Urteil des VG Gelsenkirchen vom 05.12.2006

VG Gelsenkirchen: versorgung, eugh, hauptsache, besoldung, wohnung, ausschluss, diskriminierung, vollstreckung, kreis, beschränkung

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 12 K 1020/04
Datum:
05.12.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 1020/04
Schlagworte:
Familienzuschlag, Lebenspartner
Normen:
BBesG § 40 Abs. 1 Nr. 1
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Rechtsstreit in der
Hauptsache für erledigt erklärt worden ist. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn
nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger, Richter am Amtsgericht H. , begründete am 10. Mai 2002 eine
Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz. Der Lebenspartner des
Klägers ist bei der Sparkasse W. in S. beschäftigt und befand sich vom 1. Juni 2003 bis
zum 31. Mai 2004 in unbezahltem Sonderurlaub. Der Kläger beantragte unter dem 19.
November 2003 Familienzuschlag ab dem 2. Dezember 2003.
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Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen lehnte den Antrag
durch Bescheid vom 16. Dezember 2003 mit der Begründung ab, für die Begründung
einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sei kein Familienzuschlag der Stufe 1 zu
gewähren. Nach dem Erlass des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom
27. Juni 2002 könne eine eingetragene Lebenspartnerschaft nicht einer Ehe
gleichgestellt werden. Eine Berücksichtigung als „andere Person" im Rahmen des § 40
Abs. 1 Nr. 4 BBesG komme ebenfalls nicht zur Anwendung, da die Vorschrift
voraussetze, dass der Beamte die unterhaltene Person in seine Wohnung
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aufgenommen habe. Auf Grund der gesetzlichen Ausgestaltung der
Lebenspartnerschaft bildeten beide Lebenspartner jedoch eine Lebens- und
Wirtschaftsgemeinschaft und führten einen gemeinsamen Hausstand im Sinne
gleichberechtigter Partner. Sie müssten zum Lebensunterhalt in gleicher Weise
beitragen. Die gemeinsame Wohnung sei nicht einem Lebenspartner allein, sondern
stets beiden gemeinsam und gleichwertig zuzuordnen. Auch die Tatsache, dass die EU-
Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Diskriminierungen
wegen der sexuellen Ausrichtung des Einzelnen verbiete, ändere daran nichts. Die
Richtlinie hätte bis zum 2. Dezember 2003 in der Bundesrepublik Deutschland
umgesetzt werden müssen. Zeitpunkt sowie Art und Weise der Umsetzung seien noch
nicht bekannt. Es sei nicht absehbar, inwieweit der Gesetzgeber den verbeamteten
Lebenspartner bei der Umsetzung der Richtlinie tatsächlich einen Anspruch auf den
Familienzuschlag zusprechen werde oder nicht. Ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf
die Zahlung des Familienzuschlages der Stufe 1 könne allein aus der nicht erfolgten
Umsetzung nicht hergeleitet werden.
In seinem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 1. Januar 2004 führte der Kläger aus,
ihm stehe auf Grund der europarechtlichen Regelungen ein Anspruch auf
Familienzuschlag der Stufe 1 zu. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung
Nordrhein-Westfalen wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 21.
Januar 2004 zurück und wiederholte im Wesentlichen die Gründe des ange-fochtenen
Bescheides.
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In seiner hiergegen am 27. Februar 2004 erhobenen Klage führt der Kläger aus, der
Beklagte sei verpflichtet, im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG eingetragene
Lebenspartnerschaften einer Ehe gleichzustellen, damit eine nicht unzulässige
Ungleichbehandlung im Sinne einer Benachteiligung wegen der sexuellen Ausrichtung
verhindert werde.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Dezember 2003 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2004 zu verpflichten, dem Kläger ab dem 1.
August 2004 den Familienzuschlag der Stufe 1 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.
