Urteil des VG Gelsenkirchen vom 10.03.2009

VG Gelsenkirchen (wirtschaftliche leistungsfähigkeit, wohnung, zweitwohnung, gegen die guten sitten, hauptwohnung, aufwand, erstwohnung, leistungsfähigkeit, schutz der ehe, steuerpflicht)

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 18 K 2050/05
Datum:
10.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 2050/05
Schlagworte:
Zweitwohnungssteuer
Tenor:
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren
eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Die unter ihrer im Rubrum angeführten G. Anschrift mit Hauptwohnsitz gemeldete
Klägerin meldete sich ausweislich des Melderegisterauszugs zum 24. Oktober 2001
unter der Anschrift "I. Straße ***" in E. mit Nebenwohnsitz an.
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Auf schriftliche Nachfrage des Beklagten vom Juli 2002 überreichte die Klägerin eine
ausgefüllte "Erklärung zur Zeitwohnungssteuer" vom 11. August 2002, wonach sie sich
mit Datum vom 25. Oktober 2001 beim Einwohnermeldeamt angemeldet habe, sie
alleinige Mieterin der 30 qm großen Nebenwohnung sei und die Nettokaltmiete im
Monat 330,00 DM betrage.
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Mit Zweitwohnungsteuerbescheid vom 3. Dezember 2004 setzte der Beklagte
gegenüber der Klägerin hinsichtlich der Zweitwohnung "I. Straße ***" für den Zeitraum
vom 1. November bis 31. Dezember 2001 über 72,00 DM = 36,81 EUR und ab dem 1.
Januar 2002 zum 31. Dezember 2003 Zweitwohnungsteuern in Höhe von jährlich
jeweils 240,00 EUR - insgesamt 516,81 EUR - fest. Dabei legte er eine monatliche
Nettokaltmiete von 330,00 DM = 168,73 EUR und einen Steuersatz von 12 vom Hundert
zu Grunde.
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Mit weiterem Zweitwohnungsteuerbescheid vom 3. Dezember 2004 setzte der Beklagte
für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2004 Zweitwohnungsteuern in
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Höhe von 240,00 EUR fest.
Gegen diese beiden Bescheide legte die Klägerin am 13. Dezember 2004 Widerspruch
ein. Zur Begründung machte sie geltend: Sie sei mittellose, von ihren Eltern finanziell
unterstützte Studentin, habe ein Zimmer angemietet und sich polizeilich angemeldet. Ihr
Lebensmittelpunkt sei bei ihren Eltern, deren Wohnung sie weiterhin als Hauptwohnung
benutze. Die Anmeldung eines Haupt- wie auch Nebenwohnsitzes impliziere nicht, dass
eine Haupt- und Nebenwohnung bestehe. Nach einem Semester habe sie die Wohnung
aufgegeben und eine andere in Untermiete angemietet. In den Semesterferien habe sie
bei ihren Eltern gewohnt. Im Oktober 2002 sei sie ins Ausland gegangen. Seitdem habe
sie nicht mehr in E. gewohnt. Ein weiteres Semester habe sie in der Wohnung eines
Kommilitonen gewohnt, ab Juli 2004 erneut im Ausland studiert. Es könne sein, dass sie
sich nicht abgemeldet habe. Zweitwohnung könne nur eine tatsächlich bewohnte zweite
Wohnung sein. Nicht die Meldebescheinigung, sondern die als Hauptwohnung
gemeldete E1. Wohnung sei maßgebend.
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Am 14. Januar 2005 meldete die Klägerin ihre Nebenwohnung in E. ab.
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Mit weiterem Zweitwohnungsteuerbescheid vom 15. Januar 2005 setzte der Beklagte
Zweitwohnungsteuern für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2005 in
Höhe von 240,00 EUR fest.
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Dagegen erhob die Klägerin am 14. Februar 2005 Widerspruch.
9
Mit Zweitwohnungsteuerbescheid vom 10. Juni 2005 setzte der Beklagte die
Zweitwohnungsteuer zusätzlich für den Monat Oktober 2001 für das Steuerjahr 2001
von bisher 36,81 EUR auf insgesamt 55,22 EUR, mit Änderungsbescheid vom 10. Juni
2005 für das gesamte Steuerjahr 2005 nur noch für den Monat Januar 2005 auf lediglich
20,00 EUR fest.
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Durch Bescheid vom 10. Juni 2005 wies der Beklagte die Widersprüche gegen die
Zweitwohnungsteuerbescheide vom 3. Dezember 2004 und 15. Januar 2005 zurück.
Die Klägerin sei vom 24. Oktober 2001 bis zum 14. Januar 2005 unter der E1. Anschrift
"I. Straße ***" mit Nebenwohnsitz gemeldet gewesen. Die Steuerpflicht ende deshalb
zum 31. Januar 2005.
