Urteil des VG Gelsenkirchen vom 17.03.2008
VG Gelsenkirchen: beförderung, erlass, mangel, inhaber, verfügung, polizei, ausbildung, vorschlag, angehöriger, verweigerung
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 L 1262/07
Datum:
17.03.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 1262/07
Schlagworte:
Beförderung, Dienstposten, Beförderungsdienstposten, Bestenauslese,
Leistungsgrundsatz, Funktion
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2, LBG § 7
Tenor:
Gemäß § 65 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) wird
Regierungsamtsrätin B. T. -U. , L. T1. 10 a, 48151 N. beigeladen, da ihre
rechtlichen Interessen durch die Entscheidung berührt werden.
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
untersagt, die dem Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und
Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen zur
Verfügung stehende Beförderungsstelle der Besoldungsgruppe A 13 g.
D. BBesO mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung
des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut entschieden worden ist. Der Antragsgegner trägt die Kosten des
Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der in der Antragsschrift vom 28. November 2007 sinngemäß enthaltene, aus dem
Tenor zu 2. ersichtliche Antrag des Antragstellers hat Erfolg.
2
Neben dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes hat er gemäß § 123 Abs. 1 und 3
VwGO i.V.m. § 920 ZPO das Vorliegen eines Anordnungsanspruches glaubhaft
gemacht.
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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung der Rechte des Antragstellers
ist dann gerechtfertigt, wenn die Verletzung seines Rechts auf ermessensfehlerfreie
4
Entscheidung über das letztlich mit der einstweiligen Anordnung verfolgte
Beförderungsbegehren glaubhaft gemacht ist und die Möglichkeit besteht, dass die noch
zu treffende rechtmäßige Auswahlentscheidung zur Beförderung des Antragstellers
führen kann. Für den Erfolg des Antrags genügt mithin jeder Fehler, einschließlich
möglicher Fehler in den dabei zu Grunde gelegten Beurteilungen, der für das
Auswahlergebnis kausal gewesen sein kann. Ist die getroffene Auswahlentscheidung
fehlerhaft, kann die Verweigerung vorläufigen Rechtsschutzes im Grundsatz nur dann in
Betracht kommen, wenn es ausgeschlossen erscheint, dass der Antragsteller nach
Beseitigung des Mangels den Vorzug vor den Mitbewerbern erhalten wird.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, DÖD 2003, 17 ff.;
OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2001- 6 B 1776/00 -, DÖD 2001, 316 ff. und
Beschluss vom 4. September 2001 - 1 B 205/01 -.
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Die hier in Streit stehende Auswahlentscheidung zur Besetzung der dem Landesamt für
Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen
zur Verfügung stehenden Beförderungsstelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO
erweist sich als fehlerhaft.
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Beförderungsentscheidungen sind grundsätzlich an Hand einer Bestenauslese zu
treffen. Der Dienstherr hat Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber zu
bewerten und zu vergleichen (Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 Abs. 1 LBG). Ist ein Bewerber
besser qualifiziert, darf er nicht übergangen werden. Für die Auswahl sind in erster Linie
aktuelle Beurteilungen maßgebend, die den aktuellen Leistungsstand wiedergeben.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31/01-, DÖD 2003, 200 ff. m. w. N.
und vom 27. Februar 2003 - 2 C 16/02 -, DÖD 2003, 202 f. m. w. N.; OVG NRW,
Beschluss vom 27. Februar 2004 - 6 B 2451 / 03 -, NVwZ-RR 2004, 626.
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Bei der vorgenommenen Auswahlentscheidung hat sich der Antragsgegner nicht in
erster Linie an diesen Grundsätzen ausgerichtet. Vielmehr hat er vorrangig
berücksichtigt, ob die für eine Beförderung in Betracht kommenden Beamten bereits vor
der Beförderung eine nach A 13 g. D. bewertete Funktion innehaben. Damit hat er sich
an den Vorgaben des Erlasses des Innenministeriums NRW vom 23. April 2007, mit
dem die Beförderungsmöglichkeiten A 12 und A 13 in den Jahren 2007- 2011 bekannt
gegeben worden sind, ausgerichtet. Danach dürfen die zugewiesenen Planstellen
grundsätzlich nur in den erlassgemäß zugeordneten Funktionen verwendet werden.
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Die Einstufung des Dienstpostens, den der Beamte im Zeitpunkt der
Auswahlentscheidung innehat, stellt jedoch kein leistungsbezogenes Auswahlkriterium
dar. Zwar sind bei der Beurteilung des Leistungsvermögens eines Beamten und seiner
voraussichtlichen Bewährung in einem höheren Amt die Anforderungen in den Blick zu
nehmen, die sein Dienstposten stellt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden,
dass Inhaber höherwertiger Dienstposten leistungsstärker sind als Inhaber niedriger
bewerteter Dienstposten. Die unterschiedliche Einstufung der Dienstposten von
Bewerbern rechtfertigt nicht, von einem Leistungsvergleich zwischen ihnen abzusehen.
Die Besetzung von Beförderungsämtern nach dem Auswahlkriterium der Wertigkeit des
Dienstpostens, den der Bewerber innehat, verstößt somit gegen Art. 33 Abs. 2 GG.
10
So BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37/04 -, BVerwGE 124, 99 ff.
