesen, ob die Verpflichtung zur Errichtung der
Solarthermie in außerhalb der Innenstadt liegenden Gemeindegebieten zu einer
Verringerung des Immissionsniveaus in der Innenstadt beitragen könne. Die in der
Solarsatzung in § 1 Abs. 2 Nr. 1 genannten Zwecke (Steigerung der
Lokalwertschöpfung, der fachlichen Kompetenz und der Beschäftigung in kleinen
und mittelständischen sowie in Handwerksbetrieben in und um das Stadtgebiet
der Klägerin) vermöchten keinen Ortsbezug herzustellen, denn bei Satzungen
könnten nur solche Gründe angeführt werden, die vom Zweck der
Ermächtigungsgrundlage gedeckt seien.
Auch der in § 1 Abs. 1 beschriebene Zweck des überörtlichen Klimaschutzes sei
kein Gesichtspunkt, der zum Erlass der Satzung herangezogen werden könne. Den
Gemeinden sei mit § 81 Abs. 2 HBO keine Kompetenz eröffnet worden,
überörtliche Gründe wie globale Klimaschutzgesichtspunkte für den Erlass einer
Satzung anzuführen. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
folge nichts anderes. Nach dem Bundesverwaltungsgericht schließe die
Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht aus, dass der
Gesetzgeber den Gemeinden zum Beispiel über die Möglichkeit einer Regelung
des Anschluss- und Benutzungszwangs hinausgehende Aufgaben zuweise. Eine
solche Aufgabenzuweisung sei aber § 81 Abs. 2 HBO gerade nicht zu entnehmen -
auch nicht unter der Berücksichtigung von Art. 20 a GG oder von Art. 26 a der
Hessischen Verfassung, weil diese Vorschriften immer an bestehende
Kompetenzen anknüpften, aber eine darüber hinausgehende Ermächtigung nicht
enthielten.
Die Verpflichtung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 der Solarsatzung, eine sogenannte
Photovoltaikanlage zu nutzen, könne nicht auf § 81 Abs. 2 HBO gestützt werden,
weil mit dieser Vorschrift nur bestimmte Heizungsarten gemeint seien, wozu die
stromerzeugende Photovoltaikanlage nicht gehöre.
Es bestünden Zweifel, ob die durch die Satzung normierte Verpflichtung zur
Errichtung von solarthermischen Anlagen der rationellen Verwendung von Energie
diene; jedenfalls sei dies nicht für das Gemeindegebiet der Klägerin dargelegt
worden.
Darüber hinaus sei die Satzung auch unverhältnismäßig und verstoße gegen
höherrangiges Recht. Satzungen nach § 81 Abs. 2 HBO könnten Inhalt und
Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG in zulässiger Weise
bestimmen, müssten hierbei aber immer aufgrund des durch die Satzung
hervorgerufenen Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 14 GG den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit wahren. Dieser sei nur gewahrt, wenn der Eingriff geeignet,
erforderlich und angemessen sei. Die Satzung sei nicht erforderlich. Das wäre nur
dann der Fall, wenn sie von mehreren Mitteln dasjenige ergreife, das den Einzelnen
und die Allgemeinheit als mildestes Mittel am wenigstens beeinträchtige und
ebenso effektiv wie andere Mittel sei. Durch die Nutzung anderer Heizungsarten,
wie z. B. Kraftwärmekopplung oder Geothermie, könne aber ein gleicher Effekt
erzielt werden. Ein milderes Mittel wäre daher eine echte Freiheit für die
Betroffenen der Satzung durch die Möglichkeit, zwischen verschiedenen
Alternativen der Art der Wärmeerzeugung wählen zu können, ohne entsprechende
Nachweise erbringen zu müssen.
Von der Satzung seien auch kleinere Gebäude mit einer Nutzfläche bis zu 50 m
2
erfasst, die in der Energieeinsparverordnung (EnEV) und im EWärmeG Baden-
82
83
84
85
86
87
88
89
90
erfasst, die in der Energieeinsparverordnung (EnEV) und im EWärmeG Baden-
Württemberg sowie im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EE-WärmeG)
ausdrücklich ausgenommen seien. Diese Ausnahme sei auch geboten, da in
Gebäuden mit weniger als 50 m
2
Nutzfläche ein viel zu geringer Wärmebedarf
anfalle.
Die Solarsatzung verstoße auch gegen das Übermaßverbot, da sie keinen
Ausgleich zwischen der Privatnützigkeit und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums
schaffe. Der Ausgleich wäre nur dann gewahrt, wenn eine Gesamtabwägung
zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden
Gründe ergäbe, dass dadurch die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt sei. Die
Verpflichtung gemäß §§ 4, 5 der Satzung, auch bei Gebäudeerweiterungen und
Dachneubauten sowie bei grundlegenden Dachrenovierungen eine
solarthermische Anlage zu installieren, überschreite aber die Grenze der
Zumutbarkeit. Besonders betroffen seien Gebäudeeigentümer, die gerade erst in
eine neue Heizung investiert hätten. Müssten sie die Baumaßnahmen im Sinne
von § 5 Abs. 1 der Satzung durchführen, seien sie vor Ablauf der üblichen
Nutzungszeit zu erneuten Investitionen in ihre Heizung verpflichtet. Es sei sachlich
nicht begründbar, die Verpflichtung eine bestimmte Heizungsanlage zu
installieren, an die Änderung eines Daches zu knüpfen, vielmehr wäre hier der
Austausch der Heizungsanlage der richtige Anknüpfungspunkt.
Der in § 10 Spiegelstrich 2. der Satzung vorgesehene Begriff einer Befreiung von
der solaren Baupflicht im Falle eines unverhältnismäßigen Aufwandes oder einer
unbilligen Härte genüge nicht den Bestimmtheitsanforderungen, die an eine
Satzung gestellt würden.
Auch der in § 10 Spiegelstrich 3. der Satzung genannte Begriff
Klimaschutzprogramm genüge nicht den Bestimmtheitsanforderungen.
Schließlich verhalte sich die Regelung des § 7 der Solarsatzung im Widerspruch zu
§ 5 der Bausatzung der Klägerin über die Gestaltung baulicher Anlagen in der
Altstadt der Klägerin. Denn den Eigentümern von denkmalgeschützten Gebäuden
werde die Erfüllung einer unmöglichen Pflicht auferlegt. Die Hauseigentümer
sollten nämlich eine Solaranlage installieren, die nach der Bausatzung und den
Regelungen des Denkmalschutzes unzulässig sei und damit nicht genehmigt
werden könne.
Aus alledem ergebe sich die Rechtswidrigkeit der Satzung, sodass der Beschluss
zu beanstanden gewesen sei. Von diesem Beanstandungsrecht müsse Gebrauch
gemacht werden, da ansonsten die Gebäudeeigentümer, die von der Satzung
betroffen seien und sich gegen den rechtswidrigen Eingriff wehren möchten,
gezwungen seien, ihrerseits gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wegen der
offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Satzung sei es den Eigentümern aber nicht
zumutbar, zunächst den Vollzug der Satzung abwarten zu müssen und damit das
Kostenrisiko eines Rechtsstreites einzugehen. Die Beanstandung sei auch zum
jetzigen Zeitpunkt notwendig, da nicht absehbar sei, ob oder zu welchem
Zeitpunkt eine mögliche Gesetzesänderung in Kraft trete.
Die Klägerin hat am 22.10.2008 Klage erhoben, die sie im Wesentlichen wie folgt
begründet:
Die Solarsatzung entstamme einer Initiative aus der Bürgerschaft, die von der
Stadtverordnetenversammlung noch vor den Kommunalwahlen im Jahre 2006
durch einen Grundsatzbeschluss aufgegriffen worden sei. Nach der umfangreichen
Beteiligung von Öffentlichkeit und Experten zum Entwurf der Solarsatzung im 1.
Quartal 2008 habe die Klägerin den Beklagten frühzeitig an der weiteren
Entwurfsfassung zur Solarsatzung beteiligt.
Die Beanstandung sei rechtswidrig, weil die Solarsatzung von der
Satzungsermächtigung des § 81 Abs. 2 HBO gedeckt sei, nicht gegen
höherrangiges Recht, auch nicht gegen Denkmalschutzrecht, verstoße und damit
rechtmäßig sei.
