Urteil des VG Gelsenkirchen vom 21.10.2009
VG Gelsenkirchen (innere medizin, abteilung, beleg, krankenhaus, fusion, chirurgie, wegfall, medizin, höhe, verwaltungsgericht)
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 1624/07
Datum:
21.10.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 1624/07
Schlagworte:
Ausgleichsleistungen im Rahmen der pauschalen Förderung, Fusion
von Krankenhäusern, Schließung einer Abteilung, Belegabteilung
Normen:
KHG NRW a.F. § 30
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages Sicherheit leistet.
Tatbestand:
1
Die Klägerin betrieb bis ins Jahr 2005 in I. zwei rechtlich selbstständige Krankenhäuser
in der X.-------straße (I. ) und der I1. Straße (X1. -F. ). Nach längeren Verhandlungen und
der Fusion dieser Krankenhäuser wurde das Ev. Krankenhaus I. mit den Betriebsstellen
1 (X.-------straße ) und 2 (I1. Straße) durch Feststellungsbescheid der Beklagten vom 12.
Juli 2005 ab 1. Juli 2005 in den Krankenhausplan aufgenommen. In dem Bescheid heißt
es weiter:
2
Dieser Bescheid dient daher der Ausweisung der bislang eigenständigen
Krankenhäuser Ev. Krankenhaus X1. -F. und Ev. Krankenhaus I. als fusioniertes Ev.
Krankenhaus I. mit zwei Betriebsstellen im Betten-Soll des Krankenhausplanes des
Landes Nordrhein-Westfalen.
3
Bis zur vollständigen Umsetzung der Soll-Vorgabe ins Betten-Ist erhalten beide
künftigen Betriebsstellen noch separate Bescheide. Auf den entsprechenden Bescheid
für das Ev. Krankenhaus X1. -F. vom heutigen Tag .... weise ich hin.
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In diesem Bescheid sind die Gebiete und Betten wie folgt ausgewiesen:
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Ev. Krhs I. Betten-Soll Zuordnung des Betten-Soll
6
Betten-Ist 01.07.05 zu den Betriebsstellen
7
Chirurgie 120 185 1 / 2
8
Frauenheilkunde 22 22 1
9
Geburtshilfe 10 10 1
10
HNO - Heilkunde 8 6 2
11
Innere Medizin 120 175 1 / 2
12
Neurologie 56 53 2
13
Betten insgesamt 336 451 1 / 2
14
Mit Feststellungsbescheid vom selben Tage für das Ev. Krankenhaus X1. -F. in der I1.
Straße heißt es zum 1. Juli 2005:
15
Ev. Krhs X1. -F. Betten-Soll
16
Betten-Ist 01.07.05
17
Chirurgie 70 siehe Spalte Betten-Soll im
18
Frauenheilkunde 14 (B) Bescheid für das Ev. Krhs.
19
Haut-+ Geschlechtskr. 8 (B) I. vom 12. Juli 2005
20
Innere Medizin 100
21
Betten insgesamt 192
22
Mit Feststellungsbescheid vom 15. September 2005 wurde das fusionierte Ev.
Krankenhaus I. zum 1. Januar 2006 wie folgt in den Krankenhausplan aufgenommen:
23
Betten-Ist am Betten-Soll Zuordnung des Betten-Soll
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01.01.06 zu den Betriebsstellen
25
Chirurgie 185 185 1 / 2
26
Frauenheilkunde 22 22 1
27
Geburtshilfe 10 10 1
28
HNO - Heilkunde 6 6 2
29
Innere Medizin 175 175 1 / 2
30
Neurologie 53 53 2
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Betten insgesamt 451 451 1 / 2
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Daraus ergibt sich u.a., dass eine Abteilung für Frauenheilkunde nur noch an der
Betriebsstelle X.-------straße vorhanden war; die entsprechende Beleg-Abteilung sowie
die Beleg-Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten an der I1. Straße waren
entfallen.
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Im Hinblick auf die Fusion beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 7. November
2005, ihr pauschale Fördermittel gemäß § 25 des (damals noch geltenden)
Krankenhausgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (KHG NRW) und
Ausgleichsleistungen gemäß § 30 KHG NRW zu bewilligen. Hinsichtlich der streitigen
Höhe der pauschalen Fördermittel ist das Klageverfahren 7 K 2004/07 anhängig.
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Zur Begründung ihres Antrages auf Ausgleichsleistungen nach § 30 KHG NRW verwies
die Klägerin auf den Wegfall der zwei Beleg-Abteilungen mit insgesamt 22 Betten (14
Betten Frauenheilkunde und 8 Betten Dermatologie); dies mache bei 3.579,04 EUR pro
Bett einen Betrag von 78.738,95 EUR aus. Die Ausgleichsleistungen seien wegen der
erhebliche Mehrkosten verursachenden Umstrukturierung erforderlich. Diese könnten
nicht in Budgetverhandlungen einbezogen werden, da sie dem
Krankenhausentgeltgesetz unterliege, das solche durch Schließungen bedingte
Mehrkosten nicht berücksichtige.
