Urteil des VG Gelsenkirchen vom 06.01.2005

VG Gelsenkirchen: drohende gefahr, daten, entziehung, besitz, versicherung, entzug, diebstahl, form, datum, sperrfrist

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Schlagworte:
Normen:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 9 L 2340/04
06.01.2005
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
9. Kammer
Beschluss
9 L 2340/04
Führerschein, Ersatzführerschein, Register, Glaubhaftmachung
VwGO § 123 Abs. 1, VwGO § 123 Abs. 3, StVG § 2, FeV § 25 Abs. 1 Nr. 3
Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Bestehens einer
Fahrerlaubnis bei Beantragung eines Ersatzführerscheins
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
aufgegeben, dem Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung in der
Hauptsache einen Ersatzführerschein auszustellen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e:
Der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtete Antrag (wörtlich),
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem
Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren einen
Ersatzführerschein auszustellen,
hat Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen, wenn
die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die
Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert
werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um
wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen
Gründen notwendig erscheint. Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der
Anordnungsgrund sind nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der
Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht und hierzu in einer jedenfalls im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes ausreichenden Weise dargelegt, dass ihm ein Anspruch auf
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Ausstellung eines Ersatzführerscheins zusteht.
Dabei kann offen bleiben, ob die begehrte einstweilige Anordnung deshalb nicht ergehen
kann, weil mit ihr entgegen der vorläufigen Natur des Verfahrens einer Entscheidung in der
Hauptsache vorgegriffen würde, denn von diesen Grundsätzen kann ausnahmsweise
abgewichen werden, wenn auf andere Weise ein wirksamer Rechtsschutz nicht erreichbar
wäre und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Folgen führen würde.
Das ist hier der Fall.
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Ausstellung eines (Ersatz-) Führerscheins, mit
dem gem. § 2 Abs.1 S. 3 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - die Fahrerlaubnis
nachzuweisen ist, glaubhaft gemacht. Insbesondere geht die Kammer im vorliegenden
Verfahren davon aus, dass die Voraussetzung des § 25 Abs.1 Ziff. 3 der
Fahrerlaubnisverordnung - FeV - erfüllt ist, nämlich der Antragsteller im Besitz einer
deutschen Fahrerlaubnis ist.
Dem Antragsteller wurde unstreitig am 18. April 1968 vom Straßenverkehrsamt des
Antragsgegners eine Fahrerlaubnis der Klasse 3 erteilt. Der Antragsteller hat durch Vorlage
der eidesstattlichen Versicherung auch in ausreichender Weise glaubhaft gemacht, dass
ihm zwischenzeitlich die Fahrerlaubnis nicht entzogen worden ist. Mehr als eine
eidesstattliche Versicherung kann im Fall der Notwendigkeit eines solchen ​negativen"
Beweises nicht verlangt werden.
Die vom Antragsgegner demgegenüber vorgebrachten Bedenken, die sich auf Grund einer
Eintragung im Fahrerlaubnisregister des Antragsgegners ergeben, vermögen nicht
durchzugreifen. Laut Ausdruck aus dem Fahrerlaubnisregister sind dort außer den
allgemeinen Angaben zur Person und der Erteilung der Fahrerlaubnis folgende
Eintragungen enthalten:
Status 05 entzogen Entzug durch .
Sperrfrist 11.11.1911 KBA BZR Termin OKP
TÜV ab
Bemerkung
391-2-160/76 ENTZ: D.FE.170576
Auffällig ist, dass in diesem Auszug als Datum für die Sperrfrist der 11.11.1911 angegeben
ist und weiterhin lediglich Daten und Kürzel in dem Feld ​Bemerkung" eingetragen sind,
hingegen die eigentlich auszufüllenden Felder ​Entzug durch", ​KBA" und ​ab", die für eine
Nachprüfung der Angaben unerlässlich sind, keine Eintragungen enthalten. Was die
Zahlen und Kürzel im Feld ​Bemerkungen" angeht, so reichen sie in dieser Form nicht, um
eindeutig eine Entziehung der Fahrerlaubnis darzutun, denn bemerkenswerter Weise sind
sie ungenauer und nichtssagender als die Angaben zur Erteilung, was verwunderlich ist
bei der besonderen Bedeutung der Entziehung der Fahrerlaubnis für den
Fahrerlaubnisinhaber.