Zweck der Solarsatzung sei nach § 1 Abs. 1 der Schutz der natürlichen
Lebensgrundlagen, insbesondere des Klimas und der Ressourcen. Dieser
Schutzzweck beruhe auf dem Tatbestand des § 81 Abs. 2 HBO. Das Merkmal der
„rationellen Verwendung von Energie“ enthalte nämlich den Zweck des Klima- und
Ressourcenschutzes. Die rationelle Energieverwendung sei wiederum
zweckbestimmend für das „Wohl der Allgemeinheit“, was durch das
91
92
93
94
zweckbestimmend für das „Wohl der Allgemeinheit“, was durch das
Verbindungswort „zur“ in § 81 Abs. 2 HBO veranlasst sei. Der Wortsinn des
unbestimmten Rechtsbegriffs der rationellen Verwendung von Energie ziele auf die
Einsparung endlicher Primärenergieträger. Dieser Zweck der Ressourcenschonung
ergebe sich auch aus dem Bedeutungszusammenhang der rationellen
Energieverwendung mit dem zweiten Halbsatz des § 81 Abs. 2 HBO und aus dem
Hessischen Energiegesetz, auf das zur näheren Begriffsbestimmung
zurückzugreifen sei. Danach sei die rationelle Energieverwendung eine
„gesamtwirtschaftlich preiswürdige und sichere Erzeugung und Verwendung von
Energie„ (§ 1 Abs. 1 S. 2 HEnG) zum „langfristig wirtschaftlichen, sparsamen und
umweltschonenden Einsatz nicht erneuerbarer Primärenergieträger bei der
Nutzung der Gebäude“ (§ 2 Abs. 1 S. 1 HEnG). Wortsinn und
Bedeutungszusammenhang des Tatbestandsmerkmals der rationellen
Verwendung von Energie seien auf die Schonung nicht erneuerbarer Ressourcen
gerichtet, womit der Tatbestand auch für den Schutzauftrag des Art. 20 a GG
eröffnet sei.
Die Regelungen der Solarsatzung beträfen und bezögen sich auch durchgängig auf
die örtlichen Verhältnisse. Denn die Satzung enthalte gar keine rein überörtlichen
Regelungen. Allein die Zwecksetzung des Klima- und Ressourcenschutzes könne
für sich genommen als ein allgemein interessierender Belang angesehen werden.
Dessen Umsetzung durch die Satzung erfolge jedoch ausschließlich nach
Maßgabe der örtlichen Verhältnisse. Das Bundesverwaltungsgericht habe in
mehreren Entscheidungen anerkannt, dass Kommunen den Zweck des Klima- und
Ressourcenschutzes verfolgen und im Ortsrecht auch
Grundrechtsbeschränkungen festlegen dürften, sofern der Gesetzgeber ihnen eine
Rechtsgrundlage zur Verfügung stelle. Es sei anerkannt, dass kommunale
Maßnahmen im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie getroffen werden dürften,
wenn neben ihrer Beziehung zur Ortsebene auch überörtliche Zwecke verfolgt
werden sollten.
Bei den in der Solarsatzung geregelten solarthermischen Anlagen handele es sich
auch um eine „bestimmte Heizungsart“ im Sinne des § 81 Abs. 2 HBO, weil sie je
nach Ausführung Heizenergie zur Warmwasserbereitung bzw. zur Raumheizung
bereitstelle. Die übrigen Bestimmungen der hessischen Bauordnung gäben keinen
Anlass zu der Annahme, dass der Gesetzgeber schon tatbestandlich mit dem
Begriff der Heizungsart bestimmte Formen der Herstellung von Heizenergie
ausschließen wolle. Jedenfalls könnten grundsätzlich alle in der Anlage 2 Nr. 3 zu §
55 HBO genannten Energieerzeugungsanlagen für bestimmte Heizungsarten in
Betracht gezogen werden.
Solarthermische Anlagen seien zur rationellen Verwendung von Energie geboten.
Zweck und materieller Inhalt des Merkmals der rationellen Verwendung von
Energie seien die Ressourcenschonung und der Klimaschutz durch Einsparung
nicht erneuerbarer primärer Energien. Mit dem Einbau solarthermischer Anlagen
gehe eine rationelle Energieverwendung einher. Zum einen werde die
Strahlungsenergie selbst, die bislang im Regelfall energetisch ungenutzt auf
Dächer und Fassaden einstrahle, von der Regelung erfasst. Solare Strahlung
bleibe häufig nicht nur ungenutzt; bei schlecht gedämmten Bauwerken müsse
teilweise sogar Energie eingesetzt werden, um die Folgen der Strahlungsenergie in
Form einer unerwünschten Gebäudeerwärmung durch Kühlung (Klimaanlagen) zu
verhindern. Eine rationelle, d. h. auf Wirtschaftlichkeit bedachte, Verwendung
dieser Energie könne nicht nur in der ausreichenden Abdämmung dieser Energie
(vor allem für den Sommer) bestehen. Eine wirtschaftliche Verwendung dieser
Energie werde nur erreicht, wenn sie in Wärme umgewandelt, zur Stromerzeugung
genutzt werde oder die Wärme wiederum zur Kälteerzeugung (sogenannte „solare
Kältetechnik“) zum Einsatz komme. Zum anderen könne mit dem Einsatz der
Strahlungsenergie zur Wärmeerzeugung vorhandene Energieträger wirtschaftlicher
genutzt werden. Die erheblichen Potentiale der solaren Strahlung ließen deren
Nutzung im Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag auch geboten erscheinen. Bei
einer drohenden Verknappung fossiler Rohstoffe liege es im elementaren Interesse
des Einzelnen und der Gemeinschaft, das große vorhandene Energiequellen
erschlossen und genutzt würden. Ein zeitlicher Verzug solcher Maßnahmen
scheine aus Sicht der Allgemeinheit kaum hinnehmbar.
§ 81 Abs. 2 HBO erstrecke sich auch auf Regelungen für den Gebäudebestand, weil
der hessische Baugesetzgeber Gegenteiliges ausdrücklich hätte regeln müssen
und sich die Regelungen der HBO auf zu errichtende und bereits errichtete
bauliche Anlagen erstreckten.
95
96
97
98
99
100
101
102
103
104
Die Satzungsregelungen stellten als Inhalts- und Schrankenbestimmungen der
Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG einen gerechtfertigten Eingriff in die
Eigentumsfreiheit dar. Insbesondere seien sie geeignet, erforderlich und zumutbar.
Ein milderes und ebenso effektives Mittel für den Klima- und Ressourcenschutz im
Neubaubereich und im Gebäudebestand sei nicht ersichtlich. Die Nutzung der
Solarthermie stelle in den meisten Fällen die einfachste, kostengünstigste und
effektivste Form der Einsparung nicht erneuerbarer Primärenergieträger durch
bestimmte Heizungsarten dar. In Bezug auf die Zumutbarkeit seien die
Regelungen bei Neubauten, beim Austausch des Heizkessels und beim
Brennstoffwechsel zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Problematisch sei
hier, dass Gebäudeeigentümer gegebenenfalls vor Ablauf der üblichen
Nutzungsdauer zu erneuten Investitionen in die Heizungsanlage verpflichtet
werden sollten. Diese Bedenken trügen aber nicht, weil die Solarsatzung weder auf
den vollständigen Austausch noch auf einen wesentlichen Umbau der
Heizungsanlage gerichtet sei. Die Installationspflicht einer solarthermischen
Anlage tangiere das bestehende Heizungssystem des Gebäudeeigentümers nur
geringfügig. Sachlich sei es begründet, den Einbau einer solarthermischen Anlage
an die Änderung eines Gebäudes zu knüpfen, denn bei Dachsanierungen und
Anbauten würden unter Aufhebung des Bestandsschutzes genau jene neuen
Flächen geschaffen, auf die solare Strahlungsenergie einfalle und nutzbar gemacht
werden könne. Auch bezogen auf Gebäude mit weniger als 50 m² Nutzfläche sei
das Satzungsermessen nicht fehlerhaft ausgeübt worden. Sollten im Einzelfall
kostenintensive Überkapazitäten durch Sonnenkollektoren geschaffen werden,
könnten bedarfsgerechte Lösungen nach § 9 Abs. 1 der Solarsatzung
vorgenommen werden.
Schließlich liege auch kein Verstoß gegen Denkmalschutzrecht vor. Die Satzung
sei auch nicht kompetenzrechtlich zu beanstanden. Bezüglich des
Gebäudebestandes folge dies aus § 3 Abs. 2 EEWärmeG, sodass § 81 Abs. 2 HBO
und auf der Grundlage dieser Befugnisnorm erlassene Solarsatzungen in Bezug
auf den Gebäudebestand kompetenzrechtlich zulässig seien. Bezüglich der
Neubauten weise der Bund den Ländern nach § 5 Abs. 1 EEwärmeG i. V. m. der
Anlage Nr. I.1. Buchst. a letzter Halbsatz die Kompetenz zu, im Neubaubereich
höhere Mindestflächen für Solarkollektoren festzulegen. Diesen Rahmen schöpfe
die Solarsatzung auch aus, indem sie statt 0,04 m² Solarkollektorfläche je m²
Nutzfläche 0,05 m² festlege.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 02.10.2008 aufzuheben,
hilfsweise,
die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertieft seine Ausführungen im angefochtenen Bescheid und verweist unter
anderem darauf, dass die Solarthermie nicht unter den Begriff „bestimmte
Heizungsart“ im Sinne des § 81 Abs. 2 HBO falle; ferner die Satzung gegen
geltendes Bundesrecht verstoße, weil der Bundesgesetzgeber mit dem Gesetz zur
Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (EEWärmeG) vom 07.08.2008
von seiner Gesetzgebungsbefugnis abschließend Gebrauch gemacht habe.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Die
Behördenakten (1 Heftordner) sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist bezüglich des Hauptantrages zulässig, aber unbegründet (dazu A)
und bezüglich des Hilfsantrages unzulässig (dazu B).
