Urteil des VG Gelsenkirchen vom 27.02.2001

VG Gelsenkirchen: aufnahme einer erwerbstätigkeit, unbestimmter rechtsbegriff, einreise, ausländer, serbien, ausreise, kosovo, behörde, beschränkung, verpflegungskosten

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 L 289/01
Datum:
27.02.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 L 289/01
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Der Antrag,
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den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern für den Zeitraum ab Eingang des
Antrags bei Gericht bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung
Grundleistungen gemäß § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes - AsylbLG - zu
gewähren,
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hat keinen Erfolg.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - sind einstweilige
Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden
Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder
drohende Gewalt zu verhindern. Danach kann eine einstweilige Anordnung erlassen
werden, wenn ein Anordnungsgrund, d. h. die besondere Eilbedürftigkeit der
Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes, und das Bestehen des geltend
gemachten Anspruches (sog. Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht worden sind (§
123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Daran fehlt es
hier. Der Antrag hat jedenfalls mangels Glaubhaftmachung eines
Anordnungsanspruches keinen Erfolg.
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Die 1966 und 1971 geborenen Antragsteller, Roma aus (Rest-)Jugoslawien, zählen zu
dem in § 1 AsylbLG genannten Personenkreis, der (nur) nach diesem Gesetz
leistungsberechtigt ist. Dies folgt bereits aus § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Denn der
Aufenthalt der Antragsteller wird derzeit gemäß § 55 des Ausländergesetzes - AuslG -
geduldet. Darüber hinaus ist auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG erfüllt,
denn die Antragsteller sind - da sie nicht über eine erforderliche
Aufenthaltsgenehmigung verfügen, vgl. § 42 Abs. 1 AuslG, und unerlaubt eingereist
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sind, vgl. § 58 Abs. 1 AuslG - vollziehbar ausreisepflichtig.
Der demnach grundsätzlich gegebene Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG ist
hier nach § 1a Nr. 1 AsylbLG eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift erhalten
Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 und ihre Familienangehörigen nach §
1 Nr. 6, die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um
Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall
nach den Umständen unabweisbar geboten ist.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Anspruchseinschränkung liegen nach
Überzeugung der Kammer mit der in dem vorliegenden, auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gerichteten Verfahren erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit vor.
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Die dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisse, die im wesentlichen auf
eigenen Angaben der Antragsteller im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen
Verfahren beruhen, lassen mit hinreichender Gewissheit den Schluss zu, dass die
Antragsteller eingereist sind, um im Bundesgebiet Sozialleistungen in Anspruch zu
nehmen. Dabei geht die Kammer im Anschluss an die zu der inhaltsgleichen
Regelungen in § 120 Abs. 3 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG - ergangene
Rechtsprechung,
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vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 4. Juni 1992 - 5 C 22/87 -,
BVerwGE 90, 212; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG
NRW), Urteil vom 27. November 1997 - 8 A 7050/95 -, FEVS 48, 541,
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davon aus, dass der auch nach § 1a Nr. 1 AsylbLG erforderliche finale Zusammenhang
zwischen der Einreise und der Erlangung der Leistungen („um ... zu") nicht nur dann
besteht, wenn der Wille, Sozialhilfeleistungen (hier: Leistungen nach dem AsylbLG) zu
erlangen, der einzige Grund ist. Beruht die Einreise des Ausländers auf verschiedenen
Motiven, ist das Erfordernis des finalen Zusammenhangs auch erfüllt, wenn der Zweck
der Inanspruchnahme von Sozialhilfe für den Einreiseentschluss von prägender
Bedeutung gewesen ist. Die Möglichkeit, auf Sozialhilfeleistungen (hier: Leistungen
nach dem AsylbLG) angewiesen zu sein, muss, sei es allein, sei es neben anderen
Gründen, in besonderer Weise prägend gewesen sein. Es genügt nicht etwa, dass der
Sozialhilfebezug beiläufig verfolgt oder anderen Einreisezwecken untergeordnet und in
diesem Sinne (nur) billigend in Kauf genommen wird.