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Ausnahmsweise kann eine Bewerberauswahl allein ausgerichtet an der Innehabung
eines höherwertigen Dienstpostens dann mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang stehen,
wenn der Beförderungsdienstposten seinerseits auf Grund einer Bewerberauswahl in
Anwendung des Leistungsgrundsatzes vergeben worden ist. Nur wenn bei dieser
Dienstpostvergabe den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG bereits bei der Besetzung
des Dienstpostens genügt worden ist, kann der ausgewählte Beamte ohne nochmalige
Bewerberauswahl befördert werden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2005, aaO; OVG NRW, Beschluss vom 24. Oktober
2007 - 6 B 1330/07 -; VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 31. Juli 2007 - 1 L 511/07 -,
nrwe, und vom 16. Januar 2008 - 1 L 1169/07 -.
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Der Leistungsgrundsatz erfordert somit, dass die durch den vorstehend genannten
Erlass zugewiesenen, an die wahrgenommenen Funktionen anknüpfenden
Beförderungsmöglichkeiten nur an Bewerber vergeben werden dürfen, die in die
entsprechende Funktion nach den Grundsätzen der Bestenauslese eingewiesen
worden sind.
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Vgl. VG Minden, Beschluss vom 4. Juli 2007 - 4 L 275/07 -.
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Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die Beigeladene nicht gegeben. Für die
insoweit vorzunehmende Bewertung ist auf die Dienstausübung der Beigeladenen vor
ihrer Berufung zur Gleichstellungsbeauftragten abzustellen. Sie nahm mit Wirkung vom
4. März 2003 die Geschäfte des Dezernats VL 1 wahr, und zwar für die Zeit der
Abordnung des bisherigen Dienstposteninhabers. Diese Aufgabenwahrnehmung ist der
Beigeladenen, wie sich aus den von dem Antragsgegner dazu überreichten Schreiben
des damaligen Polizeifortbildungsinstituts „Carl Severing" vom 00.00.0000 und
00.00.0000 ergibt, ohne jegliches Auswahlverfahren übertragen worden. Damit steht
fest, dass bei dieser Aufgabenübertragung eine an dem Leistungsgrundsatz
ausgerichtete Bestenauslese nicht stattgefunden hat. Somit erweist sich die jetzige
Auswahlentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen als fehlerhaft.
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Allerdings hat auch der Antragsteller, der angesichts seines Lebensalters grundsätzlich
noch bis zum 31. Juli 2008 befördert werden könnte, gegenwärtig weder eine A 13
bewertete Funktion inne noch erfüllt er die Voraussetzungen des Erlasses des
Innenministeriums NRW vom 1. Februar 2007 - 45.2/43.3-58.25.20 -. Zwar wurde ihm
1999 mit der Übertragung der Stelle als Fachbereichsleiter FB 2 (S) eine nach A 13
bewertete Position übertragen. Nach den Angaben des Antragsgegners ist im Rahmen
der Umorganisation bereits im Jahre 2003 diese Stellenbewertung auf A 12 herabgestuft
worden. Dem muss nicht weiter nachgegangen werden, denn seit dem 19. Juli 2005
nimmt der Antragsteller jedenfalls eine nach A 12 BBesO bewertete Funktion war. Er
bekleidet seitdem die entsprechend bewertete Stelle eines Kursleiters, auf die er sich
unter dem 10. Mai 2005 beworben hatte.
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Da er diese Funktion bereits seit dem 19. Juli 2005 auf seine entsprechende Bewerbung
hin bekleidet, kann ihm nicht der Erlass des Innenministeriums NRW vom 1. Februar
2007 - 45.2/43.3-58.25.20 - zu Gute kommen, nach dem noch die Beamten befördert
werden können, die eine Herabsetzung ihrer Funktion erst im Rahmen der neuen
Funktionszuordnung erfahren haben.
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Obwohl somit weder der Dienstposten des Antragstellers noch der für die Betrachtung
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maßgebliche Dienstposten der Beigeladenen die Voraussetzungen des Erlasses des
Innenministeriums NRW vom 23. April 2007 erfüllt, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht
ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller dennoch in die Auswahlentscheidung
einbezogen werden müsste. Die bisher getroffene Auswahlentscheidung leidet
gegenwärtig bei summarischer Prüfung an einem weiteren Mangel. Die vorliegenden
Verwaltungsvorgänge enthalten keinen Beleg dafür, dass der Antragsgegner bislang
der Frage nachgegangen ist, ob die nach A 13 bewerteten Dienstposten der vier
weiteren neben der Beigeladenen in die Auswahlentscheidung einbezogenen Beamten
in der Vergangenheit im Wege der Bestenauslese vergeben worden sind. Solange dies
nicht feststeht, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch der Antragsteller als
Angehöriger der Besoldungsgruppe A 12 BBesO vor dem Hintergrund von Art. 33 Abs. 2
GG in die Bewerberauswahl einbezogen werden müsste, da er ebenfalls wie die
ausgewählten Bewerber im Gesamturteil mit 4 Punkten bewertet worden ist. Gegen
diese Bewertung hat er Klage erhoben (1 K 1497/07), mit der er eine Anhebung der
Beurteilung entsprechend dem Vorschlag seiner Erstbeurteilerin anstrebt; den gegen
die Beurteilung erhobenen Einwendungen wird gegebenenfalls im
Hauptsacheverfahren nachzugehen sein.
Dieser Mangel wird auch nicht dadurch geheilt, dass der Antragsgegner nachrangig
einen Leistungsvergleich anhand der aktuellen dienstlichen Beurteilungen durchgeführt
hat, da dieser Leistungsvergleich nur unter den Beamten erfolgt ist, die derzeit eine nach
A 13 g. D. bewertete Funktion innehaben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie bislang
noch nicht am Verfahren beteiligt war und daher keinen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3
VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 des
Gerichtskostengesetzes.
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