A.
I. Die Klage, mit der sich die Klägerin gegen die Beanstandung des Beklagten vom
02.10.2008 wehrt, ist als Anfechtungsklage statthaft. Die kommunalrechtliche
Beanstandung von Beschlüssen einer Stadtverordnetenversammlung ist ein
105
106
107
108
109
110
111
112
113
114
115
Beanstandung von Beschlüssen einer Stadtverordnetenversammlung ist ein
Verwaltungsakt im Sinne des § 35 HVwVfG, weil es sich bei Beschlüssen der
Stadtverordnetenversammlung, die wie hier auf §§ 5, 51 Nr. 6 HGO gestützt
werden, um eine Selbstverwaltungsangelegenheit handelt. Eingriffe in den
Selbstverwaltungsbereich durch die kommunale Aufsicht im Wege einer förmlichen
Beanstandung sind stets als Verwaltungsakte zu qualifizieren (vgl. Kopp/Schenke,
VwGO, 15. Aufl. 2007, Rdnr. 80, Anh. 42 m.w.N.).
Der Klägerin steht auch die nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendige Klagebefugnis zu.
Maßnahmen der Aufsichtsbehörde, die eine Kommune in ihrem
Selbstverwaltungsbereich tangieren, gewähren stets die Klagebefugnis (Kopp,
a.a.O., Rdnr. 139 zu § 42 m.w.N.).
Ein Vorverfahren findet nach § 142 HGO nicht statt. Die Klagefrist wurde
eingehalten.
II. Die sonach zulässige Anfechtungsklage ist aber unbegründet. Die
Beanstandungsverfügung des Beklagten vom 02.10.2008 erweist sich als
rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1
S. 1 VwGO).
Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Das Regierungspräsidium Gießen hat als
zuständige Rechtsaufsichtsbehörde nach § 136 Abs. 2 HGO die
Beanstandungsverfügung erlassen.
Materiell-rechtlich ist die Beanstandungsverfügung ebenfalls nicht zu
beanstanden.
Rechtsgrundlage der Beanstandung ist § 138 HGO, auf die sich auch der Beklagte
beruft.
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann die Aufsichtsbehörde Beschlüsse und
Anordnungen der Gemeindevertretung, ihrer Ausschüsse, des Gemeindevorstands
und des Ortsbeirates, die das Recht verletzen, innerhalb von 6 Monaten nach der
Beschlussfassung aufheben und verlangen, dass Maßnahmen, die aufgrund
derartiger Beschlüsse getroffen worden sind, rückgängig gemacht werden.
Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen des § 138 HGO vor. Der von der
Stadtverordnetenversammlung der Klägerin getroffene Beschluss vom 20.06.2008
fällt unter § 138 HGO und verletzt im Übrigen das Recht (1.); Ermessensfehler sind
nicht ersichtlich (2.).
1. Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 20.06.2008 ist
rechtswidrig, weil er eine Satzung, nämlich die Solarsatzung, zum Gegenstand hat,
die ihrerseits unwirksam ist und daher nicht von der
Stadtverordnetenversammlung beschlossen werden durfte. Dabei ist
maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung der
Beanstandungsverfügung deren Erlass, nicht hingegen der Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung (OVG NW, U.v. 19.01.1995 - 15 A 569/91 -, NVwZ 1995,
718; U. v. 16.07.1991 - 15 A 2054/88 -, juris, Rdnr. 4 f. = NuR 1992, 441 ff.,
insoweit dort nicht abgedruckt; ebenso für eine schulaufsichtliche Beanstandung:
VG Augsburg, U.v. 31.01.2006 - Au 3 K 05.1255 -, juris, Rdnr. 28).
Die Unwirksamkeit der Solarsatzung ergibt sich hier daraus, dass im maßgeblichen
Zeitpunkt die Satzung bezüglich neu zu errichtender Gebäude kompetenzwidrig
erlassen wurde (a) und im Übrigen Bestimmungen der Satzung gegen Art. 14 GG
(b) und gegen Art. 3 Abs. 1 GG (c) verstoßen. Ob darüber hinaus weitere
Unwirksamkeitsgesichtspunkte vorliegen, insbesondere ein Verstoß gegen
Denkmalrecht gegeben ist, kann offenbleiben (d).
a) aa) Regelungen wie in der Solarsatzung, die den Eigentümer eines Gebäude
verpflichten, den Wärmeenergiebedarf durch eine anteilige Nutzung von
erneuerbaren Energien zu decken, gehören als Gegenstand der Luftreinhaltung im
Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG bzw. als Gegenstand des Rechts der Wirtschaft
(Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) zur konkurrierenden Gesetzgebung. In diesem Bereich
haben gemäß Art. 72 Abs. 1 GG die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung,
solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch
Gesetz Gebrauch gemacht hat. Mit dem Erneuerbaren-Energien-Wärmegesetz
vom 07.08.2008 hat der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden
Gesetzgebung Gebrauch gemacht, und zwar auf dem Gebiet der Luftreinhaltung
116
117
118
Gesetzgebung Gebrauch gemacht, und zwar auf dem Gebiet der Luftreinhaltung
(vgl. Sösemann, ZNER 2008, 137, 139 ff.; Ekhardt Schmitz, Schmidtke, ZNER
2008, 334, 336) bzw. des Rechts der Wirtschaft bzw. beidem (vgl. dazu Milkau, ZUR
2008, 561, 562 ff.), indem er eine anteilige Nutzung erneuerbarer Energien in der
Wärmeversorgung vorgesehen und - mit wenigen Ausnahmen - für jeden
Eigentümer eines Hauses, das nach dem 31.12.2008 errichtet wird, die Pflicht
normiert hat, den Wärmeenergiebedarf des Gebäudes anteilig mit erneuerbaren
Energien zu decken. Ein Bundesgesetz löst die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG
gegenüber dem Landesgesetzgeber in sachlicher Hinsicht insoweit aus, als es
erschöpfende, d. h. abschließende Regelungen getroffen hat (vgl. z. B. BVerfG,
U.v. 22.10.2003 - 2 BvR 834, 1588/02 -, BVerfGE 109, 190, 229; B.v. 29.03.2000 - 2
BvL 3/96 -, BVerfGE 102, 99, 114; Oeter in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, 5.
Aufl. 2005, Rdnr. 65 zu Art. 72 jew. m.w.N.). Ob eine bundesgesetzliche Regelung
in diesem Sinne als abschließend zu bewerten ist, bedarf nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts einer Gesamtwürdigung des betreffenden
Normenkomplexes. Eine erschöpfende Regelung ist namentlich dann
anzunehmen, wenn ein Bundesgesetz bei umfassender Kodifizierung Vorbehalte
oder Ermächtigungen zu Gunsten der Landesgesetzgebung enthält (Degenhart,
in: Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Rdnr. 20 zu Art. 72 GG m.w.N.). Bezüglich des
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes sieht § 3 Abs. 1 eine Nutzungspflicht für
neu zu errichtende Gebäude vor, während § 3 Abs. 2 S. 1 EE-WärmeG den Ländern
die Möglichkeit einräumt „eine Pflicht zur Nutzung von Erneuerbaren Energien bei
bereits errichtenden Gebäuden festzulegen.“ Damit erweist sich das Erneuerbare-
Energien-Wärmegesetz insoweit für Neubauten mit einer Nutzfläche von mehr als
50 m² als abschließend (Manten/Elbel, LKV 2009, 1, 4; Milkau, ZUR 2008, 561, 567
l.Sp. und Wustlich, NVwZ 2008, 1041, 1046 r.Sp. jew. unter Hinweis auf die BT-Drs.
9/08, S. 19; ferner Pollmann/ Reimer/Walter, LKRZ 2008, 251, 252 r.Sp.).
Hinsichtlich der Solarthermie sieht die Anlage Nr. I.1.a) EEWärmeG ferner vor, dass
die Länder höhere Mindestkollektorflächen festlegen können, als dort vorgegeben
ist. Insofern kommt es darauf an, ob die Hessische Bauordnung eine
entsprechende Regelung über höhere Mindestflächen, als in der Anlage in Nr. I.1.a)
genannt, tatsächlich in § 81 Abs. 2 enthält, worauf unter bb) eingegangen wird.
bb) Liegt eine abschließende Regelung des Bundesgesetzgebers vor, tritt die
Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für eine landesrechtliche Regelung in
demselben Sachbereich unabhängig davon ein, ob die landesrechtlichen
Regelungen den bundesrechtlichen Bestimmungen widerstreiten oder sie nur
ergänzen, ohne ihnen zu widersprechen (BVerfG, U.v. 22.10.2003, a.a.O., S. 230).