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Am 6. Juli 2005 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Änderungsbescheide vom
10. Juni 2006. Zur Begründung trug sie unter Vorlage von entsprechenden Unterlagen
vor: Vom 1. August bis zum 31. Dezember 2003 habe sie in der "I1.--------straße **" und
vom 1. April bis zum 30. Juni 2004 in der "L.-----straße **" in E. gewohnt.
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Die Klägerin hat am 28. Juni 2005 (ausdrücklich) Klage gegen die Bescheide vom 3.
Dezember 2004 und 15. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
10. Juni 2005 erhoben. Sie macht geltend: Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts sei sie als Studierende ebenso vom Steuertatbestand in
ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes betroffen wie Ehegatten, die
verschiedene Wohnsitze unterhielten. Die Steuersatzung verstoße insgesamt gegen Art.
6 des Grundgesetzes. Sie - die Klägerin - habe im Unterschied zu den vom
Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fällen zweitwohnungsteuerpflichtiger
Studierender keine Zweitwohnung, da sie ihren (Erst-)Wohnsitz wie auch ihre (Haupt-)
Wohnung bei ihren Eltern mit Beginn des Studiums aufgegeben habe. Sie habe ab dem
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1. Oktober 2001 bis zum 28. Februar 2003 unter der Anschrift "I. Straße ***" gewohnt,
danach in anderen Orten bzw. unter anderen E2. Anschriften.
Nachdem der Beklagte durch teilweisen Abhilfebescheid vom 11. November 2005 dem
Widerspruch der Klägerin gegen die Änderungsbescheide vom 10. Juni 2005 insoweit
stattgegeben hatte, als die Steuerpflicht nach dem 31. Januar 2003 endete und der
Beklagte mit Änderungsbescheid vom 11. November 2005 die Steuerforderung für die
Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 31. Januar 2005 unter Erstattung der übrigen
Steuerbeträge von insgesamt 488,00 EUR auf 12,00 EUR für das Steuerjahr 2003
festgesetzt hatte, haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärt. Nachdem der Beklagte im Termin der mündlichen
Verhandlung den Zweitwohnungsteuerbescheid vom 10. Juni 2005 für den
Festsetzungszeitraum Oktober 2005 aufgehoben hatte, und die Beteiligten auch
insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben,
beantragt die Klägerin nunmehr,
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die Zweitwohnungsteuerbescheide des Beklagten vom 3. Dezember 2004 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2005 und des Bescheides vom 11.
November 2005 aufzuheben, soweit Zweitwohnungsteuer für den Zeitraum vom 1.
November 2001 bis 31. Januar 2003 festgesetzt wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
17
Zur Begründung bezieht er sich auf die angegriffenen Bescheide, insbesondere den
Widerspruchsbescheid.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit - bezogen auf die Streitgegenstände der
Zweitwohnungsteuerbescheide vom 3. Dezember 2004 und 15. Januar 2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2005 hinsichtlich des
Erhebungszeitraums vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2005 sowie bezogen auf
den Zweitwohnungsteuerbescheid vom 10. Juni 2005 für den Erhebungszeitraum vom
1. bis 31. Oktober 2001 - in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben,
ist das Klageverfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
21
Hinsichtlich der noch zur Entscheidung gestellten verbleibenden Streitgegenstände ist
die Klage zulässig, aber unbegründet.
22
Die beiden Zweitwohnungsteuerbescheide des Beklagten vom 3. Dezember 2004 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2005 und des Abhilfebescheides
vom 11. November 2005 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren
Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte setzte in nicht zu
beanstandender Weise gegenüber der Klägerin Zweitwohnungsteuern für den Zeitraum
vom 1. November 2001 bis zum 31. Januar 2003 in Höhe von insgesamt 288,81 EUR für
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ihre E2. Zweitwohnung in der "I. Straße ***" fest.
Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung der Zweitwohnungsteuern ist § 7 Abs. 1
Satz 1 i.V.m. § 1 der Satzung über die Erhebung der Zweitwohnungsteuer in der Stadt
E. (Zweitwohnungsteuersatzung - ZwStS-) vom 23. April 1998 in der Fassung der
Änderungssatzung vom 30. November 1998. Danach erhebt die Stadt E. eine
Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet, die durch
Bescheid festgesetzt wird.
24
Diese Satzungsbestimmungen verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
25
Es besteht kein Anlass, an der inhaltlichen Bestimmtheit der
Zweitwohnungsteuersatzung zu zweifeln. Dies gilt insbesondere für den
Zweitwohnungsbegriff des § 2 Abs. 1 Satz 1 ZwStS. Danach ist Zweitwohnung jede
Wohnung im Sinne des Absatzes 3, die - lit. a) - dem Eigentümer oder Hauptmieter als
Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen dient, -
lit. b) - der Eigentümer oder Hauptmieter unmittelbar oder mittelbar einem Dritten
entgeltlich oder unentgeltlich überlässt und die diesem als Nebenwohnung im
vorgenannten Sinne dient, oder die - lit. c) Satz 1 - jemand neben seiner Hauptwohnung
zu Zwecken des eigenen persönlichen Lebensbedarfs oder des persönlichen
Lebensbedarfs seiner Familie innehat. Wohnung im Sinne dieser Satzung ist jeder
umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird, § 2 Abs. 3 ZwStS.