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Nach Einschaltung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (Ministerium)
bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 26. September 2006 Ausgleichsleistungen
gemäß § 30 KHG NRW in Höhe von 28.640 EUR für den Wegfall der 8 Planbetten
Dermatologie (3.580 EUR pro Bett). Eine Ausgleichsleistung für den Wegfall der Beleg-
Abteilung Frauenheilkunde in der Betriebsstelle I1. Straße komme nicht in Betracht, da
das fusionierte Krankenhaus eine entsprechende Abteilung mit 22 Planbetten in der
Betriebsstelle X.-------straße weiterhin betreibe.
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Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin hinsichtlich der Ablehnung einer
Ausgleichsleistung für den Wegfall der 14 gynäkologischen Betten in der Betriebsstelle
I1. Straße Widerspruch ein, den die Beklagte nach erneuter Einschaltung des
Ministeriums mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2007 zurückwies.
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Darauf hin hat die Klägerin am 15. Juni 2007 die vorliegende Klage erhoben.
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Zur Begründung trägt sie zusammengefasst vor, dass sie Anspruch auf die beantragten
Ausgleichsleistungen habe, da die Beleg-Abteilung Frauenheilkunde am Ev.
Krankenhaus X1. -F. vollständig geschlossen worden sei. Dies sei auch zu einem
Zeitpunkt passiert, als dieses Krankenhaus noch als selbstständig anzusehen gewesen
sei. Selbst wenn man aber mit der Beklagten davon ausginge, dass die Schließung zu
einem Zeitpunkt erfolgt sei, als das Krankenhaus nicht mehr selbstständig gewesen sei,
ändere sich an dem Ergebnis nichts, auch wenn für dasselbe Fachgebiet
Frauenheilkunde eine Hauptfachabteilung an der Betriebsstelle X.-------straße noch
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vorhanden sei. Denn das Krankenhausplanungsrecht unterscheide ausdrücklich
zwischen Abteilungen und Beleg-Abteilungen; diese müssten gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m.
§ 36 Abs. 2 KHG NRW gesondert ausgewiesen sein. § 30 Abs. 1 KHG NRW
unterscheide insoweit nicht; eine fehlende Unterscheidung der Pauschalen gemäß § 30
Abs. 2 KHG NRW sei dafür nicht entscheidend. Soweit die Beklagte im Klageverfahren
erstmals vortrage, dass Ausgleichsleistungen unter gesamtwirtschaftlichen
Gesichtspunkten begrenzt werden könnten und Rückforderungsansprüche in Betracht
kommen könnten, dürfe dies vorliegend nicht mehr berücksichtigt werden.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 26. September 2006,
soweit darin weitere Ausgleichs-leistungen abgelehnt worden sind, und ihres
Widerspruchs-bescheides vom 24. Mai 2007 zu verpflichten, ihr antrags-gemäß weitere
Ausgleichsleistungen in Höhe von 50.120 EUR zu bewilligen.
41
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt sie vor, dass hinsichtlich der Förderung im III. Abschnitt des
Krankenhausgesetzes kein Unterschied zwischen Haupt- und Belegabteilungen
gemacht werde. § 36 betreffe aber die Krankenhausstruktur im IV. Abschnitt des
Gesetzes. Da weiterhin Leistungen für den Bereich der Frauenheilkunde erbracht
würden, fehle es an dem Wegfall einer Abteilung im Sinne § 30 KHG NRW. Zwar hätten
vor der Fusion die ehemals eigenständigen Krankenhäuser jeweils eine eigene
Abteilung Frauenheilkunde aufgewiesen und sei nach der Fusion die Abteilung
Frauenheilkunde nur noch an einer Betriebsstelle vorhanden. Antragsteller der
Ausgleichsleistung sei aber der Träger des fusionierten Krankenhauses, der weiterhin
eine Abteilung Frauenheilkunde betreibe. Damit seien die Voraussetzungen für
Ausgleichsleistungen nicht erfüllt, denn für Abteilungen, die nur reduziert würden, sehe
§ 30 KHG NRW keine Ausgleichsleistung vor. Im Übrigen sei gemäß den zugehörigen
Verwaltungsvorschriften ggfs. zu prüfen, ob für die beantragten Ausgleichsleistungen
überhaupt ein Erfordernis gegeben sei. Auch könnten ansonsten gesamtwirtschaftliche
Gesichtspunkte wie Personalübernahmen und Rückforderungsansprüche in Betracht
kommen.