Für § 81 Abs. 2 HBO, welcher als alleinige Ermächtigungsgrundlage der
Solarsatzung hier in Betracht kommt, bedeutet dies, dass er eine Solarsatzung,
die Neubauten regelt, nicht zu legitimieren vermag. Diese Vorschrift lautet wie
folgt:
„Die Gemeinden können ferner durch Satzung bestimmen, dass im
Gemeindegebiet oder in Teilen davon die Verwendung bestimmter Brennstoffe
untersagt wird oder bestimmte Heizungsarten vorgeschrieben werden, wenn dies
nach den örtlichen Verhältnissen zur Vermeidung von Gefahren,
Umweltbelastungen oder unzumutbaren Nachteilen oder unzumutbaren
Belästigungen oder aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit zur rationellen
Verwendung von Energie geboten ist; danach vorgeschriebene Heizungsarten
dürfen keine höheren Umweltbelastungen und keinen höheren
Primärenergieverbrauch verursachen als ausgeschlossene Arten.“
Der Landesgesetzgeber kann nicht zum Erlass von Satzungen ermächtigen, die
ihrerseits gegen vorrangiges Bundesrecht verstoßen (Bayer. VGH, U.v. 13.11.2000
- 20 N 99.2746 -, NVwZ 2001, 704, 705 r.Sp.). Darüber hinaus gestattet § 81 Abs.
2 HBO auch keine höheren Mindestkollektorflächen - weder ausdrücklich, noch
ergibt sich dies im Wege der Auslegung (a.A. Longo, Neue örtliche
Energieversorgung als kommunale Aufgabe, 2010, S. 254). Denn § 81 Abs. 2 HBO
ist diesbezüglich keinerlei Regelungsinhalt zu entnehmen. Als Folge der
abschließenden Regelung des Bundesgesetzgebers und als Folge der Tatsache,
dass § 81 Abs. 2 HBO keine höheren Mindestkollektorflächen zulässt, als in der
Anlage Nr. I.1.a) EE-WärmeG vorgesehen, verlangt eine verfassungskonforme
Auslegung des § 81 Abs. 2 HBO, dass diese Norm nicht für neu zu errichtende
Gebäude, sondern nur für bestehende Gebäude satzungsrechtlich Grundlage sein
kann. Die übrigen Auslegungsmethoden erfordern kein anderes Ergebnis, weil § 81
Abs. 2 HBO nach seinem Wortlaut Neubauten nicht nennt. Da § 81 Abs. 2 HBO
andererseits Bestandsbauten nicht ausdrücklich ausnimmt, werden von dieser
Norm auch diese Gebäude erfasst (Longo, a.a.O., S. 327; einschränkend
119
120
121
122
123
124
125
126
127
Norm auch diese Gebäude erfasst (Longo, a.a.O., S. 327; einschränkend
Pollmann/Reimer/Walter, a.a.O., S. 255).
cc) Als weitere rechtliche Konsequenz ergibt sich hieraus, dass die Solarsatzung
keine Pflicht statuieren darf, Solarthermie für Neubauten einzurichten (vgl. ebenso
Faßbender, NuR 2009, 618, 622; a.A. Longo, a.a.O. S. 254 f.). Soweit die
Solarsatzung daher in §§ 3 und 4 bei der Errichtung von beheizten Gebäuden „die
Bauherren verpflichtet, solarthermische Anlagen zu errichten und zu betreiben“,
sind diese Regelungen nicht von § 81 Abs. 2 HBO gedeckt und folglich unwirksam.
dd) Dabei ist unerheblich, dass das Erneuerbare- Energien-Wärmegesetz als
Zeitpunkt seines Inkrafttretens den 01.01.2009 in § 20 nennt, denn die
Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG beginnt mit der Verkündung des Gesetzes
(Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Rdnr. 8 zu Art. 72; Degenhart in
Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Rdnr. 27 zu Art. 72; Kunig in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 3,
5. Aufl. 2003, Rdnr. 9 zu Art. 72; Stettner, in: Dreier, GG, Bd. 2, 1998, Rdnr. 28 zu
Art. 72) - im Falle des Erneuerbaren-Energien-Wärmegesetzes also am 07.08.2008
und damit vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der
Beanstandungsverfügung vom 02.10.2008.
ee) Nicht kompetenzwidrig sind dagegen die satzungsrechtlichen Bestimmungen,
welche sich auf Bestandsbauten beziehen. Denn die Öffnungsklausel des § 3 Abs.
2 EE-WärmeG lässt insoweit landesrechtliche Regelungen ausdrücklich zu. Dem
steht auch nicht entgegen, dass der Bundesgesetzgeber in § 3 Abs. 2 EE-WärmeG
das Modalverb „können“ im Präsens und nicht in einer Vergangenheitsform
verwandt hat, da anzunehmen ist, dass er lediglich bezüglich Bestandsbauten ein
Nichtgebrauchmachen seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis zum
Ausdruck bringen wollte.
b) Unwirksam ist die Satzung darüber hinaus, soweit sie bezüglich der
Bestandsgebäude keine angemessenen Übergangsregelungen enthält.
Allerdings werden die satzungsrechtlichen Bestimmungen von der
Ermächtigungsgrundlage gedeckt (aa). Als Inhaltsbestimmungen im Sinne des Art.
14 Abs. 1 S. 2 GG sind sie aber ihrerseits verfassungswidrig, weil sie in bestehende
Rechte des Bestandes eingreifen und mangels Übergangsregelungen unzumutbar
sind (bb).
aa) Da die Solarsatzung Freiheit und Eigentum tangiert, bedarf sie einer über die
generelle Verleihung der Satzungsautonomie einfach-rechtlicher Art
hinausgehenden speziellen gesetzlichen Verleihung (vgl. BVerwG, U. v. 25.01.2006
- 8 C 13.05 -, BVerwGE 125, 68, 70 f.; B.v. 07.09.1992 - 7 NB 2.92 -, BVerwGE 90,
359, 363; Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Rdnr. 79 zu Art. 28
m.w.N.), die im Streitfall mit § 81 Abs. 2 HBO gegeben ist. Nach Ansicht der
erkennenden Kammer liegen die Voraussetzungen dieser Norm vor, sodass die
Solarsatzung zumindest für Bestandsbauten die entsprechenden Verpflichtungen
statuieren durfte.
aaa) Entgegen der Ansicht des Beklagten, die dieser zum ersten Mal im
gerichtlichen Verfahren vertrat, handelt es sich bei der Solarthermie um eine
„bestimmte Heizungsart“ im Sinne des § 81 Abs. 2 HBO. Indem der
Landesgesetzgeber sprachlich ein Kompositum wählte und dem Begriff Heizung
das Wort „Arten“ hinzufügte, wollte er auch solche Heizungsanlagen einbeziehen,
die nicht in dem eigentlichen Sinne Heizungen darstellen, sondern nur eine Art
hiervon, also etwas Ähnelndes sind. Dies rechtfertigt die Annahme im Schrifttum,
Solarthermie sei als bestimmte Heizungsart unter § 81 Abs. 2 HBO zu
subsumieren (vgl. Pollmann/Reimer/Walter, a.a.O., S. 254 l.Sp.; Böhm, in: Jahrbuch
des Umwelt- und Technikrechts 2009, 237, 248; Longo, a.a.O., S. 312 ff.; vgl. auch
Staiger, UVP-Report 23, 2009, S. 72 r.Sp.), weil solarthermische Anlagen sowohl
zur Warmwasserbereitung als auch heizungsunterstützend Verwendung finden
(Longo, a.a.O., S. 313).
Dass es dabei um „bestimmte“ Arten von Heizungen geht, führt zu keinem
anderen Ergebnis, denn das Adjektivattribut erschöpft sich in seiner Bedeutung
von „genau festgelegten“ bzw. „begrenzt“ und lässt daher solarthermische
Anlagen zu.
bbb) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 HBO liegen vor;
insbesondere erscheint die Solarthermie nach den örtlichen Verhältnissen geboten
zur Vermeidung von Umweltbelastungen.
128
129
130
131
Die Vorschrift des § 81 Abs. 2 HBO besitzt mehrere Tatbestandsmerkmale, die
sich erschließen, wenn der Wortlaut der Norm grammatikalisch umgestellt und das
Prädikativum nach vorne gezogen wird. Danach ist diese Vorschrift so zu
verstehen, dass bestimmte Heizungsarten vorgeschrieben werden können, wenn
dies (nach den örtlichen Verhältnissen) geboten ist zur Vermeidung von …
Umweltbelastungen … oder … zur rationellen Verwendung von Energie. Damit
liegen unterschiedlich Tatbestandsalternativen vor, nämlich „Geboten-Sein“ zur
Vermeidung von … Umweltbelastungen und „Geboten-Sein“ zur rationellen
Verwendung von Energie. Hätte der Landesgesetzgeber gewollt, dass das
Präpositionalgefüge „zur Vermeidung von Umweltbelastungen“ nur einschränkend
im Zusammenhang mit „zur rationellen Verwendung von Energie“ zu sehen ist,
hätte er dies sprachlich entsprechend gestalten müssen. Den begrifflichen
Zusammenhang der Vermeidung von Umweltbelastungen dahingehend sprachlich
begrenzt zu verstehen, dass die Vermeidung der Umweltbelastung ausschließlich
und zugleich einer rationellen Verwendung von Energie dienen müsse, bedeutete
im Übrigen den im Folgenden noch näher darzulegenden, in § 81 Abs. 2 HBO
angelegten immissionsschutzrechtlichen Vorsorgecharakter misszuverstehen
(ebenfalls unterschiedliche Tatbestandsalternative annehmend: Böhm, a.a.O., S.