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Hieran gemessen erweisen sich die im vorliegenden Fall zu würdigenden Indizien für
die Annahme eines derartigen finalen Zusammenhanges als ausreichend. Insoweit ist
zunächst zu berücksichtigen, dass die Antragsteller eigenen Angaben zufolge nach
Bezahlung des Schleppers, der sie in das Bundesgebiet geschleust hatte, nicht mehr
über nennenswerte finanzielle Mittel verfügten, weshalb sie bereits 8 Tage nach ihrer
Einreise beim Sozialamt des Antragsgegners vorstellig wurden. Das Vorbringen des
Antragstellers zu 1., der lediglich fünf Schulklassen durchlaufen hat, er habe
angenommen, möglichst bald erwerbstätig werden zu können, ist mit Rücksicht auf die
seit langem - vor allem für ungelernte Arbeitskräfte ohne deutsche Sprachkenntnisse -
schwierigen Arbeitsmarktverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland, die auch im
Ausland kaum verborgen geblieben sein dürften, schon für sich genommen wenig
nachvollziehbar. Der große Flüchtlingsstrom aus Jugoslawien in die Bundesrepublik
Deutschland hat in jüngster Vergangenheit vielmehr verdeutlicht, dass in Jugoslawien
weitreichende Kenntnisse über die die Einreisenden betreffenden Strukturen in
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Deutschland bestehen. Hinzu tritt im vorliegenden Fall, dass die Antragsteller sich -
wiederum eigenen Angaben zufolge - direkt und ohne Zwischenaufenthalt zu in S. von
Leistungen nach dem AsylbLG lebenden Verwandten begeben haben. Bestand mithin
schon vor der Einreise Kontakt zu anderen im Bundesgebiet lebenden Ausländern,
kann das Gericht den Antragstellern deren angebliche Unkenntnis der
Hinderungsgründe für die sofortige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch in Ansehung
der diesbezüglichen eidesstattlichen Versicherung nicht abnehmen. Dabei kann auch
nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Ausreise allem Anschein nach nicht spontan
erfolgte, sondern geplant und vorbereitet war; hierfür spricht maßgeblich der Umstand,
dass die Antragsteller, die bereits seit dem Jahr 1990 verheiratet sind, sich am 12.
September 2000, also einige Wochen vor der Ausreise, eine Heiratsurkunde haben
ausstellen lassen.
Waren sich die Antragsteller demnach bei der Einreise dessen bewusst, für einen
unbestimmten, gewiss aber längeren Zeitraum auf Sozialleistungen angewiesen zu
sein, so ist andererseits ein anderer, ihre Motivation prägender Grund für die Einreise
nicht nachvollziehbar dargelegt, was indessen - da es sich insoweit um in das Wissen
allein der Antragsteller gestellte Umstände handelt - diesen obliegen würde.
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Vgl. hierzu OVG Berlin, Beschluss vom 12. November 1999 - 6 SN 203.99 -, FEVS 51,
267; weitergehend Deibel, Leistungsausschluss und Leistungseinschränkung im
Asylbewerberleistungsrecht, ZFSH/SGB 1998, 707 (712 f.), der für den hier nicht
vorliegenden Fall eines non liquet sogar eine den Ausländer treffende Beweislast
annimmt.
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Soweit die Antragsteller auf eine allgemeine Bedrohung der Roma in Jugoslawien
hinweisen, ist dem zunächst entgegen zu halten, dass von einer in der Antragsschrift
angesprochenen „in Serbien bekanntermaßen bestehenden Roma- Verfolgung" keine
Rede sein kann. Schon gar nicht kann eine solche Verfolgung als „gerichtsbekannt"
bezeichnet werden. Vielmehr ist dem Gericht bekannt, dass die mit den Asylverfahren
(rest-) jugoslawischer, aus Serbien stammender Roma befassten Gerichte das
Vorliegen einer an die Volkszugehörigkeit anknüpfenden Verfolgung in ständiger
Rechtsprechung bislang stets verneint haben. Dass sich an den tatsächlichen
Grundlagen dieser Einschätzung in jüngster Zeit zum Nachteil der Roma etwas
geändert hätte, machen die Antragsteller selbst nicht geltend. Zudem müssen sie sich
entgegen halten lassen, dass sie nach anwaltlicher Beratung bewusst von der Stellung
eines Asylantrages abgesehen haben, weil sie einem derartigen Antrag keine
Erfolgsaussichten beimessen. Die Kammer sieht keinen Anlass, von dieser eigenen
Einschätzung der Antragsteller abzuweichen, zumal auch deren Familie -
naheliegenderweise ebenfalls Roma - weiterhin in Serbien verblieben ist.