Eine Wohnung dient nach § 2 Abs. 4 ZwStS als Nebenwohnung im Sinne des
nordrhein-westfälischen Meldegesetzes, wenn sie von einer dort mit Nebenwohnung
gemeldeten Person bewohnt wird (Satz 1), oder, sofern sie von einer Person bewohnt
wird, die mit dieser Wohnung nicht gemeldet ist, wenn sich die Person wegen dieser
Wohnung mit Nebenwohnung in C. zu melden hätte (Satz 2).
26
Der "Zweitcharakter" einer Wohnung bestimmt sich in verfassungsrechtlich
unbedenklicher Weise unter Anknüpfung an das Melderecht,
27
vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2008 - 9 C 17.07 -, ZKSt 2009, S. 16, 17; OVG
NRW, Beschluss vom 12. Juni 2006, - 14 E 1045/05 -, Seite 3 f. des Abdrucks; BFH,
Urteil vom 5. März 1997 - II R 41/95 -, NVwZ-RR 1998, S. 331,
28
gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 ZwStS danach, dass die Wohnung entweder dem Eigentümer
oder Hauptmieter selbst - lit. a) - oder einer dritten Person, der die Wohnung vom
Eigentümer oder Hauptmieter überlassen wird - lit. b) -, als Nebenwohnung im Sinne
des nordrhein-westfälischen Meldegesetzes dient (vgl. § 2 Abs. 4 ZwStS). Damit hat der
Satzungsgeber für das "Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet" (vgl. § 1 Abs. 1
ZwStS) zwei Voraussetzungen aufgestellt: Es muss eine als Nebenwohnung dienende
Wohnung vorhanden sein, die von einer dort mit Nebenwohnsitz gemeldeten oder
entsprechend meldepflichtigen Person auch tatsächlich bewohnt wird. Denn § 2 Abs. 3
ZwStS stellt ausdrücklich auf die tatsächliche Schlaf- oder Wohnnutzung ab.
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Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) - wie auch nach § 16
Abs. 1 des Meldegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (MG NRW) - ist in Fällen,
in denen ein Einwohner mehrere Wohnungen im Inland hat, eine dieser Wohnungen die
Hauptwohnung. Dies ist die vorwiegend benutzte, vgl. § 12 Abs. 2 Satz 2 MRRG und §
16 Abs. 2 Satz 1 MG NRW. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die
vorwiegende Benutzung wegen des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen
30
Aufenthalt und Wohnungsbenutzung dort anzunehmen, an welchem Ort sich der
Einwohner am häufigsten aufhält. Zur Bestimmung ist eine rein quantitative Berechnung
durch Gegenüberstellen der Nutzungszeiten ohne gewichtende Aspekte geboten.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1991 - 1 C 24/90 -, BVerwGE 89, S. 110 ff, 115,
m.w.N.
31
Der in § 4 Abs. 1 Satz 1 ZwStS normierte Steuermaßstab der "Nettokaltmiete" ist ein
zulässiger und unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.
32
Vgl. BayVGH, Urteil vom 4. April 2006 - 4 N 04.2798 -, BayVBl. 2006, S. 500, 503,
m.w.N.; Urteil der Kammer vom 6. Mai 2008 - 18 K 3320/07 -, Seite 8 f. des Abdrucks.
33
Die durch eine Zweitwohnungsteuersatzung angeordnete Steuererhebung stellt sich als
zulässige örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes
(GG) dar. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in seinem Urteil vom 17.
September 2008 - 9 C 14.07 - zur grundsätzlichen Zweitwohnungsteuerpflicht von
Studierenden in der Hansestadt S. entschieden:
34
"Die Zweitwohnungsteuer ist als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG eine
Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des
Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt (BVerfG,
Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 - BVerfGE 65, 325 <346>). Das
Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung)
neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung
von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum
Ausdruck bringt. Es handelt sich dabei um einen Sachverhalt, der sich einerseits von
der Inanspruchnahme einer Erstwohnung unterscheidet, die keinen besonderen, über
die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand gemäß Art.
15 Abs. 2 GG darstellt (vgl. Urteil vom 29. November 1991 - BVerwG 8 C 107.89 -
Buchholz 11 Art. 105 GG Nr. 17 S. 5), andererseits aber keineswegs eine besonders
aufwändige, luxuriöse Einkommensverwendung voraussetzt. Die Steuerpflicht hängt
nicht davon ab, dass die im Aufwand für eine Zweitwohnung zum Ausdruck gebrachte
Leistungsfähigkeit im konkreten Fall tatsächlich vorliegt. Ausschlaggebendes Merkmal
ist vielmehr der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den
finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand im Sinne von Konsum ist
typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne
dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird und
welchen Zwecken er des Näheren dient. Ob der Aufwand im Einzelfall die
Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich (so ausdrücklich
BVerfG, Beschlüsse vom 6. Dezember 1982 a.a.O. S. 348 und vom 11. Oktober 2005 - 1
BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03 - BVerfGE 114, 316 <334>).