248; Pollmann/Reimer/Walter, a.a.O., S. 253 l.Sp.; Zeiss/Longo, UPR 1998, 217,
219 r.Sp.; Longo, a.a.O., S. 316).
(a) Wegen der besonderen topografischen Verhältnisse, nämlich der ausgeprägten
Hang- und Tallage, und der damit verbundenen starken Vorbelastung des
Stadtgebiets der Klägerin mit verschiedenen Emissionen, ist die
Solarthermiepflicht ein Mittel zur Verbesserung der Umwelt, weil sie zu einer
deutlichen Verminderung der CO
2
-Belastung führt. Dies wird von dem Beklagten
auch nicht in Abrede gestellt. Die satzungsrechtliche Verpflichtung ist auch im
Sinne des § 81 Abs. 2 HBO geboten. An den Begriff des „Geboten-Seins“ sind
keine zu hohen Anforderungen zu stellen, weil er ähnlich wie § 9 Abs.1 Nr. 23
BauGB 1976 (jetzt: § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB), die Gemeinden ermächtigen soll,
vorbeugenden Umweltschutz zu betreiben (siehe zu § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB
1976: BVerwG, B.v. 16.12.1988 - 4 NB 1.88 -, NVwZ 1989, 664 r.Sp.; OVG Nds., U.
v. 14.01.2002 - 1 KN 468/01 -, NVwZ-RR 2003, 174, 175; OVG NW, B. v. 24.07.2000
- 7 a D 179/98.NE - BauR 2001, 62, 63 l.Sp.;
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 2009, RdNr. 191 zu § 9;
Staiger, a.a.O., S. 70, 2. Sp.). Das folgt bezüglich § 81 Abs. 2 HBO aus dessen
Wortlaut „… zur Vermeidung von … Umweltbelastungen“. Denn der Ausdruck
„Vermeidung“ bedeutet in diesem Kontext, es schon nicht zu den
Umweltbelastungen kommen zu lassen. Hiermit vertrüge es sich nicht, wenn
„geboten“ im Sinne einer unumgänglichen Notwendigkeit ausgelegt würde (anders
aber Pollmann/Reimer/Walter, a.a.O., S. 253 für die Tatbestandsalternative
„Geboten-Sein für das Wohl der Allgemeinheit zur rationellen Verwendung von
Energie“). Im Rahmen ihrer satzungsrechtlichen Gestaltungsbefugnis kann eine
Kommune, gestützt auf § 81 Abs. 2 HBO, auch grundsätzlich regeln, in ihrem
gesamten Gemeindegebiet Umweltbelastungen zu vermeiden (für § 9 Abs. 1 Nr.
23 a BauGB: Löhr, in: Battis/Kreuzberger/Löhr, BauG, BauGB, 11. Aufl. 2009, Rdnr.
81 zu § 9).
(b) Allerdings wird zu der mit § 81 Abs. 2 HBO übereinstimmenden
Vorgängerfassung des § 87 Abs. 2 Nr. 2 HBO (i. d. F. v. 20.12.1993, GVBl. I S. 655)
vertreten, auf den Begriff „Vermeidung von Umweltbelastungen“ lasse sich keine
Pflicht zur Solarthermie stützen. Dieser sei immissionsschutzrechtlicher Art. Im
Immissionsschutzrecht gehe es aber um Limitierung des Ausstoßes
umweltschädigender Stoffe durch Anlagen. Hiervon werde die Solarthermiepflicht
nicht erfasst (Zeiss/Longo, a.a.O.). Dem widerstreitet, dass mit der
Solarthermiepflicht eine Reduzierung von CO
2
einhergeht und gerade deswegen
die insoweit vorhandene Umweltbelastung geringer werden lässt. Der eindeutige
Wortlaut des § 81 Abs. 2 HBO, dass eine bestimmte Heizungsart satzungsrechtlich
vorgeschrieben werden kann, wenn dies zur Vermeidung von Umweltbelastungen
geboten ist, lässt die Statuierung der Pflicht zur Solarenergie ohne Weiteres zu. Im
Schrifttum begegnet die oben genannte Ansicht daher mit Recht Bedenken
(Böhm, a.a.O., S. 248).
(c) Ob darüber hinaus die Solarthermiepflicht im Sinne des § 81 Abs. 2 HBO auch
aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit zur rationellen Verwendung von
Energien geboten ist (verneinend Pollmann/Reimer/Walter, a.a.O., S. 253 f.;
bejahend Böhm, a.a.O., S. 249 f.; Longo, a.a.O. S. 316 f.), kann im Streitfall
132
133
134
135
136
137
138
139
bejahend Böhm, a.a.O., S. 249 f.; Longo, a.a.O. S. 316 f.), kann im Streitfall
dahinstehen ebenso wie die Frage, ob sich dieses Tatbestandsmerkmal nach den
„örtlichen Verhältnissen“ richtet - wofür die Kompetenzbeschränkung des Art. 28
Abs. 2 S. 1 GG sprechen könnte (siehe hierzu Pollmann/Reimer/Walter, a.a.O., S.
253 Fn. 34; Klinski/Longo, ZNER 2007, 41, 43 l.Sp.; Longo, a.a.O., S. 324 ff.; Böhm,
a.a.O.; siehe auch Faßbender, a.a.O., S. 620 f.).
bb) Die satzungsrechtlichen Bestimmungen, die für die Bestandsbauten die
Solarpflicht normieren, sind aber unwirksam, weil sie in ihrer konkreten
satzungsrechtlichen Ausgestaltung vor dem Hintergrund von Art. 14 GG
verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sind.
Gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1, 2 GG wird das Eigentum gewährleistet; Inhalt und
Schranken werden durch Gesetze bestimmt. Nach Art. 14 Abs. 2 GG verpflichtet
das Eigentum. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
aaa) Der Schutzbereich des Art. 14 GG ist vorliegend eröffnet. Die
Satzungsunterworfenen sind nämlich durch die an bestimmte Voraussetzungen
anknüpfende Solarthermiepflicht in ihrem Recht betroffen, ihre Gebäude frei zu
gestalten. Dieses Recht genießt - soweit es darum geht, keine Baumaßnahmen
durchführen zu wollen - als sogenannte negative Baufreiheit ebenso wie die
allgemeine Baufreiheit, d. h. das Recht, ein Grundstück im Rahmen der Gesetze zu
bebauen (vgl. dazu z. B. BVerfG, B.v. 24.07.2000 - 1 BvR 151/99 -, NVwZ 2001,
424), den Schutz von Art. 14 Abs. 1 GG (zur neg. Baufreiheit siehe BVerwG, B. v.
31.03.1998 - 4 BN 5.98 -, NVwZ-RR 1998, 543; OVG NW, U. v. 18.12.2008 - 10 D
104/06.NE -, juris, Rdnr. 105).
Im Streitfall stellen zwar die satzungsrechtlichen Regeln Inhalts- und
Schrankenbestimmungen i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. Sie beinhalten aber
die Verkürzung bestehender Rechtspositionen und bedürfen daher zumindest
einer schonenden Übergangsregelung (bbb), welche die Solarsatzung indes nicht
vorsieht (ccc).
bbb) Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist insofern ein normgeprägtes
Grundrecht, als der Begriff Eigentum erst durch das Recht konstituiert wird. Hierbei
ist es nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Aufgabe des Gesetzgebers, Inhalt und
Schranken zu bestimmen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
zur Nassauskiesung (B. v. 15.07.1981 - 1 BvR 77/78 -, BVerfGE 58, 300 ff.)
entspricht es in der Rechtsprechung dem Stand der eigentumsrechtlichen
Dogmatik, eine Inhaltsbestimmung dann anzunehmen, wenn es um generelle,
abstrakte Festlegungen von Rechten und Pflichten durch den Gesetz- oder wie hier
den Satzungsgeber geht (vgl. BVerfG, B.v. 16.02.2000 - 1 BvR 242/91, 315/99 -,
102, 1, 16; B.v. 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 -, BVerfGE 100, 226, 240; B.v. 15.07.1981
- 1 BvL 77/78 -, a.a.O., S. 330).