44
Die Parteien haben schriftsätzlich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den
Inhalt der Gerichtsakte einschließlich des Verwaltungsvorgangs der Beklagten (Beiakte
Hefte 1).
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Entscheidungsgründe:
46
Da die Parteien auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben, kann im schrift-
lichen Verfahren entschieden werden, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO).
47
Die zulässige Verpflichtungsklage gemäß § 42 VwGO ist nicht begründet. Die Klägerin
hat keinen Anspruch auf die hier beantragten weiteren Ausgleichsleistungen, so dass
sie durch die angefochtenen Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5
48
Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage der beantragten Ausgleichsleistungen ist § 30 Abs. 1 KHG NRW.
Dass dessen Voraussetzungen vorliegend im Grundsatz erfüllt sind, ist zwischen den
Parteien jedenfalls hinsichtlich des Ausscheidens der Beleg-Abteilung Dermatologie mit
8 Betten nicht streitig - insoweit sind die beantragten Ausgleichsleistungen auch
bewilligt. Dies führt aber nicht dazu, dass schon deshalb auch Bettenreduzierungen
anderer Abteilungen in die Berechnung der Ausgleichsleistungen gemäß Abs. 2 oder
Abs. 3 der Vorschrift mit einzubeziehen sind, die nicht in vollem Umfang ausscheiden.
Denn insoweit muss der Wortlaut der Absätze 1 und 2 vom Sinn und Zweck der
Ausgleichsleistungen dahin (einschränkend) verstanden werden, dass nur die
Bettenzahlen vollständig geschlossener Abteilungen berücksichtigungsfähig sind. Auch
davon gehen die Parteien offenbar (unausgesprochen) gemeinsam aus.
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Der Wortlaut der Vorschrift ist aber auch insoweit einschränkend zu verstehen, als bei
einer Fusion von Krankenhäusern, die - wie vorliegend - bisher in zwei (oder mehreren)
eigenständigen Krankenhäusern parallele Fachabteilungen hatten, der gemäß § 33
Abs. 2 KHG NRW rechtlich erforderliche Wegfall dieser parallelen Fachabteilungen
nicht (automatisch) zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 KHG NRW
führt. Auch davon gehen offensichtlich vorliegend beide Parteien aus. Denn hinsichtlich
der Chirurgie und der Inneren Medizin gab es vor der Fusion an beiden Krankenhäusern
jeweils eine Hauptabteilung, während nunmehr nach der Fusion für beide Disziplinen
nur noch eine Hauptabteilung mit zwei Betriebsstellen gemäß Feststellungsbescheid
vom 15. September 2005 vorhanden sind, ohne dass die Anwendbarkeit des § 30 KHG
NRW insoweit in Betracht gezogen worden wäre.
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Dies gilt auch hinsichtlich der Beleg-Abteilung Frauenheilkunde am ehemaligen Ev.
Krankenhaus X1. F. bzw. der jetzigen Betriebsstelle I1. Straße. Zwar war diese Beleg-
Abteilung, wie durch § 36 Abs. 2 Satz 1 KHG NRW gefordert, noch zuletzt im
Feststellungsbescheid vom 12. Juli 2005 gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 KHG NRW als
selbstständige bettenführende Abteilung ausgewiesen. Diese Beleg-Abteilung mit 14
Betten in der I1. Straße ist aber - wie bei den Abteilungen für Chirurgie und Innere
Medizin - mit der Hauptabteilung Frauenheilkunde in der X.-------straße bei der Fusion
zusammengelegt und mit auf 22 Betten reduziertem Bestand in einer Betriebsstelle
weitergeführt worden. Auch wenn Hauptabteilungen und Beleg-Abteilungen formal
unterschiedliche Arten von Abteilungen i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 KHG NRW und
deshalb gesondert im Feststellungsbescheid auszuweisen sind, ist in § 30 KHG NRW
Abteilung in einem inhaltlichen Sinne zu verstehen, da förderrechtlich zwischen
Hauptabteilungen und Beleg-Abteilungen nicht unterschieden wird. Ansonsten käme es
zu dem widersinnigen Ergebnis, dass bei zwei fusionierenden Hauptabteilungen - wie
vorliegend Chirurgie und Innere Medizin - keine Ausgleichsleistungen anfielen, bei
einer Fusion von einer Hauptabteilung mit einer Beleg-Abteilung aber die
Voraussetzungen für Ausgleichsleistungen gegeben wären.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Regelung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung.
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Auf Grund der Rechtsänderungen durch das inzwischen geltende Krankenhaus-
gestaltungsgesetz NRW ist eine Zulassung der Berufung nicht ausgesprochen worden.
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