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Hiernach ist zwar die Erwägung des Berufungsgerichts nicht mit Bundesrecht vereinbar,
ein steuerbarer Aufwand im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG liege nur dann vor,
wenn neben der Zweitwohnung auch eine Erstwohnung innegehabt werde.
Bundesrechtlich kommt es nur darauf an, dass mit der Erstwohnung das Grundbedürfnis
Wohnen als Teil des persönlichen Lebensbedarfs abgedeckt wird. Das ist regelmäßig
der Fall, wenn ein Steuerpflichtiger die Erstwohnung als Hauptwohnung angemeldet
hat. Damit erklärt der Steuerpflichtige, dass er die Erstwohnung vorwiegend benutzt (vgl.
§ 12 Abs. 2 Satz 1 MRRG). Dies indiziert wiederum, dass dort auch typischerweise das
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allgemeine Wohnbedürfnis abgedeckt wird. Denn es ist im Allgemeinen nicht davon
auszugehen, dass jemand eine Wohnung vorwiegend benutzt, die das allgemeine
Wohnbedürfnis nicht befriedigt, und nicht die ihm zur Verfügung stehende weitere
Wohnung, welche die Voraussetzungen dafür bietet. Wird somit das menschliche
Grundbedürfnis "Wohnen" bereits in der als Hauptwohnung angemeldeten Erstwohnung
gedeckt, stellt das Innehaben einer weiteren Wohnung einen zusätzlichen Aufwand dar,
der typischerweise eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziert (vgl. Urteil
vom 29. November 1991 a.a.O.). Daher ist für die Erfüllung des Aufwandsbegriffs
bundesrechtlich unerheblich, ob das Grundbedürfnis Wohnen in einer als
Hauptwohnung angemeldeten Erstwohnung dadurch erfüllt wird, dass der
Steuerpflichtige über den entsprechenden Wohnraum in rechtlich abgesicherter Weise
verfügen darf oder diesen etwa nur als Besitzdiener (§ 855 BGB; vgl. dazu BGH,
Beschluss vom 19.März 2008 - I ZB 56/07 _ NJW 2008, 1959 f. m.w.N.) nutzt, ob es sich
um eine abgeschlossene Wohnung, nur ein Zimmer - wie hier ein ehemaliges
Kinderzimmer im elterlichen Haus - oder gar nur eine "Mitwohnmöglichkeit" handelt oder
ob der Wohnraum in der elterlichen Wohnung lediglich als Teil der Unterhaltsleistungen
seitens der Eltern genutzt wird. Entscheidend ist, dass das menschliche Grundbedürfnis
Wohnen bereits in der "Erstwohnung" abgedeckt wird.
Auf die (...) Erwägung des Berufungsgerichts, Studierenden, die (...) Leistungen nach
dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhielten, könnten generell nicht zur Zahlung
von Zweitwohnungssteuer verpflichtet werden, kommt es (...) nicht mehr an. Daher weist
der Senat insoweit lediglich zur Klarstellung auf Folgendes hin:
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Gegenstand der Zweitwohnungssteuerpflicht ist der besondere Aufwand, der in Gestalt
des Innehabens einer weiteren Wohnung neben der Erstwohnung (Hauptwohnung)
betrieben, und nicht das Einkommen, das hierfür eingesetzt wird. Wie bereits ausgeführt,
ist ausschlaggebendes Merkmal der äußere Tatbestand des Konsums als Ausdruck und
Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, nicht die konkrete Leistungsfähigkeit des
einzelnen Steuerpflichtigen. Am Vorliegen eines besonderen Aufwandes im Sinne von
Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ändert nichts, wenn der Steuerpflichtige mit der Innehabung
einer Zweitwohnung "über seine Verhältnisse lebt", die Mittel hierfür von anderen erhält
oder ihm die Wohnung etwa von Verwandten unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983, a.a.O. S. 347 ff.). Angesichts der
verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG kann auch keine
Rede davon sein, dass eine an den besonderen Aufwand der Innehabung einer
Zweitwohnung anknüpfende Besteuerung gegen den Gleichheitssatz oder das
Sozialstaatsprinzip verstoßen könnte. Das schließt nicht aus, eine im Einzelfall fehlende
Leistungsfähigkeit etwa im Wege eines Erlasses aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227
AO) oder einer Stundung (§ 222 AO) zu berücksichtigen."
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2008 - 9 C 14.07 -, S. 5 f. (Rdnr. 12, 13, 16. und
17) des Abdrucks, .
