Urteil des VG Gelsenkirchen vom 11.04.2002

VG Gelsenkirchen: körperliche unversehrtheit, besoldung, stadt, versorgung, lebensgefahr, vollstreckung, persönlichkeitsstörung, lehrer, schule, beamtenrecht

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 K 5633/98
Datum:
11.04.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 5633/98
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der 1941 geborene Kläger war zuletzt am I. -Gymnasium in E. als Oberstudienrat tätig.
Seit 1990 kam es bezüglich der Unterrichtsführung des Klägers wiederholt zu Eltern-
und Schülerbeschwerden. In diesem Zusammenhang kam der Verdacht auf, der Kläger
fühle sich „verfolgt". Seit Ende 1990 wurde der Kläger daher mehrfach auf Veranlassung
der Bezirksregierung B. durch das Gesundheitsamt der Stadt Dortmund auf seine
Dienstfähigkeit hin untersucht.
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Nachdem das Gesundheitsamt der Stadt E1. im Gutachten vom 9. Januar 1991
zunächst festgestellt hatte, der Kläger sei zwar „derzeit dienstunfähig erkrankt", von
einer Therapie verspreche man sich aber Erfolg, kam das Gesundheitsamt der Stadt E1.
im Gutachten vom 1. Juli 1992 zu der abschließenden Beurteilung, der Kläger sei als
dauernd dienstunfähig im Sinne des § 45 LBG anzusehen.
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Mit Zustimmung des Personalrats teilte daraufhin die Bezirksregierung B. dem Kläger
mit Bescheid vom 17. September 1992 mit, dass sie beabsichtige, ihn gemäß § 45 Abs.
1 in Verbindung mit § 47 Abs. 1 LBG in den Ruhestand zu versetzen. Zur Begründung
bezog sie sich auf das Gutachten vom 1. Juli 1992 sowie ergänzend auf die
amtsärztlichen Stellungnahmen vom 9. Januar 1991 und vom 25. April 1991.
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Nachdem der Kläger dagegen Einwendungen im Sinne des § 47 Abs. 2 LBG erhoben
hatte, wurde ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. In seinem Untersuchungsbericht
vom 19. Oktober 1993 kam der Ermittlungsführer zu dem Ergebnis, der Kläger sei
dienstunfähig. Er stützte sein Ergebnis zum einen auf die von der Behörde bereits in
Bezug genommenen Stellungnahmen des Gesundheitsamtes der Stadt E1. , zum
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anderen beauftragte er selbst wegen des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs einen
weiteren Gutachter (Dr. B1. , Abteilung für Klinische Psychiatrie und Gerontopsychiatrie
vom N. -M. - Krankenhaus C. -X. ). In seinem Gutachten vom 19. August 1993 kam Dr.
B1. ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Kläger an einem chronifizierten
systematisierten Wahn im Sinne einer paranoiden Persönlichkeitsstörung leide. Er - der
Kläger - halte unverrücklich und unkorrigierbar daran fest, dass er unter anderem auch
von Kollegen und Vorgesetzten bespitzelt, hintergangen und unter Umständen auch
bedroht werde.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 1993 versetzte die Bezirksregierung B. den Kläger
gemäß § 45 Abs. 1 in Verbindung mit § 47 Abs. 4 LBG in den Ruhestand.
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Das daraufhin von dem Kläger durchgeführte Widerspruchs- und sein Klageverfahren 1
K 6975/94 blieben erfolglos. Seinen Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG
NRW mit Beschluss vom 19. Mai 1998 - 6 A 1844/97 - ab.
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Mit Schreiben vom 20. Juli 1998 beantragte der Kläger beim Landesamt für Besoldung
und Versorgung Nordrhein-Westfalen u. a. die die Gewährung eines erhöhten
Unfallruhegehalts nach § 37 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG).
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Nachdem mit Bescheid vom 3. August 1998 seine Versorgungsbezüge festgesetzt
worden waren, legte der Kläger mit Schreiben vom 15. August 1998 dagegen im
Hinblick auf seine Forderung aus § 37 BeamtVG vorsorglich Widerspruch ein.