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Soweit der Antragsteller zu 1. ferner angibt, er werde polizeilich gesucht, weil er einer
Einberufung des serbischen Militärs nicht gefolgt sei, und diese Behauptung in einen
inhaltlichen Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Serben und Albanern im
Kosovo zu stellen versucht, ist dies nicht nur unsubstantiiert, sondern auch deshalb in
keiner Weise nachvollziehbar, weil die Ausreise lange Zeit nach dem Ende der
kriegerischen Auseinandersetzungen erfolgte und die Antragsteller nach eigenen
Angaben und auch ausweislich der Eintragungen in der Heiratsurkunde nicht aus dem
Kosovo, sondern aus dem serbischen Knjazevac stammen.
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Muss die Kammer mithin in Ermangelung eines anderen nachvollziehbar dargelegten
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oder sonst ersichtlichen Grundes davon ausgehen, dass die Antragsteller in das
Bundesgebiet eingereist sind, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten, können
sie gemäß § 1a AsylbLG nur die „im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar
gebotenen Leistungen" erhalten. Die Frage, was unter diesem unbestimmten
Rechtsbegriff zu verstehen ist, wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und
auch in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Dabei wird zum Teil angenommen, §
1a AsylbLG verpflichte die Behörde jedenfalls zur Gewährleistung des
Existenzminimums im Inland, vgl. Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG (GK-
AsylbLG), § 1a Rdnrn. 140 ff.; Hess. VGH, Beschluss vom 17. Februar 1999 - 1 TZ
136/99 -, FEVS 51, 223; VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 14. September 1999 - 19 L
2044/99 -, abgedruckt in GK-AsylbLG, VII zu § 1a (VG - Nr. 16) und vom 21. Oktober
1999 - 19 L 2368/99 -, abgedruckt in GK- AsylbLG, VII zu § 1a (VG - Nr. 19),
wohingegen sich die Leistungspflicht nach anderer Auffassung in der Übernahme der
Reisekosten erschöpfen kann.
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Vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 12. November 1999 - 6 SN 203.99 -, FEVS 51, 267; VG
Berlin, Beschluss vom 14. Januar 1999 - 18 A 712.98 -, NVwZ 1999 Beilage Nr. 4, S. 38;
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Das OVG NRW hat diese Frage - soweit ersichtlich - bislang offen gelassen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 16 B 1966/99 -; allerdings gehört
jedenfalls der Geldbetrag gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG nicht zu den unabweisbar
gebotenen Leistungen, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 1999 - 24 B 1088/99 -.
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Die Kammer teilt die Auffassung der 2. Kammer des beschließenden Gerichts,
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vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 12. Oktober 2000 - 2 L 1993/00 - und vom 5.
Juli 2000 - 2 L 1281/00 -,
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wonach dann, wenn eine freiwillige Rückkehr in das Herkunftsland möglich und
zumutbar ist, nicht Leistungen, die den Antragstellern ein Weiterleben im Bundesgebiet
ermöglichen, sondern lediglich die vom Antragsgegner angebotenen Leistungen für
eine Rückkehr nach Jugoslawien in Form einer Fahrkarte sowie einer Überbrückung für
die Zeit bis zur Beschaffung einer solchen im Sinne des § 1a AsylbLG unabweisbar
geboten sind.
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Diese Auslegung folgt aus einer Würdigung des gesetzgeberischen Zwecks der
Regelung sowie aus systematischen Erwägungen und steht schließlich auch nicht in
Widerspruch zum Wortlaut der Norm, die bewusst dem § 120 Abs. 3 BSHG nachgebildet
worden ist.
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Vgl. BT-Drucks. 13/10155, S. 5.