39
Mit weiterem Urteil vom 17. September 2008 - 9 C 17.07 - hat das BVerwG für in der
Stadt X. mit Nebenwohnung gemeldete Studierende ferner entschieden:
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"Der Satzungsgeber kann die Zweitwohnungssteuerpflicht somit auch ohne Rücksicht
auf die einzelnen Umstände der Benutzung der Hauptwohnung von den
melderechtlichen Erklärungen des Steuerpflichtigen abhängig machen. Bundesrecht ist
nur dann verletzt, wenn selbst nachweislich unrichtige melderechtliche Verhältnisse für
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die Steuerpflicht maßgebend sind. So darf mangels eines tatsächlichen Aufwands etwa
nicht der Einwand irrelevant sein, die als Nebenwohnung gemeldete Wohnung werde
tatsächlich nicht genutzt. Umgekehrt kann mit Blick auf den aus Art. 3 Abs. 1 GG
folgenden Grundsatz der Besteuerungsgleichheit die Steuerpflicht nicht allein wegen
fehlender Anmeldung eines Nebenwohnsitzes verneint werden, wenn eine solche
Nutzung nachweislich stattfindet.
Gegen die Zweitwohnungssteuerpflicht von Studierenden kann nicht eingewandt
werden, diesen fehle typischerweise in ihrer Lebenslage die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit und sie hielten eine Zweitwohnung am Studienort nicht aus Gründen
besonderer Leistungsfähigkeit vor, sondern weil ihre Ausbildungssituation dies
erfordere. Damit wird verkannt, dass die Aufwandbesteuerung nicht an die individuelle
Leistungsfähigkeit anknüpft. Wird ein besonderer Aufwand betrieben, darf
Aufwandsteuer erhoben werden, gleichgültig von wem und mit welchen Mitteln dieser
Aufwand finanziert wird (BVerfG, Beschlüsse vom 6. Dezember 1983, a.a.O. S. 347 und
vom 11. Oktober 2005, a.a.O.). Ebenso muss der Zweck, für den der Aufwand betrieben
wird, unberücksichtigt bleiben. Das Wesen der Aufwandsteuer schließt es aus, für die
Steuerpflicht auf eine wertende Berücksichtigung des Absichten und verfolgten ferneren
Zwecke, die dem Aufwand zugrunde liegen, abzustellen (BVerfG, Beschluss vom 6.
Dezember 1983, a.a.O., S. 357).
42
Auch begegnet es keinen Bedenken, dass mit der Zweitwohnungssteuer vielfach der
Zweck verfolgt wird, die Betroffenen zur Verlegung ihres Erstwohnsitzes zu veranlassen
(vgl. Beschluss vom 27. Oktober 2003 - BVerwG 9 B 102.03 - juris Rn.5). Der
Steuergesetzgeber darf mit einer Steuer neben dem Zweck, Einnahmen zu erzielen,
auch Lenkungszwecke außerhalb des Steuerbereichs verfolgen, ohne dass es dazu
einer besonderen Normgebungskompetenz bedürfte. Voraussetzung ist nur, dass
dadurch keine Regelungen getroffenen werden, die der Sachmaterie, auf die lenkend
eingewirkt werden soll, widersprechen (...) oder die dem Zweck, Steuereinnahme zu
erzielen, entgegen stehen (...). Das ist bei dem genannten Lenkungszweck der
Zweitwohnungssteuer nicht der Fall.
43
Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als
richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Revisionsgericht
nicht möglich, weil es hierfür auf die Auslegung der Zweitwohnungssteuersatzung der
Stadt X. und damit von Landesrecht ankommt, die das Verwaltungsgericht bisher vor
dem Hintergrund seiner Rechtsauffassung noch nicht vorgenommen hat. Bei einer
erneuten Entscheidung wird es zu berücksichtigen haben, dass nach den Urteilen des
Senats vom heutigen Tag in den Verfahren 9 C 13.07 bis 9 C 15.07 die Länder und
Gemeinden, die Zweitwohnungssteuern erheben dürfen (vgl. im vorliegenden Fall §§ 1,
3 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein- Westfalen vom 21. 10.1969, GV
NW S. 712 in der hier maßgeblichen Fassung), nicht gehindert sind, das Vorliegen
eines steuerbaren Aufwands an weitere - verfassungsrechtlich nicht gebotene -
Voraussetzungen zu knüpfen. So könnten etwa an die Erst- wie auch Zweitwohnung
gleiche Anforderungen gestellt werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3
Abs. 1 GG steht der Normierung unterschiedlicher Voraussetzungen für die Steuerpflicht
in unterschiedlichen Körperschaften nicht entgegen. Denn Art. 3 Abs. 1 GG gebietet
eine Gleichbehandlung nur innerhalb des jeweiligen Rechtssetzungsbereichs (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 10.3.1976 - 1 BvR 355/67 - BVerfGE 42, 20 <27>). Ob die
Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten Raum für eine solche Auslegung bietet,
kann nicht vom Revisionsgericht entschieden werden."