Die Solarsatzung bedeutet eine Inhalts- und Schrankenbestimmung in diesem
Sinne. Denn sie bestimmt in abstrakter und genereller Weise für die Zukunft neue
Pflichten für den jeweiligen Eigentümer von Gebäuden, die sich im Hoheitsgebiet
der Klägerin befinden.
Bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen solcher Art muss der Gesetzgeber (bzw.
hier der Satzungsgeber) die Interessen des Eigentümers und die Belange des
Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis
bringen; insbesondere ist er an die verfassungsrechtlichen Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes gebunden, die in Art. 14 Abs. 1
GG eine eigene Ausprägung erfahren haben (vgl. BVerfG, B. v. 18.02.2009 - 1 BvR
3076/08 -, BVerfGE 122, 374, 391 f.; B.v. 27.02.2007 - 1 BvL 10/00 -, BVerfGE 117,
272, 294).
Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse müssen vom jeweiligen Sachbereich
her geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Sie dürfen nicht
weitergehen als der Schutz des Gemeinwohls es erfordert, d. h., sie dürfen nicht zu
einer unzumutbaren Belastung führen und den Eigentümer im
vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen (vgl. BVerfG, B.v. 18.02.2009,
a.a.O, S. 392). Darüber hinaus muss sich der Gesetzgeber im Einklang mit allen
anderen Verfassungsnormen befinden, namentlich den Gleichheitsgrundsatz des
Art. 3 Abs. 1 GG beachten (BVerfG, B. v. 23.02.2010 - 1 BvR 2736/08 -, NVwZ
2010, 512, 514 Rdnr. 39; B. v. 16.02.2000, a.a.O., S. 17; BVerwG, U. v. 21.04.2009
- 4 C 3.08 -, BayVBl. 2009, 669, 670 r.Sp.). Dabei verlangt die Bestandsgarantie
des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die
140
141
142
143
144
145
des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die
eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die
Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich erhalten (BVerfG, B.v.
02.03.1999, a.a.O., S. 245; BVerwG, U.v. 21.04.2009, a.a.O.).
Wie das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht
übereinstimmend und wiederholt ausgeführt haben, stehen dem Gesetzgeber als
gesetzgeberische Mittel hierfür Übergangsregelungen, Ausnahme- und
Befreiungsvorschriften sowie der Einsatz sonstiger administrativer und technischer
Vorkehrungen zur Verfügung (siehe z. B. BVerfG, B. v. 23.02.2010, a.a.O., S. 514
Rdnr. 42; B.v. 02.03.1999, a.a.O.; BVerwG, a.a.O.; BVerwG, B.v. 15.04.2003 - 7 BN
4.02 -, NVwZ 2003, 1116, 1117 l.Sp.).
Diese gesetzgeberischen Mittel einzusetzen, ist der Gesetzgeber dann besonders
gehalten, wenn er - wie hier die Klägerin als Satzungsgeberin, die für das gesamte
Hoheitsgebiet eine umfassende Solarpflicht einführt -, ein Rechtsgebiet gleichsam
völlig neu gestaltet. In diesem Fall bedingt es die Grenze der Gestaltungsbefugnis
des Satzungsgebers, alte Rechtspositionen nur durch eine schonende, d. h.,
angemessene und zumutbare Überleitungsregelung umzugestalten (BVerfG, B.v.
06.11.1985 - 1 BvL 22/83 -, BVerfGE 71, 137, 144; B.v. 19.06.1985 - 1 BvL 57/79 -,
BVerfGE 70, 191, 201; B.v. 15.07.1981, a.a.O., S. 351; BVerwG, U.v. 16.05.1991 - 4
C 17.90 -, BVerwGE 88, 191, 197). Auch die Literatur betont mit Blick auf den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Umgestaltung bestehender
Rechtspositionen die Notwendigkeit schonender Übergangsregelungen (z. B.
Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Rdnr. 47 zu Art. 14; Wendt, in: Sachs,
GG, 4. Auf. 2007, Rdnr. 88 zu Art. 14; Wieland, in: Schmidt-
Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Rdnr. 20 zu Art. 14; Maurer,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 27, Rdnr. 52; Detterbeck, DÖV
1994, 273, 276).
Wird der Gesetz- oder Satzungsgeber den oben genannten Vorgaben nicht
gerecht, verstößt die entsprechende Regelung, wiewohl sie formal Inhalts- und
Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bleibt, gegen die
Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, ist also verfassungswidrig mit der
Folge ihrer Unwirksamkeit (BVerfG, B.v. 16.02.2000 -, a.a.O., S. 16; Jarass, in:
Jarass/Pieroth, a.a.O., Rdnr. 53 zu Art. 14; Wendt, in: Sachs, Rdnr. 75 zu Art. 14;
Bryde in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Rdnr. 57 zu Art. 14;
Detterbeck, a.a.O., S. 274 r.Sp.).
ccc) Gemessen an diesen Vorgaben erweisen sich im Streitfall die
satzungsrechtlichen Bestimmungen, die eine Solarpflicht für Bestandsbauten
vorsehen, mangels angemessener Übergangsregelungen als unwirksam.
Bei Bestandsbauten sieht die Solarsatzung in § 5 Abs. 1 bis 3 eine
Solarthermiepflicht unter anderem dann vor, wenn 20 % der Dachfläche erneuert
oder geändert werden oder der Heizkessel ausgetauscht wird. Der Satzungsgeber
knüpft damit die Solarthermiepflicht an akzessorische Handlungen, die in
quantitativer Hinsicht bloße Reparaturmaßnahmen darstellen, weil sie nur
unwesentlich den Bestand des Gebäudes betreffen. Reparatur-, Instandsetzungs-
oder Instandhaltungsmaßnahmen sind solche, die keine Veränderung der
vorhandenen Bausubstanz oder der darauf bezogenen Nutzung bewirken
(BVerwG, B.v.18.07.1997 - 4 B 116.97 -, NVwZ-RR 1998, 357, 358), weil sie nur
geringfügig in den vorhanden Bestand eingreifen und nicht die Standfestigkeit des
gesamten Bauwerks berühren, insbesondere keine statischen Neuberechnungen
erfordern (vgl. BVerwG, U.v. 14.04.2000 - 4 C 5.99 -, NVwZ 2000, 1048, 1049
r.Sp.). Grundsätzlich sind solche Maßnahmen, ungeachtet der Frage
einfachgesetzlichen oder verfassungsunmittelbaren Bestandsschutzes, d. h.,
inwieweit es einen auf Bestandsschutz gegründeten Anspruch auf bauliche
Veränderung außerhalb gesetzlicher Regelungen gibt, vom Bestandsschutz
gedeckt (vgl. BVerwG, B.v. 18.07.1997 - 4 B 116.97 -, a.a.O.), weil ansonsten mit
dem ohne Unterhaltsarbeiten gegebenen natürlichen Ende des Gebäudes letztlich
jegliche Nutzbarkeit entfiele (vgl. Lieder, ThürVBl. 2004, 81, 84 r.Sp.;
Gehrke/Brehsan, NVwZ 1999, 932, 935; siehe auch Siekmann, NVwZ 1997, 853,
857 l.Sp.).
Zwar kann der Gesetzgeber bzw. Satzungsgeber auch an solche
Erhaltungsmaßnahmen Pflichten binden. Denn selbst die völlige Beseitigung bisher
bestehender, durch die Eigentumsgarantie geschützter Rechtspositionen ist unter
bestimmten Voraussetzungen zulässig (siehe nur BVerfG, B.v. 09.01.1991 - 1 BvR
146
147
148
149
bestimmten Voraussetzungen zulässig (siehe nur BVerfG, B.v. 09.01.1991 - 1 BvR
929/89 -, BVerfGE 83, 200, 212) und muss daher erst recht möglich sein, wenn
sachgerechte akzessorische Maßnahmen als Auslöser der Pflicht dienen sollen.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet aber in dem Fall, in dem keine
oder nur geringfügige Maßnahmen - wie hier die Reparaturmaßnahmen bezüglich
des Daches oder der bloße Austausch der Heizungsanlage - Anlass sind,
Rechtspositionen weitgehend zu ändern, die Übergangsregelungen großzügig zu
bemessen, um den Satzungsunterworfenen zu ermöglichen, sich finanziell und
auch sonst auf die entsprechende Verpflichtung, hier der Solarthermie,
einzustellen.
Beurteilt man die Solarsatzung nach diesen Gesichtspunkten ist festzustellen,
dass eine Übergangsregelung nicht vorhanden ist. § 12 der Satzung schreibt
lapidar vor, dass diese am 01.10.2008 in Kraft tritt (§ 12 Abs. 1) und lediglich
Baugenehmigungsverfahren und Änderungsmaßnahmen an bestehenden
Gebäuden, die vor dem 01.10.2008 begonnen worden sind, von den
Bestimmungen der Satzung unberührt bleiben (§ 12 Abs. 2). Damit fehlt es aber
an einer Übergangsregelung gerade für die Gebäude, für die nach dem 01.10.2008
zum Beispiel eine Reparatur des Daches im Umfang von 20 % der Dachfläche
durchgeführt werden muss. Aber auch für die Ersetzung der Außenverkleidung
nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 der Solarsatzung bedarf es unter Berücksichtigung, dass die
Klägerin umfassende Rechtspflichten neu einführt, und unter
Zumutbarkeitsüberlegungen einer Übergangsregelung ebenso wie für den Fall des
§ 5 Abs. 3 der Solarsatzung, der den Austausch eines Heizkessels oder der
Umstellung der Heizanlage betrifft.