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Danach haben Ausländer, auf die nicht die Vorschriften des AsylbLG, sondern die des -
weiterreichende Leistungen vorsehenden - BSHG Anwendung finden, und die sich in
die Bundesrepublik Deutschland begeben haben, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen
Anspruch auf Leistungen. Die Einführung einer eigenständigen gesetzlichen Regelung
der Sozialleistungen für Asylbewerber und die weiteren in § 1 AsylbLG genannten
Personengruppen durch das AsylbLG, in dem eine dem § 120 Abs. 3 BSHG
vergleichbare Regelung zunächst fehlte, bewirkte eine Privilegierung des genannten
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Personenkreises, die dem Gesetzgeber aber nicht wünschenswert erschien, weil es
sich gerade bei diesem Personenkreis, anders als bei denjenigen Ausländern, auf die
die Vorschriften des BSHG Anwendung finden, (zumindest zum Teil) um solche
Ausländer handelt, die sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Diese
Erkenntnis war Anlass für die Einführung des § 1a AsylbLG im Jahr 1998.
Vgl. BT-Drucks. 13/10155, S. 5.
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Auch wenn die gewählte Formulierung von der des § 120 Abs. 3 BSHG abweicht und
auch die amtliche Überschrift nicht von einem Anspruchsausschluss, sondern von einer
Anspruchseinschränkung spricht, zwingt dies nach Auffassung der Kammer nicht zu der
Annahme, dass lediglich eine Kürzung der Leistungen, nicht jedoch eine Versagung der
laufenden Unterstützung erfolgen dürfte. Denn es darf nicht verkannt werden, dass der
Gesetzgeber sich bei der Fassung des § 1a AsylbLG eines sozialhilferechtlichen
Fachbegriffes bedient hat, der bereits in anderen Vorschriften, etwa in § 120 Abs. 5 Satz
1 BSHG, § 11 Abs. 2 AsylbLG oder in § 3a Abs. 1 des Gesetzes über die Festlegung
eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler - WoZuG -, Verwendung gefunden und
durch Rechtsprechung und Schrifttum in dem Sinne eine klare Konturierung erfahren
hatte, dass als „unabweisbar geboten" in aller Regel nur die Reise- und
Verpflegungskosten angesehen werden können.
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Vgl. Birk in: Lehr- und Praxiskommentar Bundessozialhilfegesetz (LPK-BSHG), 5.
Auflage 1998, § 120 Rdnr. 36; Fasselt, in: Fichtner, BSHG, 1999, § 120 Rdrn. 16;
BayVGH, Beschluss vom 14. August 1996 - 12 CE 96.1751 -, FEVS 47, 77; VGH Bd.-
Wtt., Beschluss vom 17. Januar 1997 - 6 S 3007/96 -, FEVS 47, 564.
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Angesichts der Verwendung dieses spezifisch sozialhilferechtlichen Fachbegriffes muss
es sich aufdrängen, bei der Anwendung des § 1a AsylbLG auf die Rechtsprechung zu
den Parallelvorschriften zurückzugreifen.
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Vgl. Deibel, ZFSH/SGB 1998, 707 (714).
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Die hier vertretene Auslegung entspricht damit zugleich dem mit der Einfügung des § 1a
AsylbLG verfolgten gesetzgeberischen Zweck, einer ungewollten Privilegierung sich
illegal im Bundesgebiet aufhaltender, das hiesige System der sozialen Sicherung
missbrauchender Ausländer wirksam zu begegnen. Wenn schon die genannten
Parallelvorschriften ermöglichen, durch Beschränkung der Leistungen auf die
Fahrtkosten auf den Willen von sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden
Ausländern, die sich über eine räumliche Zuweisung oder Beschränkung hinwegsetzen,
Einfluss zu nehmen, so kann dies im Grundsatz erst recht für Ausländer gelten, die sich -
wie die Antragsteller - illegal im Bundesgebiet aufhalten.
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Die amtliche Überschrift des § 1a AsylbLG („Anspruchseinschränkung"), deren Wortlaut
sich im Normtext nicht wieder findet, gebietet nicht eine gegenteilige Sicht. Zum einen
erscheint es begrifflich nicht ausgeschlossen, dass eine Einschränkung bis hin zu einer
„Einschränkung auf Null" reichen kann. Zum anderen vermag die beschließende
Kammer auch nicht die Einschätzung zu teilen, dass die Verwendung des Begriffes
„Anspruchseinschränkung" statt „Ausschluss" auf ein von § 120 Abs. 3 BSHG
grundsätzlich abweichendes Regelungskonzept schließen ließe.