44
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2008 a.a.O., KStZ 2009, S. 16, 18.; zum letzten
Absatz ähnlich: Urteil vom 17. September 2008, - 9 C 13.07 -, Nr. 14 S. 7 des
Urteilsabdrucks.
45
Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 17. September 2008 - 9 C
13.07 - hinsichtlich der Anforderungen an die Erst- und Zweitwohnung nach dem
Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern hinsichtlich der
Zweitwohnungsteuersatzung für die Hansestadt S. entscheiden:
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"(...) In diesem Sinne macht die Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten in ihrer
Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht die Steuerpflicht "überschießend" davon
abhängig, dass nicht nur eine als Hauptwohnung angemeldete Erstwohnung vorhanden
ist, sondern dass der Steuerpflichtige darüber hinaus Inhaber dieser Erstwohnung mit
eigener Verfügungsbefugnis sein muss. Dies verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.
Der Satzungsgeber kann zugunsten der Steuerpflichtigen davon ausgehen, dass die im
besonderen Aufwand der Innehabung einer Zweitwohnung zum Ausdruck kommende
Leistungsfähigkeit typischerweise geringer ist, wenn nur die Zweitwohnung, nicht
jedoch die Erstwohnung im Sinne einer Verfügungsbefugnis innegehabt wird, vielmehr
dort lediglich die tatsächliche Möglichkeit besteht, das Grundbedürfnis Wohnen zu
decken. Auch steht der Gleichbehandlungsgrundsatz (...) der Normierung
unterschiedlicher Voraussetzungen für die Steuerpflicht in unterschiedlichen
Körperschaften nicht entgegen. Denn Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine Gleichbehandlung
nur innerhalb des jeweiligen Rechtssetzungsbereichs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.
März 1976 - 1 BvR 355/67 - BVerfGE 42, 20 <27>). Schließlich entfällt der für eine
Aufwandsteuer verfassungsrechtlich gebotene örtliche Bezug nicht deshalb, weil die
Inhaberschaft an der - gegebenenfalls außerhalb des Gemeindegebiets liegenden -
Hauptwohnung ein Merkmal des Steuertatbestandes in seiner Auslegung durch das
Oberverwaltungsgericht ist. Die Innehabung der Hauptwohnung wird dadurch nicht zum
Gegenstand der Besteuerung, sondern zum Abgrenzungskriterium für eine Besteuerung
der im Gemeindegebiet belegenen Zweitwohnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.
Dezember 1983 a.a.O. S. 349 f.)."
47
Vgl. BVerwG, weiteres Urteil vom 17. September 2008, - 9 C 13.07 -, Nr. 14 S. 7 des
Urteilsabdrucks.
48
Dieser Rechtsprechung schließt sich das erkennende Gericht an. Unter Beachtung
dieser Maßgaben bei der Anwendung des im Streitfall maßgeblichen Satzungsrechts
erfolgte die Veranlagung der Klägerin zu Recht. Die Zweitwohnungsteuersatzung der
Stadt E. stellt nach ihrem Wortlaut und Sinn für die Erstwohnung keine weitergehenden
Voraussetzungen etwa an die Verfügungsbefugnis oder die Ausstattung auf. § 2 Abs. 1
ZwStS knüpft nach seinem bereits genannten Wortlaut für den Begriff der Zweitwohnung
in lit. a) und lit. b) nur an die dem Eigentümer oder Hauptmieter im Sinne des
Melderechts dienende Nebenwohnung, in lit. c) an das Innehaben einer neben der
Hauptwohnung im vorgenannten Sinne zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs
oder des der Familie dienenden - weiteren - Wohnung an. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1
ZwStS ist derjenige Steuerpflichtig, wer (...) eine Zweitwohnung (...) innehat.
Ausdrücklich ist nach Satz 2 der Norm Inhaber einer solchen Zweitwohnung, dessen
melderechtlichen Verhältnisse diese Beurteilung bewirken oder der Inhaber einer
solchen im Sinne von § 2 Abs. 1 lit. c) ist. § 2 Abs. 3 ZwStS definiert Wohnung als jeden
umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Insoweit kommt es
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für die Erstwohnung nicht auf eine rechtlich gesicherte Verfügungsmacht an, da die §§
1, 2 Abs. 1 lit. a) bis c), und 3 ZwStS allein die Inhaberschaft einer Zweitwohnung zur
Voraussetzung des Steuertatbestandes machen. Auch ist keine bestimmte
Mindestausstattung der Räumlichkeit(en) - wie etwa eine Kochnische oder Küche oder
Toilette bzw. ein Bad - notwendig. Die Satzungsbestimmungen stellen damit
zulässigerweise vordringlich auf die melderechtlichen Voraussetzungen ab. Diesen
melderechtlichen Bezug hat auch das BVerfG in seiner Entscheidung vom 11. Oktober
2005 - 1 BvR 1232/00 und 1 BvR 2627/03 -, nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Danach darf die Zweitwohnungsteuer nicht für Wohnungen erhoben werden, die eine
verheiratetet und nicht dauernd getrennt lebende Person aus beruflichen Gründen
innehat und vorwiegend nutzt, solange deren eheliche Wohnung die Hauptwohnung ist
und sich außerhalb des Stadtgebietes befindet; dies stellt eine Verletzung von Art. 6
Abs. 1 GG dar.