Insgesamt lässt sich danach die Richtigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis des
Antragstellers nicht belegen. So hat der Antragsgegner lediglich darauf verwiesen, dass im
Jahre 1968 das Fahrerlaubnisregister noch in Form von Karteikarten geführt worden und
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dann 1986 die Umstellung auf ein automatisiertes Datenverarbeitungsverfahren erfolgt sei,
wozu man sämtliche Daten manuell durch unterschiedliche Erfassungskräfte eingegeben
habe, was vor Vernichtung der Kateikarten von besonders qualifizierten Mitarbeitern
überprüft worden sei. 1998 sei dieses ADV-Verfahren durch das noch heute existierende
Programm abgelöst worden, wobei manuelle Eingaben bei der Datenübernahme nicht
erfolgt seien. Im Altverfahren seien Daten nicht gelöscht worden, so dass heute noch auf
diesen Bestand zurückgegriffen werden könne. Den Nachweis dafür, dass danach ein
Übertragungsfehler ausscheidet, hat der Antragsgegner jedoch mit diesem Vortrag allein
nicht erbracht.
Des weiteren hat der Antragsteller eine schriftliche Erklärung am 20. Dezember 2004
abgegeben, wonach er im Jahre 1988 einen Verkehrsunfall verursacht hatte und deshalb
gegen ihn ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft eingeleitet worden war.
Dieses Strafverfahren ist den Angaben des Antragstellers zu Folge dann eingestellt
worden. Die Annahme, dass im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens festgestellt worden
wäre, dass der Antragsteller nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, ist danach
gerechtfertigt. Schließlich stehen dem Antragsteller keinerlei Möglichkeiten zur Verfügung,
die ​negative" Tatsache, dass seine Fahrerlaubnis nicht entzogen worden ist, unter Beweis
zu stellen.
Angesichts dessen möglicherweise noch bestehende Zweifel daran, dass der Antragsteller
noch im Besitz der Fahrerlaubnis ist, müssen sich zu Lasten des Antragsgegners
auswirken, denn die Führung eines Fahrerlaubnisregisters mit eindeutigen Angaben und
Nachweisen liegt in seiner Sphäre. Gerade bei der Umstellung von Karteikarten usw. durch
datenmäßige Erfassung hätte - um Fehlerquellen und Manipulationen zu vermeiden -
sichergestellt werden müssen , dass die erforderlichen Daten eindeutig und
nachvollziehbar übertragen werden, d.h. auch, dass auf der Grundlage der Daten die
einzelnen Vorgänge verifiziert werden können.
Schließlich geht die Kammer davon aus, dass der Antragsteller seinen Führerschein am
23. Juli 2004 in den Niederlanden durch Diebstahl verloren hat. Dafür spricht das vom
Antragsteller vorgelegte Protokoll der niederländischen Behörde, das nach dem Diebstahl
des Fahrzeugs des Antragstellers aufgenommen wurde. Darin ist vermerkt, dass sich auch
der Führerschein des Antragstellers, sowie weitere Gegenstände in dem Fahrzeug
befanden.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.. Er ist ohne den
Ersatzführerschein gehindert, am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Im Hinblick
darauf und insbesondere auf Grund der Gehbehinderung des Antragstellers zu 50% stellt
dies eine erhebliche Beeinträchtigung dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1GKG n.F., wobei
wegen der nur vorläufigen Natur des vorliegenden Verfahrens die Hälfte des halben
Auffangwertes festgesetzt wird.