Dabei kann hier dahinstehen, wie diese Übergangsregelungen im Einzelnen zeitlich
gestaltet sein müssen. Denn es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit,
der Klägerin als Satzungsgeberin und Exekutive insoweit Vorgaben zu machen.
Die in § 10 Spiegelstrich 2. der Solarsatzung enthaltenen Regelungen sind als
kompensatorische Maßnahme nicht geeignet, das Fehlen von
Übergangsregelungen auszugleichen. Diese Bestimmung bezieht sich nämlich
lediglich auf den seltenen Einzelfall (arg.: „besondere Umstände“), um insoweit
einer gegebenenfalls vorhandenen „unbilligen Härte“ Rechnung zu tragen,
hingegen nicht auf den Regelfall, für den gerade eine Übergangsregelung
erforderlich ist. Auch eine mögliche Amortisation (vgl. hierzu auch Longo, a.a.O., S.
233 ff., 247) bzw. eine finanzielle Förderung der Solaranlagen ersetzt eine von Art.
14 Abs. 1 GG geforderte Übergangsregelung nicht. Abgesehen davon, dass die
rechtlichen Bedingungen für eine Amortisation wegfallen und gesetzlich normierte
Förderungen gesetzgeberisch geändert werden können, müssen
Übergangsregelungen in dem Gesetz bzw. in der Satzung stehen, das bzw. die die
Frage des Übergangs aufwirft. Ein Verweis auf andere Bestimmungen wäre
insoweit nicht zulässig.
Soweit die Klägerin demgegenüber in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat,
sie halte eine Übergangsregelung für gegeben, weil die Solarthermiepflicht nur an
bestimmte Voraussetzungen, z. B. Dacherneuerungen, und damit an Handlungen
des Bürgers anknüpfe, ist eine zureichende Übergangsregelung hierin nicht zu
sehen (a.A. Longo, a.a.O., S. 243). Zwar ist richtig, dass Handlungen des Bürgers
die Pflicht, eine Solaranlage zu errichten, auslösen. Liegt keiner der Tatbestände
der Satzung vor, z. B., weil eine Dachsanierung nicht in Betracht kommt, besteht
auch keinerlei Verpflichtung zur Installation einer Solaranlage - und das auf Jahre
hinaus. Dem satzungsunterworfenen Bürger ist aber nicht immer möglich, den
Zeitpunkt seiner Handlungen zu bestimmen. In dem Fall, in dem eine Reparatur
des Daches im Umfang von 20 % nach Inkrafttreten der Satzung erforderlich ist,
greift die Pflicht ein, eine Anlage zu errichten, zeitlich unmittelbar nach
Inkrafttreten der Satzung, ohne dass überhaupt eine Übergangsfrist besteht. Eine
Satzung bedarf aber auch mit Blick auf Art. 14 GG und seine
Verhältnismäßigkeitsprinzipien für diese Situationen einer Übergangsbestimmung.
Der von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Verweis
auf die satzungsrechtlichen Härtefallregelungen reicht ebenfalls nicht aus, eine
zureichende Kompensation für gegeben zu erachten. Denn Kompensation kann
zunächst nur bedeuten, dem satzungsunterworfenen Bürger zeitlich längerfristig
die Möglichkeit zu gewähren, sich auf die Solarpflicht einzustellen. Abgesehen
davon, hat die Härtefallregelung des § 10 Spiegelstrich 2. den seltenen
Ausnahmefall im Blick. Derjenige, der seine Solarpflicht kurzfristig erfüllen muss,
fällt hierunter nicht.
150
151
152
153
154
155
cc) Unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 1 GG und einer insoweit zu prüfenden
Verhältnismäßigkeit ist darüber hinaus die Solarsatzung unwirksam, als sie keine
Ausnahme für besonders kleine Gebäude von bis zu 50 m
2
Nutzfläche vorsieht.
Eine diesbezüglich statuierte Solarthermiepflicht ist unverhältnismäßig, weil sie zu
unverwertbaren kostenintensiven Überkapazitäten führt (ebenso
Pollmann/Reimer/Walter, a.a.O., S. 254/255). Insoweit bestätigt auch der
Bundesgesetzgeber, dass die Erforderlichkeit im Sinne des
Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht gegeben ist. Denn nach § 4 EE-WärmeG gilt die
Verpflichtung, erneuerbare Energien einzusetzen, nur für die Gebäude mit einer
Nutzfläche von mehr als 50 m
2
. Soweit die Klägerin dagegen in der mündlichen
Verhandlung ausgeführt hat, wenn eine Solarsatzung für solche Gebäude nicht
wirtschaftlich sein sollte, dann fehle auch die Erforderlichkeit der Anlage, ist darauf
zu verweisen, dass die Solarsatzung diesen Sachverhalt so nicht regelt. Eine
Verhältnismäßigkeit der Solarpflicht für Gebäude unter 50 m
2
folgt auch nicht
daraus, dass eine Härtefallregelung vorhanden ist.
c) Die satzungsrechtliche Regelung, die für Gebäude mit Klimaschutzprogrammen
gilt, ist unwirksam, weil sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. § 10 Spiegelstrich 3.
der Solarsatzung sieht insoweit vor, Gebäude mit einer Fläche von mindestens
30.000 m
2
dann von der Solarthermiepflicht zu befreien, wenn das betreffende
Gebäude von einem Klimaschutzprogramm erfasst wird.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor
dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Normgeber ist zwar nicht jede
Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe
von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden
behandelt, obschon zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art
und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung zu
rechtfertigen in der Lage sind (BVerfG, B.v. 11.11.2008 - 1 BvL 3-7/05 -, BVerfGE
122, 151, 188; B.v. 09.04.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 -, BVerfGE 108, 52, 77
f.; BVerwG, U.v. 21.09.2005 - 6 C 3.05 -, NJW 2006, 711, 715). Dem Gesetz- bzw.
Satzungsgeber sind bei der Ausgestaltung umso engere Grenzen gesetzt, je
stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter
Freiheiten auswirken kann (BVerfG, B.v. 23.11.2004 - 1 BvL 6/99 -, DVBl. 2005,
496, 499/450), und er darf das einmal gewählte Differenzierungskriterium nicht
ohne sachlichen Grund aufgeben (vgl. BVerfG, U.v. 05.02.1991 - 1 BvF 1/85 1/88 -,
BVerfGE 83, 238, 337).
Im Falle der Solarsatzung genügt § 10 Spiegelstrich 3. diesen Maßgaben nicht.
Diese Regelung sieht vor, Gebäude, die von einem Klimaschutzprogramm erfasst
sind, von der Solarpflicht auszunehmen.