Vgl. BVerfG, BVerfGE 114, S. 316 ff, 333 ff.
50
Angesichts dessen dringt die Klägerin nicht mit ihren Einwänden durch, als Studierende
mit einem Kinderzimmer im elterlichen Haushalt über keine Zweitwohnung zu verfügen
sowie wirtschaftlich nicht besonders leistungsfähig zu sein.
51
Die Klägerin hat selbst darauf hingewiesen, in der Zeit vom 1. Oktober 2001 bis Ende
Februar 2003 in ihrer E2. Wohnung in der "I. Straße ***" gewohnt zu haben, für die sie
dort mit Nebenwohnsitz gemeldet gewesen war. Damit erfüllte sie den Steuertatbestand.
52
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2008 - 9 C 17.07 -, KStZ 2009, S. 16, 18; BFH,
Urteil vom 5. März 1997 - II R 41/95 -, NVwZ-RR S. 331.
53
Im Übrigen kann dahinstehen, ob sich die Klägerin während des
Veranlagungszeitraums angesichts ihrer Aufenthaltszeiten in E. bzw. im elterlichen
Haus unter ihrer G. Anschrift an ihrem Studienort tatsächlich mit Hauptwohnsitz hätte
anmelden müssen. Denn gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen i.V.m. § 40 der
Abgabenordnung (AO) ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den
Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches
Gebot oder Verbot - hier die Meldevorschriften - oder gegen die guten Sitten verstößt.
54
Die Klägerin kann sich gegen die Zweitwohnungsteuerpflicht im Übrigen nicht auf den
genannten Beschluss des BVerfG berufen. Zunächst kann dahinstehen, ob die
Zweitwohnungsteuersatzung der Stadt E. deshalb teilweise nichtig ist, weil sie die
Vorgaben dieser Rechtsprechung des BVerfG nicht ausdrücklich umsetzt und
berufstätige Eheleute, die ihren Hauptwohnsitz außerhalb des Stadtgebietes haben,
nicht von der Steuerpflicht ausnimmt. Aus diesem Grund ist die
Zweitwohnungsteuersatzung der Stadt E. nicht insgesamt nichtig. Zum einen bedurfte
es keiner ausdrücklichen Ausnahmeregelung von der Zweitwohnungsteuerpflicht
jedenfalls bei solchen Satzungen, die - wie vorliegend - bis zum Bekanntwerden der
Entscheidung des BVerfG erlassen worden sind. Die Satzungsbestimmungen lassen
sich geltungserhaltend dahin auslegen, dass diese nicht das Innehaben von
Erwerbszweitwohnungen von Verheirateten erfassen, die nicht dauernd von ihrer
Familie getrennt leben.
55
Vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 21. Mai 2008 - 2 LB 1/08 -, NVwZ-RR 2008, S. 816 f.;
56
BayVGH, Beschluss vom 8. Juni 2007 - 4 ZB 07.899 -, Juris.
Als unverheirateter Studierender steht der Klägerin das Grundrecht auf Schutz der Ehe
nicht zur Seite. Die Besteuerung greift auch nicht rechtswidrig in ihr Grundrecht auf
familiäres Zusammenleben ein. Sie war im Gegensatz zu Verheirateten mit einer aus
beruflichen Gründen gehaltenen Nebenwohnung außerhalb ihres Ortes des
Hauptwohnsitzes auch nicht aus zwingenden Gründen des Melderechts gehalten, ihre
Nebenwohnung am Ort ihres Studiums anzumelden. Denn im Unterschied zu dieser
Personengruppe greift keine § 16 Abs. 2 Satz 2 des Meldegesetzes für das Land
Nordrhein- Westfalen vergleichbare Bestimmung, die unabhängig von den tatsächlichen
Aufenthaltszeiten nur einen einzigen Hauptwohnsitz für unverheiratete Studierende
anordnet. Nicht der Tatbestand eines - angesichts der Ausbildung an einem anderen Ort
als dem ihrer Familie gelockerten - Zusammenlebens mit ihrer Eltern führt zur
Besteuerung, sondern - wie in allen sonstigen Fällen der Meldung eines
Nebenwohnsitzes auch - diese Tatsache als solche sowie der im Vergleich zum
Hauptwohnsitz nicht überwiegende Aufenthalt dort. Insoweit führen im Falle der
Klägerin keine zwingenden Vorgaben des Melderechts zu einer Anmeldung an ihrem
Studienort mit Nebenwohnsitz, weshalb eine Diskriminierung der Familie ausscheidet.
57
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. November 2008 - 14 A 2434/08 -, Seite 3 des
Abdrucks.