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Nachdem der Beklagte im Klageverfahren dem Kläger zugesichert hat, ihm für den
Zeitraum vom 2. Dezember 2003 bis zum 31. Juli 2004 Familienzuschlag nach § 40
Abs. 1 Nr. 4 BBesG zu gewähren, haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der
Hauptsache für erledigt erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das
Verfahren eingestellt. Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg. Sie ist insoweit
unbegründet, weil die angefochtenen Bescheide des Landesamtes für Besoldung und
Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2003 und vom 21. Januar 2004
rechtmäßig sind (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des Familienzuschlages der Stufe 1 (I.).
Die ansonsten begehrte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) kommt nicht
in Betracht (II.).
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I.
16
Der Familienzuschlag der Stufe 1 wird - abgesehen von den hier von vornherein nicht
einschlägigen weiteren im Gesetz geregelten Fällen - gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG
verheirateten Beamten, Richtern und Soldaten gewährt. Diese eindeutige gesetzliche
Regelung schließt die Gewährung des Familienzuschlages an Beamte in einer
eingetragenen Lebenspartnerschaft aus, da diese keine Ehe ist.
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Eine analoge Anwendung besoldungsrechtlicher Vorschriften widerspricht bereits dem
Wesen des Besoldungsrechts.
18
BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2006 - 2 C 43/04 -, DVBl. 2006, 847; vgl. auch OVG
NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2004 - 6 A 3280/03 -, DVBl. 2005, 458.
19
Dass ein Anspruch auf Gewährung des Familienzuschlages für ihn unmittelbar aus
dieser gesetzlichen Regelung folgt, nimmt offenbar auch der Kläger in seiner
Widerspruchs- bzw. Klagebegründung nicht an.
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Soweit der Kläger darlegt, § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG führe zu einer Diskriminierung von
Lebenspartnern gegenüber Eheleuten, und insofern sinngemäß auch einen Verstoß
dieser Norm gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG
geltend macht, scheidet eine danach allenfalls in Betracht kommende Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG aus. Eine solche Vorlage setzt neben
der Entscheidungserheblichkeit des angewandten Gesetzes voraus, dass das Gericht
von der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung überzeugt ist. Selbst etwaige
bestehende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit reichen hierfür nicht aus.
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BVerfG, Beschluss vom 29. November 1967 - 1 BvL 16/63 -, BVerfGE 22, 373, 378.
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Eine solche Überzeugungsgewissheit besteht beim erkennenden Gericht schon
deshalb nicht, weil der Ausschluss der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft
lebenden Beamten, Richter und Soldaten aus dem Kreis der nach § 40 Abs. 1 Nr. 1
BBesG Anspruchsberechtigten nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kein
höherrangiges Recht verletzt.
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BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2006 - 2 C 43/04 -, a.a.O; OVG NRW, Beschlüsse vom
17. Dezember 2004 - 6 A 3280/03 -, a.a.O. und vom 25. Juli 2006 - 1 A 1368/05 -; OVG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. Juni 2006 - 2 A 10554/06 -, juris.
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II.
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Das erkennende Gericht sieht auch keinen Anlass, eine Vorabentscheidung des EuGH
zu der Frage einzuholen, ob § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG mit seiner Beschränkung der
Anspruchsberechtigung auf verheirate Beamte, Richter und Soldaten mit der Richtlinie
2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 vereinbar ist. Eine solche Vorlage steht
gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV, anders als bei letztinstanzlich entscheidenden Gerichten
(Art. 234 Abs. 3 EGV), im pflichtgemäßen Ermessen. Angesichts des Umstandes, dass
zu den von dem Kläger aufgeworfenen Fragen bereits das Bundesverwaltungsgericht
und mehrere Obergerichte in der Sache entschieden haben, hält das erkennende
Gericht es schon aus diesem Grunde nicht für sachgerecht, seinerseits eine
Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Im Übrigen schließt sich das erkennende
Gericht den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts,
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Urteil vom 26. Januar 2006 - 2 C 43/04 -, a.a.O; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 25.
Juli 2006 - 1 A 1368/05 -,
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an.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr.11, § 711 ZPO.
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