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Diesen Widerspruch wies das Landesamt für Besoldung und Versorgung durch
Widerspruchsbescheid vom 25. August 1998 zurück. Es wurde ausgeführt: Der Kläger
habe einen Anspruch auf Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehaltes weder nach §
37 BeamtVG noch nach § 36 BeamtVG. Als Lehrer an einer öffentlichen Schule gehöre
er nicht zu dem von § 37 BeamtVG erfassten Personenkreis. Die Voraussetzungen des
§ 36 BeamtVG lägen ebenfalls nicht vor, da seiner Zurruhesetzung nicht eine durch
einen Dienstunfall verursachte gesundheitliche Beeinträchtigung zugrunde liege.
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Der Kläger hat rechtzeitig Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Änderung des Bescheides über Versorgungsbezüge des
Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW vom 3. August 1998 und unter
Aufhebung dessen Widerspruchsbescheides vom 25. August 1998 zu verpflichten, ihm
erhöhtes Unfallruhegehalt gemäß § 37 BeamtVG zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht er sich auf die angegriffenen Bescheide.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakten 1 K 5633/98 und 1 K 6975/94, die Versorgungsakte des Klägers und
seine Personalakten (UO A Teile I und II) Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf
erhöhtes Unfallruhegehalt gemäß § 37 BeamtVG nicht zu. Die von dem Kläger im
Hinblick auf diesen Anspruch angegriffene Festsetzung seiner Versorgungsbezüge
durch Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen
vom 3. August 1998 und dessen Widerspruchsbescheid vom 25. August 1998 sind
rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
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Die Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehaltes gemäß § 37 BeamtVG setzt
zunächst voraus, dass der Beamte infolge eines Dienstunfalles dienstunfähig geworden
und in den Ruhestand getreten ist. Bereits diese Voraussetzung ist in der Person des
Klägers nicht erfüllt. Nach dem rechtskräftigen Urteil der Kammer vom 19. Februar 1997
- 1 K 6975/94 - steht fest, dass für seine Dienstunfähigkeit und den Eintritt in den
Ruhestand allein eine paranoide Persönlichkeitsstörung verantwortlich ist.
Dementsprechend enthält der Bescheid über seine Versorgungsbezüge vom 3. August
1998 auch nicht die Gewährung eines Unfallruhegehalts gemäß § 36 BeamtVG.
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Darüber hinaus bietet das Vorbringen des Klägers keinerlei Grundlage für eine
Anwendung von § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 BeamtVG.
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§ 37 Abs. 1 BeamtVG kann nur dann Anwendung finden, wenn die zum Unfall führende
Diensthandlung für den Beamten mit einer besonderen, für ihn erkennbaren
Lebensgefahr verbunden war und er trotz dieser Lebensgefahr die Diensthandlung
fortgesetzt und damit sein Leben eingesetzt hat.
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Vgl. Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, § 37 BeamtVG
Rdrn. 15 ff.
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Der von dem Kläger in seinem Antrag vom 20. Juli 1998 entwickelte Gedankengang,
seine nach seiner Ansicht bei der Anwerbung für den Verfassungsschutz erlittenen
Verletzungen seien als Vorstufe einer Verletzung zu bewerten, die er nach erfolgreicher
Anwerbung bei einem gefährlichen Auslandseinsatz hätte erleiden können, erfüllt die
genannten Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 BeamtVG nicht.
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Ein Anwendungsfall des § 37 Abs. 2 BeamtVG ist gleichfalls nicht gegeben. Soweit der
Kläger in der Klageschrift vom 12. September 1998 insoweit auf jahrelange
Oberservierungen verweist, kann ein solcher Sachverhalt nicht die Voraussetzungen
des § 37 Abs. 2 BeamtVG erfüllen. Ein rechtswidriger Angriff im Sinne des § 37 Abs. 2
Nr. 1 BeamtVG setzt eine gegen die körperliche Unversehrtheit gerichtete Handlung des
Angreifers voraus und betrifft somit ausschließlich tätliche, mit Vorsatz begangene
Angriffe. Sonstige Handlungen, die nicht eine besondere Lebensgefahr provozieren
können, lassen sich dagegen nicht unter diese Vorschrift fassen.
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So Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
1. Juli 1997 - 6 A 6182/96 - in Schütz, aaO, ES/C II 3.5 Nr. 8
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm § 708
Nr. 11, § 711 ZPO.
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Die Berufung ist nicht gemäß § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, da die hierfür
erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
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