58
Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich auch deshalb von dem vom BVerfG
entschiedenen, weil die Inanspruchnahme einer Zweitwohnung hier allenfalls opportun
oder wünschenswert war, nicht aber aus beruflichen Gründen melderechtlich zwingend
erforderlich.
59
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Mai 2007 - 14 A 2608/05 -, ZKF 2007, S. 186.
60
Ferner liegt in der Besteuerung der Klägerin auch keine Ungleichbehandlung im Sinne
des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie gegenüber
Studierenden, die in E. sowohl mit Haupt- als auch Nebenwohnsitz gemeldet sind,
herangezogen werde. In solchen Fällen ist die Gemeinde gerade aus
Gleichheitsgründen gehalten, auch von ortsansässigen bzw. einheimischen Inhabern
einer Zweitwohnung Zweitwohnungsteuern zu erheben. Dies gilt auch angesichts der
Notwendigkeit einer Zweitwohnung aus beruflichen Gründen oder aber wegen
Ausbildungszwecken. Gerade wenn diese Zweitwohnungsinhaber nicht besteuert
würden, läge ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor.
61
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 -, BVerfGE 65, S. 325,
355 ff.
62
Die Klägerin war im noch interessierenden Zeitraum der Besteuerung vom 1. Nov-
ember 2001 bis zum 31. Januar 2003 ihren eigenen Angaben zufolge als Mieterin der
Wohnung in der "I. Straße ***" Inhaberin einer Zweitwohnung im E1. Stadtgebiet. Damit
hat sie den Steuertatbestand des "Innehaben(s) einer Zweitwohnung" erfüllt, die sie
neben der formalen Meldung als Nebenwohnung auch tatsächlich zu Wohnzwecken
genutzt hat. Inhaberschaft einer (Zweit-)Wohnung erfordert die tatsächliche wie auch
rechtliche Verfügungsmacht über eine solche.
63
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. April 1993 - 22 A 3850/92 -, NVwZ-RR 1994, S. 43 ff.;
64
BayVGH, Urteil vom 22. Juni 2007 - 4 BV 06.2954 -, BayVBl. 2007, S. 724, 725.
Der Einwand, in E. keine Zweitwohnung gehabt zu haben, verfängt nicht. In ihrer
"Erklärung zur Zweitwohnungssteuer" vom 11. August 2002 hat die Klägerin selbst
angegeben, am 25. Oktober 2001 eine Nebenwohnung angemeldet zu haben. Dies wird
durch den sie betreffenden Melderegisterauszug bestätigt, wonach sie in der "I. Straße
***" in E. mit Neben- und unter ihrer G. Anschrift weiterhin mit Hauptwohnsitz gemeldet
gewesen war.
65
Schließlich ist die Berechnung und Festsetzung der Steuer nicht zu beanstanden.
Ausgehend von einer durch die Klägerin angegebenen monatlichen Nettokaltmiete über
330,00 DM hat der Beklagte gemäß § 4 Abs. 1 ZwStS bei einem Steuersatz von 12 vom
Hundert (§ 5 ZwStS) und auf den nächstniedrigen, durch 12 teilbaren abzurundenden
vollen DM-Betrag (vgl. § 7 Abs. 2 ZwStS) auf 72,00 DM, entspricht 36,81 EUR, für die
Monate November und Dezember 2001 festgesetzt. Entsprechendes gilt für den
Steuerzeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2002 ausgehend von einer
monatlichen Nettokaltmiete über 168,73 EUR und einem abgerundeten, durch 12
teilbaren Steuerbetrag in Höhe von 240,00 EUR. Für den Monat Januar 2003 hat der
Beklagte dementsprechend 12,00 EUR festgesetzt.
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Die Kostenentscheidung über den streitigen Teil folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO,
bezüglich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils aus § 161 Abs. 2 Satz 1
VwGO. Danach entspricht es billigem Ermessen, hinsichtlich der weitergehenden
Steuerfestsetzung für die Zeiträume vom 1. bis 31. Oktober 2001 über 18,41 EUR
wegen Geringfügigkeit sowie vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2003 über
insgesamt 220,00 EUR der Klägerin aufzuerlegen. Denn sie ist bezogen auf den zuletzt
genannten Zeitraum ihrer in § 9 Abs. 2 ZwStS normierten Pflicht, eine Steuererklärung,
die notwendigerweise zutreffend sein muss, hinsichtlich ihres Auszugs aus der
Nebenwohnung "I. Straße ***" am 28. Februar 2003 zunächst nach G1. und ab Sommer
jenes Jahres in die "I2.-------straße **" in E. erst im Verlauf des Klageverfahrens durch
weitere Unterlagen und Angaben zu ihrem Aufenthalt nachgekommen. Hätte sie diese
Angaben schon im Verwaltungsverfahren gemacht, wäre das Klageverfahren insoweit
entbehrlich gewesen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich
aus den §§ 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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