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So aber die 19. Kammer des Gerichts, vgl. Beschlüsse vom 14. September 1999 - 19 L
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2044/99 - und vom 21. Oktober 1999 - 19 L 2368/99 -, jeweils a.a.O.
Denn in Bezug auf § 120 Abs. 3 BSHG ist geklärt, dass die Behörde in den Fällen, in
denen ein Anspruch auf Leistungen nach dem BSHG nicht besteht, gleichwohl nach
Ermessen über eine weitere, ggf. eingeschränkte Leistung zu entscheiden hat.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 5 C 32.85 -, BVerwGE 78, 314.
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Die hierdurch gewährleistete, wohl auch verfassungsrechtlich gebotene Würdigung der
Einzelfallumstände findet in § 1a AsylbLG insoweit eine Entsprechung, als es dort heißt:
„... soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist".
Regelungstechnisch unterscheidet sich diese Regelung von § 120 Abs. 3 BSHG
dadurch, dass hier ein unbestimmter Rechtsbegriff gewählt wurde, der unabhängig von
der Begründung der behördlichen Entscheidung voller gerichtlicher Überprüfung
zugänglich ist , während § 120 Abs. 3 BSHG der Behörde Ermessen einräumt, was
häufig zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit der Entscheidung führen kann. Trotz dieser
unterschiedlichen Regelungstechnik unterscheiden sich die beiden Vorschriften mithin
in materieller Hinsicht nicht.
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Die Kammer teilt die Einschätzung des Antragsgegners, dass eine über die
Bereitstellung der Fahrtkosten hinausgehende Unterstützung im Falle der Antragsteller
nicht im Sinne des § 1a AsylbLG unabweisbar geboten ist. Hierfür ist zunächst
maßgeblich von Bedeutung, dass die derzeitige Duldung der Antragsteller ausweislich
des in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Ausweisersatzes der Antragsteller
ausschließlich auf einem tatsächlichen Abschiebungshindernis im Sinne von § 55 Abs.
2 AuslG, nicht aber auf einem rechtlichen Abschiebungshindernis, auf einem
Duldungserlass gemäß §§ 53 Abs. 6, 54 AuslG oder gar auf dringenden persönlichen
oder humanitären Gründen im Sinne von § 55 Abs. 3 AuslG beruht. Die Antragsteller
haben auch sonst keine Umstände glaubhaft gemacht, aus denen sich ergeben würde,
dass einer freiwilligen Rückkehr rechtliche oder tatsächliche Hinderungsgründe
entgegen stünden oder diese unzumutbar erschiene. Auch wenn eine Abschiebung
nach Serbien in Ermangelung eines diesbezüglichen Rückübernahmeabkommens
tatsächlich nicht möglich ist und eine Abschiebung von Roma-Volkszugehörigen in den
Kosovo nach derzeitiger Erlasslage nicht vorgesehen ist, stehen einer freiwilligen
Rückkehr keine ernstlichen Hinderungsgründe entgegen, da nach Kenntnis des
Gerichts durchaus (reger) Reiseverkehr zwischen den Bundesrepubliken Deutschland
und Jugoslawien stattfindet, ohne dass es hierzu der Existenz eines
Rückübernahmeabkommens bedürfte. Die Antragsteller vermögen diese Einschätzung
schon deshalb nicht zu widerlegen, da sie augenscheinlich nicht einmal einen Versuch
unternommen haben, in ihre Heimat zurückzukehren. Besondere persönliche
Umstände, die einer Rückkehr gegenwärtig entgegen stehen könnten, sind weder
dargelegt noch sonst ersichtlich. Ebenso wenig haben sie Referenzfälle glaubhaft
gemacht, die den Schluss auf eine fehlende Rückkehrmöglichkeit zulassen.
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Indem der Antragsgegner die Antragsteller bereits mit förmlichem Bescheid vom 22.
Januar 2001 über die Leistungseinstellung zum 1. Februar 2001 in Kenntnis gesetzt hat,
war zugleich sicher gestellt, dass die Antragsteller mit Hilfe des für den Rest des Monats
bereits ausgezahlten Leistungsbetrages auch die Verpflegungskosten während der
Heimreise hätten bestreiten können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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