In diesem Zusammenhang muss zunächst berücksichtigt werden, dass der Begriff
Klimaschutzprogramm unbestimmt ist, weil er weder eindeutige Ziele noch Werte
definiert, sondern offen ist für jeden möglichen Inhalt, sofern dieser nur einen
Umweltbezug hat (vgl. auch Pollmann/Reimer/Walter, a.a.O., S. 255 l.Sp.). Mit Blick
auf diese Unbestimmtheit ist die Ausnahme von der Solarthermiepflicht nicht
durch ausreichend gewichtige Unterschiede zur Gruppe der übrigen
Hauseigentümer zu rechtfertigen. Gründe von erheblichem Gewicht,
Liegenschaften mit einer Bruttogeschossfläche von insgesamt mindestens 30.000
m
2
im Ausnahmefall anders zu behandeln als Gebäude mit einer geringeren
Geschossfläche, liegen nicht vor. Vielmehr gilt das Gegenteil; je größer die
Gebäude sind, desto höher dürfte sich bei einer Installation von Solaranlagen auch
die Einsparung von CO
2
auswirken, sodass Gesichtspunkte der Sachgesetzlichkeit
der Solarsatzung gerade bei besonders großen Gebäuden Veranlassung geben
müssten, auch insoweit eine Solarpflicht vorzusehen. Der Satzungsgeber gewährt
als Ausnahme von der Solarthermiepflicht die Alternative, ein
Klimaschutzprogramm abzuschließen, um Eigentümern größerer Gebäude die
Möglichkeit zu eröffnen, flexibel zu reagieren. In der sich in den Behördenakten
befindenden Satzungsbegründung heißt es hierzu:
„Mit der Bestimmung des 3. Spiegelstrichs des § 10 der Solarsatzung wird dem
Umstand Rechnung getragen, dass bei einem unternehmerischen, professionellen
Gebäudemanagement unter Berücksichtigung der Besonderheit von
Produktionsprozessen, betrieblichen Anforderungen und dem technischen Profil
der Gebäude erhebliche Potentiale im Sinne des Klimaschutzes erschlossen
werden können. Die Möglichkeit, durch Vereinbarung eines Klimaschutzprogramms
156
157
158
159
160
werden können. Die Möglichkeit, durch Vereinbarung eines Klimaschutzprogramms
von den Anforderungen der Solarsatzung befreit zu werden, wird sich bei den
Eigentümern und Betreibern größerer Gebäudekomplexe als Impuls im Sinne des
Klimaschutzes auswirken. Unter individuellen, unternehmensbezogenen
Klimaschutzprogrammen sind Planungen für die energetische Optimierung von
Gebäuden, Produktionsprozessen, Betriebsabläufen und Beschaffungskriterien zu
fassen. Es ist darzustellen, mit welchen Maßnahmen eine Reduzierung der CO
2
-
Emissionen in welchem Umfang verfolgt wird. Die Befreiung von den
Anforderungen der Solarsatzung kann nach Vereinbarung des
Klimaschutzprogramms für höchstens drei Jahre ausgesprochen werden. Bei einer
erneuten Beantragung ist zu prüfen, inwieweit die Planung des
Klimaschutzprogramms umgesetzt worden sind.“
Diese Ausführungen zeigen ebenfalls keinen zureichenden Grund auf, die
verschiedenen Gruppen der Gebäudeeigentümer sachlich unterschiedlich zu
behandeln und einer Gruppe als Ausnahme die Möglichkeit des Abschlusses eines
Klimaschutzprogramms mit der Klägerin anstelle der Solarpflicht einzuräumen.
Selbst wenn im Klimaschutzprogramm dargestellt werden soll, mittels welcher
Maßnahme eine Reduzierung der CO
2
-Emissionen in welchem Umfang verfolgt
wird ist nicht feststellbar, dass Klimaprogramme überhaupt vergleichbare CO
2
-
Reduktionen zur Folge haben, wie bei den übrigen Gebäudeeigentümern, bei
denen eine Solaranlage errichtet werden muss. Vielmehr ist es nach der
Satzungsregelung nicht ausgeschlossen, dass das Klimaschutzprogramm deutlich
geringere Anforderungen stellt, z. B. aus wirtschaftlichen Gründen.
Damit kann auch nicht den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen
Argumenten der Klägerin gefolgt werden, größere Gebäudekomplexe im Falle der
Vereinbarung eines Klimaschutzprogramms gemäß § 10 Spiegelstrich 3. der
Solarsatzung auszunehmen, liege in ihrem Satzungsermessen, denn größere
Unternehmen bzw. größere Gebäude besäßen
Gesamtunternehmensenergiekonzepte; die Verweisung in § 10 Spiegelstrich 3. auf
§ 1 der Solarsatzung mache die Ausnahmeregelung auf jeden Fall hinreichend
bestimmt. Diese Ausführungen vermitteln für die Ungleichbehandlung der
Gebäudeeigentümer keinen den Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigende
Gesichtspunkte, weil es auch in dem Fall des Vorliegens von
Gesamtunternehmensenergiekonzepten dabei bleibt, dass nicht feststeht,
welches Inhalts diese sein müssen und inwiefern der konkrete Beitrag des
Unternehmens bzw. Gebäudes zur CO
2
-Verringerung den Beitrag der anderen
Gebäude vergleichbar ist. Die Verweisung in § 10 Spiegelstrich 3. auf § 1 der
Solarsatzung ist ebenfalls zu allgemeiner Natur, denn § 1 der Solarsatzung enthält
im Wesentlichen nur Zielbestimmungen.
Die in der Satzungsregelung enthaltene Ausnahme bezüglich der Gebäude mit
30.000 m
2
erweist sich damit als sachlich nicht vertretbar.
d) Dahinstehen kann, ob darüber hinaus die Solarsatzung gegen
landesverfassungsrechtlich geschützten Denkmalschutz verstößt, Photovoltaik
keine ersatzweise Erfüllung sein darf (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Solarsatzung) oder ob
das Satzungsermessen - soweit es wirtschaftliche Überlegungen miteinbezieht (§
1 Abs. 2 Nr. 1 der Solarsatzung) - ordnungsgemäß ausgeübt wurde (letzteres
bejahend Longo, a.a.O., 326; ablehnend Pollmann/Reimer/Walter, a.a.O. S. 254
l.Sp.). Denn die zahlreichen oben dargestellten unwirksamen Satzungsregelungen
lassen in entsprechender Anwendung des § 139 BGB nur die Gesamtnichtigkeit
der Satzung zu, weil die übrigen Bestimmungen ohne die nichtigen nicht mehr
sinnvoll anzuwenden sind und anzunehmen ist, dass der Satzungsgeber die
Restbestimmungen ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte (vgl. Bayer.VGH,
U.v. 11.03.2010 - 20 B 09.1890 -, juris, Rdnr. 42; VGH Bad.-Württ., U.v. 16.09.2009
- 2 S 1466/07 -, DVBl. 2010, 192, 196 Rdnr. 60 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenb., U.v.
13.11.2008 - 11 A 5.07 -, juris, Rdnr. 27 m.w.N.).
2. Von der Beanstandungsermächtigung wurde auch ordnungsgemäß Gebrauch
gemacht, Ermessenfehler sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch, soweit der Beklagte
den in Streit stehenden Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom
20.06.2008 lediglich „beanstandet“ und nicht ausdrücklich aufgehoben hat. Zwar
sieht § 138 HGO nur in der Überschrift das Wort „Beanstandung“ vor, indessen der
Normtext davon spricht, Beschlüsse aufzuheben und zu verlangen, dass
Maßnahmen rückgängig gemacht werden, die aufgrund derartiger Beschlüsse
getroffen worden sind - weshalb vertreten wird, es komme nur die Aufhebung
161
162
163
164
165
166
167
168
getroffen worden sind - weshalb vertreten wird, es komme nur die Aufhebung
durch die Aufsichtsbehörde in Betracht (vgl. H. Meyer, in: Meyer/Stolleis, Staats-
und Verwaltungsrecht für Hessen, 5. Aufl. 2000, S. 171, 252). Aber Maßnahmen
der Kommunalaufsicht stehen als Ermessensentscheidung unter dem Gebot der
Verhältnismäßigkeit (vgl. Thür. OVG, B.v. 29.10.2007 - 4 EO 1320/05 -, KStZ 2008,
118, 119 r.Sp. unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 26.02.1985 - 2 BvR 1145/83 -,
BVerfGE 69, 161, 169; OVG NW, U.v. 23.09.2003 - 15 A 2053/98 -, juris, Rdnr. 34
ff.). Die Kammer erachtet im Streitfall die bloße Beanstandung insoweit als
verhältnismäßig. Denn sie eröffnete im Zeitpunkt der Beanstandungsverfügung
der Klägerin die Möglichkeit, gegebenenfalls ihre Satzung zu verändern und
insoweit auf die Herstellung gesetzmäßiger Zustände hinzuwirken (vgl. insoweit
auch Kneip/Schmidt, HGO, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 1 zu § 183). Das gilt erst recht,
wenn man in den Blick nimmt, dass in der Sitzung der
Stadtverordnetenversammlung der Klägerin lediglich der hier angegriffene
Beschluss, die Solarsatzung einzuführen, getroffen wurde. Ermessenfehler liegen
auch nicht insoweit vor, als der Beklagte seine Beanstandungsverfügung nicht auf
die Kompetenzwidrigkeit der Satzung stützte, weil er diesen Gesichtspunkt im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt hat (§ 114 S. 2 VwGO).
B.
Der in der mündlichen Verhandlung gestellte, zuvor aber nicht schriftsätzlich
angekündigte Hilfsantrag ist unzulässig. Ein Bescheidungsurteil kommt prozessual
nach Maßgabe des § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO nur in Betracht, wenn eine Klage auf
Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes gerichtet ist, bei der die
Spruchreife i. S. d. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO fehlt. Im Streitfall ist aber die
Anfechtungsklage gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO die statthafte Klageart, weil die
Klägerin die Aufhebung einer kommunalverfassungsrechtlichen
Beanstandungsverfügung begehrt. Eine Bescheidung kennt die Anfechtungsklage
nach § 113 Abs. 1 VwGO nicht.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen,
da sie unterlegen ist.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,
711 ZPO.
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen
(§ 124 a Abs 1 S. 1 i. V. m. § 124 Abs 2 Nr. 3 VwGO).
Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 15.000,-- festgesetzt.
Gründe
Der Streitwert entspricht dem, der allgemein in kommunalverfassungsrechtlichen
Streitigkeiten, betreffend aufsichtsrechtliche Maßnahmen, angenommen wird (§ 52
GKG i.V.m. Nr. 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
2004).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.